Schwarzes Hamburg

Schwarzes Hamburg => Archiv => Gedankenaustausch -Archiv- => Thema gestartet von: Kallisti am 05 Oktober 2010, 23:39:39

Titel: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 05 Oktober 2010, 23:39:39
So - wie fange ich das hier am besten an? Soll ich erst ausschließen, worum es mir nicht geht? - Ja. Also:

1. Ich möchte hier keinen Seelenstrip provozieren, d.h. ich möchte nicht eure persönlichen, privaten, intimen Leidensgeschichten lesen (wer sich aber persönlich äußern will, kann das selbstverständlich tun, nur: von meiner Seite soll es nicht als Aufforderung dazu verstanden werden!).

2. Ich möchte auf gar keinen Fall missverstanden werden in Richtung: ich würde meine Leidensgeschichten offenbaren wollen oder bemitleidet werden oder mich ins Licht der Aufmerksamkeit stellen wollen! Daher @messie ;)  werde ich hier sicher keine persönlichen Hintergründe offenlegen - so wenig wie ich das von euch erwarte (siehe 1.)! NEIN - das beides ist NICHT meine Veranlassung für dieses Thema.

3. - ? Also zu den eigentlichen Fragen:


Ich würde gerne von euch wissen, wie Menschen mit Krisen, "seelischen Erschütterungen", mit Traumata und Verzweiflung ... umgehen (können)? Wie ihr evtl. damit umgeht oder umgegangen seid? Welche Wege/Möglichkeiten es da heraus geben kann - abgesehen von: Verdrängung, Ablenkung, (religiösem) Glaube und Psychotherapie (und/oder Psychiatrie und/oder Psychopharmaka oder "Drogen").  - Ich möchte und muss dies alles ausschließen, da es für mich (alles) nicht in Frage kommt bzw. ich aus eigener Erfahrung weiß, dass es (bei) mir nicht hilft (bspw. kann/will ich nicht "glauben"/ bin ich nicht gläubig oder spirituell, außerdem kommen Drogen und Psychopharmaka für mich grundsätzlich nicht in Betracht; Ablenkung/Verdrängung wirkt, wenn überhaupt, nur kurze Zeit/nur vorübergehend und Psychotherapie hilft u.U. gar nicht - nicht nur bei mir nicht (unabhängig von der Dauer oder Art der Therapie oder des Therapeuten), wie ich immer häufiger (durch andere/bei anderen) feststellen kann - bitte keine Grundsatzdiskussion über die Wirksamkeit von Psychotherapie oder wenn, dann bitte an anderer Stelle - Danke!



Was meine ich mit Krisen:

Es ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, was wen wie stark und lange aus der Bahn wirft und warum. Aber nur als kleine richtungsweisende Beispiele möchte ich Folgendes als mögliche Ursachen nennen:

- schwere Erkrankung/Krankheit (körperlich oder seelisch, evtl. chronisch oder sogar tödlich) - eigene oder von (emotional) nahestehenden Menschen

- Verlust (durch Trennung oder gar Tod) von "emotional nahestenden" (geliebten) Menschen (evtl. mehreren innerhalb kurzer Zeit)

- Trauma durch bspw. schweren Verkehrsunfall (bei dem man u.U. das Sterben anderer Menschen "miterlebte" ...) oder durch Naturkatastrophe (Erdbeben, Wasser/Flut/Überschwemmung ...)

- Trauma durch Folter oder sonstige Misshandlung/Gewalt ...

- Trauma/Krise/Erschütterung durch Vertreibung, Flucht



Dies wie gesagt nur als Beispiele. Es gibt noch vieles andere (weniger "drastische" oder offensichtliche oder "plakative"), das Menschen in (schwere) Krisen "stürzen" kann, keine Frage.
Mir geht es auch nicht darum, diese Ursachen zu vergleichen oder zu bewerten oder zu ergründen, sondern:

Ich möchte wissen:

WIE ist es möglich (???), dauerhaft aus solchen "Krisen", aus solcher Verzweiflung, Selbstzweifeln, aus der "Schwäche", aus dem Tief herauszukommen? - Ist es euch evtl. schon ein Mal oder mehrmals gelungen? WIE??? Wie lange dauerte es, bis ihr aus der "Krise" herausfandet? Was/wer hat euch dabei geholfen? Gibt es heute  (noch oder immer wieder mal) "flashbacks"? Wenn ja, wie geht ihr damit um?


Und nein, ich meine hier nicht "Depression" - auch diese kann natürlich eine Krise sein oder in eine solche führen oder einer Krise folgen, aus ihr (Krise) resultieren. Aber ich meine, man kann "seelische Erschütterungen" (durch Widerfahrnisse - siehe oben ...), seelische Not nicht grundsätzlich und immer auf "Depression" reduzieren. Ich denke, es ist "mehr" als das oder einfach: etwas anderes.  ?


Sicher - man weiß heute, dass es bestimmte Charaktermerkmale gibt oder "Persönlichkeitsmerkmale" bzw. "-typen", die eher dazu neigen, aus Krisen (leichter, besser, weniger beschadet) herauszukommen (als es bei anderen Persönlichkeitstypen der Fall ist). Die Frage ist aber für mich - ist das alles? Bzw. worin liegt es begründet, dass solche Persönlichkeitstypen es durch die bekannten Verhaltensweisen schaffen und andere nicht bzw. andere diese Verhaltensweisen nicht "haben"? Hat das alles wieder mal mit Prägung/Erfahrungen in der Kindheit zu tun oder womit? Wovon hängt es ab?

Und davon aber eben abgesehen - also: unabhängig von diesen Persönlichkeitstypen - was könnte "allgemein" Menschen aus schweren Krisen heraushelfen und warum? Denn, ich denke, dass es Derartiges wohl doch gibt - bei aller Individualität! 


                                                                                                                           

                                                                                                                                     ?



Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: olli am 06 Oktober 2010, 01:51:50

ich habe keine persönlichen leidensgeschichten. aber mitgefühl für deine.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: messie am 06 Oktober 2010, 02:19:37
Hmmm - ich habe schon so einige emotionalen Krisen hinter mir, die schlimmsten waren aber für mich subjektiv immer der Liebeskummer.

Zitat
Ablenkung/(...) wirkt, wenn überhaupt, nur kurze Zeit/nur vorübergehend

Ja, das ist doof, nicht wahr? :) Das wäre ja eigentlich die ideale Lösung: Sich so lange ablenken, bis der ganz große Schmerz nachgelassen hat und er dann so erträglich geworden ist, dass man stark genug dafür ist, sich ihm zu stellen.

Ganz ehrlich: Eine Patentlösung habe ich dafür auch nicht gefunden. Bei mir war's dann immer eine Mischung aus sich "ausbluten", also mir zu sagen dass es eine Extremsituation ist und ich einfach mal n paar Tage durchheulen / durchschlafen / alles hassen darf und aus Ablenkung durch irgendwelche Dinge, die halt trotzdem gemacht werden müssen (Arbeit, Abwasch im Haushalt, Bügeln, etc. pp.).
Als ich noch den WDR reinbekam, habe ich mir just in solchen Situationen mit großer Wonne Domian angesehen, weil mir dann wieder mal bewusst wurde, dass es da draußen Menschen gibt, denen es noch beschissener gehen kann. Wenn man Liebeskummer hat, aber dort von Leuten erfährt, die gerade z.B. alles verloren haben weil ihnen das Haus abgebrannt ist oder gerade einen Selbstmordversuch hinter sich haben, etc. pp., dann erscheinen einem in dem Augenblick die eigenen Probleme irgendwie nicht mehr ganz so schlimm. Irgendeine Geschichte pro Sendung ist immer heftig dort.


Zitat
Und davon aber eben abgesehen - also: unabhängig von diesen Persönlichkeitstypen - was könnte "allgemein" Menschen aus schweren Krisen heraushelfen und warum?

Da gab es in meinem Leben eigentlich nur einen verlässlichen Verbündeten: Die Zeit.

Eigentlich klingt es theoretisch ganz einfach: Da mit zunehmender Dauer die Seele ohnehin sich selbst quasi "repariert" und aus Selbstschutz die allerschlimmsten Gefühle auf Dauer begräbt, bzw. nicht mehr zulässt, heißt es da "nur": Durchhalten!
Dummerweise ist das alles andere als einfach. Je größer das (akute) Trauma, je stärker die seelische Erschütterung, desto schwieriger wird's.
Bei mir hat dieser Liebeskummerschmerz jedes Mal ca. ein halbes Jahr gedauert, und egal was ich versucht hatte, die Zeit ließ sich einfach nicht abkürzen. Es scheint bei mir einfach jene Zeit zu sein die das Ding, was man Seele nennt, bei mir braucht, um sich wieder hinreichend selbst repariert zu haben diesbezüglich, und da lässt die sich halt auch einfach mal so gar nicht hetzen. Sie hat halt ihr Tempo, und wenn man's schneller haben will, zeigt sie einem einfach mal den Stinkefinger.

Wenn das halbe Jahr aber um war, war ich dann tatsächlich über'n Berg - und das unabhängig davon, wie intensiv die Verbindung zuvor bestand oder dass mir immer bewusst gewesen wäre, dass nun tatsächlich wieder 6 Monate rum waren, als ich das letzte Mal akute Schmerzen in dem Punkt verspürte.

Bei anderen Schockmomenten ging's bei mir wiederum merkwürdigerweise, teils deutlich, schneller: Der Tod auch naher Verwandter beispielsweise traf mich nie so sehr wie es Liebeskummer tat. Trauerarbeit funktionierte bei mir immer sehr schnell (maximal 4 Wochen).
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: CubistVowel am 06 Oktober 2010, 09:34:15
Da gab es in meinem Leben eigentlich nur einen verlässlichen Verbündeten: Die Zeit.

Dem kann ich aus eigener Erfahrung bei bestimmten Vorkommnissen wie z. B. Todesfällen zustimmen: Aushalten. Durchhalten. Die negativen Gefühle zulassen - nicht verdrängen. Vor allem: drüber reden (hilft mir zumindest immer.)

Verdrängung oder Ablenken funktioniert bei echten Traumata nicht. Die kommen immer wieder hoch und lassen sich nicht einfach wegschieben, auf dass die Seele sich von allein heile. Manche Dinge (z. B. Missbrauch, Misshandlung in der Kindheit) kommen sowieso oft erst Jahrzehnte später (wieder) an die Oberfläche - oft nachdem sie es einem Menschen von jeher unmöglich gemacht haben ein normales Leben zu führen. Die Auswirkungen eines Traumas sind oft unterschwellig/unbewusst, sie sind immer noch da und wirken sich negativ aus, auch wenn man bewusst/oberflächlich nicht mehr daran denkt.

@ Kallisti: Im Zusammenhang mit dem Thema Trauma kann man den Bereich "Depression" nicht ausschließen, glaube ich, da traumatische Erfahrungen (unbehandelt) aus den oben genannten Gründen oft zu Depressionen führen.

Ich persönlich habe gute Erfahrungen gemacht mit meinem Psychotherapeuten. Gemeinsam konnten wir viele schlimme Erfahrungen aus meiner Kindheit besprechen, analysieren und ihre "Nachwirkungen" feststellen. Davon verschwindet das Trauma zwar nicht, aber man lernt damit umzugehen. Zudem haben mir zeitweise eingesetzte Antidepressiva immer über die schlimmsten Zeiten hinweg geholfen. Antidepressiva machen nicht abhängig, helfen aber auch nicht jedem. Eine derartige Analyse, wie ich sie bald hinter mir habe, ist aber eine schwere und langwierige Arbeit an sich selbst, das dauert viele Jahre. Ich denke allerdings, dass die reine Überwindung eines bestimmten, eng umrissenen Traumas kürzer dauern könnte.

Wenn man mit keinem Fachmann drüber reden will, sollte man wenigstens mit anderen Menschen drüber reden. Auf keinen Fall verdrängen! Internetforen zum Thema oder Selbsthilfegruppen helfen oft weiter, ich selbst finde es immer schön mit Gleichgesinnten zu reden/schreiben, denen man das Problem nicht erst groß erklären muss, und deren Erfahrungen für einen selbst auch hilfreich sind.

@ Messie: Die Tatsache, dass es anderen Menschen noch schlechter geht, rückt das eigene Problem zwar in ein anderes Licht, in eine andere Perspektive, hilft aber nicht wirklich auf Dauer. Das eigene Problem ist letztlich meistens wichtiger als das der anderen. Ist zumindest meine eigene Erfahrung. ;)
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: messie am 06 Oktober 2010, 10:18:34
Zitat
@ Messie: Die Tatsache, dass es anderen Menschen noch schlechter geht, rückt das eigene Problem zwar in ein anderes Licht, in eine andere Perspektive, hilft aber nicht wirklich auf Dauer. Das eigene Problem ist letztlich meistens wichtiger als das der anderen. Ist zumindest meine eigene Erfahrung.  ;)

Auf Dauer hilft nichts alleine ...
Ist jetzt auch nur für den akuten "Notfall" gedacht, bzw. so habe ich es gehalten. Eben dann, wenn es mir ganz akut mal so richtig dreckig ging, dann tat es -gemein eigentlich, aber so ist es halt- ganz gut zu wissen, dass das Problem im Vergleich zu anderen ja irgendwo noch klein ist. Es wirkt dann eben nicht mehr zwölf Meter groß sondern nur noch zwei, und über so zwo Meter lassen sich ja irgendwo dann wuppen, ne? ;)

Zu richtigen Traumata mag ich auch nix sagen wollen. Solche zu verarbeiten ist nicht selten eine echte Lebensaufgabe, wie man diese am besten verarbeitet, können Profis viel, viel besser beantworten als ich Laie in diesen Dingen. Ich kann nur sagen was mir half bei diversen Krisen wie Todesfällen, Liebeskummer oder einer durchgefallenen Prüfung (selbst wenn es nur kleine sein sollten, in dem Augenblick kommt sie einem vor wie das Wichtigste der Welt und man sich selbst wie der größte Versager der Welt ...), aber wie z.B. eine echte Depression am besten bekämpfbar ist kann ich nicht sagen, schließlich hatte ich nie eine und weiß deswegen nicht was mir da helfen würde und schon gar nicht, was die besten Auswege für andere Personen wären.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 06 Oktober 2010, 10:45:41
@olli

... Kein Bedarf an deinem "Mitgefühl". Aber vielleicht täte dir die ein oder andere Krise mal ganz gut, denn ...


@all

...  ich bin ja der Meinung, durch Leid entwickelt man (Mensch) sich (zwangsläufig/gezwungenermaßen) weiter. Es kommt jedoch darauf an, wie groß/schwer das Paket ist bzw. wieviele Pakete man auf einmal schleppen muss - wenn das Gepäck zu schwer wiegt (für die eigene "Konstitution"), bricht man natürlich (auch: zwangsläufig) darunter zusammen.

Und: Krisen sind nichts, wofür man sich schämen, die man "verheimlichen", verbergen müsste. Denn es trifft einen nicht unbedingt immer selbst Schuld an der (Entstehung einer) Krise. Wie ich schon sagte: Es gibt im Leben der meisten Menschen irgendwann (oft auch mehrmals) "Widerfahrnisse", die sich nicht beeinflussen oder steuern oder abwenden/vermeiden lassen bzw. können. So ist das Leben - man wird mit/von Begebenheiten, Ereignissen, vollendeten Tatsachen einfach auch "mal" (dann und wann) konfrontiert oder davon "überrollt" ... !


Wenn man daher glaubt, keine eigenen, persönlichen) Krisen zu kennen @olli, belügt man sich etweder selbst (die anderen dann sowieso) oder hat bisher einfach Glück gehabt.

Sicher ist es aber auch immer eine Frage der subjektiven Betrachtung - was wer als Krise bezeichnet.



messie,

aha - ist ja interessant wie das bei anderen so abläuft. Dass es bei dir meistens ziemlich genau 6 Monate "Leidenszeit" sind (bei "Liebeskummer") und du mit Tod von dir nahestehenden Menschen besser zurechtkommst als mit Liebeskummer! - Das haut mich fast ein bisschen um. Bei mir ist es umgekehrt. Und ich habe auch eher den Eindruck, dass man mit dem Tod/Verlust eines geliebten Menschen (oder mehrerer) eigentlich niemals wirklich "klarkommt", niemals damit "abschließt" oder "darüber hinweg ist" - weil man sich an den Verstorbenen ja erinnert, erinnern bzw. ihn in Erinnerung behalten will (das ist für mich eine Art Versprechen, unausgesprochener Vertrag zwischen dem Verstorbenen und mir als "Zürückbleibende" - den Ausdruck "Hinterbliebene " mag ich nicht).
Ich empfinde das als eine Art "Loyalität" bzw. "Treue" dem Verstorbenen gegenüber, die ich ihm freiwillig "schulde" bzw. "zukommen lasse". Er hat zwar nichts mehr davon, weiß nichts davon, aber er hofft es vielleicht (unmittelbar) VOR seinem Tod (so er seinen Tod "kommen sah" ...)! Also eine Art "letzter Wunsch" (nicht vergessen zu werden ...).

Daher kann ich mich also nie ganz davon "freimachen" - weil ich es im Grunde auch nicht will. Man will zwar nicht freiwillig leiden, aber man tut es zwangsläufig, wenn man sich an das Leid des Verstorbenen erinnert, man fühlt sozusagen immer noch "mit ihm" seinen Schmerz... Und man leidet ja auch, weil man sich selbst bemitleidet (den eigenen Verlust, dass man den Anderen nicht mehr sehen, ihm nichts mehr sagen, nichts mehr mit ihm erleben ... kann - nie mehr - und dass es eben so endgültig ist und auch kein "Hintertürchen" oder irgendeine Möglichkeit mehr gibt. Ist jemand tot, ist die Tür zu - unwiderruflich und für immer - egal, was da vlt. noch hätte sein sollen, können, müssen, wollen ...).

Mit dieser Endgültigkeit des Todes ist es schwer, umzugehen - finde ich.

Daher ist das mit "Die Zeit heilt alle wunden" auch so eine Sache ... (die meiner Ansicht und Erfahrung nach eben so nicht immer zutrifft).



@CubistVowel


... ja, das sehe ich genau wie du:


Zitat
(...) Aushalten. Durchhalten. Die negativen Gefühle zulassen - nicht verdrängen. Vor allem: drüber reden (hilft mir zumindest immer.)

Verdrängung oder Ablenken funktioniert bei echten Traumata nicht. Die kommen immer wieder hoch und lassen sich nicht einfach wegschieben, auf dass die Seele sich von allein heile. Manche Dinge (z. B. Missbrauch, Misshandlung in der Kindheit) kommen sowieso oft erst Jahrzehnte später (wieder) an die Oberfläche - oft nachdem sie es einem Menschen von jeher unmöglich gemacht haben ein normales Leben zu führen. Die Auswirkungen eines Traumas sind oft unterschwellig/unbewusst, sie sind immer noch da und wirken sich negativ aus, auch wenn man bewusst/oberflächlich nicht mehr daran denkt.

(CubistVowel)


Zitat
(...) ich selbst finde es immer schön mit Gleichgesinnten zu reden/schreiben, denen man das Problem nicht erst groß erklären muss, und deren Erfahrungen für einen selbst auch hilfreich sind.

(CubistVowel)


Auch das sehe ich genau so! :)  Allerdings ist es nicht immer ganz einfach, Gleichgesinnte/Gleichbetroffene erst einmal zu finden, dann zu kontaktieren. Und ich mag es da lieber direkt/"real" als per Internet. Internetkontakte "reichen" mir da nicht bzw. sind nicht das, das ich für mich als geeignet finde (das Thema "Krisen" ... betreffend).


Was Therapien angeht - da habe ich andere (negative) Erfahrungen gemacht, aber auch aus meinem Bekanntenkreis unterschiedliche mitbekommen - manche sagen, es hat ihnen geholfen, andere kommen trotz dieser "professionellen Hilfe" nicht heraus (aus "der Krise", den Problemen/der psychischen Belastung, den Altlasten ihrer Vergangenheit/Biographie ...) - und das, obwohl sie selbst "vom Fach" sind!!



Zitat
@ Messie: Die Tatsache, dass es anderen Menschen noch schlechter geht, rückt das eigene Problem zwar in ein anderes Licht, in eine andere Perspektive, hilft aber nicht wirklich auf Dauer. Das eigene Problem ist letztlich meistens wichtiger als das der anderen.
(CubistVolwel)


Auch dem stimme ich zu. Vor allem ist es einfach so, dass das eigene Problem deshalb "wichtiger" ist, weil man selbst eben genau damit leben muss (oder will), weil man selbst eben dieses Paket trägt, tragen muss!!




Wie verhält es sich eurer Meinung nach mit "Trost"? Was genau ist Trost und kann er (dauerhaft) helfen? Wenn nein, warum nicht?

Ich denke, es ist letztlich immer dasselbe: Man ist mit seinem Leben, seiner Psyche, seinen Erfahrungen, seinen Prägungen, seiner Art zu sein (Wesen, Charakter), seinem Körper doch letzten Endes immer alleine - egal, ob und wieviele Menschen (Freunde, Partner, Familie ...) man "hat". Die anderen können einem den Schmerz (egal ob physisch oder psychisch) eben nicht abnehmen, so wenig wie das eigene Leben oder den eigenen Tod.

Man ist letztlich immer auf sich selbst zurückgeworfen und muss mit "all dem" in letzter Konsequenz doch immer ALLEINE bzw. SELBST klarkommen!

Die Frage ist für mich eben nach wie vor nur: WIE? Wie schaffen es Menschen???


@CubistVowel

... Was an deiner Therapie/Analyse also hat dir genau geholfen (mit den Problemen ... umzugehen, zu leben, leben zu können!)?? - Ich will also nicht wissen, was alles passiert ist (wenn, dann nur per PN - sonst gibt es hier gleich wieder allgemeine Schelte ;) ), sondern eben: WIE man damit umgehen kann, wie man damit (trotzdem "gut") leben kann?
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: sYntiq am 06 Oktober 2010, 11:01:13
ich habe auch eher den Eindruck, dass man mit dem Tod/Verlust eines geliebten Menschen (oder mehrerer) eigentlich niemals wirklich "klarkommt", niemals damit "abschließt" oder "darüber hinweg ist" - weil man sich an den Verstorbenen ja erinnert, erinnern bzw. ihn in Erinnerung behalten will ...

Hier ist es natürlich wieder Definitionssache. Was ist für dich "darüber hinweg" "abschliessen" etc?
Für mich klingen deine Ausführungen ein wenig nach "Abschliessen= Nie mehr an die Person erinnern dürfen" etc.

Wenn ich über den Tod einer Person hinweggekommen bin, heisst es für mich nur, dass ich akzeptiert habe dass die Person tot ist. Ich komm damit klar, denk aber trotzdem gern an die Person zurück.

Oder bekommst du auch, wenn du nach 10-20 Jahren an eine verstorbene Person zurückdenkst, noch das grosse Heulen als wäre der Tod gerade eben passiert?

Wenn du jetzt verheiratet wärest, und dein Partner stirbt. Heisst das dann für dich dass du nie wieder heiraten darfst etc? Dass eien neue Heirat dann quasi Verrat an dem verstorbenen Partner wäre?
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: messie am 06 Oktober 2010, 11:08:51
Zitat
...  ich bin ja der Meinung, durch Leid entwickelt man (Mensch) sich (zwangsläufig/gezwungenermaßen) weiter.

Wenn man es schafft es zu überwinden, ja. Wenn nicht - eher nicht ...
Ich behaupte, dass alle Hürden, die man im Leben vor sich hat, einen weiterbringen, so es einem gelingt, sie zu überwinden.
Jede erfolgreiche Prüfung bringt einen weiter, jedes aufgeschobene unangenehme Gespräch, jeder Streit den man zuvor gemieden hatte. Das Ergebnis ist letztlich immer dasselbe, Erfolgserlebnisse, und gerade das Überwinden einer Krise ist ein riesiges Erfolgserlebnis! Dadurch wächst man ganz automatisch.
Zumindest kommt mir persönlich das so vor. :)

Ich könnte allerdings gut und gerne auf Leid verzichten! Vielleicht macht es einen robuster für spätere Schicksalsschläge, aber ein Leben ohne solche lässt es doch eher auf ruhiger See verbringen als mitten in einem Sturm, in dem man ständig zu kentern droht.

Zitat
Und ich habe auch eher den Eindruck, dass man mit dem Tod/Verlust eines geliebten Menschen (oder mehrerer) eigentlich niemals wirklich "klarkommt", niemals damit "abschließt" oder "darüber hinweg ist" - weil man sich an den Verstorbenen ja erinnert, erinnern bzw. ihn in Erinnerung behalten will  (...)

Och, verstehe mich da nicht falsch: Ich erinnere mich an mir ehemals nahegestandene Verstorbenen, sehr gerne sogar. Aber ich leide nicht lange! Ich denke dann mit Wärme im Herzen zurück und erfreue mich daran, mit dieser Person Zeit geteilt zu haben, die für beide eine schöne war. Dass sie jetzt vorbei ist, ist zwar schade, aber daran ändern kann ich ja nichts mehr, und irgendetwas anders machen dass diese Person nicht stirbt hätte ich ja auch nicht können.
Das ist bei Liebeskummer anders: Da hängt immer noch dieses "was hätte ich anders machen können?" in der Luft und auch in der Zeit unmittelbar danach immer noch diese hartnäckige Hoffnung, obwohl man insgeheim ja doch weiß, dass es keinen Sinn mehr macht. Gleichzeitig ist die andere Person ja da, man begegnet ihr meist ja doch immer wieder, und so reißen Wunden ständig wieder von Neuem auf.
Trauernarben können da, zumindest bei mir, sehr viel ruhiger verheilen. :)
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: CubistVowel am 06 Oktober 2010, 12:03:42
@CubistVowel

... Was an deiner Therapie/Analyse also hat dir genau geholfen (mit den Problemen ... umzugehen, zu leben, leben zu können!)?? - Ich will also nicht wissen, was alles passiert ist (wenn, dann nur per PN - sonst gibt es hier gleich wieder allgemeine Schelte ;) ), sondern eben: WIE man damit umgehen kann, wie man damit (trotzdem "gut") leben kann?


Ich hatte bzw. habe, glaube ich, unheimlich Glück mit meinem Therapeuten. Ich kann jetzt speziell gar nicht sagen, was mir im Einzelnen geholfen hat, dazu war es einfach zu viel.

Aber was mir allgemein bei der Therapie geholfen hat:
 
dass es ausschließlich um mich und meine eigenen Gefühle ging; d. h. alle Gefühle waren zulässig, keine Gefühle schlecht oder gar "falsch"; ich konnte alles beim Namen nennen, ohne auf jemanden Rücksicht nehmen zu müssen. Das allein war schon sehr befreiend. Außerdem war es eine ziemlich neue Erfahrung für mich, dass jemand so gänzlich und vorbehaltlos auf meiner Seite stand und mich, meine Gefühle und Gedanken ernst nimmt. (Mein Therapeut hat mir nie das Gefühl gegeben, dass er ein bezahlter Zuhörer ist. Solche gibt's leider auch.)

dass durch die Fragen des Therapeuten meine eigene Sicht auf mein heutiges Leben und meine Vergangenheit anders geworden ist. Man selbst grübelt zwar, schmort dabei aber immer "im eigenen Saft", die Gedanken drehen sich im Kreis, man kommt nicht weiter. In einigen Fällen hat die Therapie meine Sicht sogar völlig umgedreht. Ein sehr schmerzhafter Prozess übrigens, das Ganze, und noch nicht (wahrscheinlich nie) abgeschlossen.

Als (Zwischen-)Fazit der Therapie würde ich sagen: Sie hat mich selbst in den Mittelpunkt meines eigenen Lebens gerückt, vorher befanden sich dort nämlich andere. Ich denke mehr darüber nach, was wirklich wichtig ist in meinem Leben, womit und mit wem ich meine Zeit verbringen will. Ich habe auch gelernt bzw. bin dabei zu lernen, bestimmte Dinge, die ich nicht ändern kann hinzunehmen. Das gilt nicht nur für die großen Schicksalsschläge, sondern auch für alltägliche Dinge.

Was die MS angeht, bin ich in einem ähnlichen Prozess - ich bin wirklich froh, dass ich den Therapeuten habe. Die Diagnose Mitte 2008 war ein furchtbarer Schlag, vor allem auch, weil meine Mutter seit vielen Jahren mit derselben Diagnose im Rollstuhl sitzt. Da tauchen dann neben den eher nebelhafteren Ängsten plötzlich ganz konkrete Sorgen auf, besonders natürlich Zukunftsängste gesundheitlicher und finanzieller Art. Zurzeit fällt es mir allerdings extrem schwer, mich überhaupt mit dieser Krankheit auseinander zu setzen, obwohl ich vom Kopf her weiß, dass Verdrängung nichts nützt.


Noch mal zu den Todesfällen: Auch ich bin bisher nicht wirklich über bestimmte Todesfälle hinweg gekommen. Bei mir liegt es daran, dass ich nach dem Tod Schuldgefühle entwickelt habe (ähnlich wie Messie bei Liebeskummer): Hätte ich eigentlich nicht viel mehr machen müssen, mich mehr kümmern, netter sein müssen...? Mit solchen Gedanken kann man sich ganz toll selbst quälen und eine wirkliche Verarbeitung des Kummers erschweren.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Lucas de Vil am 06 Oktober 2010, 12:35:39
Es ist ja interessant zu sehen, wie viele Klischees hier bedient werden. :D

Solange Mensch nicht tot in der Ecke liegt entwickelt er sich immer, stetig und permanent weiter.
Alles ist gleichermaßen prägend, oder sollte es zumindest sein.
Egal ob ich den Tod eines mir nahe stehenden Wesens verkraften muss, eine superschwere Aufgabe gewuppt bekommen habe oder einfach mal einen Monat lang gar keine Ereignisse eintreten.

Interessant ist nur, in welche Richtung es den Menschen führt.

Zu den einzelnen angesprochenen Themen:
Tod
Viele Menschen haben das Problem, nicht loslassen zu können. Es mag ja gesellschaftlich hoch angesehen sein, dass man jeden Sonntag auf dem Friedhof zubringt um das Grab eines für einen selbst bedeutungsvollen Wesens zu pflegen.
Das Wesen ist im Allgemeinen allerdings schon verwest, sozusagen gewesen. Diese Grabpflege nützt also in erster Linie dem Durchführenden nur als Beschäftigung.
Es ist richtig, dass die Erinnerung in einem weiter lebt. Wenn diese Erinnerung allerdings immer präsent ist, ist das ein typischer Fall von 'nicht loslassen können'. Es lebt also nicht die Erinnerung an den Menschen weiter, sondern die Vorstellung dieses Menschen.
Das kann insofern krankhafte Züge annehmen, wenn versucht wird, einen passenden(!) Ersatz für den Verlorenen zu finden.
Sich mit dem Tod 'abzufinden' soll im Allgemeinen helfen, die Vorstellung der Person in eine Erinnerung an diese Person zu wandeln.

Die Frage ist natürlich nach wie vor, wie der Einzelne jetzt alles für sich definiert.

Krisen
Wunderbar zu sehen ist auch, wie Krisen bewertet werden.
'Der Tod eines geliebten Menschen wiegt schwerer als eine verhauene Prüfung', lese ich zwischen messies Zeilen.
Ja, ist das denn wirklich so? Ich behaupte: nein.
Tod, Leid, Elend, Katastrophen... all diese Dinge zu regeln liegt nicht in der Macht des Menschen.
Neben der Trauer des Verlustes bricht das Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit über den Menschen herein.
So eine verhauene Prüfung hingegen ist steuerbar. Hätte man mehr gelernt, bei der Aufgabe nachgefragt, sich nicht beim Spicken erwischen lassen...
Hier herrscht dann in erster Linie die Wut über die eigene Unfähigkeit vor, ein gestecktes Ziel nicht erreicht zu haben. Versagt zu haben. Gern einhergehend mit unsäglich dämlichen Zukunftsszenarien, was jetzt alles dadurch versaut ist.

Der Tod eines Menschen berührt hauptsächlich die Gefühle, die verkackte Prüfung berührt das Bewusstsein.
Beides wirkt unterschiedlich, beides fühlt sich unterschiedlich an. Die Vermutung, eines wöge schwerer als das Andere, ist ein Vergleich der berühmten Adamsäpfel und Evas Birnen.

Und nun noch das von messie angesprochene Beispiel Liebeskummer. In dem Punkt geht es uns beiden wohl sehr ähnlich. ;)
Hier prallen dann zwei komplett unterschiedliche Welten aufeinander.
Man steht, aus welchen Gründen auch immer, allein da. Was gestern noch mit einem war ist plötzlich weg.
Die Gefühle sind dieselben wie beim Tod eines Menschen: Verlust, Ohnmacht, Hilflosigkeit, Alleinsein.
Dummerweise kann man aber sehr wohl etwas dafür, schließlich hat man im Allgemeinen eine Teilschuld.
Partner(in) weg, Zukunftsplanung hinfällig, ggf. gravierende Änderungen im bisherigen Leben = versagt.

Bei Personen wie mir, die unbeeinflussbare Dinge relativ gut verarbeiten können und auch gegen persönliche Niederlagen einigermaßen gefeit sind, ist so etwas der 'personal holocaust'. Gefühle wiegen bei mir eh immer schwerer als Gedanken, beide zusammen als Last zu haben ist nicht auszuhalten.

Und egal, womit ich mich ablenken will: eins von beiden wird wieder bedient.
Ich stürz mich blindlings in neue Arbeitsfelder, unwillens einzusehen, dass es mir gerade nicht so gut geht.
Das Ganze überfordert mich etwas, ich steige nicht schnell genug durch = versagt. Genau wie beim Liebeskummergezeugs.
Ich sage mir 'Neues Spiel, neues Glück' und 'jedes Ende ist ein neuer Anfang' und baue meine sozialen Kontakte aus.
Unvermeidlich wird durch irgend etwas wieder ein Trigger ausgelöst.
"Boah, ist die Frau großartig!" wird zu "Wie deine Ex..." wird zu Verlust, Alleinsein, Trauer.
Aus einer kleinen Meinungsverschiedenheit wird plötzlich ein Streit mit einer möglicherweise gekränkten Gegenpartei und das Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit ist da. "So war das doch gar nicht gemeint. Ach fuck..."
Egal was man tut, man wird immer wieder daran erinnert. Deshalb dauert die Verarbeitung dessen bei mir auch ne gefühlte Ewigkeit.

Aussitzen
"Wenn dir jemand erzählt, die Zeit heilt alle Wunden, brich ihm das Nasenbein. Dann erklär ihm, es sei nicht so schlimm, wird ja bald wieder besser."
Die Seele ist kein Knochen, keine Haut, kein Muskel, keine Sehne, kein Organ.
Man kann die Haut abdecken, um sie vor weiteren Schäden zu bewahren und ihre Selbstheilung zu unterstützen.
Man kann einen gebrochenen Knochen schienen, um ihn vor weiteren Schäden zu bewahren und die Selbstheilung zu unterstützen.
Doch weder kann man die Seele irgendwie vor weiteren Schäden bewahren, noch wird sie ohne Zutun irgendwas machen.

Alles, was eine psychische Krise in uns auslöst, hängt seit Jahrzehnten tief in unserem Inneren verwurzelt. Diese Verwurzelung wird immer tiefer, je weniger man sich darum bemüht sich umzugewöhnen. Schlimmer noch, je mehr wir uns vor den Ursachen dieser Krisen schützen, umso schlimmer wird uns die nächste treffen.

Am Hilfreichsten ist es herauszufinden, welche Ursachen den eigenen Reaktionen zu Grunde liegen und diese gezielt anzugehen.
Das wird dann zu einer Lebensaufgabe mutieren.
Andererseits: wir duschen regelmäßig, essen und trinken regelmäßig, der PKW (sofern vorhanden) geht regelmäßig zur Durchsicht, die Wohnung wird regelmäßig geputzt, selbst der blöde PC bekommt regelmäßig Updates...
Wie kommen wir also darauf, dass wir uns um die Seele nicht weiter zu kümmern brauchen?

Wie angehen?
Das muss jeder für sich selbst herausfinden.
Es war Albert Einstein, der feststellte: "Ein Problem kann nicht durch die gleiche Art des Denkens gelöst werden, durch die es entstanden ist".
Insofern ist es eventuell hilfreich, genau das Gegenteil der Aktion zu tun, die man sonst in dieser Situation macht.
Also statt vor sich allein zu heulen den besten Freund/die beste Freundin anrufen und sie vollheulen.
Oder vice versa statt jedem mit dem eigenen Leid in den Ohren zu liegen den Fall erst mal mit sich selbst klären.

Ich habe mir angewöhnt einfach Verschiedenes zu probieren. Schlimmer kann es schließlich nicht werden.
Auch ich hatte mir gesagt es könne natürlich schlimmer werden. Ich habe Szenarien konstruiert, die gefühlt das Schlimmste waren, in das ich mich hätte hineinmanövrieren können. Das habe ich auch erfolgreich geschafft. Es fühlte sich trotzdem nicht schlimmer an. ;)

Das Leben der Anderen
Auch ein typischer Fall. "Der hat alles verloren, ich hab nur..." oder "Sein Riese ist dreizehn Meter hoch, meiner nur zwei!"
Das kann durchaus hilfreich sein, wenn das Problem plötzlich nur ganz klein ist.
"Das bekomme ich doch locker in den Griff. Auffi!"
Meistens ist es das nicht.
"Scheiß doch drauf, warum lass ich mich von so nem Kleinkram runterziehen?"
"Oh, der Arme... Ich helf dem mal, der hat das wirklich bitternötig."

Die Unterstützung durch Andere
Trost ist meiner Meinung nach wie ein Orden, den man sich an die Brust hängt. Nett anzuschauen, aber wirklich nicht hilfreich.
Nur mit Trost komme ich nicht weiter. Es ist aber ein wunderbarer Opener für das folgende Gespräch.
Denn nur das holt einen ein wenig aus seinem Loch und zurück in die Realität. Es fordert den Geist, ist Balsam für die Seele und als wäre das alles nicht schon genug gibt es auch noch Gratislektionen.
Irgendwie scheint so etwas die Menschen zu triggern etwas mehr von ihrem Gefühlsleben preis zu geben. Vielleicht auch von kürzlich überstandenen ähnlichen Situationen.
Und es kann verdammt hilfreich sein, mal eine andere Sichtweise auf sein Problem präsentiert zu bekommen.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Spambot am 06 Oktober 2010, 13:17:36
Eine allgemein gültige Stressbewältigungsstrategie (Stress hier als allgemeine seelische Belastung durch Trauma, allgemeine Belastung, soziale Beziehungen oder psychische Störung) gibt es nicht, wohl aber "gute" und "schlechte" Strategien. Letztlich kommt es, wie hier schon mehrfach erwähnt, sehr stark auf die Persönlichkeit der betroffenen Person an. Dies umfasst insbesondere kognitive Bewertungsprozesse, damit verbundene Emotionen und daraus resultierendes gezeigtes Verhalten (3 Ebenen des Verhaltens). Ein tendenziell pessimistischer, depressiver Mensch geht anders mit seelischen Belastungen um, als ein psychisch stabiler, optimistischer Mensch. Trotzdem kann es Extremsituationen geben, die die Bewältigungsstrategien jedes Menschen übersteigen (besonders Traumata).

eher "schlechte" Stressbewältigungsstrategien umfassen:
- dauerhaften Konsum von Drogen/Alkohol zur Stressbewältigung
- sozialer Rückzug
- "ich"-Fokus bei der Bewertung einer negativen Situation (sich selbst die Schuld geben - interne Attribution)
- körperliche Inaktivität
- Verdrängung und Vermeidung (in sehr wenigen Einzelfällen nicht problematisch)

eher "gute" Bewältigungsstrategien:
- Verbalisierung von Problemen (einschließlich Gedanken, Emotionen) gegenüber vetrauenswürdigen Personen (hilft die eigenen Probleme zu verstehen und zu verarbeiten)
- den Umständen, anderen Beteiligten oder dem Schicksal die Schuld geben (externe Attribution) - zumindest soweit man die Realität nicht vollständig leugnet
- problematische kognitive Bewertungsprozesse und Verhaltensweisen identifizieren (welche Bewertungen und Einstellungen führen zu neg. Emotionen) und aktiv durch positivere Prozesse und Einstellungen ersetzen (Verhaltensänderung)
- professionelle Hilfe oder Selbsthilfegruppen in Anspruch nehmen, wenn die eigenen Ressourcen (soziale Unterstützung, eigene Bewältigungsstrategien) nicht ausreichen
- ggf. Psychopharmaka im Rahmen einer Psychotherapie
- körperliche Aktivität (Ausdauersport)
- Entspannungsübungen
- ggf. Strukturierung des Tagesablaufs (bzw. von Arbeitsabläufen), falls dies ein Teil des Problems ist
- Maßnahmen, die das Selbstwertgefühl steigern und eine optimistische Perspektive fördern
- Maßnahmen, die die persönliche Kontrolle über eine problematische Situation verbessern
- ggf. sozialer Vergleich / Lernen durch sozialen Vergleich (wie gehen andere Menschen mit einer ähnlichen Situation um)

Wenn die eigenen Ressourcen zur Stressbewältigung nicht ausreichen und soziale Unterstützung (Gespräche mit Freunden oder Verwandten) auch nicht zu einer Besserung führen, bleibt nur professionelle Hilfe durch Selbsthilfegruppen oder einen Psychotherapeuten. Aber auch professionelle Hilfe kann nur erfolgreich sein, wenn der oder die Betroffene bereit ist, das eigene Verhalten (auf allen Ebenen) zu ändern. Dies kann ein sehr anstrengender Prozess sein.
Psychotherapien können aus verschiedenen Gründen nicht zum gewünschten Ziel führen:
1. der Therapeut ist schlecht oder das Problem wurde falsch diagnostiziert
2. Der Kient ist nicht zu Verhaltensänderungen bereit (nicht therapierbar)
3. Das Therapieverfahren ist ungeeignet (die Wirksamkeit von tiefenpsychologischen Verfahren ist teilweise umstritten)

Der Tod eines nahestehenden Verwandten ist grundsätzlich als ein Trauma zu bewerten. Man kann lernen mit so einem Trauma umzugehen, aber es werden vermutlich immer Narben in der Seele zurückbleiben. Das Ende einer Liebesbeziehung kann unter Umständen eine ähnliche Wirkung haben.

Edit:
@ Kallisti:
Ich habe auf Grund deiner Äußerungen den Eindruck, als würdest du nach einem Ausweg aus einer seelischen Krise suchen, der nur intrapersonelle Aspekte beeinhaltet und fremde Hilfe weitgehend ausschließt. Dieser Ansatz ist sehr gefährlich, insbesondere wenn man bereits zuvor mit den eigenen Ressourcen nicht die Situation in den Griff bekommen hat.
Menschen haben eine sehr unterschiedliche Stresstoleranz (Stress ist hier die individuell empfundene psychische Belastung), die man oftmals nicht auf einfachem Wege deutlich verbessern kann. Diese Stresstoleranz beruht auf (hauptsächlich in der frühen Kindheit) sozialisiertem Verhalten und Persönlichkeitsmerkmalen (teilweise genetisch bedingt). Von besonderer Wichtigkeit sind das Persönlichkeitsmerkmale Neurotizismus (psychische Stabilität) sowie grundsätzliche Einstellungen und erlernete Verhaltensmuster. Man hat sich bereits in früher Kindheit bestimmte Verhaltensweisen angewöhnt, die damals eventuell hilfreich waren, nun aber zu Problemen führen. Diese Verhaltensmuster sind stark in das allgemeine Verhalten integriert und können oftmals nur mit fremder Hilfe überwunden und durch neue Verhaltensweisen ersetzt werden. Verhalten ist nicht nur sichtbares Verhalten. Fast jedes Verhalten beinhaltet auch kognitive und affektive Elemente.
Beispiel:
1. Ein Ereignis wird physisch wahrgenommen (sehen, hören etc.)
2. Das Ereignis wird anhand von Gedächtnisinhalten und grundsätzlichen Einstellungen bewertet (in der Kindheit sozialisiert oder durch die Persönlichkeit beeinflusst)
3. Diese Bewertung ist eventuell mit einer starken emotionalen Reaktion verknüpft (z.B. Angst, Wut, Traurigkeit)
4. Erlernte Verhaltenmuster als Reaktion auf die emotionale Reaktion werden aktiviert
5. Wenn das erlernte Verhaltensmuster ungeeignet für die Situation ist, wirkt es verstärkend auf die emotionale Reaktion.
6. Fehlende Stressbewältigungskompetenz erzeugt empfundenen Stress
In dieser vereinfachten Betrachtung eines Verhaltensablaufs lässt sich eventuell erahnen, inwieweit erlerntes Verhalten und genetisch beeinflusste allgemeine Verhaltenstendenzen unsere Reaktion auf ein Ereignis beeinflussen. Stark in die Persönlichkeit integrierte Einstellungen und Verhaltensweisen kann man nicht mal so eben ändern. Erinnerungen kann man nicht mal eben neu bewerten, damit sie dann eine positivere emotionale Reaktion bewirken. Wenn die eigenen Stressbewältigungsressourcen dauerhaft nicht zur Bewältigung einer Krise ausreichen, führt fast immer kein Weg an externer Hilfe vorbei.
Egal ob man es aus eigenem Antrieb oder mit fremder Hilfe schafft, das Erlernen funktionaler Bewältigungsstrategien (einschließlich neuer Einstellungen und Bewertungen) erfordert immer die Bereitschaft sich signifikant zu verändern.
Oftmals ist man selbst gar nicht in der Lage dysfunktionale kognitive Strukturen und Verhaltensweisen zu identifizieren. Ich habe beispielsweise mal einer Freundin ein Buch über kognitive Umstrukturierung (Rational-emotive Therapy) geliehen. Nach dessen Lektüre glaubte sie ihre problematischen kognitiven Prozesse entdeckt zu haben. Da ich sie sehr gut kannte, wußte ich, dass sie in allen Punkten falsch lag. Erst nachdem ich ihr alle Fehler in der Selbstdiagnose erklärt hatte, konnte sie die richtigen Schlüsse ziehen. Genützt hat diese Erkenntnis am Ende aber nichts, da sie ihr Verhalten nicht alleine ändern konnte. Auch sie hatte mal schlechte Erfahrungen mit einem Therapeuten und verzichtet daher auf dringend benötigte professionelle externe Hilfe.
Sozialer Vergleich und Vergleichslernen (erfolgreiche Bewältigungsstrategien anderer Menschen in ähnlichen Situationen kopieren) kann sicherlich hilfreich sein. Wenn man allerdings auf andere Formen der externen Hilfe kategorisch verzichtet, schränkt man die Möglichkeiten zur erfolgreichen Bewältigung der Krise unnötig ein. Ein guter Therapeut und die Bereitschaft sich zu Verändern kann die Lebensqualität erheblich verbessern. Auch Psychopharmaka sind oft besser als ihr Ruf und können die Veränderung unterstützen.
Da du für dein Projekt "Vergleichslernen" Erfahrungen sammelst, versuche ich auch etwas beizusteuern. Ich gehöre zu den Menschen, die fast nie in eine seelische Krise geraten und relativ leicht wieder aus so einer Krise heraus kommen. Beispielsweise hat mich das Ende einer für mich emotional sehr wichtigen Beziehung mal für 6 Wochen ziemlich bedrückt. Dieses Ereignis hat bis heute Spuren hinterlassen, ist aber für mich keine Belastung mehr. Ich habe schon ca. 4 Wochen nach dem Ereignis angefangen, die vergangene Beziehung und meine ehemalige Partnerin neu zu bewerten. Heute bin ich froh, dass es zu dem Bruch kam, da ich die Beziehung nun sehr negativ und ihr Ende sehr positiv bewerte. Ich bin meiner ehemaligen Partnerin quasi dankbar dafür, dass sie damals diese schlechte Beziehung beendet hat, da ich zu blind war, diesen dringend notwendigen Schritt von mir aus zu tätigen. Am Ende konnte ich aus der Krise sogar viele wichtige neue Erfahrungen mitnehmen.
Ein anderes Beispiel ist ein Burn-Out-Syndrom (chronischer Stress), dass ich vor ein paar Jahren mal durch extremen Stress bei der Arbeit entwickelt hatte. Viel Sport, viele Gespräche mit guten Freunden und ein 4-Wochen Urlaub (ganz weit weg) und das Problem war nach ca. 6 Monaten ohne professionelle Hilfe restlos beseitigt.
Andere Menschen hätten diese Situationen eventuell nicht aus eigener Kraft bewältigt. Ich kann mich da glücklich schätzen, ein sehr optimistischer, ausgeglichener Mensch mit starkem Selbstvertrauen und einer allgemein stark ausgeprägten Problemlösungkompetenz zu sein. Woran liegt das? Vermutlich an meiner Sozialisation, sozialer Unterstützung und vererbten Persönlichkeitsmerkmalen. Also Faktoren, auf die man selbst wenig Einfluß hat.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: messie am 06 Oktober 2010, 13:42:11
Zitat
'Der Tod eines geliebten Menschen wiegt schwerer als eine verhauene Prüfung', lese ich zwischen messies Zeilen.

Öhm, nö ... ich schrieb:

Zitat
Ich kann nur sagen was mir half bei diversen Krisen wie Todesfällen, Liebeskummer oder einer durchgefallenen Prüfung (selbst wenn es nur kleine sein sollten, in dem Augenblick kommt sie einem vor wie das Wichtigste der Welt und man sich selbst wie der größte Versager der Welt ...) (...)

und meinte damit zwischen den Zeilen, dass für mich beides (bzw. alles drei) bei mir dazu fähig ist, eine Krise auszulösen.
Die einer durchgefallenen Prüfung lässt sich meist noch am einfachsten reparieren, man macht die Prüfung eben nochmal und besteht sie idealerweise dann.
Genauso kompliziert wie bei den anderen Sachen wird's erst dann, wenn ein anschließendes Absolvieren derselben Prüfung nicht mehr möglich ist und/oder man endgültig durchgefallen ist.
Beispiel: Falle ich einmal durch die Führerscheinprüfung, hält sich der Schaden (auch der seelische) in Grenzen, 2 Wochen später gibt's ja einen neuen Versuch, also auch eine neue Aufgabe in die man sich sofort wieder stürzen kann, um die Scharte auszuwetzen.
Wenn du aber innerhalb eines Jahres 9 mal durchgefallen bist (3x Durchgefallen -> 3 Monate Sperrfrist, weitere 3 -> erneut 3 Monate Sperrfrist etc.) und dir endgültig die Kohle ausgeht um den Abschluss zu bezahlen, dann sieht die Nummer schon ganz anders aus.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 07 Oktober 2010, 12:41:30
... Ok - erst mal Danke für die ausführlichen Beiträge und eure Mühe/Zeitinvestition @Lucas de Vil und Spambot! :)


Versuche, das jetzt der Reihe nach anzugehen (Reaktion meinerseits/Kommentar):

@Spambot

... deine ganze lange ausführliche Theorie ("Stressbewältigungsstrategien") ist mir hinlänglich bekannt. Daher schrieb ich oben auch bereits von den verschiedenen Persönlichkeitstypen - das geht in dieselbe Richtung - auch hier "weiß" "man" (Stichwort: Psychobiologie ;) ), dass und welche Persönlichkeitstypen mit "Krisen" "besser umgehen", leichter fertigwerden und warum!
Gerade dieses Sich-Selbst-"Schützen", indem man Ursachen, Gründe, "Schuld" woanders als bei sich selbst sucht oder sich irgendetwas einredet (Stichwort: Glaube - natürlich gehen Gläubige oft leichter durchs Leben, weil sie sich ja in etwas eingebettet, sich aufgehoben, geborgen, beschützt ... fühlen (können)! Natürlich gehen Optimisten leichter durchs Leben, weil sie eine Niederlage nicht ursächlich auf sich beziehen, bei sich suchen/bewerten, sondern an/in den Umständen etc. und Erfolge nicht auf den "Zufall", das "Glück" schieben, sondern als ihr eigenes Verdienst, ihre eigene Leistung ansehen usw. usf. - man kennt das doch alles längst! - Nur läuft das bei mir halt unter Selbstbetrug bzw. Es-sich-selbst-Leichtmachen ... (und das gar nicht mal so selten leider doch: auf Kosten Anderer - und das muss gar nicht immer (nur) das unmittelbare eigene Umfeld sein...!) - ja, war auch nicht anders zu erwarten. ;) )

Das ändert aber nichts für mich, denn:

Was mich ganz besonders an deinem Beitrag (zumindest am überwiegenden "oberen" Teil) stört, ist, dass normale (mögliche, oft: wahrscheinliche) Vorkommnisse im Leben von Menschen (Verlust (durch Trennungen oder Tod), Niederlagen, Krankheit, andere Widerfahrnisse ...) von dir und grundsätzlich in unserer Gesellschaft, als "krank", als "therapiebedürftig" oder "von der Norm abweichend" (?!???) oder eben einfach als "nicht gesund, nicht angemessen" - wie auch immer man es nennen will (ich denke, man weiß, was ich sagen will) bezeichnet, beurteilt werden.


Es gibt einfach sehr viele (die meisten) Menschen auf diesem Erdball die sich schon seit es Menschen gibt mit "Extremsituationen" auseinandersetzen müssen (Kriege, Naturkatastrophen, extreme Klimaveränderungen in relativ kurzer Zeit, Krankheiten/Seuchen, Verletzungen bei fehlender medizinischer Versorgung, Hunger etc.). Dass man heute vieles differenziert, analysiert und dann "therapiert", mag ja durch zumindest teilweise "gute Absichten" initiiert sein und angewandt werden. Aber ich sehe es gerne/lieber weniger von psychologischer und "einzel-wissenschaftlicher" Seite (mit diesem oft doch sehr sezierenden bzw. auch engstirnigen/eingeschränkten "Tunnelblick") als viel mehr "ganzheitlich" - sozusagen eben "philosophisch" - vielleicht auch etwas "anthropologisch" (nicht: anthroposophisch ;) ).


Es macht mich einfach wütend, dass man eben bspw. den Verlust eines geliebten Menschen durch dessen Tod als "Krankheit" einstuft/bewertet, die es zu überwinden und notfalls zu therapieren gilt! NEIN - Trauer an sich ist keine Krankheit oder "Störung" - auch wenn sie lange andauert, evtl. lebenslänglich! Und: Trauer ist auch NICHT gleichbedeutend mit Depression oder mündet (nach gewisser Zeit ...) in diese.


Und: NEIN @Lucas de Vil: Man muss eben NICHT "loslassen" - das ist eine veraltete Ansicht, sorry! Gerade wenn Eltern ihre Kinder durch deren Tod "verlieren", geht loslassen einfach mal gar nicht - im Gegenteil: der Druck, unter den Eltern dadurch gesetzt werden, doch endlich ("irgendwann") loslassen zu sollen, verursacht ihnen noch mehr Leid - unnötig, überflüssig!

Nein, man kann eben nicht sagen: wenn du dich ohne Trauer/Traurigkeit ... an den Verstorbenen erinnern kannst, dann ist es gut, dann bist hast du "losgelassen", dich mit dem Tod "abgefunden", dann bist du "gesund"/in Ordnung/funktionierst du richtig/wie du sollst ... !

Leider wurde das jahrzehntelang (oder noch viel länger!) so gehandhabt - von "psychologischer" Seite, aber auch dadurch von gesellschaftlicher. Menschen bekamen nach Todesfällen in der Familie eine Schonzeit zugestanden (meistens das berühmte Trauerjahr) - sie trugen deshalb auch Schwarz, um als Trauernde erkannt und entsprechend "geschont" zu werden.

Aber man kann die eigenen Gefühle der Trauer, des Verlustes etc. nicht an bestimmte zeitliche Fristen ketten, nicht in diese Schablonen pressen, die dann auf alle angewandt werden - was nicht passt, ist dann also wieder mal "krank", "gestört", "therapiebedürftig".


Es ist MENSCHLICH, solche Gefühle zu haben und Menschen sind nun mal Individuen und verhalten sich unterschiedlich - wie du Spambot ja anhand deiner theoretischen Abhandlung (s.o.) ;) auch dargelegt hast.

Man muss das aber doch deshalb nicht immer wieder und andauernd und grundsätzlich pathologisieren! ?!?

Oder ist es vielleicht viel mehr so, dass die Anderen nur dann, nur auf diese Weise mit dem Leid ihrer Mitmenschen umgehen können - dass sie, die Anderen, die Hilflosen sind, weil sie nicht wissen, wie sie sich einem Trauernden gegenüber angemessen oder: überhaupt verhalten sollen?! Weil Menschen einfach auch oft mit negativen Gefühlen, Umständen ... anderer nicht befasst sein, nicht konfrontiert werden, sich damit nicht auseinander setzen wollen - oder/und dies oftmals auch nicht: können! ?!?

Und weil es einfach unangenehm ist, wenn man selbst dem Anderen hilflos gegenüber steht, wenn man keine Antwort weiß, wenn man sich vor den Kopf gestoßen fühlt oder einfach "doof". Weil es einen auf Dauer vlt. auch einfach "nervt", weil man selbst vlt. grade "gut drauf" ist, eine gute Zeit hat ... ... ...


@Lucas de Vil

... zumindest trauernden "verwaisten" Eltern wird heute (hoffentlich) zugestanden, dauerhaft nicht mit dem Tod ihres Kindes "zurandezukommen"/sich damit "früher oder später" abzufinden/abfinden zu sollen/zu müssen. - Vielleicht kann man dies allen Trauernden zugestehen. Weil: Der Verlust durch Tod eines geliebten Menschen einfach nun mal "dauerhaft" ist und bleibt und nicht "ausgeblendet" werden kann (vorübergehend sicher, man denkt nicht sein Leben lang in jeder Sekunde an den Toten, aber grundsätzlich "begleitet" einen eben doch dieser Verlust ... ... ...) und daher auch nicht ausgeblendet werden sollte oder gar muss!


Und was verstehst du nun eigentlich genau unter "Trost", wenn du schreibst:


Zitat
Trost ist meiner Meinung nach wie ein Orden, den man sich an die Brust hängt. Nett anzuschauen, aber wirklich nicht hilfreich.
Nur mit Trost komme ich nicht weiter. Es ist aber ein wunderbarer Opener für das folgende Gespräch.
Denn nur das holt einen ein wenig aus seinem Loch und zurück in die Realität. Es fordert den Geist, ist Balsam für die Seele und als wäre das alles nicht schon genug gibt es auch noch Gratislektionen.
Irgendwie scheint so etwas die Menschen zu triggern etwas mehr von ihrem Gefühlsleben preis zu geben. Vielleicht auch von kürzlich überstandenen ähnlichen Situationen.
Und es kann verdammt hilfreich sein, mal eine andere Sichtweise auf sein Problem präsentiert zu bekommen



Für mich beinhaltet Trost natürlich das Gespräch! Und natürlich geht es auch mir gerade darum, sich mit anderen (Betroffenen ....) auszutauschen, ihre Sicht kennenzulernen bzw. einfach zu erfahren, zu sehen, zu erleben (!), wie sie mit "Krisen" umgehen, wie sie hindurchgehen!!!

Was aber für mich am Trost bzw. "Trösten" ganz wichtig und entscheidend ist (und was ein Therapeut so nicht bieten, geben kann und auch nicht soll), ist der körperliche Aspekt: Trösten heißt für mich im ersten Moment, einen Menschen HALTEN, "stützen", "auffangen"! Eben deshalb - und das weiß man heute auch längst - ist es so wichtig, Menschen in den Arm zu nehmen, körperlich (!) Halt zu geben, eben: jemanden zu halten, "bei" ihm zu sein, weil er selbst sich (!!) gerade nicht halten kann, haltlos ist. - Jaja, da sind wir wieder bei der Sprache ... ;)

Und wissenschaftlich fundiert ist doch auch nicht seit gestern bekannt, dass nicht nur Kinder diese körperliche Nähe(für ihre gesunde körperliche und "seelisch-geistige" Entwicklung notwendig brauchen, sondern dass bspw. auch Kranke durch Berührung, Streicheln ... weniger Schmerz emfinden (sicher, kommt darauf an, wie stark der Schmerz ist und wer wen wie berührt, aber grundsätzlich "hilft" körperliche Berührung/Streicheln, in den Arm nehmen meistens durchaus)! Ganz am Rande wird übrigens physischer und psychischer Schmerz im Gehirn an den selben "Stellen"/Bereichen "verarbeitet" (bzw. zeigt sich dort in bildgebenden Verfahren) ...

So brauchen auch Trauernde diese körperliche Komponente - und diese ist ein wichtiger Aspekt/Teil von Trost!!! Aber dann auch das Gespräch - auf jeden Fall! Das aber schrieb auch CubistVowel schon!


Zitat
Am Hilfreichsten ist es herauszufinden, welche Ursachen den eigenen Reaktionen zu Grunde liegen und diese gezielt anzugehen.
Das wird dann zu einer Lebensaufgabe mutieren.

(Lucas de Vil)


... ich glaube, so in etwa meinte Spambot das auch - überhaupt sehe ich viele Übereinstimmungen in euren beiden Beiträgen.
Nur unterschiedlich formuliert.


Zitat
Neben der Trauer des Verlustes bricht das Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit über den Menschen herein.
So eine verhauene Prüfung hingegen ist steuerbar. Hätte man mehr gelernt, bei der Aufgabe nachgefragt, sich nicht beim Spicken erwischen lassen...
Hier herrscht dann in erster Linie die Wut über die eigene Unfähigkeit vor, ein gestecktes Ziel nicht erreicht zu haben. Versagt zu haben. Gern einhergehend mit unsäglich dämlichen Zukunftsszenarien, was jetzt alles dadurch versaut ist.

Der Tod eines Menschen berührt hauptsächlich die Gefühle, die verkackte Prüfung berührt das Bewusstsein.
Beides wirkt unterschiedlich, beides fühlt sich unterschiedlich an. Die Vermutung, eines wöge schwerer als das Andere, ist ein Vergleich der berühmten Adamsäpfel und Evas Birnen.

(Lucas de Vil)


... Ja und Nein. Eben: Das eine ist steuerbar, beeinflussbar. Das kann ärgerlich sein, wenn man sich eingestehen muss, selbst "versagt" zu haben bzw. eben aus bestimmten "eigenen" Gründen nicht erfolgreich gewesen zu sein. Aber: Es gibt ggf. eben dann doch eine zweite oder dritte Chance - oder aber die Möglichkeit, einen ganz anderen, neuen Weg zu gehen (was Krise ja auch oft bedeutet: Erneuerung, Veränderung, Neubeginn ...). (Auch @messie)

Aber der Tod ist absolut und endgültig - da gibt es einfach NICHTS MEHR - da war aber vorher "etwas" (ein Menschenleben...). Und dieser oft abrupte "Abbruch", der unumkehrbar und "ewig" ist, ist meiner Ansicht (und vor allem meinem Empfinden nach) schwerer zu "behandeln", schwerer zu "bewältigen" (?!?). Denn hier gibt es GAR KEINE weitere "Chance" mehr, keinen Neubeginn, keinen Ausweg, keine Hintertür. Es ist eher ein "Danach": OHNE ... ! Und dieses Ohne eben für immer und unwiderruflich, unabänderbar, unbeeinflussbar, unsteuerbar. Es wird einem einfach vor die Füße geknallt und "damit" muss (?) man dann leben - ob man will oder nicht - ohne selbst irgdendetwas daran ändern zu können oder eben auch: ohne irgendeine "Schuld" daran zu haben!


Und dies hat der Tod tatsächlich mit anderen Widerfahrnissen gemein - wie bspw. Naturkatastrophen oder einfach immer dann, wenn Mensch (unverschuldet, unwissentlich, unvorhersehbar) zur falschen Zeit am falschen Ort (mit den falschen Menschen) ist - Beispiel: Attentate (in die man "verwickelt" ist/wird), Verkehrsunfall (nicht selbst verursachte sind hier gemeint, logisch), aber auch Krankheit (die einen "erwischt", ohne dass man sie wirklich hätte abwenden oder ihr vorbeugen können - Stichwort Seuchen ...).


Meine Auffassung ist also, dass immer da, wo der Mensch gerade nicht Einfluss nehmen kann, wo er sich einfach nur wie eine Kreatur fühlt, wo ihm sein ganzes Wissen, sein Verstand, seine Erfahrung nicht hilft/nützt, am stärksten niedergestreckt wird - weil: er schlicht AUSGELIEFERT ist! Er hat einfach gar keine Möglichkeit, zu entkommen, auszuweichen, etwas zu verändern oder neu zu beginnen - zumindest nicht in diesem "Moment" (wobei das relativ ist - der "Moment" kann auch eine sehr lange Zeitspanne sein - je nach dem um welches Widerfahrnis es sich handelt und je nach dem, wie stark, weitreichend es auf das eigene Leben wirkt, welche Folgen es hat - auch körperlich...).
 


... Und jetzt muss ich leider mal unterbrechen. Fortsetzung folgt. ;)
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Lucas de Vil am 07 Oktober 2010, 13:21:24
... Und jetzt muss ich leider mal unterbrechen. Fortsetzung folgt. ;)
Ist das ne Drohung? Liest sich zumindest so.

Nach deiner Ausführung fällt mir wieder auf, warum ich dir so ungern auf deine Beiträge antworte.
Nein, ich meine nicht deine endlos ausladenden Sätze mit einer schier unendlichen Flut an Kommata und eingestreuten fachlich versierten Fremdworten.
Ich meine auch nicht deine unmögliche Klammerung, die durch Vergessen schließender Klammern das Lesen unsagbar erschwert.
Ich meine die Art und Weise deiner Postings.

Mal ein paar zufällig gewählte Beispiele:

[Und: NEIN @Lucas de Vil: Man muss eben NICHT "loslassen"]
[Nein, man kann eben nicht sagen:]
[Weil: Der Verlust durch Tod eines geliebten Menschen einfach nun mal "dauerhaft" ist und bleibt und nicht "ausgeblendet" werden kann]
[Ja und Nein]

Das hier ist kein Quiz, es ist ein Erfahrungs-/Meinungs-/Emotionsaustausch.
Woher nimmst du dir das Recht, mir zu unterstellen meine Aussagen seien nicht meine Meinung/Erfahrung?
Weder schrieb ich, dass man loslassen muss, noch schrieb ich vor, wie das Loslassen auszusehen hat.
Ich schrieb, wie es meiner Meinung und Erfahrung nach am Gesündesten für meine Seele ist.

Du kannst gern einerseits darum bitten, Hinweise/Überlegungen/Tipps zu bekommen um sie im Anschluss abzulehnen und als falsch zu definieren. Ich habe darauf keine Lust und werde da nicht mitspielen.

Nenn mich dumm, überheblich, verblendet, egoistisch, selbstbetrügerisch oder sonst wie.
Meine Einstellung sorgt dafür, dass mich nur 'Liebeskummer' für sehr lange Zeit richtig aus der Bahn wirft und ich finde es prima so. Insofern passt meine Methode wunderbar auf mich.
Ich verstehe deinen Eingangspost so, dass dich jede Krise aus der Bahn wirft und du das nicht so toll findest.

In Anbetracht dieses Großen Ganzen sehe ich mich auf dem richtigen Weg, also sind deine Kritikpunkte für mich bedeutungslos.

Insofern sehe ich auch davon ab dich auf die Unterschiede zwischen dem Gefühl 'Trauer' und den daraus resultierenden in vielen Fällen krankhaften Umgangsformen mit/gegen sie hinzuweisen. Das habe ich meiner Meinung nach in meinem ersten Posting bereits an anderen Beispielen getan.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: messie am 07 Oktober 2010, 13:41:18
Kurz und knapp:

Zitat
Es macht mich einfach wütend, dass man eben bspw. den Verlust eines geliebten Menschen durch dessen Tod als "Krankheit" einstuft/bewertet, die es zu überwinden und notfalls zu therapieren gilt!

Nö, muss man nicht therapieren. Aber man kann.
Dann eben, wenn der Leidensdruck groß ist und die Person die drunter leidet selbst feststellt, dass sie mit dem Verlust nicht klar kommt, egal was sie versucht.
Da kann eine Therapie, die sich speziell diesem Trauma widmet, schon mal helfen. Nicht unbedingt muss (kann auch misslingen), aber sie als mögliche Problemlösung kategorisch auszuschließen, halte ich für n bisschen sehr voreilig.

Therapien sehe ich persönlich auch nicht als "jemand der psychisch krank ist behandeln", sondern als "Problemlöser psychischer Probleme".
Eine Person, die sich entschließt eine Therapie zu machen, ist nicht automatisch krank. Sie hat eben "nur" ein Problem, dem sie nicht gewachsen ist. Sich da dann einen Profi ranzuholen der Erfahrung damit hat wie man derlei Probleme lösen kann, halte ich für etwas ganz Natürliches.

Umgekehrt ist es ebenso wenig verwerflich, wenn jemand sagt "ich brauche keine Therapie, ich komme auch alleine damit klar". Wie man den Leidensdruck loswird ist doch letztlich wurscht, hauptsache man wird ihn irgendwie los!
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Eisbär am 07 Oktober 2010, 14:46:30
Kallisti:
Du hast ein ziemlich seltsames und sehr falsches Bild von der Psychologie.

Wie messie schon schrieb, wird jemand, der trauert nicht automatisch als Therapiebedrüftig eingestuft. Ob jemand therapiebeürftig ist, kann man ganz einfach feststellen: die erste Möglichkeit ist, daß sein Zustand zur Eigen- und/oder Fremdgefährdung führt.
Die zweite Möglichkeit ist die, daß derjenige aufgrund seines Leidensdruck Hilfe benötigt, daß er, wie messie schon schrieb, merkt, alleine nicht mehr klar zu kommen.
Jeder verantwortungsbewußte Psychotherapeut, wird keine Macke therapieren, die dem Patienten nicht stört, ggfs. sogar gefällt, solange diese nicht zur Eigen- oder Fremdgefährdung führt.
Du schreibst z.B. liebend gerne viel zu lange Beiträge. Warum sollte ein Therapeut sich dem annehmen, wenn Du nicht drunter leidest?

Wenn Du - ganz natürlich - trauerst, wird Dir jede Psychologe sagen, daß das normal ist. Wenn Du aufgrund dessen anfängst zu verwahrlosen, brauchst Du aber Hilfe.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 07 Oktober 2010, 15:27:36
@Lucas de Vil


... Also entschuldige mal - deine Ausführungen klingen genauso "allgemein" wie meine. Du benutzt genauso das Wort "man" (statt "ich").
 Was meine vergessenen Klammern angeht, ja da hast du leider recht. Auch sonst hapert es an manchen Stellen - das liegt daran, dass ich fast immer unter Zeitdruck schreibe.  Deshalb packe ich auch so viel in einen Satz, weil ich nicht die Zeit habe, das in Ruhe und "sauber" auszuformulieren. Ich bitte vielmals, mir das zu verzeihen. Ebenso wie meine "Emotionalität"/Empfindsamtkeit, aber auch "Temperament" (meine Wesensart)  - die seltsamerweise hier nun kritisiert wird (und sich in Großbuchstaben ganzer Wörter ausdrückt), an anderer Stelle erwartet/angemahnt wurde.


Inhaltlich:

Man sollte wohl doch die einzelnen "Krisen" (-Ursachen) unterscheiden. Denn was das betrifft:

Zitat
Das Leben der Anderen
Auch ein typischer Fall. "Der hat alles verloren, ich hab nur..." oder "Sein Riese ist dreizehn Meter hoch, meiner nur zwei!"
Das kann durchaus hilfreich sein, wenn das Problem plötzlich nur ganz klein ist.
"Das bekomme ich doch locker in den Griff. Auffi!"
Meistens ist es das nicht.
"Scheiß doch drauf, warum lass ich mich von so nem Kleinkram runterziehen?"
"Oh, der Arme... Ich helf dem mal, der hat das wirklich bitternötig."
(Lucas de Vil)

Das verstehe ich nicht  finde die Sätze sogar widersprüchlich. Was nun - ist es hilfreich, wenn das eigene Problem gemessen an denen Anderer klein ist oder ist es das nicht? Und was hat es mit dem "Armen" (Anderen) zu tun, dem ich helfe oder nicht?  ???


Jedenfalls bin ich der Meinung, dass es einem nicht hilft, sein Problem was dessen "Größenverhältnis"/Ausmaß angeht mit den Problemen anderer Menschen zu vergleichen, wenn:

es sich um eine wirklich tiefe Krise oder Traumatisierung handelt (wie bspw. durch die von mir mehrfach genannten Widerfahrnisse, s.o.).

Wenn ein geliebter Mensch gestorben ist (um mal bei diesem Beispiel zu bleiben), dann geht mit diesem Menschen in diesem "Moment" (wie gesagt: "Moment" ist mehr als relativ...!) eine ganze Welt unter (seine sowieso, logischerweise, aber auch "meine" dadurch). Und da will und kann man einfach gar nicht an das Leid Anderer denken oder sich damit irgendwie auseinandersetzen/befassen (man hat in dem Moment gar nicht die Kraft, den Kopf, das Herz ... dafür).


Also sollte man (wir) nun vlt. doch besser zwischen unterschiedlichen Krisen (-Ursachen) unterscheiden.  ?



Zitat
Insofern sehe ich auch davon ab dich auf die Unterschiede zwischen dem Gefühl 'Trauer' und den daraus resultierenden in vielen Fällen krankhaften Umgangsformen mit/gegen sie hinzuweisen. Das habe ich meiner Meinung nach in meinem ersten Posting bereits an anderen Beispielen getan.

(Lucas de Vil)

Schade, denn mir erschließen sich diese Beispiele nicht, ich finde sie nicht: die "krankhaften Umgangsformen" (in deinem Beitrag). ?


Was das betrifft:

Zitat
Ich verstehe deinen Eingangspost so, dass dich jede Krise aus der Bahn wirft und du das nicht so toll findest.
(Lucas de Vil)

... verstehst du mich leider falsch, und ich verstehe nicht, wo heraus (oder viel mehr hinein) du das liest - diese Aussage: dass mich jede Krise aus der Bahn wirft und ich das nicht so toll finde. ??

Ich verstehe es insbesondere deshalb nicht, weil ich bestimmte Beispiele für Krisen ja mehrfach nannte (die von mir vielfach erwähnten "Widerfahrnisse", s.o., insbesondere auch Tod). Von misslungenen Prüfungen oder Liebeskummer (als Krisen) war bspw. in meinen Beiträgen nichts zu lesen, obgleich ich Derartiges aber logischerweise auch schon erlebt habe.



@messie


Zu der Therapie-Geschichte: Ich habe das drei Mal gemacht, unterschiedlich lange (die letzte: zwei Jahre) bei drei verschiedenen Psycho-Therapeuten (zwei Frauen, ein Mann), in unterschiedlichen Lebensjahren/-altern. Es hat mir drei Mal nicht weitergeholfen oder etwas in Gang gesetzt. Im Gegenteil: die letzte hat alles nur noch schlimmer gemacht, weil ich mich überhaupt nicht verstanden fühlte und der Therapeut so offensichtlich bekannte Schubladen öffnete, dass ich schon sagen konnte, was er mir als nächstes antworten/sagen wird!

Sicher, vlt. habe ich drei mal Pech gehabt. Aber ich habe eben auf Grund dieser negativen gemachten Erfahrungen keine Ambitionen mehr, es nochmal zu versuchen (oder noch mehrere Male - und dabei doch nie zu wissen, ob es diesmal nicht auch wieder Zeitverschwendung ist oder mich "weiterbringt"!).  
Außerdem erwähnte ich bereits, dass ich zumindest mal zwei Menschen kenne, von ihnen weiß, dass ihnen "Therapie" nicht weiterhilft/geholfen hat bzw. nicht immer hilfreich ist/sein kann, nicht immer oder grundsätzlich "das richtige, das am besten geeignete Mittel der Wahl" ist. (Der eine ist Psychiater, der andere Psychologe.  ;D - Kein Scherz.)


Ich habe also "professionelle Hilfe" (???) nicht von vorneherein "kategorisch abgelehnt" oder verteufelt, sondern erst, nachdem ich damit negative Erfahrungen gemacht habe - durch Andere teilweise also auch bestätigt.

Davon abgesehen ist es übrigens auch gar nicht so leicht, diese "professionelle Hilfe" wirklich und zeitnah zu bekommen, wenn/wann man sie braucht oder will. Und erst recht ist es schwierig, einen "geeigneten"/"kompatiblen"/"passenden" Therapeuten zu finden (der einen freien Platz hat). Das aber nur nebenbei.


Dennoch beinhaltet das Wort "Therapie" für mich, dass also nicht einfach "nur" ein Problem, eine Schwierigkeit, sondern doch eine "Krankheit" oder "Störung" zu Grunde liegt.

Und ich bin eben der Meinung, dass nicht Krisen an sich und auch nicht zwangsläufig daraus resultierendes bestimmtes Verhalten von Menschen eine solche "Krankheit" oder "Störung" darstellt, sondern, dass diese (obwohl sehr unterschiedlichen, vlt. auch auffälligen) Verhaltensweisen eigentlich ganz "normal" bzw. natürlich und einfach: menschlich sind und gar nicht so selten vorkommen. Dass sie im Grunde logische Folgen der Ursache (der Erschütterung, des Traumas, der Überforderung ...) sind!


Die Frage, was Menschen helfen kann, was Menschen hilft, ist meine ursprünglich gestellte.


Hier komme ich zu Spambots Beitrag zurück:

Zitat
Ich kann mich da glücklich schätzen, ein sehr optimistischer, ausgeglichener Mensch mit starkem Selbstvertrauen und einer allgemein stark ausgeprägten Problemlösungkompetenz zu sein. Woran liegt das? Vermutlich an meiner Sozialisation, sozialer Unterstützung und vererbten Persönlichkeitsmerkmalen. Also Faktoren, auf die man selbst wenig Einfluß hat.
(Spambot)


GENAU das ist der Punkt: soziale Unterstützung.

Ich bin der Meinung, dass Menschen, die durch Krisen gebeutelt sind, nicht zuvorderst Therapeuten/Psychotherapie (oder psychiatrische Betreuung mit oder ohne Psychopharmaka)  brauchen, um die Krise zu bewältigen, sondern: ein stabiles soziales Netz: andere ihnen verbundene, nahestehende, wohlgesonnene MENSCHEN, d.h.: Freunde, Familie, Partner (nicht notwendigerweise alle auf einmal, aber schaden tut´s auch nicht ;) ).
Wie ich beim Trost schon schrieb: Es braucht Menschen, die zu einem halten, die einen "verstehen", die zuhören, die einen auch körperlich (dann und wann) "halten", die einen vlt. auch auf andere Gedanken bringen können, auch: zum Lachen (vielleicht mal wieder oder auch öfter wieder...), vor denen man sich nicht rechtfertigen oder entschuldigen oder "zusammenreißen" muss - die sozusagen Verständnis haben und "Nachsicht" und einem die Zeit lassen, die man (individuell) eben braucht, sich gedanklich mit der Krise, dem Problem, dem Umstand, der Ursache zu befassen und hindurchzugehen - auch wenn es ein "offenes Ende" (bzw. eben kein wirkliches Ende) gibt. Menschen, die einem das zugestehen! Statt einen verändern zu wollen oder unter Druck zu setzen oder einen als "krank" oder bemitleidenswert zu betrachten, zu brandmarken, zu diskriminieren.



Es ist aber auch kein Geheimnis, dass es genau daran in unserer Zeit, Kultur, Gesellschaft immer mehr fehlt, dass viele Menschen solche "Freunde" ..., solche anderen Menschen, das viel zitierte "intakte soziale Netz" nicht oder nicht oft genug/ausreichend "haben". (Und das unabhängig vom Alter - es sind also nicht nur "Singles in mittleren Jahren" oder "Senioren" betroffen, sondern sogar auch schon Kinder und sowieso oft Jugendliche/Pubertierende, die aufgrund ihrer Entwicklungsphase sowieso grade in einer schwierigen Zeit sind ... .)



Auch hier kann ich aus eigener Erfahrung nur sagen: Wenn man das hat, hilft einem das (in Krise) oft eher als ein Therapeut. Wenn man es nicht hat, hilft auch eine Therapie nicht unbedingt.

Anmerkung: Es kommt auf das Problem an - ich spreche hier nicht von Schizophrenie, Borderline, Drogensucht oder Angststörungen ... Wobei ich aber sogar auch hier sagen muss, dass Ursache auch für bspw. Depression und Angststörungen ein (lange schon) fehlendes oder nie vorhanden gewesenes intaktes soziales Netz bzw. soziale Beziehungen sein kann! Und dass dieses "soziale Eingebundensein" sogar Suizidgefährdeten u.U. eher/besser helfen kann als eine Psychotherapie oder ein stationärer Aufenthalt in Psychiatrie! Vor allem hilft dieses soziale Netz langfristig auch eher als Therapie und ist über die Therapie hinaus bzw. daneben ein immens wichtiger Faktor.


Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Spambot am 07 Oktober 2010, 17:55:28
zum Thema soziale Unterstützung:
Die große Bedeutung der sozialen Unterstützung ist in der Psychologie sehr wohl bekannt. Wie du schon richtig festgestellt hast, führt die zunehmende Individualisierung in unserer Gesellschaft immer öfter zu einem Mangel an sozialer Unterstützung. Entweder die Freunde oder Bekannten sind schlicht ungeeignet (können beispielsweise keinen Perspektivwechsel durchführen) oder die betroffene Person hat keine engen Freunde. Dieser Umstand gilt als einer der Hauptgründe für den ständig zunehmenden Bedarf an Psychotherapie. Soziale Unterstützung, Peer-Groups oder auch professionelle Beratungsstellen sind von der Qualität der Unterstützung aber nicht immer ausreichend. Bei manchen Menschen hilft ein Gespräch mit dem Pfarrer, bei anderen der zuhörende Heilpraktiker und beim Nächsten keiner auf dieser Ebene der professionellen sozialen Unterstüzung. Dann bleibt doch eigentlich nur noch der Weg zum Psychotherapeuten, da diese von der Qualität der Ausbildung (Studium plus 3-5 Jahre Ausbildung) den höchsten Grad der Professionalisierung darstellen.
Soziale Unterstützung gliedert sich somit in ca. 3 Ebenen. Wenn eine Ebene keinen Erfolg hat, bleibt doch nur der Schritt zur nächsten Ebene übrig.
1. Gespräche mit geeigneten Freunden
2. Pfarrer, Selbsthilfegruppe, Heilpraktiker, psychologische Beratungsstelle
3. Psychotherapeut / Psychiatrie

zum Thema Pathologisierung:
Auch dieses Thema ist ein Dauerbrenner in der Psychologie. Man hat da eine relativ einfache aber, wie ich finde, gute Lösung gefunden. Laut DSM IV (Diagnosehandbuch für psychologische Störungen) liegt eine psychische Störung nur dann vor, wenn ein Mensch durch psychische oder verhaltensbedingte Faktoren belastet oder behindert ist. Also einvernehmlicher SM-Sex ist beispielsweise keine psychische Störung. Im Fall von Trauer gibt es den Richtwert von 2 Monaten. Nach 2 Monaten sollte ein Mensch begonnen haben, den Verlust zu verabeiten. Hat sich der psychische Zustand der Person innerhalb von 2 Monaten nach dem Ereignis nicht mal ansatzweise verbessert, wird davon ausgegangen, dass die Person auf professionelle Hilfe angewisen ist (sprich: es ist eine psychische Störung). Solange sich der psychische Zustand ohne fremde Hilfe verbessert, ist eine therapeutische Intervention nicht unbedingt nötig. Das kann dann auch sehr lange dauern. Bei Trauer ist nicht die Beseitigung der Trauer das Ziel der Therapie, sondern die Verbesserung der Lebensqualität des Klienten. Nicht Erinnerungen sollen ausgelöscht , sondern der Umgang mit dem Schmerz verbessert werden.
Es gibt Therapeuten, die auf diagnostische Kriterien (wie DSM IV) vollständig verzichten und höchstens mit groben Kategorien arbeiten. Manche verzichten auch auf eine Unterscheidung zwischen pathologischen Formen von Verhalten und "normalem" Verhalten. Man erhofft sich davon, dass man weniger dazu neigt Menschen wegen gezeigter Symptome in eine Schublade zu stecken. Diese Therapeuten arbeiten meistens aber nicht auf Krankenschein, da die Krankenkassen eine Kodierung der psychischen Störung verlangen (nach ICD-10). Die Tatsache, dass man psychische Störungen oftmals auch als Krankheit bezeichnet (ich habe sogar schon mal den Begriff seelische Behinderung gelesen) muß nicht unbedingt negativ sein. Jemand der krank ist, ist zwar anders als andere Menschen (quasi abnormal), genießt in unserer Gesellschaft aber auch den Anspruch auf Hilfe und Unterstützung. Ohne diese Diskriminierung hätte man vermutlich niemals durchsetzen können, dass Menschen mit psychischen Problemen auf Kosten der Krankenkassen (also der Allgemeinheit) behandelt werden. Es gibt auch viele Psychologen, die abnormales Verhalten nicht als eine krankhafte Form von Verhalten ansehen, sondern als normales Verhalten, dass aber auf die Situation bezogen ungeeignet ist. Andere sehen problematische Verhaltensformen als übersteigerte, aber grundsätzlich normale, Verhaltensformen.
In den USA wird Psychotherapie nicht unbedingt als Maßnahme zur Behandlung von Krankheiten verstanden. Wer es sich leisten kann, geht eventuell auch zum Therapeuten (hier allerdings meistens tiefenpsychologische Verfahren), um sich selbst besser zu verstehen und die eigene Lebensqualität zu verbessern.

Nochmal zum Thema Trauer, da ich das Gefühl habe, dass es eigentlich um dieses Thema geht. Trauer ist eine ganz normale negative emotionale Reaktion auf den Verlust eines geliebten Menschen. Dies ist weder krank noch ungewöhnlich und erfordert normalerweise auch keine Intervention. Problematisch wird Trauer aber dann, wenn die Trauernde dauerhaft unter den Begleiterscheinung der Trauer leidet. Dies ist fast immer dann der Fall, wenn ein Mensch mit depressiven Denk- und Verhaltensschemata auf den Verlust reagiert. Das typische an dieser depressiven Perspektive ist die sogenannte interne Attribution. Die Betroffene gibt sich selbst Schuld an Ereignissen und macht die eigene Persönlichkeit für das Problem verantwortlich. Daher ist es wenig verwunderlich, dass depressive Menschen fast immer pessimistisch sind und ein geringes Selbstwertgefühl haben. Bei einer depressiven Bewertung von negativen Ereignissen werden teilweise neue negative Ereignisse geschaffen, die wiederum intern attributiert werden. Daraus entsteht dann eine Negativspirale, aus der man kaum ohne fremde Hilfe wieder heraus kommt.
Wenn man diese negativen Bewertungsprozesse und die damit verbundenen negativen Gefühle als Ursache der unverändert fortgesetzten schädigenden Trauer sieht, bleibt dem Therapeuten eigentlich keine andere Möglichkeit, als behutsam die dysfunktionalen Bewertungsprozesse durch neue funktionale Bewertungsprozesse (z.B. externe Attribution) zu ersetzen. Diese neuen Bewertungsprozesse sind in der Regel dann nicht mehr mit negativen Emotionen verknüft, was entlastend wirkt und eine Rückkehr in ein glücklicheres Leben ermöglicht. Trotzdem wird so eine intensive Trauer möglicherweise das gesamte Leben seelische Narben hinterlassen.
Ich würde diese Umdeutung von zuvor negativ bewerteten Ereignissen nicht als Lüge bezeichnen, sondern als (lebens-)notwendigen Perspektivwechsel. Die Realität wird nicht geleugnet, aber neu bewertet. Wenn man nicht zu diesem Perspektivwechsel bereit ist, ist man im Sinne verhaltenstherapeutischer Maßnahmen vermutlich nicht therapierbar. Nunja, dann bleiben aber noch andere Therapieverfahren (die eventuell nicht von der Krankenkasse bezahlt werden) und Antidepressiva als Option übrig. Bei einer Freundin von mir hat ein Antidepressivum (Fluoxetin) nach dem Tod eines Verwandten sehr gut geholfen. Die ist auch ohne Therapie, aber mit Hilfe des Medikaments, wieder in der Lage ein relativ normales Leben zu führen und kann so die Wartezeit bis zur Therapie überbrücken. Wenn man nicht akut suizidgefährdet ist, kann man schon mal 1 Jahr auf so einen Therapieplatz warten.

Kallisti, es würde die Diskussion deutlich vereinfachen, wenn wir konkrete Beispiele verwenden würden. Das hin- und herspringen zwischen allgemeinen Aussagen und verschiedenen konkreten Beispielen fördert nicht unbedingt die Übersichtlichkeit. Für einen trauernden Menschen mit massiven Einschränkungen in der Lebensqualität ist beispielsweise eine psychotherapeutische oder pharmakologische Behandlung vermutlich sinnvoller, als für einen trauernden Menschen, der nur etwas Unterstützung auf dem Weg zur Genesung braucht. Ohne konkretes Szenario (kann ja ein konstruierter Fall sein) ist es schwierig Aussagen zu treffen, da viele Lösungsmöglichkeiten von der jeweiligen Situation und Person stark abhängig sind. In diesem Themenbereich stößt man mit allgemein gültigen Aussagen relativ schnell an die Grenzen der Übertragbarkeit auf den Einzelfall.

Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 07 Oktober 2010, 18:06:19
@Eisbär

Also das

Zitat
Ob jemand therapiebeürftig ist, kann man ganz einfach feststellen: die erste Möglichkeit ist, daß sein Zustand zur Eigen- und/oder Fremdgefährdung führt.
Die zweite Möglichkeit ist die, daß derjenige aufgrund seines Leidensdruck Hilfe benötigt, daß er, wie messie schon schrieb, merkt, alleine nicht mehr klar zu kommen.

ist doch ein Selbstgänger. Natürlich geht es (mir) darum, dass man unter/in einer (Krisen-) Situation leidet bzw. damit (dauerhaft) nicht gut leben kann.


Mein Einwand ist aber, dass Therapie nicht unbedingt die beste Hilfe darstellt/sein kann, obwohl es leider aber oft so gesehen und sie empfohlen wird.

Weil: es sich bei der Ursache des (eigenen) Leidens (der Krise) sozusagen "einfach" um "den ganz normalen Wahnsinn" des Lebens (vlt. des Daseins, der (menschlichen) Existenz per se) handelt. Auch wenn dieser "Wahnsinn" gängig, üblich, "weltweit" in gewisser Weise alltäglich, vlt. sogar banal ist, ändert das aber nichts an den Schwierigkeiten, die Menschen haben können, damit umzugehen, damit zu leben, zurechtzukommen.

Um damit zurechtzukommen, ist meiner Ansicht nach aber oftmals eher als Therapie hilfreich, wenn Betroffene andere Menschen "haben" - Freunde, Familie - soziale Beziehungen - wichtig ist hierbei auch, dass diese Beziehungen stabil und von (möglichst langer) Dauer sind. Denn es sollte nicht unterschätzt werden, welchen Wert langjährige "Lebens-Begleiter" für Menschen haben (und damit meine ich nicht automatisch Beziehungspartner, sondern wie gesagt: Freunde, Familie evtl. auch andere Menschen - "Mentoren" ...).

Der wichtige Aspekt hierbei ist, dass es sich um möglichst dauerhafte "emotionale Beziehungen" (also Beziehungen "mit Emotionen") handelt, dass es also persönliche Beziehungen sind - dies ist bei/mit Therapeuten normalerweise nicht der Fall.



Dann noch etwas zum Unterschied zwischen Verlust (eines geliebten Menschen) durch Trennung oder durch (dessen) Tod:

Wie schon von messie und Lucas de Vil geschrieben wurde: Wenn es eine Trennung ist, ist es möglich, den Anderen noch/wieder zu sehen - manchmal auch nur sehr theoretisch, aber selbst wenn der Andere "am anderen Ende der Welt" lebt, ist es rein theoretisch durchaus möglich und machbar, ihn irgendwann einmal wieder zu sehen, ihm zu begegnen, ihn evtl. sogar zu besuchen oder sonstwie mit ihm noch Kontakt haben zu können.

Das ist bei Tod nicht der Fall - noch nicht mal theoretisch.

UND: Wenn der "getrennte Mensch" noch auf dieser Erde weilt, ist es auch möglich, dass er "glücklich sein" (oder werden) kann - dass er noch Möglichkeiten, Chancen, Zukunft ... hat, dass es ihm gutgehen kann oder wird ... - Wenn jemand tot ist, besteht dies alles nicht mehr - nie mehr. Auch das ist es, worunter man selbst (als "Zurückbleibende") massiv leidet. Ich sagte ja bereits: Es ist diese Endgültigkeit. Keine Chancen, Möglichkeiten mehr, auch keine potentiellen. Die Tür ist und bleibt für immer zu. Für beide sozusagen: für den Toten, aber auch für den Zürückbleibenden (in Bezug - in Beziehung !! - auf/zum Toten, dessen Leben, dessen Leid, dessen Tod, dessen "untergegangene Welt")!



Und wenn man einen Verstorbenen vermisst, um ihn (und sich, und das gemeinsame "Uns"/"Wir") trauert, dann bedeutet das, dass dieser Mensch einem fehlt (im eigenen Leben). Dies wird vielleicht dauerhaft so sein/bleiben: dass der Mensch einem fehlt, dass man ihn vermisst und dass einen das immer wieder in tiefe Trauer (mitunter auch Verzweiflung) "stürzen" kann/wird.

Was ist das dann also: Wird man dann also mit dem Tod des Anderen nicht fertig, findet man sich also damit nicht ab, kann man nicht "loslassen"? ?? Ist diese Trauer noch "normal", gesund, akzeptabel (und: akzeptiert)? Oder schon krank, theapierbedürftig - weil man ja leidet: darunter, dass man den Anderen vermisst und einen sein Fehlen "traurig" ... macht!!!


Ich bin der Meinung: Es ist ganz natürlich und wieder menschlich, wenn Menschen "dauerhaft" um ihre Toten trauern bzw. sie sie vermissen und darunter auch leiden. Und ich denke, daran kann keine Therapie etwas ändern. Und ich denke, dass hier andere Menschen, die einem nahestehen, die einem Halt geben usw. (s.o.) besser helfen können (damit, mit dem Verlust dennoch zu leben, leben zu können) als Therapie.










Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 07 Oktober 2010, 18:44:15
Zitat
Problematisch wird Trauer aber dann, wenn die Trauernde dauerhaft unter den Begleiterscheinung der Trauer leidet. Dies ist fast immer dann der Fall, wenn ein Mensch mit depressiven Denk- und Verhaltensschemata auf den Verlust reagiert. Das typische an dieser depressiven Perspektive ist die sogenannte interne Attribution. Die Betroffene gibt sich selbst Schuld an Ereignissen und macht die eigene Persönlichkeit für das Problem verantwortlich.
(Spambot)


 :D  :D  :D DA isses ja!  Da haben wir es ja wieder!


Sorry, bitte nicht falsch verstehen, aber: DAS ist es, was ich mit Schubladen meine! GENAU DAS!

Nein, "man" (lol) gibt sich selbst gar nicht die Schuld (am Entandensein, an der Ursache der Krise oder auch am Tod eines Menschen). Und man hat aber trotzdem ein Problem damit (mit diesem Tod des Anderen). Und jetzt??

Ich sagte es oben bereits: Das Problem (das ich zumindest habe)  ist, dass man sich ausgeliefert fühlt, dass man an der Situation (ob nun Tod eines Menschen oder Naturkatastrophe ...) eben gerade nicht auch nur irgendetwas ändern kann oder hätte ändern oder vorbeugen oder abwenden oder voraussehen (whatever) können! Man wird damit einfach konfrontiert - "schlagartig", unvorbereitet oftmals. Und man muss es sozusagen über sich ergehen lassen (Beispiel: Erdbeben, Überschwemmung, Brand, Folter, Tod von Anderen). Es hat auf das eigene Leben meistens doch recht gravierende Konsequenzen - dauerhaft ist da etwas "kaputt", mindestens: stark beeinträchtigt, meistens: aus dem Gleichgewicht.

Das beinhaltet also, dass man durchaus "belastet ist", "Schmerz" empfindet (je nach Widerfahrnis evtl. dauerhaft auch körperlichen). Und ich denke, darunter leiden die meisten Menschen normalerweise.


Also im Grunde ist mein Problem wahrscheinlich, dass ich den "ganz normalen Wahnsinn" (eines Menschenlebens - nicht nur oder vordergründig des meinen, mit allem, was darin eben so vorkommen kann und vorkommt - und der Tod von Anderen gehört da gar nicht mal so selten dazu) nicht "akzeptieren" kann. Mehr oder weniger philosophisch gesehen ist es das unfreiwillige, nicht selbst beabsichtigte In-die-Welt-Geworfensein, der Un-Sinn, zum (eigenen) Tode hin zu leben (Vergänglichkeit also: von "allem") und all die Ungerechtigkeiten, die es "halt auf der Welt gibt".

So lange man selbst einigermaßen im Sattel sitzt, ist man dagegen nicht nur eher gefeit, kommt man damit besser zurecht und hat/empfindet weniger "Weltschmerz", sondern:

man kann es auch nicht wirklich begreifen, nachempfinden, weil/wenn man selbst (noch) nicht "gelitten" hat (auf bestimmte Art bzw. durch bestimmte Ursachen).

Aber das führt jetzt zu weit.


Letztlich will ich aber darauf hinaus: Dass Menschen zu allen Zeiten mit "Widerfahrnissen", "Krisen" ... irgendwie leben "mussten"/lebten. Und dass man zu früheren Zeiten keine Psychotherapie oder Psychopharmaka zur Verfügung hatte. Dass solche Widerfahrnisse und Krisen außerdem "ganz normal" zu einem Menschenleben, zum menschlichen Dasein dazugehören - was es aber dennoch nicht leichter macht (siehe, was ich hierzu oben schon schrieb).


Und daher denke ich auch, dass das, was Mensch schon früher am ehesten zur Verfügung hatte, eben soziale Beziehungen ("die Gruppe") waren und sind, die "helfen", damit (mit Widerfahrnissen) (weiter-) leben zu können. Dass es quasi unser "Programm" ist und überlebenswichtig!


Eben: Das ist es ja: es treten heute Psychotherapie und Psychoanalyse an die Stelle von persönlichen/sozialen Beziehungen! Und ich glaube nicht, dass das wirklich hilfreich oder das Angemessenste ist - für Mensch. Zumindest nicht, wenn es um das geht, wovon ich hier die ganz Zeit schreibe (welche Krisen ich meine). ;)


Spambot - ich will nicht ins persönliche Detail gehen, daher kann ich auch nicht "konkrete Beispiele verwenden". Ich denke, das muss man auch nicht unbedingt. Vielleicht ist es ja nun doch auch so klargeworden?




Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: messie am 07 Oktober 2010, 19:16:52
Zitat
Mein Einwand ist aber, dass Therapie nicht unbedingt die beste Hilfe darstellt/sein kann, obwohl es leider aber oft so gesehen und sie empfohlen wird.

Ja, klar, sie ist nicht immer die beste Hilfe, aber eine von vielen Möglichkeiten mit einem Trauma oder Vergleichbarem klarzukommen.
Eine Therapie macht in erster Linie dann einen Sinn, wenn viele andere Möglichkeiten versagt haben. Spambots 2-Monats-Beispiel bezüglich der Trauer finde ich sehr anschaulich: Wenn man nach 2 Monaten immer noch so sehr trauert, dass man kaum in der Lage ist, sein tägliches Leben weiterzuführen, dann gehen die Profis also davon aus, dass die anderen Möglichkeiten bis dahin versagt haben.
Auf gut deutsch: Erstmal gucken ob der "soziale Faktor" weiterhilft, und wenn er es nach 2 Monaten immer noch überhaupt nicht tut, dann sucht man eben neue Wege, um aus dem Loch da 'rauszukommen. Einer davon ist eine Therapie.

Ob die dann wirklich helfen wird, steht wiederum auf einem anderen Blatt. Das ist individuell verschieden; einigen hilft sie, anderen wiederum überhaupt nicht. Auch muss man nicht eine machen wenn man nicht vorankommt. Es gibt keinen Zwang zum Glücklichsein, wer weiter unglücklich bleiben möchte und sich sowie andere damit nicht gefährdet (danke spambot für diese Abgrenzung, die leuchtete mir sofort ein :) ), der darf das auch und braucht weder eine Therapie noch sonst irgendetwas.

Kurz gesagt: Wer will, der darf, wer nicht will, der braucht nicht. :)
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Spambot am 07 Oktober 2010, 19:17:57
Da ich keinen konkreten Fall hatte, bin ich halt vom wahrscheinlichsten ausgegangen und das ist zumindest statistisch ein depressives Denkschema. Natürlich ersetzt so eine Wahrscheinlichkeit keine Analyse des Einzelfalls, der ja durchaus eine Ausnahme sein kann.

Wie man mit einem Trauerfall oder einem traumatischen Ereignis umgeht, hängt von vielen individuellen Faktoren sowie der schwere des Traumas ab. Daher ist es in meinen Augen sehr schwierig allgemein gültige Aussagen zu treffen.
Natürlich gab es auch früher traumatisierte Menschen, die sind teilweise sogar an den Folgen des Traumas gestorben (z.B. das sog. Old-Sergant-Syndrom aus dem II. Weltkrieg). Früher hat man die Leute einfach für ein wenig verrückt erklärt und sie mehr oder weniger ihrem Schicksal überlassen. Durch die traditionellen Familienstrukturen konnte aber auch viel an psychischem Stress aufgefangen werden.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 07 Oktober 2010, 22:41:30
ich habe auch eher den Eindruck, dass man mit dem Tod/Verlust eines geliebten Menschen (oder mehrerer) eigentlich niemals wirklich "klarkommt", niemals damit "abschließt" oder "darüber hinweg ist" - weil man sich an den Verstorbenen ja erinnert, erinnern bzw. ihn in Erinnerung behalten will ...

Hier ist es natürlich wieder Definitionssache. Was ist für dich "darüber hinweg" "abschliessen" etc?
Für mich klingen deine Ausführungen ein wenig nach "Abschliessen= Nie mehr an die Person erinnern dürfen" etc.

Wenn ich über den Tod einer Person hinweggekommen bin, heisst es für mich nur, dass ich akzeptiert habe dass die Person tot ist. Ich komm damit klar, denk aber trotzdem gern an die Person zurück.

Oder bekommst du auch, wenn du nach 10-20 Jahren an eine verstorbene Person zurückdenkst, noch das grosse Heulen als wäre der Tod gerade eben passiert?

Wenn du jetzt verheiratet wärest, und dein Partner stirbt. Heisst das dann für dich dass du nie wieder heiraten darfst etc? Dass eien neue Heirat dann quasi Verrat an dem verstorbenen Partner wäre?


Also wir haben ja inzwischen einigermaßen geklärt (mit Spambot und auch Lucas de Vil), was mit "Abschließen" gemeint ist - dass man nicht darunter leidet, dass man trotzdem "gut" leben und "glücklich" sein kann, dass man sich nicht schadet bzw. schädigt. So habe ich es zumindest verstanden.

(Allerdings ist das mit dem Sich-selbst-Schaden oder -Schädigen auch so´n Thema für sich ... nicht wahr?)


Ja, wenn ich - auch nach 10 und mehr Jahren an eine mir nahegestandene "verstorbene Person" denke, kann mich durchaus noch immer "das große Heulen" ... überkommen. Nicht immer, nicht jedes Mal (beim Gedanken an oder im Gespräch über diesen Menschen, aber dennoch kommt es noch immer auch vor).


Das mit dem Partner: Nein, eine erneute Partnerschaft/Verbindung/Beziehung (egal ob mit oder ohne Heirat) stellt für mich nicht einen Verrat am Verstorbenen dar. Auch keine Untreue ihm gegenüber. Das liegt aber u.a. ja auch daran, dass ich der Meinung bin, dass man mehrere Menschen gleichzeitig lieben kann und dass ich nicht von menschlicher Monogamie überzeugt bin (anderes Thema, siehe entsrpechender - alter - thread).

Als Verrat würde ich es aber, wie oben/vorne schon geschrieben, empfinden, wenn ich den Verstorbenen "vergessen" würde, obgleich ich annehme, dass er (insbesondere auch von mir - aufgrund bestimmten Verhaltens oder Äußerungen vor seinem Tod mir gegenüber ...) nicht vergessen werden wollte/wollen würde. Wenn ich seinen Tod wegschieben, verdrängen würde, um es mir erträglicher zu machen oder wenn ich mich sonstwie manipulieren würde, um es mir einfach leichter zu machen, indem ich bspw. meine (zu bestimmter Zeit und zu seiner Lebzeit vorhandene/für ihn empfundene) Gefühle im Nachhinein relativierte oder bestritte oder sonstwie herabsetzte ... - Natürlich sollte man auch nicht ins Gegenteil verfallen (und alles nachträglich bzw. post mortem idealisieren, aufbauschen, überbewerten...). Man sollte einfach bei den Tatsachen bleiben (können und dürfen).



@messie und Spambot


Also gerade die zwei Monate (als zugestandene Trauerzeit, als gewährte "normale" Leidenszeit) finde ich unglaublich: anmaßend und unrealistisch. Sag das bitte mal jemandem, dessen Kind gestorben ist - das ist unverschämt! Ehrlich. Das geht einfach zu weit. Wie oben schon geschrieben, ist es gerade bei verwaisten Eltern so, dass diese sicherlich immer "ein Problem" mit dem Tod/Verlust ihres Kindes haben werden (nicht lebenslang: täglich rund um die Uhr, aber grundsätzlich und unterschwellig eben doch sehr wahrscheinlich immer -und ja: sie werden auch darunter/dabei leiden und es wird ihr "Glück" wahrscheinlich immer/dauerhaft "trüben" ... blablabla).  =/

Ja sicher gehen Menschen auch unterschiedlich mit Trauer um, trauern unterschiedlich. Einigen merkt man es überhaupt nicht an, wenn man sie nicht wirklich gut kennt ... Aber darum geht es ja nicht.


Daher @Spambot

immerhin Danke dafür

Zitat
Wie man mit einem Trauerfall oder einem traumatischen Ereignis umgeht, hängt von vielen individuellen Faktoren sowie der schwere des Traumas ab. Daher ist es in meinen Augen sehr schwierig allgemein gültige Aussagen zu treffen.

!

(Hervorhebung von mir.)







Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: messie am 07 Oktober 2010, 23:13:06
Zitat
Also gerade die zwei Monate (als zugestandene Trauerzeit, als gewährte "normale" Leidenszeit) finde ich unglaublich: anmaßend und unrealistisch. Sag das bitte mal jemandem, dessen Kind gestorben ist - das ist unverschämt! Ehrlich.

Du guckst dir das aus der falschen Perspektive an.

Die 2 Monate sind kein "wenn bis dahin nix geholfen hat, dann musst du unbedingt eine Therapie machen!", sondern es kommt eher "bevor die 2 Monate nicht 'rum sind, brauchen wir uns über eine Therapie noch gar nicht unterhalten" hin.

Außerdem ist's ja eh nur n Richtwert, real wird ohnehin immer wieder neu gewürfelt. Real habe ich eher das Gegenteil erlebt, dass man erst einmal noch normal "funktionierte", einfach weil man funktionieren muss! Eltern für ihre Kinder, Kinder für ihre Eltern, Eltern für ihren jeweiligen Partner ... die Erfahrung aus meinem Umfeld ist eher, dass man dann später zusammenbricht, wenn erst einmal das Gröbste hinter einem liegt.

Spambot schrieb ja auch noch zusätzlich, dass es nicht darum geht, demjenigen die Trauer zu nehmen oder gar "wegzutherapieren", sondern einfach "nur" demjenigen hilft, damit umzugehen.
Dass z.B. Eltern es ein Leben lang mit sich rumtragen wenn ihr Kind vor ihnen stirbt, ist völlig klar. Es wäre aber sehr schade, wenn sie vor Trauer ihr Leben lang quasi nur noch vor sich hin leben, ohne jegliche Lebensfreude.
Tja, und dafür gibt's eben verschiedene Ansätze, wie sie da dann wieder 'rauskommen.
Naja, genau darum geht's hier ja auch. ;)
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Eisbär am 08 Oktober 2010, 01:01:45
ich habe irgendwie das Gefühl, der Sinn dieses Threads war von Kallisti eher eine Art Psychologenbashing, weil sie da entweder an die falschen geriet oder bei der Therapie nicht vernünftig mitarbeitete.

Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Chefin der Nachtwache am 08 Oktober 2010, 12:51:48
Man, habt ihr alle zu viel Zeit oder so???

oT:
Krisen passieren jedem. Thats life. Da muss man kein großes Trara drum machen. Entweder man zerbricht dran, oder man kämpft weiter. Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, dass man seinen Geist, durch welche Mittel auch immer, soweit stärken kann, dass man mit dem Thema, welches die Krise heraufbeschworen hat, auch irgendwann abschließen kann. Abschluss=oberstes Ziel. Punkt.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Levantin am 08 Oktober 2010, 21:50:50
Man, habt ihr alle zu viel Zeit oder so???

oT:
Krisen passieren jedem. Thats life. Da muss man kein großes Trara drum machen. Entweder man zerbricht dran, oder man kämpft weiter. Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, dass man seinen Geist, durch welche Mittel auch immer, soweit stärken kann, dass man mit dem Thema, welches die Krise heraufbeschworen hat, auch irgendwann abschließen kann. Abschluss=oberstes Ziel. Punkt.

Dafür !!!
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 09 Oktober 2010, 11:41:19
Man, habt ihr alle zu viel Zeit oder so???

oT:
Krisen passieren jedem. Thats life. Da muss man kein großes Trara drum machen. Entweder man zerbricht dran, oder man kämpft weiter. Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, dass man seinen Geist, durch welche Mittel auch immer, soweit stärken kann, dass man mit dem Thema, welches die Krise heraufbeschworen hat, auch irgendwann abschließen kann. Abschluss=oberstes Ziel. Punkt.

Dafür !!!


... Nur leider geht es bei Traumatisierung etc. zumeist nicht überwiegend um "den Geist", sondern: "das Gefühl". Und damit ist es so eine (oft schwierige bzw. weitreichende, tiefgehende) Sache (siehe u.a. Spambots Ausführungen oben).
Und was verstehst du Chefin der Nachtwache unter "Abschließen"? - Ich denke, es gibt Erlebnisse, mit denen man nicht/nie wirklich "abschließen" kann - insbesondere dann nicht, wenn es sich um ein Trauma handelt. (Beispiel: Folter.)

Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 09 Oktober 2010, 11:44:47
ich habe irgendwie das Gefühl, der Sinn dieses Threads war von Kallisti eher eine Art Psychologenbashing, weil sie da entweder an die falschen geriet oder bei der Therapie nicht vernünftig mitarbeitete.




Nein, denn ich schrieb deutlich eingangs:

Zitat
Ich würde gerne von euch wissen, wie Menschen mit Krisen, "seelischen Erschütterungen", mit Traumata und Verzweiflung ... umgehen (können)? Wie ihr evtl. damit umgeht oder umgegangen seid? Welche Wege/Möglichkeiten es da heraus geben kann - abgesehen von: Verdrängung, Ablenkung, (religiösem) Glaube und Psychotherapie (und/oder Psychiatrie und/oder Psychopharmaka oder "Drogen").  - Ich möchte und muss dies alles ausschließen, da es für mich (alles) nicht in Frage kommt bzw. ich aus eigener Erfahrung weiß, dass es (bei) mir nicht hilft (bspw. kann/will ich nicht "glauben"/ bin ich nicht gläubig oder spirituell, außerdem kommen Drogen und Psychopharmaka für mich grundsätzlich nicht in Betracht; Ablenkung/Verdrängung wirkt, wenn überhaupt, nur kurze Zeit/nur vorübergehend und Psychotherapie hilft u.U. gar nicht - nicht nur bei mir nicht (unabhängig von der Dauer oder Art der Therapie oder des Therapeuten), wie ich immer häufiger (durch andere/bei anderen) feststellen kann - bitte keine Grundsatzdiskussion über die Wirksamkeit von Psychotherapie oder wenn, dann bitte an anderer Stelle - Danke!
(mich selbst zitierend)



=/
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Lucas de Vil am 09 Oktober 2010, 18:58:22
Zitat
Ich würde gerne von euch wissen, wie Menschen mit Krisen, "seelischen Erschütterungen", mit Traumata und Verzweiflung ... umgehen (können)?
Da fehlt die Passage 'um den Leuten im Anschluss vorzuwerfen, dass ihre Ausführungen überhaupt nicht stimmen.' :P

Aber gut, ich bin dir noch Antworten schuldig, so wie es aussieht.

... Also entschuldige mal - deine Ausführungen klingen genauso "allgemein" wie meine. Du benutzt genauso das Wort "man" (statt "ich").
Ja. Ich hebel allerdings keine zuvor geäußerten Meinungen und Ansichten mit 'Nein!' aus.

Was meine vergessenen Klammern angeht, ja da hast du leider recht. Auch sonst hapert es an manchen Stellen - das liegt daran, dass ich fast immer unter Zeitdruck schreibe.  Deshalb packe ich auch so viel in einen Satz, weil ich nicht die Zeit habe, das in Ruhe und "sauber" auszuformulieren.
Dann nimm dir Zeit dafür. Ich tue es auch, Spambot offenbar ebenso.
(Kleiner Einwurf an die Chefin der Nachtwache: Nö, hab ich nicht. Ich nehme mir sie nur dann, wenn es mir wichtig ist.)

Ebenso wie meine "Emotionalität"/Empfindsamtkeit, aber auch "Temperament" (meine Wesensart)  - die seltsamerweise hier nun kritisiert wird (und sich in Großbuchstaben ganzer Wörter ausdrückt), an anderer Stelle erwartet/angemahnt wurde.
Ich kann mich nicht entsinnen, dir dies kritisiert/angemahnt zu haben. Deshalb lasse ich das nahezu unkommentiert.

Inhaltlich:
Man sollte wohl doch die einzelnen "Krisen" (-Ursachen) unterscheiden. Denn was das betrifft:
Zitat
Das Leben der Anderen
Auch ein typischer Fall. "Der hat alles verloren, ich hab nur..." oder "Sein Riese ist dreizehn Meter hoch, meiner nur zwei!"
Das kann durchaus hilfreich sein, wenn das Problem plötzlich nur ganz klein ist.
"Das bekomme ich doch locker in den Griff. Auffi!"
Meistens ist es das nicht.
"Scheiß doch drauf, warum lass ich mich von so nem Kleinkram runterziehen?"
"Oh, der Arme... Ich helf dem mal, der hat das wirklich bitternötig."
(Lucas de Vil)

Das verstehe ich nicht  finde die Sätze sogar widersprüchlich. Was nun - ist es hilfreich, wenn das eigene Problem gemessen an denen Anderer klein ist oder ist es das nicht? Und was hat es mit dem "Armen" (Anderen) zu tun, dem ich helfe oder nicht?  ???
Gut, meiner Meinung nach war das klar formuliert. Offensichtlich hast du es auch richtig verstanden, nur die Zuordnung nicht direkt hinbekommen. Diese Sätze sind widersprüchlich.
Es sind Reaktionen, die durch eine bestimmte Emotion ausgelöst werden.

Die Emotion, ich nenne sie mal 'Mitgefühl', lässt das persönliche, eigene Leid gleich viel kleiner aussehen. So zumindest verstehe ich messies Aussage. So habe ich es auch oftmals erlebt. Aus dieser völlig neutralen Emotion (die ich deshalb nicht 'Mitleid' nannte, da das Wort wohl für einige Personen negativ behaftet klingt) folgen immer Reaktionen.

Diese Reaktion kann gut für einen selbst sein. Als Beispiel nannte ich die Reaktion "Das bekomme ich doch locker in den Griff. Auffi!"
Diese sagt aus, dass die Person ihre Erfolgschancen auf die Behebung des Problems plötzlich als wesentlich größer wahr nimmt und motivierter ist, diese Krise aktiv zum Abschluss zu bringen.

Diese Reaktion kann allerdings auch schlecht für einen selbst sein. "Scheiß doch drauf, warum lass ich mich von so nem Kleinkram runterziehen?" soll diesen Fall symbolisieren.
Diese Reaktion verleugnet einfach die Tragweite der Krise und setzt auf Ignoranz beziehungsweise Verdrängung.
Offensichtlich sind hier alle der Meinung, das Verdrängung der einzige Weg ist, der einen definitiv nicht zum Abschluss/zur Verarbeitung der Krisensituation führt.

Die dritte Reaktion würde ich als neutral einstufen. "Oh, der Arme... Ich helf dem mal, der hat das wirklich bitternötig."
Sie ist insofern als 'schlecht' anzusehen, als dass die Person ihre Krisensituation verdrängt. Da aber Interaktion gut tut und Anderen helfen einen selbst stärkt, kann dies auch durchaus ein guter Weg sein. Es hängt von der Person ab, ob sie sich frisch gestärkt an ihre eigenen Themen wagt (sehr gut) oder weiter verdrängt (eher schlecht).

Jedenfalls bin ich der Meinung, dass es einem nicht hilft, sein Problem was dessen "Größenverhältnis"/Ausmaß angeht mit den Problemen anderer Menschen zu vergleichen
Ich schneide dir hier einmal den Satz ab, da deine Fallunterscheidungen die Sache meiner Meinung nach verwässern.
Diese Meinung ist für mich einfach nur realitätsfremd. In jeder Literatur zu Arbeitsorganisation und Zeitmanagement findest du den Hinweis, dass sich kleinere Brocken leichter entfernen lassen und eher freiwillig angegangen werden als riesige Felsen.

Es gibt eine Seemannsgarn-Geschichte, die in diesem Zusammenhang immer wieder gern zitiert wird.
Auf einem Dampfer war eine Gruppe von Leuten zum Wäsche waschen eingeteilt. Diese lagen aber nur den ganzen Tag faul an Deck rum. Die Frage, was denn das sollte, antworteten sie: "Der Wäscheberg ist zu riesig, das bekommen wir nie gewaschen. Also brauchen wir auch gar nicht erst anfangen." Der Offizier lies daraufhin alle Wäsche unter Deck bringen und jeden Tag einen kleinen, schaffbaren Haufen an Deck bringen. Nach einer Woche war alles fertig.

Bevor die Frage aufkommt, was Krisenbewältigung mit Zeitmanagement und Arbeitsorganisation zu tun hat:
es ist harte Arbeit und die Zeit wartet nicht auf einen.

Also sollte man (wir) nun vlt. doch besser zwischen unterschiedlichen Krisen (-Ursachen) unterscheiden.  ?
Das ist in meinen Augen sinnlos.
Egal welche Krise passiert, das Spiel ist meiner Erfahrung nach immer das gleiche.
Irgendeine Emotion (oder auch ein ganzes Paket davon) wird in unserem Organismus gezündet, so dass es den gesamten Ablauf durcheinanderwirbelt. Das ist übrigens völlig natürlich und vermutlich irgendwo in den tiefsten Tiefen des Wirbeltierhirns verankert. Vermutlich hatte jeder schon einmal paarweise zu haltende bzw. gehaltene Haustiere, bei denen eines verstarb. Das Andere war dann auch erst mal für nichts mehr zu begeistern.

Unserem Wirbeltiergehirn sitzt aber noch so eine Institution namens 'Bewusstsein' inne. Das ist übrigens meiner Auffassung nach ne faule Sau. Was es sich einmal angewöhnt hat wiederholt es immer und immer wieder.
Das entscheidet auch darüber, wie wir eine Situation bewerten.

Bleiben wir mal (Gruftiforum halt, nech?) beim Tod.
Die Gefühle beim Tod eines einem nahe liegenden Wesens sind fast immer dieselben.
Und dabei ist es meiner Erfahrung nach scheißegal, ob das jetzt die eigene Katze, Nachbars Hund, Kanarienvogel, Onkel, Oma der Freundin, Klassenkameradin, Mama oder Ehefrau ist.
Zugegeben, zu Mama und Ehefrau habe ich keine Erfahrung. Das Emotionspaket wird dasselbe sein.

Das Bewusstsein versucht jetzt zu erklären, wie zu reagieren ist.
Katze? Egal, die war eh krank. Nachbars Hund? War ja nicht mal der Eigene. Kanarienvogel? Es ist nur ein Tier!
Onkel? Ja, okay, aber der hat ja selber Schuld. Besagte Oma? Jo, okay, aber zum Glück muss sie nicht mehr leiden. Klassenkameradin? In Ordnung, aber du kanntest die eh nicht lange, also übertreib's nicht. Mama? Jo, keine Widerrede. Ehefrau? +schweigen seitens des Bewusstseins+

Und woher lernen wir das?
Vom so genannten Trost. Anstand das Kindchen einfach in den Arm zu nehmen und die Fresse zu halten wird man im Arm gehalten und bekommt Kommentare wie eben jenes 'Es ist ja nur ein Tier!'

Die Gefühle beim Tod eines einem nahe liegenden Wesens sind fast immer dieselben.
Es gibt nur eine Ausnahme. Niemand sollte jemals sein eigenes (Klein)Kind zu Grabe tragen müssen.
Da spielt dann vermutlich auch noch der durch die Evolution bedingte Beschützerinstinkt mit rein und man hat seine Elternrolle einfach mal verkackt. Scheißegal ob man irgendetwas hätte verhindern können.
(Nein, nicht meine Meinung. Die Selbstvorwurfsmaschinerie, die mir bekannte betroffene Eltern auffuhren.)

Zitat
Insofern sehe ich auch davon ab dich auf die Unterschiede zwischen dem Gefühl 'Trauer' und den daraus resultierenden in vielen Fällen krankhaften Umgangsformen mit/gegen sie hinzuweisen. Das habe ich meiner Meinung nach in meinem ersten Posting bereits an anderen Beispielen getan.
(Lucas de Vil)
Schade, denn mir erschließen sich diese Beispiele nicht, ich finde sie nicht: die "krankhaften Umgangsformen" (in deinem Beitrag). ?
Ich war so frei, es am Gefühl 'Mitgefühl' zu erläutern. Wobei die krankhaften Umgangsformen zur Trauerbekämpfung wesentlich schwerer wiegen.

Was das betrifft:
Zitat
Ich verstehe deinen Eingangspost so, dass dich jede Krise aus der Bahn wirft und du das nicht so toll findest.
(Lucas de Vil)
... verstehst du mich leider falsch
Okay.
Gibt dir aber immer noch nicht das Recht, mir ein 'Nein' entgegen zu schleudern. ;)

und ich verstehe nicht, wo heraus (oder viel mehr hinein) du das liest - diese Aussage: dass mich jede Krise aus der Bahn wirft und ich das nicht so toll finde.
Ist trotz Fragezeichen und Fragewort keine Frage, dennoch antworte ich einfach: zwischen den Zeilen.
Hab mich geirrt.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 09 Oktober 2010, 22:58:08
@Lucas de Vil


... also ich find ja deine Art zu Schreiben/Antworten (Denken?) auch "schwierig".  :-\  Zumindest fehlt mir irgendwie oft das Verstehen dafür. Aber gut, ich frag dann halt nochmal nach.

Erst mal noch kurz dazu:
Zitat
Dann nimm dir Zeit dafür. Ich tue es auch, Spambot offenbar ebenso.

Nee, ich nehme mir für Internet schon viel zu viel Zeit - das impliziert auch dieses Forum. Ich möchte mir eigentlich eher endlich mal wieder mehr Zeit für andere Dinge des Lebens nehmen bzw. geben! Und mit Kind hat man nie wirklich freie Zeit (teils nicht mal nachts) - nur irgendwann müssen halt auch sämtliche anfallenden "Alltags-Pflichten" erledigt werden und schlafen und essen muss/möchte man auch und dann eben seine (mehr oder weniger) freie Zeit nicht ausschließlich und auch nicht mal überwiegend diesem Forum widmen - ich jedenfalls nicht. ;)


Weiter hier:

Zitat
Egal welche Krise passiert, das Spiel ist meiner Erfahrung nach immer das gleiche.

Meiner Erfahrung nach ist es das eben überhaupt nicht. Ich reagiere auf unterschiedliche Krisen durchaus unterschiedlich (emotional, intensiv, lange ...)! Und gehe auch unterschiedlich mit ihnen um.
Ich schrieb ja bereits zweimal, dass mich persönlich zumindest das am meisten "überwältigt", dem ich ausgeliefert bin, wenn ich also überhaupt keine Handlungsoptionen hatte, es vorauszusehen oder abzuwenden oder überhaupt damit rechnen zu können, wenn ich in der Situation auch nichts ändern, abbrechen, beenden, abmildern oder auch nur weglaufen kann. Wenn ich mit dem Verstand nichts daran "relativieren" oder es verstehen kann (Sinn, Grund, Ursache, Zusammenhänge...). Wenn es halt völlig unerwartet einfach mit einem passiert - eben: einem unfreiwillig, unbeabsichtigt widerfährt. Wenn ich es tatsächlich also "aushalten", über mich ergehen lassen muss - oder es so zu verdrängen versuche, dass ich im Grunde aus mir selbst heraustreten müsste (also dafür gibt es im psychologischen Fachjargon sicher auch eine genaue Bezeichnung, die mir jetzt nicht einfällt - jedenfalls habe ich sowas noch nie gemacht/gekonnt wie auch immer).

Und ich denke, das macht nicht nur mir zu schaffen. ;)

Zitat
Ich schneide dir hier einmal den Satz ab, da deine Fallunterscheidungen die Sache meiner Meinung nach verwässern.
Diese Meinung ist für mich einfach nur realitätsfremd. In jeder Literatur zu Arbeitsorganisation und Zeitmanagement findest du den Hinweis, dass sich kleinere Brocken leichter entfernen lassen und eher freiwillig angegangen werden als riesige Felsen.

Gut, dann nochmal anhand eines konkreten Beispiels: Ein Mensch wurde über einen längeren Zeitraum wiederholt körperlich (und damit auch psychisch) gefoltert (geht auch weniger drastisch - sagen wir: misshandelt).
Wie sollen da welche "kleineren Brocken" des Traumas/der Traumatisierung - des Erlebnisses mit all seinen auch körperlichen Konsequenzen (die evtl. lebenslänglich bestehen und den Menschen stark einschränken und belasten können...) aufgeteilt und "abgearbeitet" bzw. entfernt werden?


Zitat
Die Gefühle beim Tod eines einem nahe liegenden Wesens sind fast immer dieselben.
Und dabei ist es meiner Erfahrung nach scheißegal, ob das jetzt die eigene Katze, Nachbars Hund, Kanarienvogel, Onkel, Oma der Freundin, Klassenkameradin, Mama oder Ehefrau ist.
Zugegeben, zu Mama und Ehefrau habe ich keine Erfahrung. Das Emotionspaket wird dasselbe sein.
Auch das sehe ich völlig anders - auch: aus meiner Erfahrung. Außerdem hast du es (dich) selbst unmittelbar danach widerlegt:

Zitat
Das Bewusstsein versucht jetzt zu erklären, wie zu reagieren ist.
Katze? Egal, die war eh krank. Nachbars Hund? War ja nicht mal der Eigene. Kanarienvogel? Es ist nur ein Tier!
Onkel? Ja, okay, aber der hat ja selber Schuld. Besagte Oma? Jo, okay, aber zum Glück muss sie nicht mehr leiden. Klassenkameradin? In Ordnung, aber du kanntest die eh nicht lange, also übertreib's nicht. Mama? Jo, keine Widerrede. Ehefrau? +schweigen seitens des Bewusstseins+


Also sind es nun "fast immer dieselben" Gefühle (die gleichen) oder nicht? Deiner Erklärung nach ja dann also doch nicht. ?? Du sagst, die Gefühle seien dieselben, das Bewusstsein würde das Ereignis dann aber unterschiedlich bewerten/einordnen/aufdröseln. Aber so läuft das ja eben bei Trauer auch gerade nicht. Wenn man das so aufdröseln kann, dann ist das Gefühl nicht so tiefgehend, dass es einen wirklich "beschädigt", dass man dabei Schlagseite bekommt, dass man wirklich (unter dem Ereignis) längere Zeit leidet.
So sehe ich das zumindest.
Wenn man aber leidet (im Fall von Tod: durch/bei Trauer), funktioniert diese "Taktik" mit dem Bewusstsein nicht - oder aber es ist dann eben das, was als Verdrängung oder Selbstverarsche bezeichnet wird: man kann sich durchaus einreden, dass es einem eigentlich gar nichts ausmacht oder zumindest "nicht so schlimm" ist - aber eben das funktioniert meistens eben dann nicht (nicht lange), wenn man tatsächlich aber eigentlich doch "trauert"/traurig ist, wegen des Todes eines geliebten Menschens.


Vielleicht sollten wir auch hier unterscheiden: Wem der Tod welcher Menschen wie "nahe geht". ?!? Und überhaupt bin ich der Meinung, dass das (Verlust durch Tod von Menschen) eine zwangsläufig sehr indivduelle Sache ist, weil diese verschiedenen Beziehungen (in ihrer Art, aber eben auch in ihrer Intensität) zwischen den Menschen (dem Lebenden, dem Toten) individuell sind/waren. Für den einen ist es vlt. nicht so tragisch, wenn ein Elternteil von ihm stirbt, für den anderen geht eben aber die Welt unter - je nachdem, wie die Beziehung jeweils war ... ! DAS ist es, was die "Trauer" so unterschiedlich (intensiv und langandauernd oder eben nicht) macht! Das kann aber kein Außenstehender beurteilen, bewerten, weil er selbst nicht betroffen ist und nicht diese Beziehung so hatte/kannte/erlebte.

Ich sage ja schon immer, man kann nicht beurteilen, wie "schlimm" das (irgendein) Leid für einen Anderen ist, weil man nicht der Andere ist. Wie schlimm es (für ihn) ist, kann nur dieser selbst wissen, ermessen, sagen, empfinden!


Und dann: Nicht jedes (vorübergehende) Traurigsein ist (mit Leid verbundene) Trauer! Somit also dann auch keine Krise.


Zitat
Niemand sollte jemals sein eigenes (Klein)Kind zu Grabe tragen müssen.
Hier stimmen wir wenigstens überein.



Zitat
Gibt dir aber immer noch nicht das Recht, mir ein 'Nein' entgegen zu schleudern. Zwinkernd

Doch, weil es einfach zu meiner "Wesensart" gehört - auch mal (laut und deutlich) Nein zu sagen.  ;D  Und vor allem dann, wenn ich mich gerade echauffiere. lol

Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 09 Oktober 2010, 23:07:10
Zitat
Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, dass man seinen Geist, durch welche Mittel auch immer, soweit stärken kann, dass man mit dem Thema, welches die Krise heraufbeschworen hat, auch irgendwann abschließen kann.

@Chefin der Nachtwache

... und dann hab ich dazu (abgesehen von meiner Frage dazu, was du mit Abschließen meinst) noch eine Frage:

Durch welche "Mittel" "seinen Geist stärken" (denn genau das war ja auch eingangs meine Frage) und wieso den "Geist" (was meinst du mit "Geist")??

Nein, das ist kein Fragen, um des Fragens willen, sondern ich kann deiner Aussage einfach inhaltlich überhaupt nichts entnehmen, daher frage ich, was du also damit eigentlich meinst. Wenn man es mit anderen Worten (etwas ausführlicher, trotz Zeitmangel ;) ) erklärt, verstehe ich es ja vielleicht doch. ?
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Lucas de Vil am 10 Oktober 2010, 05:11:00
... also ich find ja deine Art zu Schreiben/Antworten (Denken?) auch "schwierig".  :-\  Zumindest fehlt mir irgendwie oft das Verstehen dafür. Aber gut, ich frag dann halt nochmal nach.
Fragen hilft tatsächlich. :)

Erst mal noch kurz dazu:
Zitat
Dann nimm dir Zeit dafür. Ich tue es auch, Spambot offenbar ebenso.
Nee, ich nehme mir für Internet schon viel zu viel Zeit - das impliziert auch dieses Forum.
Aha. Das gibt dir jetzt nicht unbedingt Sonderpunkte. ;)

Zitat
Egal welche Krise passiert, das Spiel ist meiner Erfahrung nach immer das gleiche.

Meiner Erfahrung nach ist es das eben überhaupt nicht. Ich reagiere auf unterschiedliche Krisen durchaus unterschiedlich (emotional, intensiv, lange ...)! Und gehe auch unterschiedlich mit ihnen um.
Ja. "Das Spiel ist immer dasselbe" bedeutet auch nicht, dass mit jeder Krisensituation gleich umgegangen wird.
Es bedeutet, dass meiner Erfahrung nach immer derselbe Ablauf durchgerattert wird.

Zitat
Ich schneide dir hier einmal den Satz ab, da deine Fallunterscheidungen die Sache meiner Meinung nach verwässern.
Diese Meinung ist für mich einfach nur realitätsfremd. In jeder Literatur zu Arbeitsorganisation und Zeitmanagement findest du den Hinweis, dass sich kleinere Brocken leichter entfernen lassen und eher freiwillig angegangen werden als riesige Felsen.
Gut, dann nochmal anhand eines konkreten Beispiels: Ein Mensch wurde über einen längeren Zeitraum wiederholt körperlich (und damit auch psychisch) gefoltert (geht auch weniger drastisch - sagen wir: misshandelt).
Wie sollen da welche "kleineren Brocken" des Traumas/der Traumatisierung - des Erlebnisses mit all seinen auch körperlichen Konsequenzen (die evtl. lebenslänglich bestehen und den Menschen stark einschränken und belasten können...) aufgeteilt und "abgearbeitet" bzw. entfernt werden?
Dafür gibt es vermutlich kein Patentrezept. Eine gute Idee ist es, das Selbstwertgefühl zu stärken. Dann das Selbstvertrauen und im Anschluss dann das Vertrauen in Andere. Eins nach dem Anderen, zuerst das, worauf alles Andere aufbaut.

Zitat
Die Gefühle beim Tod eines einem nahe liegenden Wesens sind fast immer dieselben.
Und dabei ist es meiner Erfahrung nach scheißegal, ob das jetzt die eigene Katze, Nachbars Hund, Kanarienvogel, Onkel, Oma der Freundin, Klassenkameradin, Mama oder Ehefrau ist.
Zugegeben, zu Mama und Ehefrau habe ich keine Erfahrung. Das Emotionspaket wird dasselbe sein.
Auch das sehe ich völlig anders - auch: aus meiner Erfahrung. Außerdem hast du es (dich) selbst unmittelbar danach widerlegt:
Zitat
Das Bewusstsein versucht jetzt zu erklären, wie zu reagieren ist.
Katze? Egal, die war eh krank. Nachbars Hund? War ja nicht mal der Eigene. Kanarienvogel? Es ist nur ein Tier!
Onkel? Ja, okay, aber der hat ja selber Schuld. Besagte Oma? Jo, okay, aber zum Glück muss sie nicht mehr leiden. Klassenkameradin? In Ordnung, aber du kanntest die eh nicht lange, also übertreib's nicht. Mama? Jo, keine Widerrede. Ehefrau? +schweigen seitens des Bewusstseins+
Also sind es nun "fast immer dieselben" Gefühle (die gleichen) oder nicht? Deiner Erklärung nach ja dann also doch nicht. ?? Du sagst, die Gefühle seien dieselben, das Bewusstsein würde das Ereignis dann aber unterschiedlich bewerten/einordnen/aufdröseln. Aber so läuft das ja eben bei Trauer auch gerade nicht. Wenn man das so aufdröseln kann, dann ist das Gefühl nicht so tiefgehend, dass es einen wirklich "beschädigt", dass man dabei Schlagseite bekommt, dass man wirklich (unter dem Ereignis) längere Zeit leidet.
So sehe ich das zumindest.
Ist doch eindeutig.
Du setzt schon wieder Dinge in einen Kontext, die ich getrennt habe. Zusammengeschmissen ergibt es auch keinen Sinn und widerspricht sich.

Die Gefühle/Emotionen sind immer dieselben. (Block 1)
Was man daraus macht unterscheidet sich. (Block 2)
Ich bezichtigte das Bewusstsein der Faulheit. Es nimmt einmal einen Weg und geht ihn dann permanent erneut.
Natürlich bewertest du persönlich gedanklich den Vorfall überhaupt nicht.
Die Bewertung und Kategorisierung geschieht quasi automatisch durch den nicht kontrollierbaren Teil des Bewusstseins.


Vielleicht sollten wir auch hier unterscheiden: Wem der Tod welcher Menschen wie "nahe geht". ?!?
Was soll denn das bringen?
Wenn mir die Person nicht nahe steht, also keine emotionale Bindung existiert, ist mir deren Tod auch schlichtweg egal.
Es kommt also gar nicht erst zu den Gefühlen der Trauer, des Verlustes und so weiter. Ergo findet das gesamte Prozedere überhaupt nicht statt.

Wenn mir die Person nahe steht ist mir ihr Tod auch nicht egal.
Die Emotionen setzen ein, das Bewusstsein kategorisiert automatisch und fertig. Immer das gleiche Spiel.

Zitat
Gibt dir aber immer noch nicht das Recht, mir ein 'Nein' entgegen zu schleudern. Zwinkernd
Doch, weil es einfach zu meiner "Wesensart" gehört - auch mal (laut und deutlich) Nein zu sagen.  ;D  Und vor allem dann, wenn ich mich gerade echauffiere. lol
::)
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: messie am 10 Oktober 2010, 08:47:16
Zitat von: Kallisti
Nicht jedes (vorübergehende) Traurigsein ist (mit Leid verbundene) Trauer!

Das hat auch niemand behauptet.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 10 Oktober 2010, 11:58:58
@Lucas de Vil

Zitat
Fragen hilft tatsächlich. Smiley

Das kann ich nur an dich zurückgeben - statt "zwischen meinen Zeilen" etwas zu lesen, etwas hineinzuinterpretieren, das dort nicht vorhanden ist (wie du ja letztlich selbst sagtest), hättest auch du mich einfach zuvor fragen können. Wie ich schon viele Male schrieb, würde es grundsätzlich Missverständnissen vorbeugen, wenn man den Anderen mehr und zuerst fragte (wie er etwas meint, warum er es so und so sieht), statt eben "zwischen die Zeilen" zu interpretieren. ;)

Daher frage ich so oft/viel.

Zitat
Zitat von: Kallisti am Oktober 09, 2010, 09:58:08
Erst mal noch kurz dazu:
Zitat
Dann nimm dir Zeit dafür. Ich tue es auch, Spambot offenbar ebenso.
Nee, ich nehme mir für Internet schon viel zu viel Zeit - das impliziert auch dieses Forum.
Aha. Das gibt dir jetzt nicht unbedingt Sonderpunkte. Zwinkernd

Es gibt dir aber auch keine "Fairness-Punkte", wenn du meine Sätze ohne die zugehörige Begründung in den Raum stellst. Denn logischerweise hat der Satz ohne Begründung eine ganz andere Aussage (als mit der von mir beigefügten, von dir absichtlich weggekürzten! Begründung). - Was soll das? Das trägt zur Diskussion nichts Konstruktives bei - im Gegenteil. - Ich hatte klar und nachvollziehbar begründet.  Und ich lasse mir nicht vorschreiben, wieviel Zeit ich im Internet oder im Forum zu verbringen habe. Meine Sätze sind auch ohne die ein oder andere schließende Klammer durchaus verständlich.


Zitat
Es bedeutet, dass meiner Erfahrung nach immer derselbe Ablauf durchgerattert wird.

Welcher Ablauf?? Also: Wenn jemand Opfer einer Naturkatastrophe, eines (gewalttätigen) Verbrechens, von Folter  - und durch all dies traumatisiert wurde oder auch durch den Tod eines geliebten Menschen - welcher immer gleiche (Anmerkung: der gleiche, niemals derselbe) Ablauf findet da statt?? Du hattest dazu nur Folgendes geschrieben:

Zitat
Egal welche Krise passiert, das Spiel ist meiner Erfahrung nach immer das gleiche.
Irgendeine Emotion (oder auch ein ganzes Paket davon) wird in unserem Organismus gezündet, so dass es den gesamten Ablauf durcheinanderwirbelt. Das ist übrigens völlig natürlich und vermutlich irgendwo in den tiefsten Tiefen des Wirbeltierhirns verankert.

Das wiederum ist mir zu "verwässert" bzw. zu allgemein, zu oberflächlich. Denn dass im Gehirn etwas passiert (bewusst oder/und unbewusst) ist eine Platitude. Es passiert immer irgendetwas im Gehirn, so lange ein Mensch lebt. Und dass bei Krisen Emotionen beteiligt sind, ist auch ein Selbstgänger.

Du "unterscheidest" dann zwischen Emotionen, die "gezündet werden" und der "faulen Sau" Bewusstsein. Hier ist aber der Haken, denn man kann Gefühle nicht vom "Bewusstsein" oder "dem Verstand" trennen - spätestens seit Antonio Damasio ist bekannt, dass Gefühle in unser Denken (und Verhalten) zwangsläufig immer mit hineinspielen, beteiligt sind - also auch "Bestandteil" unseres Bewusstseins sind. Wobei man mit dem Ausdruck "Bewusstsein" wieder sehr vorsichtig umgehen sollte, da die Frage noch ist: Was genau ist das Bewusstsein, woraus genau besteht es bzw. wie/woraus setzt es sich zusammen/ist es gebildet... ?!? Nach meinem Wissensstand ist die Frage danach, was das (menschliche) Bewusstsein ist, ausmacht, auch heute noch nicht mal wissenschaftlich einheitlich und abschließend geklärt. Daher also meine Frage an dich: Was meinst du genau, wenn du so leichtgängig vom Bewusstsein ("der faulen Sau") schreibst??

Und wie kannst du also vor diesem Hintergrund die "Emotionen" von "dem" Bewusstsein trennen (denn das tatest du, s.o. und siehe auch hier nochmals:)?


Zitat
Ist doch eindeutig.
Du setzt schon wieder Dinge in einen Kontext, die ich getrennt habe. Zusammengeschmissen ergibt es auch keinen Sinn und widerspricht sich.

Die Gefühle/Emotionen sind immer dieselben. (Block 1)
Was man daraus macht unterscheidet sich. (Block 2)
Ich bezichtigte das Bewusstsein der Faulheit. Es nimmt einmal einen Weg und geht ihn dann permanent erneut.
Natürlich bewertest du persönlich gedanklich den Vorfall überhaupt nicht.
Die Bewertung und Kategorisierung geschieht quasi automatisch durch den nicht kontrollierbaren Teil des Bewusstseins.


Und plötzlich wirfst du aber ein, dass Bewertung und Kategorisierung (von Gefühlen?) "automatisch durch den nicht kontorllierbaren Teil des Bewusstseins" (mit anderen Worten: durch das Unbewusste ?) stattfinden.
Du kannst aber nicht einerseits "das" (gesamte!) Bewusstsein als "faule Sau" bezeichnen, die immer den gleichen Weg nimmt, dann aber eigentlich damit wohl doch nur das Unbewusste meinen - wie es in deinem dann folgenden Satz ja klingt, in dem du dich doch eher auf das Unbewusste beziehst! Man sollte zwischen Bewusstem und Unbewusstem doch unterscheiden - denn wir bestehen ja nicht nur aus Unbewusstem und verhalten uns nur/ausschließlich "unbewusst"!
Davon abgesehen ändert auch die Unterscheidung von Bewusstem und Unbewusstem nichts an der Tatsache, dass die Gefühle (Emotionen) immer mit hineinspielen und sich vom "Bewusstsein" also nicht trennen lassen (wie ich oben bereits darlegte).





Zitat
Zitat von: Kallisti am Oktober 09, 2010, 09:58:08
Zitat
Ich schneide dir hier einmal den Satz ab, da deine Fallunterscheidungen die Sache meiner Meinung nach verwässern.
Diese Meinung ist für mich einfach nur realitätsfremd. In jeder Literatur zu Arbeitsorganisation und Zeitmanagement findest du den Hinweis, dass sich kleinere Brocken leichter entfernen lassen und eher freiwillig angegangen werden als riesige Felsen.
Gut, dann nochmal anhand eines konkreten Beispiels: Ein Mensch wurde über einen längeren Zeitraum wiederholt körperlich (und damit auch psychisch) gefoltert (geht auch weniger drastisch - sagen wir: misshandelt).
Wie sollen da welche "kleineren Brocken" des Traumas/der Traumatisierung - des Erlebnisses mit all seinen auch körperlichen Konsequenzen (die evtl. lebenslänglich bestehen und den Menschen stark einschränken und belasten können...) aufgeteilt und "abgearbeitet" bzw. entfernt werden?
Dafür gibt es vermutlich kein Patentrezept.

Du hattest aber doch geschrieben und als "Lösungsweg" genannt, dass man das Geschehene oder das Problem "in kleinen Brocken entfernen" könne und dies setztes du in einen Zusammenhang mit Arbeitsorganisation und Zeitmanagement - siehe hier:

Zitat
Zitat von: Kallisti am Oktober 07, 2010, 02:27:36
Jedenfalls bin ich der Meinung, dass es einem nicht hilft, sein Problem was dessen "Größenverhältnis"/Ausmaß angeht mit den Problemen anderer Menschen zu vergleichen
Ich schneide dir hier einmal den Satz ab, da deine Fallunterscheidungen die Sache meiner Meinung nach verwässern.
Diese Meinung ist für mich einfach nur realitätsfremd. In jeder Literatur zu Arbeitsorganisation und Zeitmanagement findest du den Hinweis, dass sich kleinere Brocken leichter entfernen lassen und eher freiwillig angegangen werden als riesige Felsen.

Es gibt eine Seemannsgarn-Geschichte, die in diesem Zusammenhang immer wieder gern zitiert wird.
Auf einem Dampfer war eine Gruppe von Leuten zum Wäsche waschen eingeteilt. Diese lagen aber nur den ganzen Tag faul an Deck rum. Die Frage, was denn das sollte, antworteten sie: "Der Wäscheberg ist zu riesig, das bekommen wir nie gewaschen. Also brauchen wir auch gar nicht erst anfangen." Der Offizier lies daraufhin alle Wäsche unter Deck bringen und jeden Tag einen kleinen, schaffbaren Haufen an Deck bringen. Nach einer Woche war alles fertig.


Daraufhin fragte ich dich, wie genau das mit den "kleinen Brocken" oder "kleinen schaffbaren Haufen" anhand eines konkreten Beispiels (wie dem Gefoltertwordensein) deiner Meinung nach also abläuft/vonstatten gehen soll. Nun antwortest du, dafür gebe es kein Patentrezept. Man müsse das Selbstwertgefühl stärken. Sicher - damit liegt man ja nie verkehrt, nicht wahr? Aber was ist mit den Bildern, mit den Empfindungen (mitunter sogar viele Jahre später noch: körperliche "Missempfindungen", sowieso: psychischen), die durch das erlebte Trauma vorhanden sind? ??




Zitat
Zitat von: Kallisti am Oktober 09, 2010, 09:58:08
Vielleicht sollten wir auch hier unterscheiden: Wem der Tod welcher Menschen wie "nahe geht". ?!?
Was soll denn das bringen?
Wenn mir die Person nicht nahe steht, also keine emotionale Bindung existiert, ist mir deren Tod auch schlichtweg egal.
Es kommt also gar nicht erst zu den Gefühlen der Trauer, des Verlustes und so weiter. Ergo findet das gesamte Prozedere überhaupt nicht statt.

Wenn mir die Person nahe steht ist mir ihr Tod auch nicht egal.

Und ich bin davon überzeugt, dass einem der Tod unterschiedlicher Menschen (oder Tiere) - je nach Art und Intensität der jeweiligen Beziehung, die zugrunde lag ! - unterschiedlich "stark" nahegeht - also einen unterschiedlich stark und lange "beschäftigt", belastet, zu schaffen macht oder auch: umhaut.

Dies auch @messie

In einem Fall (von Verlust durch Tod) macht es einen eben "nur" vorübergehend traurig. In einem anderen Fall (bei einer anderen Person) stürzt es einen in tiefe Trauer, in Verzweiflung, in eigene Not/Haltlosigkeit. Also: in eine "Krise" - durch seelische Erschütterung.

Daher mein Satz: Nicht jedes Traurigsein (durch Verlust durch Tod verursacht) ist "tiefe", belastende Trauer, die (eigenes) Leiden mit sich bringt/nach sich zieht.

Hier unterscheide ich also etwas, das Lucas de Vil offensichtlich so ja gerade nicht unterscheidet! Denn er schrieb:

Zitat
Wenn mir die Person nahe steht ist mir ihr Tod auch nicht egal.
Die Emotionen setzen ein, das Bewusstsein kategorisiert automatisch und fertig. Immer das gleiche Spiel.

Und ich meine: Es ist gerade nicht "immer das gleiche Spiel", sondern: Je nach (verstorbener) Person, je nach zugrunde gelegener Beziehung (zu dieser Person) und auch: je nach Art des Verlustes (Tod oder Trennung) "läuft unterschiedliches" ab (in den Gefühlen und Gedanken)!!!


Lucas de Vil hat das eigentlich selbst an anderer Stelle so bestätigt, als er schrieb:

Zitat
Es gibt nur eine Ausnahme. Niemand sollte jemals sein eigenes (Klein)Kind zu Grabe tragen müssen.

Seiner Ansicht nach gibt es also - immerhin doch - diese eine Ausnahme. Meiner Ansicht nach unterscheiden sich "die Abläufe", die Trauer nicht nur in diesem einen Fall, sondern wie gesagt je nach Person/Beziehung usw. (s.o.).

Und dann hängt es auch noch vom Einzelnen selbst ab (wie er trauert und auch: wie lange und warum...), auch das hatte ich schon erwähnt.


Dann noch etwas zu unserem offensichtlich sehr unterschiedlichen Verständnis von Trost @Lucas de Vil. Du schreibst:

Zitat
Und woher lernen wir das?
Vom so genannten Trost. Anstand das Kindchen einfach in den Arm zu nehmen und die Fresse zu halten wird man im Arm gehalten und bekommt Kommentare wie eben jenes 'Es ist ja nur ein Tier!'


Aber ich schrieb:

Zitat
Was aber für mich am Trost bzw. "Trösten" ganz wichtig und entscheidend ist (und was ein Therapeut so nicht bieten, geben kann und auch nicht soll), ist der körperliche Aspekt: Trösten heißt für mich im ersten Moment, einen Menschen HALTEN, "stützen", "auffangen"! Eben deshalb - und das weiß man heute auch längst - ist es so wichtig, Menschen in den Arm zu nehmen, körperlich (!) Halt zu geben, eben: jemanden zu halten, "bei" ihm zu sein, weil er selbst sich (!!) gerade nicht halten kann, haltlos ist. - Jaja, da sind wir wieder bei der Sprache ... Wink

Und wissenschaftlich fundiert ist doch auch nicht seit gestern bekannt, dass nicht nur Kinder diese körperliche Nähe(für ihre gesunde körperliche und "seelisch-geistige" Entwicklung notwendig brauchen, sondern dass bspw. auch Kranke durch Berührung, Streicheln ... weniger Schmerz emfinden (sicher, kommt darauf an, wie stark der Schmerz ist und wer wen wie berührt, aber grundsätzlich "hilft" körperliche Berührung/Streicheln, in den Arm nehmen meistens durchaus)! Ganz am Rande wird übrigens physischer und psychischer Schmerz im Gehirn an den selben "Stellen"/Bereichen "verarbeitet" (bzw. zeigt sich dort in bildgebenden Verfahren) ...

So brauchen auch Trauernde diese körperliche Komponente - und diese ist ein wichtiger Aspekt/Teil von Trost!!! Aber dann auch das Gespräch - auf jeden Fall! Das aber schrieb auch CubistVowel schon!




Wenn also Leute "ihren Senf" dazugeben, in Form des Herunterspielens, Verharmlosens ("Es war ja nur ein Tier" oder "Die Oma war doch schon so alt"....), ist das meines Verständissen nach gerade kein Trost bzw. Trösten! Nicht hilfreich für den Trauernden, sondern eher für den, der vermeintlich "trösten" will (?), mit der Situation (als Tröstender) aber selber überfordert ist.


So, ich find, jetzt hab ich mir genug Zeit genommen!  ;D
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Lucas de Vil am 10 Oktober 2010, 14:28:20
Du meine Güte...

Mein letzter Kommentar zu dem Thema. Ich habe keine Lust, vom Hundersten ins Tausendstel zu gelangen und dabei immer weiter vom Hauptthema abzudriften.

Zitat
Fragen hilft tatsächlich. Smiley
Das kann ich nur an dich zurückgeben - statt "zwischen meinen Zeilen" etwas zu lesen, etwas hineinzuinterpretieren, das dort nicht vorhanden ist (wie du ja letztlich selbst sagtest), hättest auch du mich einfach zuvor fragen können. Wie ich schon viele Male schrieb, würde es grundsätzlich Missverständnissen vorbeugen, wenn man den Anderen mehr und zuerst fragte (wie er etwas meint, warum er es so und so sieht), statt eben "zwischen die Zeilen" zu interpretieren. ;)
Es beugt auch Missverständnissen vor, seine Sätze komplett auszuformulieren. Ebenso beugt es Missverständnissen vor, Absätze für sich betrachtet mehrfach zu lesen.

Es gibt dir aber auch keine "Fairness-Punkte", wenn du meine Sätze ohne die zugehörige Begründung in den Raum stellst. Denn logischerweise hat der Satz ohne Begründung eine ganz andere Aussage (als mit der von mir beigefügten, von dir absichtlich weggekürzten! Begründung). - Was soll das?
Begründungen schwächen die Kernaussage ab. Man erkennt die Wichtigkeit eines Themas, die es bei einem Menschen hat, an der Zeit, die derjenige dafür aufwendet.
Weder schreibe ich dir vor wie du deine Zeit zu verbringen hast noch widerspreche ich dir, dass es durchaus Wichtigeres gibt als ziel- und sinnlose Diskussionen wie diese in einem Forum wie diesem.

Das alles ändert aber nichts daran, dass du dir genug Zeit für ein Thema nehmen solltest, das dich interessiert.
Im Übrigen hat niemand so wenig Zeit, dass er nicht rumjammern kann, wie wenig Zeit er doch hat.
Du hättest die paar Minuten Hirnschmalz in etwas Wichtigeres investieren können, als dich über den Abriss deiner Begründung in meinem Zitat zu ärgern.

Das trägt zur Diskussion nichts Konstruktives bei - im Gegenteil. - Ich hatte klar und nachvollziehbar begründet.  Und ich lasse mir nicht vorschreiben, wieviel Zeit ich im Internet oder im Forum zu verbringen habe.
Um den Haken zum Thema zu schlagen: man kann auch prima klar und nachvollziehbar irgendwelche Krisen begründen und damit seine Emotionen aushebeln.
Ich habe dir übrigens nicht vorgeschrieben, wieviel Zeit du im Internet oder im Forum zu verbringen hast.
Ich habe dir nahegelegt, dir mehr Zeit für Dinge zu nehmen, die dir wichtig sind.
Oder, anders ausgedrückt: wenn dich die Sache nicht so sehr interessiert, dass es dir Wert ist etwas Zeit dafür zu nehmen, dann frag halt gar nicht erst nach. Es soll Menschen geben die davon ausgehen, dass es dir wichtig ist. Es soll Menschen geben, denen es wichtig ist.

Meine Sätze sind auch ohne die ein oder andere schließende Klammer durchaus verständlich.
Das ist deine Theorie. Ich nehme mir das Recht heraus, das von Fall zu Fall auch anders zu sehen.

Zitat
Es bedeutet, dass meiner Erfahrung nach immer derselbe Ablauf durchgerattert wird.
Welcher Ablauf?? Also: Wenn jemand Opfer einer Naturkatastrophe, eines (gewalttätigen) Verbrechens, von Folter  - und durch all dies traumatisiert wurde oder auch durch den Tod eines geliebten Menschen - welcher immer gleiche (Anmerkung: der gleiche, niemals derselbe) Ablauf findet da statt??
Steht doch da...

Du hattest dazu nur Folgendes geschrieben:
Zitat
Egal welche Krise passiert, das Spiel ist meiner Erfahrung nach immer das gleiche.
Irgendeine Emotion (oder auch ein ganzes Paket davon) wird in unserem Organismus gezündet, so dass es den gesamten Ablauf durcheinanderwirbelt. Das ist übrigens völlig natürlich und vermutlich irgendwo in den tiefsten Tiefen des Wirbeltierhirns verankert.

Das wiederum ist mir zu "verwässert" bzw. zu allgemein, zu oberflächlich. Denn dass im Gehirn etwas passiert (bewusst oder/und unbewusst) ist eine Platitude. Es passiert immer irgendetwas im Gehirn, so lange ein Mensch lebt. Und dass bei Krisen Emotionen beteiligt sind, ist auch ein Selbstgänger.
Soweit ich mich erinnere hattest du in deinem Eingangsposting um allgemeine Tipps gebeten.
Abstraktion ist immer ziemlich allgemein, das liegt in der Natur der Sache.

Wenn man verstanden hat, dass immer Emotionen daran beteiligt sind und dass aufgrund dieser unser Gehirn irgend etwas tut um sie zu verarbeiten, dann hat man schon mal das Gröbste im Theorieumfeld gepackt.

Du "unterscheidest" dann zwischen Emotionen, die "gezündet werden" und der "faulen Sau" Bewusstsein. Hier ist aber der Haken, denn man kann Gefühle nicht vom "Bewusstsein" oder "dem Verstand" trennen
Ich frage mich ja ernsthaft, wer das behauptet hat.

spätestens seit Antonio Damasio ist bekannt, dass Gefühle in unser Denken (und Verhalten) zwangsläufig immer mit hineinspielen, beteiligt sind - also auch "Bestandteil" unseres Bewusstseins sind.
Der Treibstoff spielt in einen PKW zwangsläufig immer mit hinein, ist also auch Bestandteil des PKW.
Trotzdem trenne ich beides. Ist funktional halt völlig unterschiedlich.


Wobei man mit dem Ausdruck "Bewusstsein" wieder sehr vorsichtig umgehen sollte, da die Frage noch ist: Was genau ist das Bewusstsein, woraus genau besteht es bzw. wie/woraus setzt es sich zusammen/ist es gebildet... ?!? Nach meinem Wissensstand ist die Frage danach, was das (menschliche) Bewusstsein ist, ausmacht, auch heute noch nicht mal wissenschaftlich einheitlich und abschließend geklärt.
Dein Wissensstand deckt sich mit meinem. Insofern kannst du gern für dich annehmen, meine Unterscheidung nach Emotionen als etwas Veranlagtes und dem Bewusstsein als etwas Erlerntes sei grundlegend verkehrt.
Solange es keine einheitliche Klärung dessen gibt, was genau es ist, ist meine Trennung genauso richtig wie deine Zusammenlegung.
Also noch mindestens die nächsten 500 Jahre lang.
Schließlich versucht unser Bewusstsein, welches meiner Erinnerung nach etwa 35% bis 40% der gesamten Gehirnaktivität ausmacht, sich selbst zu verstehen und dieses Verständnis zu abstrahieren.

Das wird meiner Meinung nach einfach nicht funktionieren.

Bitte doch mal ein Kind darum, sich zu überlegen, was alle Kinder gemeinsam haben.
Es wird vermutlich von sich ausgehen und das verallgemeinern. Jeder dieser Punkte lässt sich aber sicherlich widerlegen, da es ein Kind in seinem Freundeskreis gibt, dass diesen Punkt nicht erfüllt.

Unser Bewusstsein agiert da ähnlich. Nicht umsonst findest du in allen Schriften, die sich mit dem Thema befassen, Analogien zur realen dem Autor umgebenden Welt. Vergleiche dich mit etwas, das du kennst.
Das funktioniert in diesem Fall einfach nicht. Ich kann keine durchblutete graue Masse, die messbare elektrische Impulse umherschickt und verarbeitet, mit irgend etwas Materiellem vergleichen, das ich kenne.

Daher also meine Frage an dich: Was meinst du genau, wenn du so leichtgängig vom Bewusstsein ("der faulen Sau") schreibst??
Den Teil des Gehirns, der unser Handeln steuert und immer weiter angelernt wird.
Das, was unsere Worte und Gedanken formt, was uns laufen und radfahren lässt, was uns die Hand von der Herdplatte reißen lässt, was kleine Kinder den Finger in ihrer Hand umschließen lässt.

Nicht das, was sich um Dinge wie 'Einatmen, Ausatmen, Einatmen, Ausatmen' oder 'Herzsektionen 1 und 3: anspannen, Herzsektionen 2 und 4: entspannen' regelt. Nicht der Teil der 'Viele scharfe Zähne, weg hier!' steuert.

Und wie kannst du also vor diesem Hintergrund die "Emotionen" von "dem" Bewusstsein trennen?
Ich tue es einfach.
Denn der Hintergrund ist für mich Tünneff.
(Hintergrund meint: man könne es nicht trennen, weil vor Jahrhunderten jemand behauptet hat es ginge nicht. Den Beweis bleibt er mir schuldig, also trenne ich wie ich will.)

Außerdem macht diese Trennung genau das klar, auf das ich hinaus will.

// Gekürzt, zu viele Zeichen //
Und plötzlich wirfst du aber ein, dass Bewertung und Kategorisierung (von Gefühlen?) "automatisch durch den nicht kontorllierbaren Teil des Bewusstseins" (mit anderen Worten: durch das Unbewusste ?) stattfinden.
Nein, werfe ich nicht.

Das Unterbewusstsein oder Unbewusste ist dieses nebulöses schwarzes Gebilde, dem wir die neutral zu wertenden Emotionen zu verdanken haben, aber auch die ganzen lebenserhaltenden Maßnahmen des Körpers. Also alles, auf das der Mensch selbst überhaupt keinen Einfluss hat.

Ich spreche auch nicht unbedingt von dem kontrollierbaren Bewusstsein. Denn das wird immer durch irgendwas hervorgerufen und gibt uns selbst die Kontrolle darüber, wie jetzt zu verfahren ist.

Ich spreche vom nicht kontrollierbaren Teil des Bewusstseins. In einigen Schriften wird dieses Gebilde auch das 'Vorbewusste' genannt.
Mechanismen, die das Bewusstsein irgendwann mal entworfen hat und nun ohne Prüfung in jedem neuen Fall wieder ausführt.
Dieser Teil ist, wie das Unbewusste auch, nicht kontrollierbar. Doch im Gegensatz zum Unbewussten kann ich durch Nutzung meines Bewusstseins dafür sorgen, dass die ablaufenden Mechanismen geändert werden.

Du kannst aber nicht einerseits "das" (gesamte!) Bewusstsein als "faule Sau" bezeichnen, die immer den gleichen Weg nimmt, dann aber eigentlich damit wohl doch nur das Unbewusste meinen - wie es in deinem dann folgenden Satz ja klingt, in dem du dich doch eher auf das Unbewusste beziehst!
// Gekürzt //
Ich sprach die ganze Zeit vom Bewusstsein.
Außerdem versuchte ich aufzuzeigen, dass eine Trennung sehr wohl möglich ist.
Direkt kontrollierbar (Bewusstsein), indirekt kontrollierbar (Vorbewusstsein), nicht kontrollierbar (Unbewusstsein)

Es ist schön zu sehen, wie du einerseits erklärst oft und viel zu fragen, andererseits aber Dinge so hinnimmst wie du sie verstehst und damit weiter arbeitest.

// Gekürzt //
Du hattest aber doch geschrieben und als "Lösungsweg" genannt, dass man das Geschehene oder das Problem "in kleinen Brocken entfernen" könne und dies setztes du in einen Zusammenhang mit Arbeitsorganisation und Zeitmanagement - siehe hier:
// Gekürzt //
Aber was ist mit den Bildern, mit den Empfindungen (mitunter sogar viele Jahre später noch: körperliche "Missempfindungen", sowieso: psychischen), die durch das erlebte Trauma vorhanden sind???
Ich sehe, du hast den Ablauf der Postings verstanden und vernünftig analysiert.
Ich sehe nicht, warum die Aussage 'Dafür gibt es kein Patentrezept' jetzt im Widerspruch zu 'kleine schaffbare Haufen' stehen soll.
Auch verstehe ich nicht, was jetzt mit den angesprochenen Bildern sein soll.
Das Trauma sind schließlich nicht die Bilder, die Missempfindungen oder Ähnliches.
Das Trauma ist das vergangene Erlebnis. Die Bilder und Missempfindungen resultieren daraus.
Diese Bilder und Empfindungen wird man nie los. Man kann aber lernen, sie und das Geschehene anders zu bewerten.

Ich sprach auch nie davon, dass es einfach ist. Das Vorbewusstsein (um das Wort aufzugreifen) zu ändern ist Knochenarbeit. Doch je kleiner die anzugehenden Bröckchen sind, desto höher sind die Chancen es zu schaffen.

// Gekürzt //
Und ich bin davon überzeugt, dass einem der Tod unterschiedlicher Menschen (oder Tiere) - je nach Art und Intensität der jeweiligen Beziehung, die zugrunde lag ! - unterschiedlich "stark" nahegeht - also einen unterschiedlich stark und lange "beschäftigt", belastet, zu schaffen macht oder auch: umhaut.
Ich behaupte, dass nicht die Emotionen dich unterschiedlich stark umhauen, sondern das, was dein Vorbewusstsein daraus macht.
Das behauptete ich bereits im ersten Beitrag.
Da du dich weigerst eine Trennung durchzuführen und ich eine Zusammenlegung von (Vor)Bewusstsein und Emotionen strikt ablehne, werden wir an diesem Punkt ewig und drei Tage vorbeidiskutieren.

In einem Fall (von Verlust durch Tod) macht es einen eben "nur" vorübergehend traurig. In einem anderen Fall (bei einer anderen Person) stürzt es einen in tiefe Trauer, in Verzweiflung, in eigene Not/Haltlosigkeit. Also: in eine "Krise" - durch seelische Erschütterung.
Und ich bleibe dabei: die Traurigkeit, Verzweiflung, Hilflosigkeit und so weiter ist von Gefühlsseite in Intensität und Stärke bei jedem Menschen gleich.
Dass der Eine nach vier Wochen wieder auf dem Damm ist, der Andere vier Jahre braucht liegt eben in meinen Augen nicht an den Emotionen.
Das Vorbewusstsein des Einen hat den Fall als 'Lässt sich leider nicht ändern. Lass alles raus, danach geht das Leben weiter.' abgeschlossen.
Das Vorbewusstsein des Anderen findet es unglaublich toll, bei jeder Gelegenheit darauf hinzuweisen, wie toll es doch mit dieser Person gewesen wäre und dass sie jetzt fehlt und das eigene Leben ohne die Person sinnlos ist und so weiter.

Sicherlich bekommen beide Charaktere bei Erinnerung an den Verstorbenen (Fotos oder alte Briefe gefunden z.B.) wieder Tränen in den Augen. Den Einen wird es vermutlich wieder in ein Loch werfen, den Anderen halt nicht.

Daher mein Satz: Nicht jedes Traurigsein (durch Verlust durch Tod verursacht) ist "tiefe", belastende Trauer, die (eigenes) Leiden mit sich bringt/nach sich zieht.

Hier unterscheide ich also etwas, das Lucas de Vil offensichtlich so ja gerade nicht unterscheidet! Denn er schrieb:
// Gekürzt //
Dir ist sicherlich aufgefallen, dass du hier ziemlich wirres Zeugs postest.
Im Eingangsposting fragst du im letzten Abschnitt nach allgemeinen Tipps. (außer Therapie, Verdrängung, Medikamenten und Glaube)
Ich versuche, dir diese Bitte zu erfüllen und versuche zu abstrahieren, splitte also die Dinge in 'Kontrollierbar', 'Bedingt Kontrollierbar' und 'Unkontrollierbar' auf, zeige auf, dass der Ablauf immer aus 'Unkontrollierbar: Emotionen bedingt Bedingt Kontrollierbar: angelernte Handlungsschemata' besteht und man da ansetzen sollte, die angelernten Handlungsschemata durch 'Kontrollierbar: Umgewöhnung' zu ändern.
Jetzt kommst du mit 'man kann das gar nicht verallgemeinern, weil sich alles bei jedem anders anfühlt.'

Das zum Thema '[Deine] Sätze sind auch ohne die eine oder andere schließende Klammer klar verständlich'.
Du hast offenbar Probleme, an den von dir selbst genannten Punkten festzuhalten, deine selbst aufgestellten Regeln ("Es muss was Allgemeines geben, trotz aller Individualität") einzuhalten.

Dann noch etwas zu unserem offensichtlich sehr unterschiedlichen Verständnis von Trost @Lucas de Vil. Du schreibst:
Zitat
Und woher lernen wir das?
Vom so genannten Trost. Anstand das Kindchen einfach in den Arm zu nehmen und die Fresse zu halten wird man im Arm gehalten und bekommt Kommentare wie eben jenes 'Es ist ja nur ein Tier!'
Aber ich schrieb:
Zitat
Was aber für mich am Trost bzw. "Trösten" ganz wichtig und entscheidend ist (und was ein Therapeut so nicht bieten, geben kann und auch nicht soll), ist der körperliche Aspekt: Trösten heißt für mich im ersten Moment, einen Menschen HALTEN, "stützen", "auffangen"! Eben deshalb - und das weiß man heute auch längst - ist es so wichtig, Menschen in den Arm zu nehmen, körperlich (!) Halt zu geben, eben: jemanden zu halten, "bei" ihm zu sein, weil er selbst sich (!!) gerade nicht halten kann, haltlos ist. - Jaja, da sind wir wieder bei der Sprache ... Wink
Ich trenne Aktion und Worte nicht.
Wenn jemand mich stumm hält, sehe ich es als Unterstützung an.
Wenn mich jemand hält und irgendwas von Wegen 'Kopp hoch, is nich so wild' plappert, sehe ich es als Stützen und Tipp fürs weitere Leben an.
Ich kann doch als sagen wir 8jähriger Steppke überhaupt nicht erkennen, dass derjenige sich selbst beruhigen will und beziehe die Aussage eben als Rat fürs Leben auf mich.

Und wissenschaftlich fundiert ist doch auch nicht seit gestern bekannt, dass nicht nur Kinder diese körperliche Nähe(für ihre gesunde körperliche und "seelisch-geistige" Entwicklung notwendig brauchen, sondern dass bspw. auch Kranke durch Berührung, Streicheln ... weniger Schmerz emfinden (sicher, kommt darauf an, wie stark der Schmerz ist und wer wen wie berührt, aber grundsätzlich "hilft" körperliche Berührung/Streicheln, in den Arm nehmen meistens durchaus)! Ganz am Rande wird übrigens physischer und psychischer Schmerz im Gehirn an den selben "Stellen"/Bereichen "verarbeitet" (bzw. zeigt sich dort in bildgebenden Verfahren) ...

So brauchen auch Trauernde diese körperliche Komponente - und diese ist ein wichtiger Aspekt/Teil von Trost!!! Aber dann auch das Gespräch - auf jeden Fall! Das aber schrieb auch CubistVowel schon!
Diese Zeilen hättest du dir auch sparen können, ich behaupte ja nichts Anderes.

Wenn also Leute "ihren Senf" dazugeben, in Form des Herunterspielens, Verharmlosens ("Es war ja nur ein Tier" oder "Die Oma war doch schon so alt"....), ist das meines Verständissen nach gerade kein Trost bzw. Trösten! Nicht hilfreich für den Trauernden, sondern eher für den, der vermeintlich "trösten" will (?), mit der Situation (als Tröstender) aber selber überfordert ist.
Erklär das mal nem Fünfjährigen, der gerade seinen Lieblingsgroßvater verloren hat.
Deshalb schrieb ich ja 'In den Arm nehmen und Fresse halten.'

So, ich find, jetzt hab ich mir genug Zeit genommen!  ;D
Dito.
Mehr werde ich in dieses Thema in diesem Forum auch nicht mehr investieren.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 11 Oktober 2010, 00:08:25
Jetzt muss ich es auch mal sagen: Oh mein Gott. ^^

@Lucas

... also das is mir nun auch zu viel des Durcheinanders.

Nur kurz:

Zitat
Zitat von: Kallisti am Heute um 10:58:58
Und wie kannst du also vor diesem Hintergrund die "Emotionen" von "dem" Bewusstsein trennen?
Ich tue es einfach.
Denn der Hintergrund ist für mich Tünneff.
(Hintergrund meint: man könne es nicht trennen, weil vor Jahrhunderten jemand behauptet hat es ginge nicht. Den Beweis bleibt er mir schuldig, also trenne ich wie ich will.)
(Lucas de Vil)

Em - Damasio - ich glaube, du verwechselst da was (vlt. mit Descartes? - der genau das Gegenteil behauptete ...). Damasio´s Schriften stammen aus den Jahren 1994  bzw. 2000:

"Ich fühle - also bin ich" und "Descartes Irrtum". Siehe hier:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ant%C3%B3nio_Dam%C3%A1sio


Zitat
Soweit ich mich erinnere hattest du in deinem Eingangsposting um allgemeine Tipps gebeten.
Abstraktion ist immer ziemlich allgemein, das liegt in der Natur der Sache.

Was haben "Tips" bzw. meine Frage danach, wie Leute hier mit Krisen umgehen, mit (deiner) "Abstraktion" (??) zu tun? Und nein, ich bat nicht (nur) um "allgemeine", sondern um persönliche Tips (aber nicht: um persönliche Geschichten).


Zitat
Ich habe dir nahegelegt, dir mehr Zeit für Dinge zu nehmen, die dir wichtig sind.

Ich habe sicher schon mehr als hinreichend bewiesen, dass ich hier (thread und Forum) mehr als genug Zeit investiere. Und ich mir somit auch mehr als genug Zeit für Themen nehme, die "mich interessieren".

Was für ein überflüssiger Kram.

Zitat
Wenn man verstanden hat, dass immer Emotionen daran beteiligt sind und dass aufgrund dieser unser Gehirn irgend etwas tut um sie zu verarbeiten, dann hat man schon mal das Gröbste im Theorieumfeld gepackt.

Nein (!), sorry - dann/damit hat man noch gar nichts "gepackt" - allenfalls die absolut unterste Ebene, die ich nicht mit "dem Gröbsten" gleichsetze - anders und vlt. deutlicher gesagt: Es bringt einen überhaupt nicht weiter, es ist bloß völlig allgemeines Blabla.



Zitat
Zitat von: Kallisti am Heute um 10:58:58
spätestens seit Antonio Damasio ist bekannt, dass Gefühle in unser Denken (und Verhalten) zwangsläufig immer mit hineinspielen, beteiligt sind - also auch "Bestandteil" unseres Bewusstseins sind.
Der Treibstoff spielt in einen PKW zwangsläufig immer mit hinein, ist also auch Bestandteil des PKW.
Trotzdem trenne ich beides. Ist funktional halt völlig unterschiedlich.

(Lucas de Vil)


... Oh bitte: dringend nachlesen (schlaumachen, informieren) bei (z.B.) Antonio Damasio (Lektüreempfehlung: s.o.)! Es ist gerade nicht "funktional völlig unterschiedlich".


Zitat
Nicht umsonst findest du in allen Schriften, die sich mit dem Thema befassen, Analogien zur realen dem Autor umgebenden Welt.
(Lucas)

Ehh - bitte was??


Zitat
Ich sprach die ganze Zeit vom Bewusstsein.
Außerdem versuchte ich aufzuzeigen, dass eine Trennung sehr wohl möglich ist.
Direkt kontrollierbar (Bewusstsein), indirekt kontrollierbar (Vorbewusstsein), nicht kontrollierbar (Unbewusstsein)

Eben - du sprachst die ganze Zeit von "dem" Bewusstsein (der "faulen Sau") - erst jetzt (!) unterscheidest du in Vorbewusstsein und Unbewusstes sowie Bewusstes. Dies hättest du von vorneherein so handhaben sollen - statt: die ganze Zeit "vom Bewusstsein" zu sprechen.


Zitat
Das Trauma sind schließlich nicht die Bilder, die Missempfindungen oder Ähnliches.
Das Trauma ist das vergangene Erlebnis. Die Bilder und Missempfindungen resultieren daraus.

(Lucas)

Em - nein! Das Trauma ist gerade nicht das (zurückliegende, vergangene, zugrundeliegende) Erlebnis, sondern die daraus resultierenden/die folgenden "Missempfindungen" ... Siehe hier:

http://de.wikipedia.org/wiki/Psychotraumatologie

Wiki zitierend:

Zitat
Ein Psychotrauma ist eine seelische Wunde, die auf einzelne oder mehrere Ereignisse zurückgeht, bei denen im Zustand von extremer Angst und Hilflosigkeit die Verarbeitungsmöglichkeiten des Individuums überfordert waren.


(Wikipedia - siehe auch eingefügter link)


Zitat
Und ich bleibe dabei: die Traurigkeit, Verzweiflung, Hilflosigkeit und so weiter ist von Gefühlsseite in Intensität und Stärke bei jedem Menschen gleich.
(Lucas)


Ganz sicher nicht.

Und dass bspw. bei Trauer grundsätzlich von allen Menschen die gleichen Phasen durchlebt werden (müssen, sollen) - und am Ende das "Abschließen" bzw. "Loslassen" steht (stehen "sollte"), ist eben genau jener psychologische Schubladen-Humbuk, der mir so zuwider ist, weil: realitätsfern und den Menschen nur unnötig zusätzlich das Leben schwer macht.
 
Eben deshalb ist es gerade bei verwaisten Eltern auch so, dass sie eben nicht (die meisten wahrscheinlich nie) "loslassen" / "abschließen" (im psychologischen bzw. therapeutischen Sinn)! Und das müssen sie auch gar nicht - im Gegenteil.

Zitat
Dir ist sicherlich aufgefallen, dass du hier ziemlich wirres Zeugs postest.
Im Eingangsposting fragst du im letzten Abschnitt nach allgemeinen Tipps. (außer Therapie, Verdrängung, Medikamenten und Glaube)
Ich versuche, dir diese Bitte zu erfüllen und versuche zu abstrahieren, splitte also die Dinge in 'Kontrollierbar', 'Bedingt Kontrollierbar' und 'Unkontrollierbar' auf, zeige auf, dass der Ablauf immer aus 'Unkontrollierbar: Emotionen bedingt Bedingt Kontrollierbar: angelernte Handlungsschemata' besteht und man da ansetzen sollte, die angelernten Handlungsschemata durch 'Kontrollierbar: Umgewöhnung' zu ändern.
Jetzt kommst du mit 'man kann das gar nicht verallgemeinern, weil sich alles bei jedem anders anfühlt.'


Das ist Blödsinn - ich schrieb in Bezug auf Trauer(n), dass Menschen durchaus unterschiedlich (auf unterschiedliche Art, unterschiedlich lange und "intensiv") trauern. An keiner Stelle schrieb ich "dass sich alles bei jedem anders anfühlt". Wieder mal nichts als bescheuerte Unterstellung.

Und sonst: Ist mir das, was du schreibst (über Vorbewusstes etc.) zu verworren und zu persönlich eingefärbt bzw. verfärbt bzw. einfach erfunden.


Nein, du brauchst hierauf nicht mehr zu antworten. Das führt einfach nirgendwo hin.

Und da ich jetzt auch keinen Bock mehr auf solchen Wirrwarr und schlichte Behauptungen (ohne informative "Belege") habe, gebe ich es jetzt auch auf.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Lucas de Vil am 11 Oktober 2010, 10:22:13
Was haben "Tips" bzw. meine Frage danach, wie Leute hier mit Krisen umgehen, mit (deiner) "Abstraktion" (??) zu tun?
::)
Und davon aber eben abgesehen - also: unabhängig von diesen Persönlichkeitstypen - was könnte "allgemein" Menschen aus schweren Krisen heraushelfen und warum?
Um Spezifisches zu verallgemeinern hilft Abstraktion ungemein.
Das hat es damit zu tun.
Zitat
Das Wort Abstraktion (lat. abstractus – „abgezogen“, Partizip Perfekt Passiv von abs-trahere – „abziehen, entfernen, trennen“) bezeichnet meist den induktiven Denkprozess des Weglassens von Einzelheiten und des Überführens auf etwas Allgemeineres oder Einfacheres. Daneben gibt es spezifische Verwendungen von Abstraktion in bestimmten Einzelwissenschaften und einzelnen Theorien.
...
http://de.wikipedia.org/wiki/Abstraktion

Zitat
Nicht umsonst findest du in allen Schriften, die sich mit dem Thema befassen, Analogien zur realen dem Autor umgebenden Welt.
(Lucas)

Ehh - bitte was??
Autoren, die sich irgendwie an der Erklärung des Bewusstseins versuchen, vergleichen dieses mit ihrer Umgebung.
Also mit materiellen Dingen, die sie kennen und bewerten.
Eine kleine Auflistung liefert zum Beispiel The Origin of Consciousness in the Breakdown of the Bicameral Mind (http://www.julianjaynes.org/origin-of-consciousness_german_introduction.php)

Im Übrigen scheint sich Herr Damásio der Trennung zwischen Körper und Geist entgegenzustellen, die von Descartes populiert wurde.
(Auch wenn die Schriften aus den Jahren 1994, 2000 und 2004 [Der Spinoza-Effekt] stammen behandeln sie Theorien ohne irgendwelche Beweise. So genannte empirische Studien sind keine Beweise.)
Ich trenne zwischen kontrollierbarem Geist und unkontrollierbarem Geist.
Das Vorbewusstsein habe ich aufgeführt, weil du den Teil des unkontrollierbaren Geistes als Unbewusstes definiert und damit deine weiterführenden Gedanken entgegen meiner ursprünglichen Intention ausgebaut hast. Ich hätte es auch Kurt oder Wurstgulasch nennen können, habe mich aber für einen etwas gängigeren Namen zur Identifikation entschieden.

Noch einmal grob skizziert der von mir verallgemeinerte Ablauf beim Eintreffen eines unerwarteten belastenden Ereignisses.
1) Ereignis tritt ein
2) Emotionen werden durch dieses Ereignis ausgelöst
3) Der bedingt kontrollierbare Teil des Bewusstseins/das Vorbewusstsein/der unkontrollierbare Geist/Kurt/Wurstgulasch lässt den Menschen an Hand in ähnlicher Situationen angeeigneter Verhaltensmuster agieren (könnte man mit Damásios 'emotionalem Erfahrungsgedächtnis' gleichsetzen)

Sorgt die "Krise" dafür, dass die Lebensqualität des Betroffenen merklich leidet (dann, und nur dann ist es eine Krise. Ein paar Wochen niedergeschlagen sein ist völlig in Ordnung und wird von mir auch überhaupt nicht weiter beachtet.), dann muss der Betroffene etwas ändern.
1) Ereignis tritt ein. Da gibt es nichts dran zu rütteln.
2) Emotionen werden durch dieses Ereignis ausgelöst. Da kann man auch nichts machen.
3)(Re)Aktion an Hand angeeigneter Verhaltensmuster. Nur (und nur!) hier kann Mensch etwas tun. Er kann sich andere Verhaltensmuster antrainieren. (quasi in Damásios' Sinne gezielt die Erfahrungen im emotionalen Erfahrungsgedächtnis neu bewerten)

Durch diese Neubewertung und Umgewöhnung wird auf zukünftige ähnliche Ereignisse einfach anders reagiert, was im Endeffekt Krisen komplett verhindern oder zumindest die Minderung der Lebensqualität signifikant abschwächen kann.

Der Ablauf steht so, nur etwas ausführlicher, in meinem ersten Posting.
Ich sehe keinen Widerspruch zu Damásio. Ich sehe keinen Widerspruch zu Descartes. Ich sehe keinen Widerspruch zu Spambot. Ich sehe deine Widersprüche als nicht gerechtfertigt an.

Offenbar bin ich blind.

Nein, du brauchst hierauf nicht mehr zu antworten. Das führt einfach nirgendwo hin.
Tja, wird nix. Wenn du keine Antwort erwartest, dann stell keine Fragen.
Habe ich schließlich auch nicht getan.
Provokationen kann ich gut überlesen, dummerweise ist es eine meiner Angewohnheiten Fragen zu beantworten.

Und da ich jetzt auch keinen Bock mehr auf solchen Wirrwarr und schlichte Behauptungen (ohne informative "Belege") habe, gebe ich es jetzt auch auf.
Ich habe gelacht, war dies doch der erste Beitrag von dir in unserer Unterhaltung (meiner Erinnerung nach sogar in diesem Thread), in der du irgendwelche "Belege" deinen schlichten Behauptungen (ich hätte sie eher 'Ansichten' oder 'Meinungen' genannt) beilegst. ::)
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 11 Oktober 2010, 11:07:30
Zitat
Zitat von: Kallisti am Oktober 10, 2010, 11:08:25
Nein, du brauchst hierauf nicht mehr zu antworten. Das führt einfach nirgendwo hin.
Tja, wird nix. Wenn du keine Antwort erwartest, dann stell keine Fragen.
Habe ich schließlich auch nicht getan.
Provokationen kann ich gut überlesen, dummerweise ist es eine meiner Angewohnheiten Fragen zu beantworten.
(Lucas de Vil)


Ach weißt du - ich bezog das auf deine eigene Aussage in deinem vorherigen post:

Zitat
Mehr werde ich in dieses Thema in diesem Forum auch nicht mehr investieren.
(Lucas de Vil)


Inhaltlich gehe ich auf deinen letzten Beitrag nicht mehr ein - wie ich bereits schrieb:

Zitat
Das führt einfach nirgendwo hin.

Und da ich jetzt auch keinen Bock mehr auf solchen Wirrwarr und schlichte Behauptungen (ohne informative "Belege") habe, gebe ich es jetzt auch auf.

Wir reden aneinander vorbei. Und du musst mir tatsächlich nicht die Bedeutung des Begriffes "Abstraktion" erläutern, sondern ich fragte nach deiner vermeintlichen "Abstraktion" (im Besondern, nicht nach "Abstraktion" als solcher/im Allgemeinen).

Deine "Theorien" sind mir nach wie vor zu verworren und vor allem hierauf bezogen

Zitat
Und davon aber eben abgesehen - also: unabhängig von diesen Persönlichkeitstypen - was könnte "allgemein" Menschen aus schweren Krisen heraushelfen und warum?
(Kallisti)

zu schwammig, zu pauschal. Dass man seine Gefühle umbewerten kann/soll oder sein Verhalten ändern - das ist einfach nur allgemein bekanntes, oberflächliches, inhaltsleeres Blabla.


Daher noch ein Mal: es ist sinnlos, das hier in dieser Form fortzusetzen. Es könnte ggf. hilfreich(er) sein, wenn man das mal persönlich/"real" besprechen könnte (was aber nicht möglich ist). Aber hier so per Forum wird das nix mehr.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: KnuddelKatze am 15 Oktober 2010, 22:43:43
ich bin selbst schwer, chronisch und unheilbar erkrankt. o/~ DRAMA o/~ :D

wie gehe ich damit um?

1. damit aktiv auseinander setzen. (verdrängen hilft mal so garnix.)
2. liebe leute zum quasseln suchen. (auch welche mit dem gleichen problem.)
3. nicht aufgeben, egal wie beschissen die situation auch ist. (wer aufgibt hat schon verlohren.)
4. sich für das leben entscheiden
5. schauen, was man daraus lernen kann, und das leben so umstellen, dass es für einen selbst stressfreier und einfacher ist :)
6. nicht alles zu ernst nehmen :)

sö ^^
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 24 Juni 2011, 03:25:39
Da ich nicht wieder einen neuen thread eröffnen möchte, setz ich das hier mal rein:

Es soll ja inzwischen möglich sein, unangenehme bzw. belastende Erinnerungen "löschen zu lassen" - bspw. durch EMDR (wobei ich bei dieser Methode sehr skeptisch bin - was vermeintliche Erfolge angeht), vor allem aber: durch Pillen bzw. irgendwelche "Mittel" (wie bspw. Propranolol).

Es soll also bei Menschen mit PTBS eingesetzt werden bzw. wird an solchen schon erforscht, erprobt. Anscheinend mit Erfolg. (?)

Es gab hierzu zwei Sendungen auf arte

http://www.arte.tv/de/2908830,CmC=2908834.html

http://videos.arte.tv/de/videos/das_ende_der_angst_-3923782.html


Wie denkt ihr darüber?

Was ich nicht verstanden habe: Wie ist es (angeblich) möglich, mit diesen Mitteln zu erreichen, dass tatsächlich nur die negativen/belastenden Emotionen (die zu einer Erinnerung eines Ereignisses gehören, an diese Erinnerung(en) gekoppelt sind) zu "löschen" oder abzumildern - also dass man nur die Emotionen und nicht die gesamte Erinnerung löschen kann, hab ich ja verstanden (wie das möglich ist, abläuft), aber: wer garantiert, dass dabei nicht auch noch ganz andere Emotionen bzw. Emotionen von anderen Erinnerungen ... oder sonstwas unabsichtlich "mit gelöscht" wird??


Und dann ist ja dort schon kritisch angemerkt, dass nur das gelöscht werden kann, das den Menschen bewusst ist (nur solche Erinnerungen bzw. zu Erinnerungen gehörende negative Emotionen) - was aber im Unterbewusstsein bzw. im Unbewussten weiterbesteht und auf diese Weise "Schaden anrichtet" (gerade weil es nicht (mehr) ins Bewusstsein gelangt, gelangen kann), ist eine andere Sache - zu der sich die Forscher (die um Propranolol z.B.  - also Alain Brunet etwa) nicht geäußert haben.

Ich finde, da wird etwas angegangen, "behandelt" bzw. manipuliert, von dem man doch noch gar nicht weiß, womit alles es u.U. noch verknüpft ist bzw. wie weit die Auswirkungen, Folgen reichen - auch langfristig ...

Ist ja nachvollziehbar, dass es toll wäre, wenn Menschen mit PTBS wirklich endlich geholfen werden könnte (viele ja suizidgefährdet bzw.suizidal ...), aber ob das so die angemessene Art und Weise ist?

Erinnerungen haben ja immer auch mit Personsein zu tun, mit (eigener) Identität ... - also gehören auch negative dazu - vielleicht nicht unbedingt so extrem "negative", belastende ... - aber vielleicht sind sogar diese "für etwas gut", setzen vlt. etwas frei oder verändern Menschen sogar doch auch positiv  ... ?

Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: cocoon am 24 Juni 2011, 05:53:41
kallisti, ich finde deine signaturen toll und die zitate passen auch irgendwie zu deiner frage.

habe aber nicht viel zeit gerade... traumatische ereignisse löschen? naja, bei den meisten menschen ist es ja etwas mehr als ein ereignis...

und wenn es die ganze kindheit ist, bleibt einem wohl nichts anderes übrig als erwachsen zu werden, mit allen krisen etc...
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kaffeebohne am 24 Juni 2011, 09:14:26
Ich meine, davon mal im Zusammenhang mit Rettungskräften gehört zu haben, die beispielsweise einen Selbstmörder nach einem Schienensuizid "von den Gleisen kratzen" mußten. Hierbei ist es für diese ja wirklich "nur" ein Ereignis, wenn sie den betreffenden Menschen nicht kannten. Eines, das natürlich auch bei aller Professionalität belastend ist.

Und ich meine, bei anderen (z. B. den Angehörigen dieses Selbstmörders) könne man es einsetzen, damit eben ein Posttraumatisches Belastungssyndrom abgemildert werden kann. Wie weit dies nun tatsächlich der Wahrheit entspricht, kann ich nicht sagen. Es sind aber Denkansätze.

Ich stell mir grad die Frage, wo man die Grenze ziehen will. Der Tod eines Nahestehenden Menschen ist sicher ein einschneidendes Erlebnis. Aber es gibt sicher auch Erlebnisse, die einen Menschen total aus der Bahn werfen, mit denen ein anderer aber besser zurechtkommt. Welcher Mensch bzw. welches Ereignis "rechtfertigt" die Gabe von Tabletten hierbei? Und ist es "gut", der Natur so ins Handwerk zu pfuschen?
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: schwarze Katze am 24 Juni 2011, 11:32:00
Welcher Mensch bzw. welches Ereignis "rechtfertigt" die Gabe von Tabletten hierbei? Und ist es "gut", der Natur so ins Handwerk zu pfuschen?

jeder Mensch ist anders, deswegen kann man da keine generelle Empfehlung geben.
Ich an meiner Stelle werde Psychopharmaka (natürlich sachgemäß verwendet) nicht mit Drogen in einen Topf werfen.
Es ist bei mir so, dass ich funktionieren muss, ich kann mich nur an mich verlassen. Und ich bin schon in eine Situation geraten, wo ich dann Psychopharmaka (Antidepressiva) genommen habe. Nach plötzlichen Jobverlust bekam ich nur Absagen und verfiehl in Lethargie, am liebsten hätte ich aufgegeben, im Bett geblieben und nur Talkshows gequckt. Mein Arzt verschrieb mir ein Medikament, der Antrieb steigert, ich kämpfte weiter und fand einen neunen (zwar nicht perfekten aber trotzdem) Job. War Verwendung von Psychopharmaka nötig? Ich weiss nicht, ich könnte stattdessen mir einen Auszeit göhnen, evtl. eine Therapie machen oder sonstwas. Aber ich wäre jetzt mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Langzeitarbeitslose und das bringt enorme finanzielle Einbusse mit sich (Stichwort HARTZ IV).
Also war für mich (und zwar nur für mich) die Einsatz von Psychopharmaka in dem Fall in Ordnung, schliesslich nehme ich auch Schmerztabletten, wenn ich Regelschmerzen habe und pfusche damit auch der Natur ins Handwerk.
Also für mich persönlich ist die Devise: so gut wie möglich das Schmerz zu vermeiden (körperliche und seelische) und funktionsfähig bleiben.
Aber wie gesagt, jeder Mensch ist anders.

P.S
Naturlich gab es in meiner Leben auch die Sachen, die schlimmer waren als Jobverlust. Aber die grabe ich gar nicht aus dem Keller, man soll schlaffende Hunde nicht wecken
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Spambot am 24 Juni 2011, 12:00:57
Bei EMDR (http://www.emdr-institut.de/0100_emdr/index.php) in der Behandlung von PTBS (http://www.youtube.com/watch?v=yPzu2OKaOOc) löscht oder reduziert man (bei Erfolg) nur die mit einem Stimulus verknüpfte unerwünschte Emotion. Die eigentliche Erinnerung bleibt erhalten. Während des Verfahrens wird eine weniger negative emotionale Reaktion mit dieser bestimmten Erinnerung angestrebt. Durch diese Konzentration auf die spezifische traumatische Erinnerung bleiben emotionale Reaktionen auf andere, nicht mit dem Ereignis verknüpfte Gedächtnisinhalte, normalerweise weitgehend unberührt. Mit EMDR lassen sich u.U. auch Gedächtnisinhalte, die nicht mehr vollständig dem Bewußtsein zur verfügung stehen, behandeln, wenn diese durch die Konfrontation aktiviert werden. Das Verfahren ist bereits weit verbreitet und gut erprobt. Viele Therapiezentren für traumatisierte Soldaten (in den USA oder auch in D) setzen EMDR seit Jahren ein. Eventuelle negative Folgen, wie starke emotionale Reaktionen, sind gewöhnlich von kurzer Dauer und werden angesichts des möglichen Therapieerfolges und der damit verbundenen Verbesserung der Lebensqualität von den Patienten gerne in Kauf genommen.
Der große Vorteil des Verfahrens, im Gegensatz zur Konfrontation im Rahmen einer konventionellen kognitiven Verhaltenstherapie, ist, dass man auch Menschen, die nur eingeschränkt in der Lage sind sich auf kognitiver Ebene mit dem belastenden Ereignis auseinanderzusetzen, behandeln kann. 

Bei Expositions-/ Konfrontationsverfahren, wozu man EMDR auch zählen kann, wird die Exposition immer in einem Zustand möglichst geringer emotionaler Erregung durchgeführt. Vorzugsweise wird dieser Zustand über Entspannungstechniken erreicht. Wenn der Patient sich über solche Techniken nicht ausreichend entspannen kann, werden ggf. Betablocker eingesetzt. Zu solchen Ansätzen zählt vermutlich auch der Einsatz von Propranolol. Da die Nebenwirkungen von Betablockern vergleichsweise gering sind und eine erfolgreiche Konfrontationstherapie zu einer enormen Verbesserung der Lebensqualität führt, halte ich diese temporären, negativen Begleiterscheinungen für vertretbar. Nach der Konfrontationstherapie sollte der Patient wieder ohne Betablocker auskommen können. Grundsätzlich ist diese Therapie immer eine Einzelfallentscheidung an der auch der zuvor informierte Patient beteiligt ist.

Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Ansichtssache am 24 Juni 2011, 15:50:02
Eben, EMDR ist eine Art der Psychotherapie, die u.a. mit Konfrontation arbeitet, wo es also explizit auch um das Auseinandersetzen mit traumatischen Ereignissen auf verschiedenen Ebenen geht. Das hat ja nun nichts damit zu tun, negative Erinnerungen „einfach zu löschen“.

Bei der Propranolol-Gabe bin ich allerdings auch skeptisch. Dies wird ja, wie im ersten Artikel von Kallisti beschrieben, eben nicht nur als begleitendes Medikament eingesetzt, sondern als ganze Therapie angesehen. Über Langzeiterfolge wurde auch noch nicht berichtet. Ich kann mir persönlich nicht vorstellen, dass es mit bloßer Medikamentengabe getan ist nach so einem Ereignis.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Spambot am 24 Juni 2011, 16:27:57
Bei der Propranolol-Gabe bin ich allerdings auch skeptisch. Dies wird ja, wie im ersten Artikel von Kallisti beschrieben, eben nicht nur als begleitendes Medikament eingesetzt, sondern als ganze Therapie angesehen. Über Langzeiterfolge wurde auch noch nicht berichtet. Ich kann mir persönlich nicht vorstellen, dass es mit bloßer Medikamentengabe getan ist bei so einem Ereignis.

Das Beispiel im Text mit der Frau, die sich durch Schreiben wiederholt mit ihrem Trauma auseinandersetzt, zeigt, dass es sich nur um eine pharmakologische Begleittherapie für eine konventionelle Verhaltenstherapie handelt. Der Betablocker hat daher wohl nur die Funktion, die emotionale Reaktion auf das traumatische Erlebnis soweit abzusenken, dass eine Auseinandersetzung mit dem Erlebten möglich wird. Eine rein pharmakologische Behandlung von spezifischen Angsstörungen und PTBS halte ich auch für sehr unwahrscheinlich.
Ich vermute, dass die Journalistin die Zusammenhänge nicht vollständig verstanden hat und sich deshalb etwas mißverständlich ausdrückt. Vielleicht wollte sie auch einfach nur die Story etwas interessanter gestalten. Beispielsweise schreibt sie, dass der Betablocker den Adrenalinspiegel im Blut senkt. Das ist natürlich völliger Humbug, da diese Medikamente Beta-Rezeptoren blockieren und somit die Wirkung von Adrenalin und Noradrenalin im zentralen Nervensystem verringern.
Schade, dass das Video nicht funktioniert.

Edit:
Ich habe gerade mal den im Text zitierten Psychiater und den Begriff Propranolol durch die Uni-Bibliothek gejagt. Ergebnis: 1 (http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0022395607000921)   2 (http://www.biologicalpsychiatryjournal.com/article/S0006-3223%2803%2900412-8/abstract)
Die benutzen den Betablocker in der Studie direkt nach traumatischen Ereignissen, um die Erregung zu senken und damit PTBS vorzubeugen. Außerdem wird eindeutig von verhaltenstherapeutischen Interventionen berichtet (scrpt-driven mental imagery). In diesem Fall werden die allerdings vorwiegend zur Messung der physiologischen Erregung benutzt.

Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Ansichtssache am 24 Juni 2011, 16:58:44
Du, man muss sich da einloggen, um das lesen zu können. Interessieren würden mich die Artikel darüber jetzt schon.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Spambot am 24 Juni 2011, 17:56:51
Du, man muss sich da einloggen, um das lesen zu können. Interessieren würden mich die Artikel darüber jetzt schon.

Ups. Hab die Links mal durch öffentlich zugängliche Abstracts ersetzt. Die vollständigen Studien gibts leider nicht gratis.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 25 Juni 2011, 11:38:26
Ja, also ich hab das auch so verstanden, dass EMDR im Rahmen einer Psychotherapie gemacht wird, aber was den Erfolg angeht - also Spambot, beinahe ohne Unterlass bemängelst du meine Quellen (in vielen verschiedenen threads/zu unterschiedlichen Themen), aber hier hast du selbst keineswegs "neutrale" Quellen angegeben (EMDR Institut Deutschland und EMDR Vereinigung Niederlande)! - Was also ist mit neutralen, "objektiven" Einschätzungen bezüglich der "Erfolge"/Wirksamkeit von EMDR?

Die Sache mit dem Propranolol - das wurde in der arte-Sendung (in der aktuelleren von diesem Jahr) so dargestellt, dass es tatsächlich nicht im Rahmen einer "herkömmlichen" Psychotherapie stattfindet.
Bei einem "Probanden" (der unter PTBS aufgrund eines gewalttätigen, lebensbedrohlichen Überfalles litt) wurde so vorgegangen, dass er zwar auch sein Erlebnis aufschreiben sollte, dann Propranolol bekam (weiß jetzt nicht mehr, wie oft oder in welchen Abständen oder wieviel ...) und danach seine Aufzeichnungen vorlesen sollte - dabei stellte er selbst fest (bzw. äußerte das zumindest so), dass er das nun ganz ruhig lesen könne, ohne Ängste/Stress bzw. all die bisherigen/vorherigen negativen Reaktionen.

Und bei ihm lag das verursachende Erlebnis schon länger zurück.

Ich erinnere die Sendung nicht mehr vollständig und genau, aber meine, dass da trotzdem auch gesagt wurde, dass diese Propranolol-Methode also auch denen helfen soll, bei denen das Trauma bzw. das verursachende Erlebnis schon länger zurückliegt.

Es wurde auch noch von anderen Enzymen ja gesprochen - hierzu forscht z.B. André Fischer am European Neuroscience Institut in Göttingen (siehe arte-Link). Da geht es insbesondere um Angst(gefühle), wie und wo sie abgespeichert werden bzw. also beeinflusst werden können.


Dass man nur die negativen Emotionen, die zu einem belastenden Erlebnis bzw. der zugehörigen belastenden Erinnerung gehören, "löschen" kann - und also nicht gleich die gesamte Erinnerung selbst, liegt daran, dass die Emotionen an einer anderen "Stelle" im Gehirn abgespeichert werden als das Erlebnis selbst bzw. als die Erinnerung an das Erlebnis bzw. Ereignis.
Das Ereignis wird, soweit ich das erinnere, im Hippocampus, die Emotionen aber in der Amygdala abgespeichert.

Spambot wird dazu aber sicher in Kürze etwas Korrigierendes und Versierteres, Kompetenteres ;D  sagen.


Mir erscheint das so aber einfach echt suspekt - ich soll also meine Erinnerung an ein (negatives bzw. negativ empfundenes/erlebtes) Ereignis/Erlebnis/Vorkommnis behalten (können, "dürfen", sollen) - aber die zugehörigen (von mir so empfundenen, erlebten) Emotionen sollen gelöscht werden (können, sollen - dürfen) - damit es mir Erleichterung verschafft.

Wie oben schon angemerkt: Das geht eben wieder in die Richtung: man verspricht Leuten etwas, man experimentiert mit "Innovationen", obwohl man um die Langzeitfolgen noch nicht weiß, obwohl man alle Zusammenhänge, Verknüpfungen, Beeinträchtigungen noch nicht kennt (noch nicht ausreichend erforscht, verstanden, erkannt hat).

Und man weiß eben auch nur, dass es wohl möglich sein kann/soll, diese bewussten negativen Emotionen (von Erinnerungen belastender Erlebnisse) zu "löschen" oder zumindest abzumildern, aber man weiß nicht, was im Unbewussten trotzdem noch bleibt oder vor sich geht, passiert - wie sich also dieser "Eingriff" auf das Unbewusste (der einzelnen betroffenen Individuen) auswirkt!!


Ich halte das daher für einen sehr gewagten, wenn nicht fragwürdigen, zweifelhaften "Eingriff" - bzw. zweifle also an der (vorgeblich) positiven Wirkung. 


Kaffeebohne

Ich hab es so verstanden, dass die Methoden (mit bspw. Propranolol und EMDR) also - bisher ;) - nur bei den Menschen angewandt werden (sollen), die wirklich unter einem erlebten Trauma (langfristig) leiden bzw. die eine PTBS entwickelt haben, welche auf diese Weise "behandelt" werden soll.

Wer aus welchen Gründen bei welchen Erlebnissen ein Trauma davonträgt bzw. PTBS entwickelt und wer nicht, ist dann auch noch eine andere Frage (in diesem Zusammenhang wird häufig Resilienz erwähnt - auch ein Feld/Thema für sich!!), ja.

Aber manche "reagieren" halt mit PTBS, andere nicht ...

Bei einer Frau, die in der (aktuelleren) arte-Sendung vorkam, war es bspw. so, dass es also kein einmaliges Erlebnis war, das nur relativ kurz dauerte, sondern sie bekam eine PTBS, weil sie ihren schwerkranken Vater (zu dem sie ein sehr enges, gutes Verhältnis hatte) beim Sterben "begleitet" hat bzw. über Jahre seine Krankheit begleitete ... ... ... - und eben sein Leiden extrem miterlebt und so "mitgelitten" ... hat. Sie hatte immer wieder diese Szenen, Bilder, "Zustände" vor Augen usw. - bei ihr wurde allerdings EMDR von einer Psychotherapeutin angewandt.


Leider weiß ich nun nicht mehr, um welches Enzym es ging, das André Fischer (s.o.) erforscht - im Zusammenhang mit negativen Emotionen bei Erinnerungen - insbesondere geht es da um Angst. Schade, dass dazu bei arte nicht mehr Info zu finden ist, aber man kann ja einfach eine mail schicken und um Hintergrundinfo (Literatur z.B.) bitten - werd ich vlt. auch einfach mal machen.  :)



Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: schwarze Katze am 25 Juni 2011, 12:02:16
EMDR kommt auch nur in Frage, wenn der Patient relativ stabil ist und in einer stabiler Umgebung lebt.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: messie am 25 Juni 2011, 20:40:08
Hmm - Missbrauchspotenzial gibt's doch eigentlich bei jedem Medikament, das in den chemischen Haushalt des Körpers eingreift.
Just bei den genannten hier dachte ich ebenfalls sofort ad hoc, dass man damit bei Soldaten jede Menge Schindluder anstellen kann: Soldat hat ein Trauma aufgrund diverser Kriegserlebnisse? - Na, wo ist das Problem? Einfach Medikamente verarbeiten, sie glauben machen dass das Ganze ja doch nicht soo schlimm und wieder zurück an die Front ...

Nichtsdestotrotz gibt es ja einen ganzen Packen an Medikamenten, die wirklich Kranken ausgezeichnet helfen.
Ich wüsste jetzt nicht, worin sich EMDR von den anderen ihrer Art unterscheidet.
Es ist ohnehin gängige Praxis und auch von Neurologen grundsätzlich dringende Empfehlung, jede Substanz, die die Chemie im Hirn betrifft, gemeinsam mit einer Therapie zu verwenden. Eine reine Heilung nur über Medikamentierung ist inzwischen sowas von out. Zum Glück.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Spambot am 25 Juni 2011, 22:43:11
@ Kallisti: Die Links dienten eigentlich nur zur weiteren Information. Studien zur grundsätzlichen Wirksamkeit von EMDR und CBT bei PTBS lassen sich schnell über Google finden. z.B. (http://www.fsu.edu/~trauma/a1v5i4.htm)

Medikamente werden bei erlernten Störungen, wie PTBS oder Angststörungen, gewöhnlich nur therapiebegleitend oder zur Reduzierung von Symptomen verwendet. Grundsätzlich gilt jedoch, dass diese Störungen verlernt werden müssen. Diese Aufgabe können Medikamente nicht übernehmen.

Eine chemische Substanz, die auch noch über das Verdauungssytem in den Körper gelangt, kann unmöglich eine einzelne Erinnerung auslöschen, ohne andere Teile des zentralen Nervensystems zu beeinflussen. Pillen, die die Erinnerung an ein spezifisches traumatisches Ereignis auslöschen, ohne dabei das gesamte Gedächtnis zu beeinflussen, sind Science Fiction. Damit soetwas funktioniert, müsste man hierzu eine geeignete Substanz (z.B. einen Neurotransmitter) in die zuvor identifizierten Synapsen oder Nervenzellen im Gehirn injizieren, um die Weiterleitung eines Aktionspotenzials zu verhindern. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft ist so ein Eingriff zur Beeinflussung einzelner Erinnerungen ganz sicher nicht möglich.

In der Amygdala werden die Emotionen nur erzeugt, nicht abgespeichert.

Menschen, die an PTBS leiden, haben sicherlich wenig Verständnis dafür, wenn man ihnen sagen würde, dass sie nicht mit EMDR behandelt werden dürfen, weil man die physiologischen Mechanismen der Methode noch nicht vollständig verstanden hat. Bei der Bewertung von Risiken sollte man das Ziel, die Minderung des Leids von Menschen, nicht aus den Augen verlieren.





Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 25 Juni 2011, 23:42:30
Zitat
In der Amygdala werden die Emotionen nur erzeugt, nicht abgespeichert.
(Spambot)

Oh, da findet sich bei wiki aber was anderes:

Zitat
Fehlfunktionen der Amygdala können beim Menschen zu einer Vielzahl von Erscheinungen wie Gedächtnisstörungen, der Unfähigkeit der emotionalen Einschätzung von Situationen, Autismus, Depression, Narkolepsie, posttraumatischen Belastungsstörungenen und Phobien führen. Diese Störungen können durch Beschädigung, Entwicklungsprobleme oder ein Ungleichgewicht der Neurotransmitter hervorgerufen werden, können aber im Gegenteil auch die Folge situationsangemessenen Funktionierens der Amygdala sein. Die Amygdala verknüpft Ereignisse mit Emotionen und speichert diese.

http://de.wikipedia.org/wiki/Amygdala

Und in der arte-Sendung war ja meines Wissens auch die Rede von "Speichern" von Emotionen in der Amygdala ...


Zitat
Medikamente werden bei erlernten Störungen, wie PTBS oder Angststörungen, gewöhnlich nur therapiebegleitend oder zur Reduzierung von Symptomen verwendet. Grundsätzlich gilt jedoch, dass diese Störungen verlernt werden müssen. Diese Aufgabe können Medikamente nicht übernehmen.
(Spambot)
Zitat
Eine chemische Substanz, die auch noch über das Verdauungssytem in den Körper gelangt, kann unmöglich eine einzelne Erinnerung auslöschen, ohne andere Teile des zentralen Nervensystems zu beeinflussen. Pillen, die die Erinnerung an ein spezifisches traumatisches Ereignis auslöschen, ohne dabei das gesamte Gedächtnis zu beeinflussen, sind Science Fiction. Damit soetwas funktioniert, müsste man hierzu eine geeignete Substanz (z.B. einen Neurotransmitter) in die zuvor identifizierten Synapsen oder Nervenzellen im Gehirn injizieren, um die Weiterleitung eines Aktionspotenzials zu verhindern. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft ist so ein Eingriff zur Beeinflussung einzelner Erinnerungen ganz sicher nicht möglich.
(Spambot)

Aber genau darum ging es in der Sendung und genau das ist es ja, das mich so "nachdenklich" ... macht.  ;)

Es wurde eben z.B. Propranolol in diesem Zusammenhang genannt bzw. als ein solches Medikament ja in der Sendung bereits dargestellt (dass es "das bereits kann"/hierfür eingesetzt wird - zwar also nicht löschen: die negativen Emotionen, aber sie sehr stark abschwächen) - aber dann auch etwas, woran André Fischer (Göttingen) forscht - siehe hier:

Zitat
Was auf molekularer Ebene im Gehirn passiert, wenn ein Erlebnis zum Trauma wird, haben Dr. André Fischer und seine Mitarbeiterin, Dr. Farahnaz Sanabenesi, zusammen mit Forschern von der Northwestern Universität in Chicago, der Harvard University und dem Massachusetts Institute of Technology in Boston, Massachusetts, herausgefunden: Angst auslösende Erlebnisse aktivieren vorübergehend ein Protein mit dem Namen Cdk5 im Hippocampus, dem Zentrum für die Speicherung von Erinnerungen. Innerhalb weniger Stunden "brennt" das Gehirn die Erfahrung als Trauma im Gedächtnis fest. Damit das Gehirn die belastende Situation in der Therapie als "doch nicht schlimm" neu abspeichern kann, muss die Aktivität von Cdk5 vorübergehend unterdrückt werden.

Im Experiment erhielten Mäuse einen leichten Elektroschock an den Füßen, wenn sie zum ersten Mal einen bestimmten Raum betraten. Danach durften die traumatisierten Mäuse mehrere Male in den Raum, allerdings ohne Elektroschock. Mäuse mit erhöhter Cdk5-Aktivität im Gehirn brauchten länger als normale Mäuse, um wieder neu Vertrauen zu fassen. "Die Cdk5-Aktivität verhindert das Auslöschen erlernter Angst. Dies geschieht mindestens zum Teil dadurch, dass aktiviertes Cdk5 ein anderes Protein an seiner Aktivität behindert. Wenn wir Cdk5 unterdrücken oder gar eine gegenläufige Kraft aktivieren, lernen unsere Mäuse sehr schnell, dass keine Gefahr mehr besteht. Die erlernte Furcht wird ausgelöscht. Wenn wir Cdk5 dagegen sehr stark aktivieren, lernen die Tiere praktisch nie, dass keine Gefahr mehr besteht", sagt Dr. André Fischer.

Eine Reihe von Wirkstoffen ist bereits bekannt, die auf verschiedene Komponenten des Cdk5-Signalweges einwirken. "Bis die besten dieser Wirkstoffe identifiziert sind und für die Therapie von posttraumatischen Belastungsstörungen am Menschen getestet werden können, vergehen allerdings noch mehrere Jahre", so Fischer.


http://www.med.uni-goettingen.de/presseinformationen/presseinformationen_6758.asp

(Hervorhebungen - wie immer ;) -  von mir.)


Es geht also um ein Protein (nicht um ein Enzym - obwohl ich meine, mich zu erinnern, dass in der Sendung durchaus von einem Enzym die Rede war? - vielleicht wird das ja nochmal auf arte wiederholt, wär ja ganz nett).


Zitat
Studien zur grundsätzlichen Wirksamkeit von EMDR und CBT bei PTBS lassen sich schnell über Google finden. z.B.
(Spambot)

Naja, alles wieder in Englisch - und ich kann daraus nicht erkennen, wie seriös die Quelle ist bzw. die Literaturangaben bzw. welche Leute sich "dahinter verbergen" ?


Ich hab allerdings hier ;) was ganz Knappes gefunden:

http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Die-Wirksamkeit-von-EMDR.108338.0.html

Also: wieso wird das immer noch "kontrovers diskutiert", wenn es doch angeblich inzwischen "gut belegt" ist - leider geht da auch nicht hervor, von wem es auf welche Weise "gut belegt" wurde (und wann) ?

Habe sonst nichts aussagekräftiges (in Deutsch) zur Validierung finden können. - Müsste doch aber inzwischen auch was in deutscher Sprache geben?!? Im Internet!! ? - EMDR is doch immerhin schon seit Anfang/Mitte der Neunziger Jahre (1995) bekannt ... ?!


Zitat
Die Links dienten eigentlich nur zur weiteren Information.
(Spambot)

Jaja, Spambot - meine Links dienen auch imemr "nur zur weiteren Information" - wozu auch sonst?!   ;D  Aber du stellst meine immer als unqualifiziert dar, während es bei dir also aber ok is.  ?  :D



messie

Zitat
Nichtsdestotrotz gibt es ja einen ganzen Packen an Medikamenten, die wirklich Kranken ausgezeichnet helfen.
Ich wüsste jetzt nicht, worin sich EMDR von den anderen ihrer Art unterscheidet
. (messie)

Also EMDR is ja kein Medikament, sondern eine Behandlungsmethode.  (Falls da ein Missverständnis bestanden haben sollte, mein ich nur.)


Zitat
Just bei den genannten hier dachte ich ebenfalls sofort ad hoc, dass man damit bei Soldaten jede Menge Schindluder anstellen kann: Soldat hat ein Trauma aufgrund diverser Kriegserlebnisse? - Na, wo ist das Problem? Einfach Medikamente verarbeiten, sie glauben machen dass das Ganze ja doch nicht soo schlimm und wieder zurück an die Front ...
(messie)

Em -- ja, so wurde das ja aber doch sowieso immer schon gemacht oder? Grade in Vietnam ... - ich weiß ja nich was alles die "eingeworfen" ... haben, aber muss wohl ein ziemlicher Cocktail gewesen sein - gegen PTBS hat es ihnen aber auch nicht geholfen, weil - wie war das: doppelt so viele nach den Kriegen durch Suizid (aufgrund ihrer PTBS) starben als während der Kampfeinsätze?


Zitat
Nichtsdestotrotz gibt es ja einen ganzen Packen an Medikamenten, die wirklich Kranken ausgezeichnet helfen.
(messie)

Welche meinst du da jetzt - welche Medikamente und/bzw. (für) welche Krankheiten - also nich für PTBS oder? (Aber um die geht es ja - also nicht um Depression oder Schizophrenie oder so.)







Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: schwarze Katze am 26 Juni 2011, 00:05:24
Hmm - Missbrauchspotenzial gibt's doch eigentlich bei jedem Medikament, das in den chemischen Haushalt des Körpers eingreift.
Just bei den genannten hier dachte ich ebenfalls sofort ad hoc, dass man damit bei Soldaten jede Menge Schindluder anstellen kann: Soldat hat ein Trauma aufgrund diverser Kriegserlebnisse? - Na, wo ist das Problem? Einfach Medikamente verarbeiten, sie glauben machen dass das Ganze ja doch nicht soo schlimm und wieder zurück an die Front ...

war auch meine erste Gedanke, dass diese Medikament als erster zu militärischen Zwecken benutzt wird.
Trotzdem gibt es reichlich traumtisierte Menschen, von allem Gewalt- und Missbrauchsopfer, die bereit sind jede Risiko der neuer Medikation auf sich zu nehmen , wenn die nur eine Chance bekommen, ihre qualende Erinnerungen los zu werden.

Es ist ohnehin gängige Praxis und auch von Neurologen grundsätzlich dringende Empfehlung, jede Substanz, die die Chemie im Hirn betrifft, gemeinsam mit einer Therapie zu verwenden. Eine reine Heilung nur über Medikamentierung ist inzwischen sowas von out. Zum Glück.

nun sieht die Realität leider anders aus: die Warteliste für eine Psychotherapie ist ziemlich lang
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Spambot am 26 Juni 2011, 02:18:45
Oh, da findet sich bei wiki aber was anderes

Das Gehirn ist hochgradig vernetzt und diese Vernetzung ändern sich durch Lernen (Neuroplasticity). Eine Zentrale Rolle bei der Verarbeitung von Gedächtnisinhalten spielt das limbische System (insbesondere der Hippocampus, Feld CA1 und CA3), wohingegen die eigentliche Speicherung von Inhalten in der Großhirnrinde stattfindet. Das schließt eine Vernetzung mit anderen Regionen des Gehirns natürlich nicht aus. Weiterhin sind unterschiedliche Hirnregionen bei verschiedenen Formen der Speicherung von Inhalten beteiligt (Kurzeitgedächtnis, Langzeitgedächtnis etc.). Die Amygdala speichert nicht direkt Informationen, ist aber über die synaptische Plastizität an der Konsolidierung von Gedächtnisinhalten beteiligt.

In dem Artikel von der Uni Göttingen wird nur von einer Unterstützung beim Verlernen berichtet. Die Substanz allein kann nicht das unerwünschte Verhalten löschen. Ähnlich wie bei einem Betablocker soll die traumabedingte Erregung reduziert werden, um eine verhaltenstherapeutische Konfrontation zu ermöglichen. 

Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Ansichtssache am 26 Juni 2011, 09:59:40
Kallisti, ich finde nach wie vor den Ausdruck "Erinnerungen/Emotionen löschen" falsch. Kein Medikament der Welt kann gezielt eine einzige bestimmte Erinnerung oder Emotion "löschen", wie schon mehrfach gesagt. Und das ist sicherlich auch nicht das Ziel. Es geht um die Verknüpfungen die entstehen, diese kann man anscheinend beheben oder abschwächen, wie es bei normalen Verarbeitungsprozessen auch passiert, oder gar nicht erst entstehen lassen.
Über Erfolge oder Nicht-Erfolge bei EMDR können wir als Laien schlecht urteilen, da gibt es sicher, wie immer, 100 verschiedene Meinungen. Was ich immer noch nicht verstehe: Warum EMDR und Propranolol in einen Topf geworfen werden. Wo ist da der Zusammenhang, steht das irgendwo?
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Spambot am 26 Juni 2011, 11:11:07
Der Begriff Löschung wird hier vermutlich im Sinne der operanten Konditionierung (http://en.wikipedia.org/wiki/Operant_conditioning) (Extinction) verwendet. Damit ist eigentlich nur gemeint, dass ein unerwünschtes, belastendes Verhalten durch ein funktionales Verhalten ersetzt wird. Dabei werden natürliche Lernprozesse genutzt.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 26 Juni 2011, 11:54:09
@Spambot und Ansichtssache


... seht bitte hier:

Zitat
Aus Mäuseexperimenten wissen Forscher, dass sich das Angstgedächtnis durch den Rezeptorblocker Propranolol manipulieren lässt. Durch ihn lassen sich die Stoffwechselvorgänge während des Wiedererinnerns an Angstzustände und der Gedächtnisformation in der für Angst zuständigen Gehirnregion namens Amygdala beeinflussen und Angstgefühle auslöschen. Sie wollten diese Erkenntnisse auf den Menschen übertragen und stellten zunächst sicher, dass die Substanz Propranolol für die sechzig Probanden des Tests sicher und verträglich ist.

und

Zitat
Bei der Kontrollgruppe hielt die Angst vor Spinnenbild mit Kracheinspielung unvermittelt an, während bei den mit Propranolol behandelten Studenten die Schreckensreaktion nicht nur reduziert, sondern sogar ganz eliminiert war, schreiben die Forscher. Der Mechanismus dahinter ist den Forscher aber unklar: Ob die Gedächtnisinhalte komplett gelöscht wurden oder die Behandlung nur den Abrufvorgang aus dem Angstgedächtnis stört, können die Psychologen bisher nicht sagen.

Quelle:

http://wissenschaft.de/wissenschaft/news/300541.html


Also Spambot - was hat das mit Konditionierung zu tun?? Und - hast du an meiner Quelle nun wieder was auszusetzen?

Das
Zitat
Die Amygdala speichert nicht direkt Informationen, ist aber über die synaptische Plastizität an der Konsolidierung von Gedächtnisinhalten beteiligt.
(Spambot)
 (aha! - achso?!)

klingt aber schon ganz anders als (zuvor) das:

Zitat
In der Amygdala werden die Emotionen nur erzeugt, nicht abgespeichert.
(Spambot)

 ;)


Sämtliche Hervorhebungen von mir getätigt.


Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Ansichtssache am 26 Juni 2011, 12:40:56
Zitat
@Spambot und Ansichtssache


... seht bitte hier:

Quote
Aus Mäuseexperimenten wissen Forscher, dass sich das Angstgedächtnis durch den Rezeptorblocker Propranolol manipulieren lässt. Durch ihn lassen sich die Stoffwechselvorgänge während des Wiedererinnerns an Angstzustände und der Gedächtnisformation in der für Angst zuständigen Gehirnregion namens Amygdala beeinflussen und Angstgefühle auslöschen. Sie wollten diese Erkenntnisse auf den Menschen übertragen und stellten zunächst sicher, dass die Substanz Propranolol für die sechzig Probanden des Tests sicher und verträglich ist.


Entweder ich steh jetzt auf dem Schlauch, oder....ich verstehe es auch hier so, dass nur die Verknüpfung der Emotion mit dem Ereignis manipuliert wird. "Soffwechselvorgänge während des Wiedererinnerns", was soll das denn sonst sein?
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 26 Juni 2011, 12:56:50
Ansichtssache

... naja, klar - also Angstgefühl(e) werden natürlich nicht vollständig, dauerhaft und unwiederbringlich gelöscht - das ist ja nicht im Sinne des Anwenders bzw. will ja keiner.  ;)

Es geht, wie ich das verstehe, um diese speziellen Emotionen, Angstgefühle, Gefühle der Bedrohung, Ohnmacht, Gefahr, Belastung ..., die an ein oder mehrere erlebte/erfahrene Ereignisse gekoppelt sind - dass man also diese Ereignisse selbst noch erinnert, aber sie eben ohne diese negativen, belastenden Emotionen erinnern kann (können wird/soll).

Für mich ist das trotzdem eine erhebliche Manipulation - insbesondere eben auch deshalb, weil wie gesagt keiner weiß, was dabei, danach dann im Unbewussten (dieser Menschen) los ist - und wie sich diese "Manipulition" langfristig auf/für diese Menschen auswirkt.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Ansichtssache am 26 Juni 2011, 13:36:52
Zitat
Ansichtssache

... naja, klar - also Angstgefühl(e) werden natürlich nicht vollständig, dauerhaft und unwiederbringlich gelöscht - das ist ja nicht im Sinne des Anwenders bzw. will ja keiner. 


Reden wir aneinander vorbei? Ich sagte ja, dass die Begrifflichkeit falsch ist. Ich finde, da wurde sehr viel durcheinander geworfen bzw. falsch ausgedrückt, was zu Missverständnissen führt. Und ich habe schon verstanden, dass du das verstanden hast. ;)


Zitat
Es geht, wie ich das verstehe, um diese speziellen Emotionen, Angstgefühle, Gefühle der Bedrohung, Ohnmacht, Gefahr, Belastung ..., die an ein oder mehrere erlebte/erfahrene Ereignisse gekoppelt sind - dass man also diese Ereignisse selbst noch erinnert, aber sie eben ohne diese negativen, belastenden Emotionen erinnern kann (können wird/soll).

Genau. Also das, was normalerweise u.a. in einer Therapie passiert, soll durch ein Medikament ersetzt werden (ist ja auch kostengünstiger und weniger zeitaufwändig). Finde ich auch, wie gesagt, sehr zweifelhaft.
Ich denke, dass das auslösende Ereignis viel tiefer geht, als dass man es nur mit einem Medikament behandeln könnte, welches irgendwelche Stoffwechselvorgänge aufhält.
Allerdings kann ich mir die unterstützende Wirkung schon vorstellen, in dem Sinne den Spambot meinte, dass durch das Medikament eine bessere Auseinandersetzung mit dem Erlebten möglich ist. Ich kenne mich da leider mit der genauen Wirkungsweise von Propranolol zu wenig aus.

Aber ich arbeite in einer Klinik und werde demnächst versuchen, jemanden vom Fach dazu zu befragen.

Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Spambot am 26 Juni 2011, 15:00:35
Also Spambot - was hat das mit Konditionierung zu tun??
Wenn das nicht als Witz gemeint war, würde es erklären, weshalb du die von dir zitierten Quellen nicht vollständig verstehst.

Ich habe mal die von dir genannte Studie (Kindt et al., 2009) heraus gesucht (ist nicht öffentlich zugänglich) und durchgelesen. Der Betablocker zeigt nur dann eine Wirkung, wenn das Individuum sich aktiv mit der konditionierten Situation auseinandersetzt:
Zitat
To determine whether the effect of propranolol requires active retrieval of the fear memory, we administered propranolol to another fear-conditioned group (n = 20) without memory reactivation. Omission of memory reactivation after propranolol intake yielded normal fear responses and a return of fear 48 h after acquisition. Analysis of variance showed a different pattern for the contingency learning data, with no effects of propranolol. 

Das konditionierte Verhalten kann also nicht durch den Beta-Blocker allein gelöscht werden. Die Studie wird von den Autoren übrigens als preliminary study eingestuft. Ob das getestete Verfahren aus diesem Laborexperiment auch bei PTBS funktioniert, muß erst noch untersucht werden.

Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 26 Juni 2011, 16:42:52
Zitat
Quote from: Kallisti on Today at 10:54:09

    Also Spambot - was hat das mit Konditionierung zu tun??

Wenn das nicht als Witz gemeint war, würde es erklären, weshalb du die von dir zitierten Quellen nicht vollständig verstehst.

Nein Spambot, es war nicht "als Witz gemeint".  - Mir erschließt sich nach wie vor nicht, inwiefern Propranolol via Konditionierung (gegen Angstgefühle) wirken soll - wie du oben schriebst. ?

Zitat
Ich habe mal die von dir genannte Studie (Kindt et al., 2009) heraus gesucht (ist nicht öffentlich zugänglich) und durchgelesen.
(Spambot)

Das hat für mich keinen Wert - wenn du etwas hier einstellst, das "nicht öffentlich zugänglich" ist - ich  möchte mich schon selbst überzeugen können.

Außerdem nervt es mich - wie schon mehrmals angemerkt - dass du alles immer ausschließlich in Englisch einstellst. - Wenn es doch auch in Deutsch geht, siehe hier:

http://www.wdr.de/tv/quarks/sendungsbeitraege/2010/0316/007_erinnerung.jsp

Daraus vor allem Folgendes:

Zitat
[...]
Warum die Angst aus der Erinnerung verschwindet, erklären die Wissenschaftler mit der Wirkung von Propranolol im Gehirn: Das Medikament senkt den Blutdruck und die Herzfrequenz, indem es in den Körperzellen bestimmte Rezeptoren für das Stresshormon Adrenalin blockiert. Solche Rezeptoren gibt es praktisch in allen Organen, auch in Herz, Lunge, Niere und Muskulatur. Man bezeichnet sie als Beta-Rezeptoren, weshalb entsprechende Medikamente auch als Betablocker bekannt sind. Der Betablocker Propranolol gelangt aber mit dem Blut auch ins Gehirn, wo es in der Region, die die Gefühle steuert, ebenfalls Beta-Rezeptoren gibt. Wenn sie von Propranolol besetzt werden, können Stressbotenstoffe wie Noradrenalin nicht andocken. Folge: Das Angstzentrum kann für einige Zeit nicht in Erregung versetzt werden. Passiert das, während eine Erinnerung gerade aktiviert und in ihrer sensiblen Phase ist, verändert das ihren Inhalt: Die Erinnerung wird nun ohne Angst neu abgespeichert. Die alte Verknüpfung ist gelöscht.
[...]



Konditionierung spielt hierbei also keine Rolle. - Konditionierung findet vorher im Versuchsaufbau bzw. -ablauf statt ja (Spinnenbild mit Ton bzw. Stromschlag ...), nicht aber, wenn es um das dann folgende "Löschen" des Angstgefühls durch Propranolol geht.

Zitat
Der Betablocker zeigt nur dann eine Wirkung, wenn das Individuum sich aktiv mit der konditionierten Situation auseinandersetzt:
(Spambot)

Ja, mit der "konditionierten Situation", aber die begleitenden Angstgefühle werden also nicht durch (neue) Konditionierung gelöscht/verändert, sondern also nur durch Propranolol!

Du hattest vorne/oben aber geschrieben:

Der Begriff Löschung wird hier vermutlich im Sinne der operanten Konditionierung (http://en.wikipedia.org/wiki/Operant_conditioning) (Extinction) verwendet. Damit ist eigentlich nur gemeint, dass ein unerwünschtes, belastendes Verhalten durch ein funktionales Verhalten ersetzt wird. Dabei werden natürliche Lernprozesse genutzt.


Und genau das findet - mittels Propranolol - also nicht statt: eine "neue Konditionierung".
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Spambot am 26 Juni 2011, 18:49:06
Bei dem Experiment mit den Spinnenbildern wurde über klassische Konditionierung ein neutraler Reiz (hier Spinnenbilder) mit einem weiteren neutralen Reiz (Ton) und einem unbedingten Reiz (Stromschlag) gepaart. Die Menschen in der experimentellen Gruppe zeigten daraufhin eine bedingte Reaktion (Angst vor Stromschlag bei Spinnenbild u./o. Ton)
Danach hat man einer Gruppe den Betablocker und einer anderen Gruppe einen Placebo gegeben (plus Kontrollgruppe).
Die Forscher wollten nun wissen, ob man mit Hilfe des Betablockers und einer weiteren Konditionierung eine schnellere Löschung der bedingten Reaktion (Ton, Bild -> Angst vor Stromschlag) erzielen kann. Diese Löschung tritt grundsätzlich auch ohne Medikamente oder Interventionen auf, wenn der bedingte Reiz (hier: Spinnenbilder, Ton) ohne den unbedingten Reiz (hier: Stromschlag) wiederholt stattfindet. Bei stark angstauslösenden Verknüpfungen kann diese natürliche Löschung sehr lange dauern oder sogar komplett ausbleiben (wie z.B. bei PTBS). Man geht davon aus, dass die emotionale Erregung bei diesen angstauslösenden Paarungen von Reizen eine Neubewertung der nun eigentlich nicht mehr gefährlichen Situation erschwert oder verhindert. Daher versucht man die Erregung durch Betablocker (normalerweise durch Entspannungstechniken) zu verringern und konfrontiert das Individuum erneut mit dem Reiz.
In der experimentellen Gruppe (mit Betablocker) zeigte sich bei der zweiten klassischen Konditionierung (hier: Spinnenbilder u. Ton ohne Stromschlag), dass der Betablocker eine Löschung der bedingten Reaktion stark beschleunigt.

Aus dem WDR Text geht eigentlich sehr deutlich hervor, dass das Medikament nur natürliche Lernprozesse unterstützt, indem es die Erregung beim erneuten Lernen (Konditionieren) senkt:
Zitat von:
Das Angstzentrum kann für einige Zeit nicht in Erregung versetzt werden. Passiert das, während eine Erinnerung gerade aktiviert und in ihrer sensiblen Phase ist, verändert das ihren Inhalt: Die Erinnerung wird nun ohne Angst neu abgespeichert. Die alte Verknüpfung ist gelöscht.






Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 27 Juni 2011, 11:10:24
Spambot

... es wäre nett, wenn du das Zitat bzw. den Auszug vollständig wiedergeben würdest, denn es heißt dort:

Zitat
Der Betablocker Propranolol gelangt aber mit dem Blut auch ins Gehirn, wo es in der Region, die die Gefühle steuert, ebenfalls Beta-Rezeptoren gibt. Wenn sie von Propranolol besetzt werden, können Stressbotenstoffe wie Noradrenalin nicht andocken. Folge: Das Angstzentrum kann für einige Zeit nicht in Erregung versetzt werden. Passiert das, während eine Erinnerung gerade aktiviert und in ihrer sensiblen Phase ist, verändert das ihren Inhalt: Die Erinnerung wird nun ohne Angst neu abgespeichert. Die alte Verknüpfung ist gelöscht.

Das ganz entscheidende Wort "Folge" und eben die erforderlichen Sätze/Satz vor diesem Wort, hast du leider unter den Tisch fallen lassen. Aber eben: es passiert etwas durch Propanolol (!) im Gehirn (siehe Text) und als Folge dieser Einwirkung (des Medikamentes bzw. Wirkstoffes), passiert dann das:

Zitat
Das Angstzentrum kann für einige Zeit nicht in Erregung versetzt werden. Passiert das, während eine Erinnerung gerade aktiviert und in ihrer sensiblen Phase ist, verändert das ihren Inhalt: Die Erinnerung wird nun ohne Angst neu abgespeichert. Die alte Verknüpfung ist gelöscht.

Und siehe vor allem auch dies:

Zitat
Denn seit einigen Jahren ist aus Tierversuchen, aber auch aus Studien mit Menschen bekannt, dass sich Erinnerungen verändern lassen, wenn sie wieder aufgerufen werden. Das Gedächtnis scheint über einen Neubewertungs-Mechanismus zu verfügen, der automatisch einsetzt, wenn eine alte Erinnerung aufgerufen wird. Vor dem Wiederablegen im Gedächtnis ordnet das Gehirn die Fakten neu. Und an diesem Punkt wollten die Angstforscher aus Amsterdam eingreifen – Propranolol sollte auf die Erinnerung einwirken, indem es die Angst ausschaltet.

Und das gelang: Im nächsten Versuchsdurchgang, als alle drei Gruppen wieder Spinnenbilder samt Ton präsentiert bekamen, zuckten diejenigen Probanden, die das Herzmedikament eingenommen und sich mit Hilfe der präsentierten Spinnenbilder zwischendurch erinnert hatten, nicht mehr mit den Augen. Sie erwarteten den Schrecken nicht mehr, die Angst war weg – ein signifikanter Unterschied zu der Gruppe, die eine wirkungslose Pille bekommen hatte, aber auch zu der, deren Erinnerung zwischendurch nicht aktiviert worden war.

Die Ergebnisse zeigen, dass Propranolol offensichtlich den emotionalen Teil der Erinnerung verändert: Es entkoppelt die eigentliche Erinnerung von dem Gefühl der Angst. Denn durch Befragung stellten die Forscher zwischendurch fest, dass alle Versuchsteilnehmer genau wussten, dass sie früher einmal einen Stromschlag erhalten hatten. Das Gedächtnis als solches war also nicht beeinträchtigt, auch nicht bei denjenigen, die Propranolol bekommen hatten



Wenn es hier um Konditionierung ginge, müsste auch "der Schrecken" bei den Kontrollgruppen ohne Propranolol wegzukriegen sein (können). Und bitte nochmal lesen:

Zitat
Die Ergebnisse zeigen, dass Propranolol offensichtlich den emotionalen Teil der Erinnerung verändert: Es entkoppelt die eigentliche Erinnerung von dem Gefühl der Angst.

Die Wirkung (das Verschwinden des Schrecks bzw. der Angst) wird also nicht auf ein erlerntes Umbewerten (der an eine Erinnerung/ein Ereignis/eine Erfahrung gekoppelten Emotion(en)) zurückgeführt, sondern einzig auf den Einfluss/die Wirkung von Propanolol.

Wie schon oben gesagt: Konditionierung findet/fand nur statt im Versuchsablauf (Spinnenbild + Ton + Stromschlag, dann Spinnenbild (+ Ton) ohne Stromschlag ...), nicht aber während der "Löschung" des Angst-/Schreckgefühls.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Spambot am 27 Juni 2011, 12:56:42
Wenn es hier um Konditionierung ginge, müsste auch "der Schrecken" bei den Kontrollgruppen ohne Propranolol wegzukriegen sein (können).

aus deinem WDR-Text:
Zitat von:
Selbstverständlich halfen die Forscher auch ihren tapferen Freiwilligen, die Angst wieder loszuwerden: Alle drei Gruppen sahen nach dem Versuch noch einige Zeit Spinnenbilder ohne Ton und ohne Stromschlag, bis sie ihren Schrecken ganz los waren.

Geht auch ohne Pillen, da es sich um klassische Konditionierung handelt. Dauert ohne die Pille nur etwas länger. Nochmal: Löschung (http://de.wikipedia.org/wiki/Extinktion_%28Psychologie%29) ist ein Begriff aus der Lerntheorie (klassische u. operante Konditionierung), nicht aus der Pharmakologie.

In dem von dir zitierten Text steht doch ganz deutlich, dass die Angst in dem Moment ausgeschaltet (ich würde eher den Begriff gedämpft wählen) wird, in welchem die Erinnerung reaktiviert wird. Diese Reaktivierung erfordert eine aktive Auseinandersetzung (Exposition/Konfrontation) mit der gespeicherten (angstbesetzten) Verknüfung. Dieser natürliche Lernprozess wurde in dem Experiment durch klassische Konditionierung (Extinktion) erreicht.

Man sollte bei dem WDR Text vielleicht nicht vergessen, dass er von einem Journalisten geschrieben wurde. Anders kann ich mir das Zitat:
Zitat von:
Die Ergebnisse zeigen, dass Propranolol offensichtlich den emotionalen Teil der Erinnerung verändert: Es entkoppelt die eigentliche Erinnerung von dem Gefühl der Angst.
nicht erklären. Der Satz steht im Gegensatz zu einem anderen Textabschnitt in dem der Autor der Studie direkt zitiert wird:
Zitat von:
"Propranolol bewirkt nicht, dass die Erinnerungen inhaltlich verändert werden, oder dass man nachher nicht mehr weiß, was geschehen ist. Aber das akute Gefühl, also die Angst, die vorher automatisch mit aufkommt, die wird gelöscht, dank der Neu-Bewertung der Erinnerung im Gedächtnis. Und das ist ein ganz natürlicher Mechanismus", so Merel Kindt, Leiterin der Forschungsgruppe: "Das Gedächtnis funktioniert von Natur aus so, dass es Erinnerungen immer wieder neu bewertet. Wir helfen nur dabei, belastende Anteile loszuwerden."

Es handelt sich bei dem WDR Text um einen journalistischen Beitrag zu einem komplexen Thema. Wenn man sich ernsthaft mit solchen Themen auseinandersetzen möchte, muß man die Primärquelle (hier die Studie) lesen. Hier (http://www.nature.com/neuro/journal/v12/n3/extref/nn.2271-S1.pdf) ist der Aufbau der Studie noch einmal im Detail erklärt. Hier (http://www.beforeyoutakethatpill.com/2009/2/kindt_2009.pdf) gibt es es den Originalartikel zur Studie gratis.


Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 29 Juni 2011, 03:14:16
Spambot

Wenn es so einfach wäre - mittels Konditionierung - warum hilft diese Methode dann gerade nicht bei PTBS?

Es geht doch in der Sendung, dem Artikel, dem Versuch gerade darum, zu zeigen, dass Propranolol nicht mittels Konditionierung wirkt, sondern direkt und schnell im Gehirn wirkt (siehe die Sache mit den Beta-Rezeptoren im Gehirn, die Propranolol besetzt und die daraus resultierenden Folgen).

Und in dem Versuch sind auch keine Leute mit PTBS dabei gewesen - es sind also keine traumatisierenden Ereignisse, Erlebnisse, Erfahrungen (dieser Versuch mit den Spinnenbildern, dem Ton, dem Stromschlag).
Aber bei PTBS-Betroffenen wurde also angeblich Propanolol mit Erfolg eingesetzt (wie z.B. bei dem in der arte Sendung genannten, gezeigten, interviewten Kanadier) - ohne (begleitende oder einbettende Psychotherapie).
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Spambot am 01 Juli 2011, 14:07:47
Wenn es so einfach wäre - mittels Konditionierung - warum hilft diese Methode dann gerade nicht bei PTBS?

Viele verhaltenstherapeutische Interventionen beruhen auf dem Prinzip der Konditionierung. Diese Methoden werden, oft in Kombination mit weiteren Verfahren wie EMDR oder kognitiven Verfahren, seit vielen Jahren mit gewissem Erfolg bei PTBS eingesetzt. Alternativ gibt es (besonders im deutschsprachigen Raum) auch noch einige tiefenpsychologische Behandlungsansätze.

Natürlich wirkt der Beta-Blocker auch ohne Konditionierung. Diese Wirkung wird aber nicht selektiv Erinnerungen löschen, sondern nur das Erregungsniveau herabsetzen. Der große Vorteil eine angstreduzierenden Beta-Blockers ist die vergleichsweise gute Verträglichkeit und die geringe Gefahr durch Nebenwirkung. Andere Angstlöser, wie Diazepam, sind für eine begleitende Pharmakotherapie in der Psychotherapie eher ungeeignet, da sie die Wahrnehmung und Persönlichkeit des Patienten verfälschen und auf Dauer süchtig machen.

Die Ergebnisse aus Kanada (http://findarticles.com/p/articles/mi_hb4345/is_12_38/ai_n56581712/) (mit Google übersetzt (http://translate.google.de/translate?hl=de&sl=en&u=http://findarticles.com/p/articles/mi_hb4345/is_12_38/ai_n56581712/&ei=kbINTpHWKIbpOfC6yL0L&sa=X&oi=translate&ct=result&resnum=6&ved=0CEQQ7gEwBTgK&prev=/search%3Fq%3DAlain%2BBrunet%2BPropranolol%26start%3D10%26hl%3Dde%26client%3Dfirefox-a%26sa%3DN%26rls%3Dorg.mozilla:de:official%26biw%3D1562%26bih%3D705%26prmd%3Divnso)) zur Forschung mit Propranolol, zeigen, dass immer eine Aktivierung der traumatischen Gedächtnisinhalte durch den Patienten nötig ist (also verhaltenstherapeutische Konfrontation / Exposition, z.B. durch Traumaskripte), um eine Rekonsolidierung der traumatischen Gedächtnisinhalte zu verhindern. Der Autor der kanadischen Studie sagt ausdrücklich, dass das Medikament keine Erinnerungen modifiziert (er nennt diese Annahme einen "misnomer" = Irrtum), sondern nur die Verknüpfung mit Emotionen während der Rekonsolidierung abschwächt.

Nachdem ich nun viel zu viel Zeit in die Auswertung der entsprechenden wissenschaftlichen Quellen investiert habe, kann ich mit Gewissheit sagen, dass entweder die Doku bei arte fehlerhaft war, oder du den Bericht falsch verstanden hast. Da ich mehrere deutschsprachige fehlerhafte Artikel von Journalisten mit ähnlichem Inhalt im Netz gefunden habe, vermute ich, dass die Autoren den Fehler voneinander abgeschrieben haben, ohne die Primärquellen gewissenhaft auszuwerten. 

Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 02 Juli 2011, 16:18:58
Ok, Spambot - vorläufig hast du mich überredet.  ;) - Insbesondere, weil es mir wieder mal zu zeitaufwändig wird und zu mühsam ist, all diese (oft langen) englischsprachigen Links von dir zu lesen - mit anderen Worten: ich habe nicht weitere Kenntnis von der Sache/Anwendung (Propranolol betreffend).

Dass aber Trauma-Behandlung/-Therapie ein sehr schwieriges, sehr langwieriges und auch für viele Therapeuten sehr unbeliebtes und frustrierendes Unterfangen ist, ist kein Geheimnis. - Daher kann ich was den "Erfolg" von Therapien von/bei PTBS betrifft, hier dann doch eher widersprechen.  ;)

Mir ging es vorrangig auch nicht um das Thema Trauma- oder PTBS-Therapie, sondern um die Geschichte mit Propanolol, seine Wirkungen, Anwendung bei PTBS bzw. bei angstbesetzten Erinnerungen etc.  (siehe oben/vorne).

Was ich allerdings noch immer widersprüchlich finde:

In den von dir eingestellten Artikeln ist die Rede doch davon, dass innerhalb weniger Stunden bzw. innerhalb kurzer Zeit nach erlebtem Trauma Propanolol wirksam sein soll/kann. - Ich meine, auch mal was von einem halben Jahr gelesen zu haben (für Therapie - alles was später ansetzt, hat wohl weniger Erfolg - aufgrund von Vorgängen im Gehirn - ja: "Konsolidierung").

Aber bei dem Experiment von Brunet, das in der arte Sendung genannt wurde (->"der Kanadier" mit dem gewalttätigen Überfall ...), lag das (dessen) Erlebnis ja schon einige Jahre zurück - und dennoch soll Propanolol ihm (gegen seine PTBS) geholfen haben - ohne begleitende Psychotherapie (also auch nicht: Verhaltenstherapie).

Das zu deinen Sätzen:

Zitat
Viele verhaltenstherapeutische Interventionen beruhen auf dem Prinzip der Konditionierung. Diese Methoden werden, oft in Kombination mit weiteren Verfahren wie EMDR oder kognitiven Verfahren, seit vielen Jahren mit gewissem Erfolg bei PTBS eingesetzt. Alternativ gibt es (besonders im deutschsprachigen Raum) auch noch einige tiefenpsychologische Behandlungsansätze.



Zitat
Natürlich wirkt der Beta-Blocker auch ohne Konditionierung. Diese Wirkung wird aber nicht selektiv Erinnerungen löschen, sondern nur das Erregungsniveau herabsetzen. Der große Vorteil eine angstreduzierenden Beta-Blockers ist die vergleichsweise gute Verträglichkeit und die geringe Gefahr durch Nebenwirkung. Andere Angstlöser, wie Diazepam, sind für eine begleitende Pharmakotherapie in der Psychotherapie eher ungeeignet, da sie die Wahrnehmung und Persönlichkeit des Patienten verfälschen und auf Dauer süchtig machen.

Die Ergebnisse aus Kanada (mit Google übersetzt) zur Forschung mit Propranolol, zeigen, dass immer eine Aktivierung der traumatischen Gedächtnisinhalte durch den Patienten nötig ist (also verhaltenstherapeutische Konfrontation / Exposition, z.B. durch Traumaskripte), um eine Rekonsolidierung der traumatischen Gedächtnisinhalte zu verhindern. Der Autor der kanadischen Studie sagt ausdrücklich, dass das Medikament keine Erinnerungen modifiziert (er nennt diese Annahme einen "misnomer" = Irrtum), sondern nur die Verknüpfung mit Emotionen während der Rekonsolidierung abschwächt.
(Spambot)


Spambot - niemand hat gesagt, Erinnerungen würden gelöscht - die ganze Zeit sprach ich davon, dass mit bestimmten Erinnerungen verknüpfte negativ erlebte Emotionen (wie also bspw. Angst) "gelöscht" worden sein sollen (per Propranolol). - Daher verstehe ich deinen Einwand oben nicht.  - Es hat ja auch keinen Zweck, das ewig weiter zu wiederholen.

Was die "verhaltenstherapeutischen Konfrontationen/Expositionen durch Traumaskripte" angeht: wie gesagt: es muss ja die belastende Erinnerung bzw. die belastenden an eine Erinnerung geknüpften Emotionen "aufgerufen" werden, um diese dann - mittels Propranolol - abzuschwächen oder ganz zu beseitigen: nicht die Erinnerung, sondern: die diese Erinnerung(en) begleitenden Angstgefühle.

Unter Verhaltenstherapie verstehe ich dann doch etwas anderes. - Oder anders gesagt:

 Nur weil jemand mit der Erinnerung "konfroniert" wird bzw. viel mehr, seine Erinnerung einfach nur abrufen soll, um die daran geknüpften negativen Emotionen mittels Propranolol modifizieren zu können, hat das alleine (dieses "Sich-Erinnern" und die belastenden Emotionen "aufrufen") nichts mit "Verhaltenstherapie" oder Konditionierung zu tun.


Zitat
Nachdem ich nun viel zu viel Zeit in die Auswertung der entsprechenden wissenschaftlichen Quellen investiert habe, kann ich mit Gewissheit sagen, dass entweder die Doku bei arte fehlerhaft war, oder du den Bericht falsch verstanden hast.
(Spambot)

Ja, darauf läuft es letztlich immer hinaus, nicht wahr? -> Entweder ich habe etwas absolut gar nicht bzw. völlig falsch verstanden oder meine Links sind unseriös, unqualifiziert, inkompetent ... oder die arte ( oder 3sat oder ...) - Sendungen sind "fehlerhaft".

Spambot - ist das nicht ein ganz klein bisschen Selbstüberschätzung deinerseits?



Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 10 Juli 2011, 21:22:50
Was ich auch noch nicht verstanden habe, ist die Geschichte mit der Resilienz.

Ist Resilienz nun also überwiegend angeboren ("genetisch bedingt", stark rückführbar auf entsprechende genetische Disposition), "anerzogen" (also eher abhängig von den Verhältnissen in der Kindheit bzw. ob es bei schwierigen/schlechten Verhältnissen in der Kindheit dennoch "positive, stabilisierende ... Einflüsse" gab usw.) oder doch antrainiert (im Sinne von: Selbsterziehung, "Seelenhygiene" - was ein Ausdruck  - jedenfalls meine ich sowas dieser Art) ?


Wenn also manche Menschen an bspw. schwerer Kindheit (bspw. durch große Armut, Gewalterfahrungen, Krankheit ...) oder auch späteren "Schicksalsschlägen" und/oder traumatisierenden Erlebnissen (z.B. lebensbedrohende Naturkatastrophe oder Unfall oder Krankheit, Verlustproblematik durch Tod nahestehender Menschen - u.U. mehrerer in kurzer Zeit ...) oder schwierigen Lebensbedingungen (bspw. erlebte Bürgerkriege, Folter, Hunger ...) nicht "zerbrechen", sondern "sowas" relativ gut überstehen und relativ "schnell" "ins Leben zurückfinden" (wie man das so sagt - was Passenderes als diese Phrasen fällt mir augenblicklich nicht ein - ich bin grade ziemlich müde).

Die Ursache dafür nennt sich "Resilienz" oder auch (psychische) "Widerstandsfähigkeit".

Warum also haben diese einige Menschen und andere (eher die Mehrheit) nicht? 
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: messie am 10 Juli 2011, 21:47:18
Hmm - ich glaube, dass es ein Kunstbegriff ist, der etwas beschreibt, was so viele Ursachen haben kann, dass eine Analyse dessen nicht erschöpfend zum Ziel führen kann.

Ich behaupte das, weil ich denke, dass jeder einen "wunden Punkt" hat, bei dem er sich dann als psychisch doch nicht so widerstandsfähig ist.
Dieser wunde Punkt aber ist bei jedem ein anderer und kann nun einmal nicht von der Herkunft abgeleitet werden. Jemand der im Slum aufgewachsen ist, überlebt hat und scheinbar alles gesehen hat, kann trotzdem Angst vor so etwas aus Perspektive anderer Personen Harmlosen wie einer Spinne haben oder total zusammenbrechen, sobald er mal in einer Prüfungssituation steckt etc.

Zudem gibt es ja auch soziale Faktoren.
Schön und gut dass untersucht wird, warum Menschen nicht komplett zusammengebrochen sind bei schweren Schicksalsschlägen: Wenn viele Personen gleichzeitig dieses Leid teilen, dann tun sie eben auch genau das: Es teilen. Und damit weniger schrecklich machen.

Zum Dritten sind die Lebensumstände ja doch höchst individuell: Mal hat man Geschwister, mal nicht, mal kommt man mit ihnen klar, mal nicht, mal sind die Eltern streng, mal nicht. Vielleicht ist man körperlich robust (keine Allergien, etc.), vielleicht nicht, oder das Essen ist ausgewogener zuhause und sorgt damit für ein besseres körperliches Immunsystem. Dann wieder sind Begegnungen (Richtung Freundschaft) wichtig, positive Erlebnisse in all dem Chaos.

Ich glaube einfach, dass es viel zu viele Komponenten gibt die Resilienz ermöglichen, und dass es keine Person auf Erden gibt, die gegenüber allem widerstandsfähig ist.
Das Zimmer 101 wird bei jeder Person etwas beherbergen, das ihn zu brechen in der Lage ist.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 10 Juli 2011, 23:05:34
Naja, es ist ja eher damit gemeint, dass diese "resilienten" Menschen also so ziemlich mit jeder "Katastrophe" in einem bzw. ihrem Leben letztlich doch "klarkommen". Wenn ich das mal so salopp formulieren darf.

Dass der entscheidende Aspekt ist, dass resiliente Menschen "immer" Möglichkeiten suchen bzw. finden, mit den (auch gravierenden) Widrigkeiten, die das Leben mit sich bringen kann, umzugehen bzw. fertigzuwerden und nicht daran zugrunde zu gehen.
Und das mehr oder weniger unabhängig von äußerlichen Faktoren - obwohl bspw. bei wiki andererseits durchaus genannt wird, was alles resilienzförderlich ist bzw. sein kann (in Kindheit z.B., im Leben ...).

Aber der "Clou" ist ja, dass bei zwei Menschen, die unter sehr ähnlichen ("schlechten" ...) Bedingungen aufwuchsen (so als ein Beispiel mal), der eine trotzdem "gut" durchs Leben geht bzw. eben weitergeht, weiterkommt - der andere aber zusammenklappt und sich nur mühsam (wenn überhaupt) wieder berappelt (bzw. halt eben auch: gar nicht).

Oder dass der eine, der einen schlimmen Unfall oder bedrohliche Naturkatastrophe oder Überfall oder ... erlebte, damit eben "klarkommt", der andere aber daran "zerbricht".


Ich frage mich dabei grade, wie sich das eigentlich mit Vietnam-"Veteranen" verhält - die scheinen ja doch mehrheitlich (alle??) extrem belastet bzw. traumatisiert (worden, gewesen) zu sein - eben mit der Folge, dass sich doppelt so viele aus diesem Grund (PTBS) das Leben nahmen als in den Kriegen umkamen.

Waren von denen auch welche "resilient"?

Ähnliche Frage in Bezug auf Folteropfer. - Nein, ich sinke nicht auf sensationsgeilse Bild-Niveau - ich weiß bloß von einem alten Freund (Psychiater), dass das so mit die schwierigsten "Problematiken" sind (Traumatisierungen bzw. PTBS und Folteropfer) bzw. er sich auf Folteropfer "spezialisieren" wollte ... (Ist ja bei Folteropfern letztlich auch PTBS.)

Also jedenfalls: Können auch bei solchen extremen (mitunter langandauernden) Belastungen Menschen auf Grund von Resilienz (?) sowas "überwinden"?

Und eben: Dann würde mich interessieren, was genau unter Resilienz verstanden wird - in diesem Zusammenhang. Woraus sie sich "bildet", woraus sie besteht, erwächst - ob es also doch eine überwiegend genetische Sache ist oder etwas anderes (was?)?



Also sorry, mir fehlen wirklich die Worte - sollte besser schlafen. - Allerdings fehlen mir in letzter Zeit immer öfter die passenden Ausdrücke ... - doch schon Altersdemenz?  :o   :D
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: messie am 10 Juli 2011, 23:51:48
Zitat
Oder dass der eine, der einen schlimmen Unfall oder bedrohliche Naturkatastrophe oder Überfall oder ... erlebte, damit eben "klarkommt", der andere aber daran "zerbricht"

Just hier glaube ich eben, dass sich keine Muster ableiten lassen, weil es einfach zu viele Gründe dafür geben kann.
Einerseits ist's sicher zum Teil eine Typfrage (also doch angeboren). Andererseits kann man ja durch frühere Erlebnisse (selbst vergessenen) die aktuelle Katastrophe anders einschätzen als andere möglicherweise. Dann wieder kann der chemische Haushalt im Körper anders beschaffen sein, der vielleicht just im Gehirn bewirkt, dass es für Extremsituationen belastbarer ist. Dann wiederum ist das Schmerzempfinden bei keinen zwei Menschen exakt gleich.
Und so weiter, und so fort ...

Es wäre natürlich schön herauszufinden, welche Ursache psychische Widerstandsfähigkeit hat, denn dann könnte man ja jeden Menschen auf diesem Globus mit diesem "Rezept" widerstandsfähiger machen. Würde sicher die Lebenserwartung nicht unerheblich anheben.
Ich glaube aber, dass es letztlich doch viel zu individuell ist, als dass man da allgemeine Erkenntnisse hierbei erzielen wird. Was bei A funktioniert, kann bei B völlig wirkungslos bleiben.
Na gut, wenn's Teilerfolge gibt, wäre das ja auch schon was. Aber selbst hierfür fehlt mir einfach der Glaube. ;)


Zitat
Also jedenfalls: Können auch bei solchen extremen (mitunter langandauernden) Belastungen Menschen auf Grund von Resilienz (?) sowas "überwinden"?

So wie ich das verstanden habe, wird Resilienz immer nur rückwirkend erkannt.
Kurz gesagt: "Person A hat jene Extremsitiuation erlebt und sie anscheinend psychisch ganz gut überstanden, also ist er resilient."
Das bedeutet, dass es gar keine "Ursache Resilienz" geben kann, da Resilienz keine Ursache, sondern eine Auswirkung ist. Es ist lediglich die Zusammenfassung dafür, dass jemand etwas überstanden hat.
Es können nun aber auch grundsätzlich widerstandsfähige Personen trotzdem mit just diesem speziellen Ereignis nicht klarkommen. Wäre Resilienz eine Ursache, dann dürfte das ja gar nicht passieren ;)
Kleines Beispiel: Der Mitarbeiter, der in einer Psychiatrie für Schwerstfälle mit der dortigen Extremsituation wunderbar klarkommt, aber beim Ansprechen einer Frau komplett versagt und zusammenbricht.

Hmm, bei mir flutscht's grade auch nicht so recht mit den Worten ... na, jedenfalls meine ich damit, dass Widerstandsfähigkeit nicht verallgemeinerbar ist, da sie bei jedem unterschiedlich stark ausgeprägt ist und auch nicht in allen Gebieten grundsätzlich vorhanden ist.
Denn dazu gibt es viel zu widersprüchliche Lebensläufe unter den Menschen. ;)
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 11 Juli 2011, 11:52:50
Ja, ich weiß schon was du meinst. Das ist ja so der übliche Zugang. Aber ich glaube, dass mit Resilienz doch noch was anderes, Spezielleres gemeint ist. ?

Also bei resilienten Menschen (egal ob Kinder oder Erwachsene) ist es durchaus doch so, dass schon während "Krisen" bzw. innerhalb "schwieriger" Lebensumstände man bei ihnen eben feststellen kann, dass sie das besser durchstehen, durchleben - also nicht erst nach einer überstandenen "Sache", sondern schon währenddessen.

Dass sie also einfach trotz der Widrigkeiten nicht depressiv werden oder aggressiv oder resignativ. Dass sie immer wieder nach Möglichkeiten suchen, aus der Situation herauszukommen - durchaus mit Hilfe bzw. sich auch eher Hilfe suchen/holen, dass sie aber auch selbst aktiv(er) sind/werden, Initiative ergreifen usw.

Das sind ja im Grunde so Sachen, die jeder "normale" Mensch in seinem "normalen" Leben mit den "normalen" (???) "Herausforderungen", Sorgen, Schwierigkeiten ... auch machen sollte oder macht. Dass man halt solches Verhalten an den Tag legt, um sein Leben "zu meistern". Bla.

Aber bei wirklich extremer Belastung (durch einmalige oder mehrmalige oder auch langandauernde "schwierige" oder "extreme"/außergewöhnliche, anstrengende, bedrohliche ... Belastungen/Umstände/Erlebnisse) gelingt das vielen Menschen dann nicht mehr so gut - oder auch gar nicht mehr (hier wieder Stichwort: PTBS).

Den "resilienten" "gelingt" es aber.

 ???

Warum? Was ist bei denen "anders"? - Ja, das mit der Hirnchemie finde ich wieder mal interessant - da kommen wir wieder zur "Konsolidierung" (von bspw. traumatisierenden Erlebnissen, negativen Gefühlen in diesem Zusammenhang bzw. damit einhergehend). Warum aber "konsolidiert"  ;)  sich das bei den einen so und bei den anderen nicht so bzw. gar nicht?



Bitte vielmals um Entschuldigung für die unzähligen Anführungszeichen - aber irgendwie finde ich alle diese Begriffe unpassend, unangemessen - und finde z.Zt. keine besseren.  ::)

Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kaffeebohne am 11 Juli 2011, 17:41:32
Man lernt ja von seinen Bezugspersonen auch, wie diese mit Krisen umgehen. Wenn die Eltern (beispielsweise) Menschen mit der Einstellung "das schaffe ich schon" sind, dann bekommt man diese Einstellung ja auch vermittelt, daß man Krisen schaffen kann.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 11 Juli 2011, 22:31:38
Ja, schon, aber das hatte messie oben auch schon angesprochen - ich denke aber, dass es mit der Resilienz noch "mehr" auf sich hat bzw. etwas anderes - dass sie also nicht nur oder überwiegend auf ("positiver") Prägung und Sozialisation bzw. Erziehung beruht. Und auch nicht gleichzusetzen ist mit "positiver Lebenseinstellung".

Nur was genau Resilienz verursacht, ermöglicht bzw. warum manche Menschen resilient (allmählich nervt mich der Ausdruck) sind und andere nicht, das ist, was ich noch nicht ganz verstanden habe.

Ich glaube sogar, dass man das auch gar nicht "lernen" kann. Man kann lernen, "positiv(er) zu denken" (wie ich diese Phrase verabscheue), man kann lernen, mehr in die Initiative zu gehen, sich aktiver mit seiner Situation, seinen "Problemen" auseinanderzusetzen usw. - aber ich denke, "Resilienz" ist nicht antrainierbar. Vor allem nicht, wenn man eben nun mal traumatisiert ist/wurde und unter bspw. PTBS leidet.

"Die Resilienten" geraten ja offensichtlich erst gar nicht in eine PTBS - trotz (!) bspw. erlebter/erlittener Traumata usw.


?
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Simia am 11 Juli 2011, 22:45:29
Vielleicht hat es neben dem direkten Vorleben einer positiven Einstellung auch stark mit dem sogenannten Urvertrauen zu tun, das sich in allerfrühester Kindheit (die berühmten 3 ersten Lebensjahre?) entwickelt. Dieses Urvertrauen gibt Stärke und kann möglicherweise wie ein Polster wirken, die Resilienz. Ist natürlich nicht gesagt, dass alle Menschen, die eine glückliche und harmonische erste Lebenszeit hatten, relativ unbeschadet durch alle Schwierigkeiten und Traumata kommen. Das wäre wohl etwas zu platt. Aber es sollte mich wundern, wenn sich dieses Urvertrauen nicht förderlich auf das Durchstehen von Krisen und Belastungen auswirkte, auch im späteren Erwachsenenalter noch.

Sollte da mehr dran sein, wäre das Rezept für psychische Widerstandsfähigkeit recht einfach und dennoch verdammt schwer umzusetzen (wenn man sich mal so in der Welt umschaut mein ich).
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 11 Juli 2011, 23:00:18
Ja, das sind aber alles alte Bekannte - also Urvertrauen, "positives, stabiles Elternhaus", "glückliche Kindheit" und so.

Es ist doch aber bei den Resilienten grade so, dass viele von ihnen durchaus keine solche "gute" Kindheit hatten - dass da einige also schon von klein auf ziemlich viel mitgemacht haben ... (guckt doch mal bspw. bei wiki, da steht sehr viel dazu, auch Beispiele aus der Realität ...).


Ich denke, das hat doch mehr mit der "hardware" zu tun (also hirntechnisch auf "materieller" Basis angesiedelt). Nicht nur, die anderen äußeren Faktoren wirken natürlich immer mit rein - was ihr eben schon alles genannt habt. Aber ganz entscheidend scheint mir doch die "angeborene" Ausstattung in dieser Hinsicht zu sein.

Und da finde ich es dann wieder interessant, das unter epigenetischen Aspekten zu betrachten. ... ;)

(Jaaa, ich find das halt grade total spannend mit der Epigenetik. :) )



Was meinst du denn aber damit (genauer)?:

Zitat
Sollte da mehr dran sein, wäre das Rezept für psychische Widerstandsfähigkeit recht einfach und dennoch verdammt schwer umzusetzen (wenn man sich mal so in der Welt umschaut mein ich).
(Simia)
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: messie am 11 Juli 2011, 23:18:23
Zitat
Es ist doch aber bei den Resilienten grade so, dass viele von ihnen durchaus keine solche "gute" Kindheit hatten - dass da einige also schon von klein auf ziemlich viel mitgemacht haben ... (guckt doch mal bspw. bei wiki, da steht sehr viel dazu, auch Beispiele aus der Realität ...).

Ist aber gut möglich, dass von den Untersuchern diverse Außeneinflüsse übersehen wurden, die das Gesamtbild schnell mal anders aussehen lassen.
Vater Trinker und gewalttätig, Mutter wird geschlagen und vermitteln das Bild, dass Frauen nix wert sind? Nun, vielleicht ist die starke Oma dann Tochters Vorbild.
Elternhaus arm und perspektivlos? Kind zeigt Talent im Basketball und sammelt dort Erfolgserlebnisse, die ihm förmlich das Leben retten.
In der Schule gemobbt bis zum Gehtnichtmehr? Vielleicht ja nicht beim Nebenjob im Supermarkt und beim Zeitungsaustragen.

Kann natürlich alles auch nicht ausschlaggebend sein, aber eben doch eine Komponente des Puzzles, das den/die Kleine(n) wachsen und an sich glauben lässt.
Zitat
Ich denke, das hat doch mehr mit der "hardware" zu tun (...)

Das mag da mit reinspielen, ich glaube aber nicht, dass man sagen könne, dass es gänzlich angeboren ist. Vielleicht gibt es ein Gen, das Charaktereigenschaften unterstützt die einen Menschen etwas widerstandsfähiger machen.
Aber gemäß der natürlichen Auslese müsste es davon dann doch eine ganze Menge geben und von jenen, die dieses Gen nicht haben, aussterben, oder nicht?
Danach sieht es ja derzeit irgendwie nicht aus. ;)
Zudem ist es eine Herkulesaufgabe für die Forschung. Warum ist ausgerechnet eins der fünf Kinder so stark und die restlichen nicht? Warum ein Zwilling und der andere nicht? Vor allem in letzterem Fall wird's schwierig zu erklären dass die Genetik schuld dran sein könnte.

Ich glaube, dass das Puzzle dessen, das Widerstandsfähigkeit bedingt, schlicht zu groß ist, als dass es die Forschung jemals erschöpfend oder gar vorausschauend wird zusammensetzen können.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 12 Juli 2011, 11:02:14
Nun ja - worauf sich mein Augenmerk besonders richtet (ja, ich muss grad mal wieder bisschen geschwollen daherschwallen, weil mein Gedankenschwall z.Zt. nur schwülstiges Durcheinander hervorzubringen in der Lage ist - mit anderen Worten: mir kommt die Fähigkeit, mich normal, verständlich und dabei auch noch "versiert" (?) auszudrücken immer mehr abhanden - ich glaub, das liegt daran, dass ich zu wenig "geistige Anregung und Herausforderung" habe - so seit ca. fünf Jahren ... ;) oder mein Gehirn wird zu wenig durchblutet? lol oder ich bin zu gestresst? oder ich habe eben doch schon Alzheimer - oder: ich hab keine Ahnung - genau!  ;D ) - also jedenfalls was ich ganz besonders spannend finde - und das Beste kommt ja bekanntlich immer am Schluss, ist dieser Satz


Zitat
Einschränkungen des Konzeptes [Bearbeiten]

Resiliente Personen besitzen die Fähigkeit, Möglichkeiten dort zu ergreifen, wo sie sich bieten. Doch dort, wo sich keine Möglichkeiten bieten, sind selbst resiliente Personen machtlos. Elder warnt: […] not even great talent and industry can ensure life success over adversity without opportunity (dt: nicht einmal großes Talent und Fleiß gewährleisten das Besiegen von Widrigkeiten, wenn die Gelegenheit fehlt).[47]

http://de.wikipedia.org/wiki/Resilienz_%28Psychologie_und_verwandte_Disziplinen%29


Da frage ich mich natürlich: Wann fehlen (wem und wo) die Gelegenheiten/Möglichkeiten? Wer legt fest, wann wer keine Möglichkeiten bzw. Gelegenheiten (mehr) hat?? Oder darf das jeder für sich selbst entscheiden (ob dem so ist, unter welchen Bedingungen, anhand welcher Gegebenheiten, Umstände, Kriterien oder: doch nur aufgrund eigenen Empfindens?)?

Und noch viel spannendner:

Sollte "man" sich darauf einigen können, dass jemand (oder gleich "mehrere" ...) keine Möglichkeiten (mehr) haben, ist die Frage: WAS DANN? Wie lange lässt sich ein solcher Zustand, Umstand aushalten, überbrücken? Und wie kommt man da raus?? Was muss dafür passieren - wenn man das vlt. doch mal verallgemeinern kann??


Einfacher gesagt:

Wenn die Lebensumstände über mehrere (viele) Jahre derart miserabel sind, dass es tatsächlich keine (realistischen, umsetzbaren ...) Möglichkeiten/Gelegenheiten gibt (aus einer "misslichen Lebenssituation" ... herauszukommen - mit oder ohne Hilfe usw.) - was macht das mit den betroffenen Menschen bzw. was passiert dann? Wie kann man da trotzdem noch leben - kann man? Und wenn ja - wie lange? Und kann man das also auch "durchleben", ohne eine Zuversicht bzw. Perspektive zu haben (dass und ggf. wann es wieder eine "Möglichkeit" - zur Verbesserung der Situation/Umstände ... - gibt)? - Wie lange kann Mensch das (maximal meine ich - also: im besten Fall)?

Vielleicht sollte man dann auch noch fragen, auf welche Weise, mit welchen "Methoden" Menschen sich durch so eine Situation bringen (können), zu bringen versuchen - was ihnen da hilft bzw. woran sie sich dann klammern, festhalten - Glaube, Drogen, "Kunst"/"Kultur", Meditation, Verdrängung, andere Menschen (welche, wenn es keine "nahestehenden" (mehr) gibt oder sie absolut gar nicht erreichbar und kontaktierbar sind - ich denke da bspw. an Entführung/Isolation ... ??)?

Vielleicht sollte man bzw. möchte ich dann auch noch fragen, welche (dieser) "Methoden"/Versuche am ehesten geeignet sein könn(t)en, eine solche Situation (von der man nicht weiß, wie lange sie andauern wird), das so unbeschadet/unbeschädigt als möglich zu durchstehen?


Und gerne würde ich auch wissen: Sind Menschen in solchen Situationen "nur" "sehr belastet" oder sind sie tatsächlich verzweifelt? - Oder bedeutet (langanhaltende) Verzweiflung quasi "das Aus", das Ende?


Ja, tut mir leid, dass ich mit solchem "Kram" wieder "das Forum" belästige - aber genau das sind halt Fragen, die ich nun mal wirklich "spannend" finde ...  :)
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Ansichtssache am 12 Juli 2011, 20:27:32
Nochmal zur Resilienz:
Ich meine, den Begriff im Zusammenhang mit Therapie bzw. Lebensberatung gehört zu haben, also nach dem Motto „wir machen Sie resilient“. (Ok, das klingt jetzt irgendwie nach Humbug).
Also doch erlernbar?
Ich finde das schon vorstellbar. Es gibt ja bestimmte Strategien, eine Krise zu bewältigen, die manche Menschen (evtl. auch Kinder?) vielleicht schon unbewusst besser nutzen als andere.

Ebenso kann ich mir vorstellen, wenn man im Laufe des Lebens seine Persönlichkeit festigt, Selbstbewusstsein erlangt, Freundeskreis aufbaut usw. usf., dass man ein Stück weit mehr resilient (dieses Wort ist wirklich furchtbar) wird, als vorher. Es gibt ja nicht nur entweder "absolut resilient" oder "gar nicht", oder? Und ich glaube auch, dass es keine allgemeine Resilienz bei Menschen gibt, sondern nur bestimmten Situationen gegenüber (das Beispiel von Messie fand ich ganz treffend), manche vielleicht im Allgemeinen mehr als andere. Wie soll man auch beweisen, dass ein Mensch absolut jeder Situation gewachsen ist...
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Shadow Preacher am 13 Juli 2011, 09:34:10

http://de.wikipedia.org/wiki/Resilienz_%28Psychologie_und_verwandte_Disziplinen%29



Einfacher gesagt:


Vielleicht sollte man dann auch noch fragen, auf welche Weise, mit welchen "Methoden" Menschen sich durch so eine Situation bringen (können), zu bringen versuchen - was ihnen da hilft bzw. woran sie sich dann klammern, festhalten - Glaube, Drogen, "Kunst"/"Kultur", Meditation, Verdrängung, andere Menschen (welche, wenn es keine "nahestehenden" (mehr) gibt oder sie absolut gar nicht erreichbar und kontaktierbar sind - ich denke da bspw. an Entführung/Isolation ... ??)?

Vielleicht sollte man bzw. möchte ich dann auch noch fragen, welche (dieser) "Methoden"/Versuche am ehesten geeignet sein könn(t)en, eine solche Situation (von der man nicht weiß, wie lange sie andauern wird), das so unbeschadet/unbeschädigt als möglich zu durchstehen?


Und gerne würde ich auch wissen: Sind Menschen in solchen Situationen "nur" "sehr belastet" oder sind sie tatsächlich verzweifelt? - Oder bedeutet (langanhaltende) Verzweiflung quasi "das Aus", das Ende?


Ja, tut mir leid, dass ich mit solchem "Kram" wieder "das Forum" belästige - aber genau das sind halt Fragen, die ich nun mal wirklich "spannend" finde ...  :)

Es dürfte schwierig werden, jemanden zu finden, der zugibt, in einer ausweglosen Situation zu sein und keine Möglichkeit mehr sieht. Dieser jene wird sich möglw. in sein Schneckenhaus zurückziehen oder den Freitod wählen.

Zu den Möglichkeiten, um aus einer Krisensituation herauszukommen, stellt sich doch die Frage, wozu/wofür ist derjenige empfänglich.
Der Gläubige wird seine Hilfe in der Bibel oder anderem sonstigen Buchwerk finden.
Drogen mögen vielleicht ein zeitweiliger "guter" Weg der Verdrängung sein, öffnen dann aber den weiteren Weg in der Spirale bis zum Freitod.

Ich denke mal, es hängt mit Deinem Elternhaus/deiner Erziehung zusammen, wie Du geprägt wurdest, mit den Schwierigkeiten des Lebens umzugehen. Dies mag auch für die angesprochenen Punkte der Isolation/Entführung gelten, wobei bei der Entführung der Entführer Deine Bezugsperson wird.



Und gerne würde ich auch wissen: Sind Menschen in solchen Situationen "nur" "sehr belastet" oder sind sie tatsächlich verzweifelt? - Oder bedeutet (langanhaltende) Verzweiflung quasi "das Aus", das Ende?



Jeder Mensch nimmt bie Belastungen des Alltags und Krisen unterschiedlich auf und verarbeitet sie anders. Ebenso hat jeder unterschiedliche Mittel und Wege um wieder daraus zu kommen.
Dies kann man m. E. nicht so verallgemeinern. Die Schmerzgrenze liegt bei jeden unterschiedlich.

Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 13 Juli 2011, 19:59:38
Zitat
Es dürfte schwierig werden, jemanden zu finden, der zugibt, in einer ausweglosen Situation zu sein und keine Möglichkeit mehr sieht. Dieser jene wird sich möglw. in sein Schneckenhaus zurückziehen oder den Freitod wählen.
(Shadow Preacher)


Oh es ging/geht mir ja nicht darum, dass (hier?) jemand (öffentlich) schreibt, er oder sie sei in einer solchen Situation (oder mal gewesen). - Ich setze einfach voraus, dass es "sowas" gibt - rund um den Globus und stellte zu diesem "Tatbestand" meine oben angeführten Fragen. - Therapeuten bspw. können ja auch eine solche Situation kommentieren ohne zwangsläufig oder bedingend sich selbst (je) in einer solchen befunden zu haben.
Auf diese Weise wollte ich das hier besprochen sehen - einfach, was Leute darüber denken, wie eine solche Situation sein könnte (für sie selbst oder auch für andere - soweit möglich: sich einzufühlen...) bzw. ob und wie sie durchgestanden werden kann (wenn) usw. (siehe, was ich oben bereits schrieb).


Zitat
Zu den Möglichkeiten, um aus einer Krisensituation herauszukommen, stellt sich doch die Frage, wozu/wofür ist derjenige empfänglich.
Der Gläubige wird seine Hilfe in der Bibel oder anderem sonstigen Buchwerk finden.
(S H)

Naja, auf diesen Gedanken bin ich auch selber gekommen - das ist ja nun eine Binsenweisheit. - Die Frage ist aber: wird der (bspw. also:) Gläubige wirklich "(seine) Hilfe" in der Bibel finden bzw. eben: in seinem Glauben? - Kann das in solchen (völlig ausweglosen, andauernden ...) Situationen wirklich "helfen" -> wie lange??


Zitat
Ich denke mal, es hängt mit Deinem Elternhaus/deiner Erziehung zusammen, wie Du geprägt wurdest, mit den Schwierigkeiten des Lebens umzugehen.

(S H)


Ja, das hatten andere weiter oben schon angemerkt.  ;)  Aber das alleine ist es bei "Resilienz" ja nun mal offenkundig nicht - denn es gibt ja schon sehr junge "resiliente" Kinder, die nicht besonders gut /wenn überhaupt in einem "Elternhaus" (von Eltern oder anderen dauerhaften Bezugspersonen) gelernt haben, "mit den Schwierigkeiten des Lebens umzugehen".

Ist klar, dass das die übliche, gwöhnliche, alt bekannte Sicht und Herangehensweise ist - mir aber auch zu binsenweisheitsartig, zu abgegriffen und auf resiliente Kinder (die in sehr schwierigen Verhältnissen aufwachsen ...) auch nicht zutreffend. Es muss also noch etwas anderes sein/geben (das sie "resilient macht" bzw. viel mehr: resilient sein lässt!).


Zitat
Jeder Mensch nimmt bie Belastungen des Alltags und Krisen unterschiedlich auf und verarbeitet sie anders. Ebenso hat jeder unterschiedliche Mittel und Wege um wieder daraus zu kommen.
Dies kann man m. E. nicht so verallgemeinern. Die Schmerzgrenze liegt bei jeden unterschiedlich.
(S H)


Auch das ist/war nicht das Thema - auch das ist ja ein ein Gemeinplatz, nichts als eine Platitüde. - Die Frage ist/war nicht, wer wie mit welchen Problemen umgeht, sondern was gerade resiliente Menschen tun, wenn es "keine Möglichkeiten/Gelegenheiten" (mehr oder überhaupt) gibt - was dann passiert oder folgt oder was dann überhaupt noch getan, unternommen, gelebt werden kann.

Siehe nochmals den Satz aus der wiki-Definition:

Zitat
Resiliente Personen besitzen die Fähigkeit, Möglichkeiten dort zu ergreifen, wo sie sich bieten. Doch dort, wo sich keine Möglichkeiten bieten, sind selbst resiliente Personen machtlos. Elder warnt: […] not even great talent and industry can ensure life success over adversity without opportunity (dt: nicht einmal großes Talent und Fleiß gewährleisten das Besiegen von Widrigkeiten, wenn die Gelegenheit fehlt).

http://de.wikipedia.org/wiki/Resilienz_%28Psychologie_und_verwandte_Disziplinen%29


Davon abgesehen halte ich es für ein Gerücht, dass "jeder Mensch" mit Problemen, Belastungen (des Lebens, des Alltags - wobei es bereits hier schon mindestens einen Unterschied gibt -> Leben und Alltag sind nicht gleichzusetzen) anders umgeht - ich denke viel eher, dass Menschen (zumindest im selben Kulturkreis und gleicher Generation) ziemlich ähnlich auf (bestimmte Art und Dauer von) Belastungen reagieren (in gewissem Spielraum) und entsprechend ähnlich damit "umgehen".

Mit anderen Worten: Nein, meiner Ansicht nach gibt es gerade nicht so viele unterschiedliche "Lösungs-" oder "Verarbeitungswege" wie es Menschen gibt. - Keinesfalls!

Erkennen lässt sich das bspw. an Vorkommnissen ;) wie Depression, Burnout (= Erschöpfungsdepression!) u.a., aber auch an der Identifikation(smöglichkeit) vieler Menschen mit bestimmten Büchern, Filmen (zu bestimmten Themen: zu den Schwierigkeiten und Widrigkeiten des Lebens).

Dass die Leute sich in so etwas wiederfinden (können), liegt nicht daran, dass sie alle es völlig unterschiedlich und individuell interpretieren, auffassen, sondern, dass Menschen sich durchaus doch sehr ähnlich sind (in ihrem Fühlen vor allem und in ihren Reaktionen auf bestimmte Umstände und/oder Gefühle ...).






Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Multivac am 14 Juli 2011, 23:43:54
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Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 14 Juli 2011, 23:58:03
... Hm ja, könnte sein. - Aber es gibt ja gerade auch resiliente Kinder - also solche, die durchaus in schwierigen Verhältnissen (Armut, Hunger, ohne Eltern/beständige fürsorgliche oder gar liebevolle Bezugspersonen, in Kriegsgebieten etc.) aufwachsen und dennoch also "resilient" sind (und bleiben? - das ist allerdings die Frage - die wird bei wiki glaub ich auch nicht beantwortet, aber nahegelegt: dass sie es bleiben).
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Multivac am 15 Juli 2011, 00:01:26
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Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 15 Juli 2011, 00:09:51
Nee, gibt´s auch wohl nicht. Ich denke nur - wenn man schon als Kind mit wirklichen "Widrigkeiten" "klarkommt" - wird man das später wohl auch können/schaffen - weil man dieselben Verhaltensweisen, die schon mehrmals funktionierten, aktiviert (was das ist, steht alles bei wiki zu lesen ;) ). - Wie es aber real tatsächlich ist, weiß ich natürlich nicht (ich bin auch nich "resilient").

Übrigens denke ich, kann man "resilient" auch nicht mit "zäh" gleichsetzen. Oder doch?  Aber das fiel mir grade nur so am Rande ein. 
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Multivac am 15 Juli 2011, 00:13:37
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Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 16 Juli 2011, 23:08:35
Zitat
(...) und man den eindruck hat, es verarbeitet alles wunderbar, bin ich überzeugt,
ein schaden bleibt immer. (...)
(Multivac)

Eigentlich denke ich auch, dass es sich so verhält - dass wirklich "schwierige" Dinge, Erlebnisse, Erfahrungen, Lebensumstände nicht spurlos an Menschen vorbeigehen (können) - dass man da nicht nur Positives rausholen kann, sondern irgendwo doch Wunden verursacht werden und Narben mitgeschleppt (durch die Jahre ...).
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Multivac am 20 Juli 2011, 21:12:06
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Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Simia am 20 Juli 2011, 22:28:41
Zitat
(...) und man den eindruck hat, es verarbeitet alles wunderbar, bin ich überzeugt,
ein schaden bleibt immer. (...)
(Multivac)

Eigentlich denke ich auch, dass es sich so verhält - dass wirklich "schwierige" Dinge, Erlebnisse, Erfahrungen, Lebensumstände nicht spurlos an Menschen vorbeigehen (können) - dass man da nicht nur Positives rausholen kann, sondern irgendwo doch Wunden verursacht werden und Narben mitgeschleppt (durch die Jahre ...).

Schon, aber diese Resilienz (oder was auch immer) ist ja keine Frage von ganz oder gar nicht. Es kann sein, dass die Person Angst- und Zwangsstörungen entwickelt, sich selber verletzt oder wirklich im nächsten Einkaufszentrum um sich schießt. Dass irgendwann etwas passiert ist realistisch, nur wie heftig, das ist die Frage.

Zitat von: Multivac
meine mutter hat mir gestern am telefon gesagt, sie hätte ihren freund lieber als mich

Ich habe von solchen ähnlichen Fällen jetzt schon mehrfach gehört, wenn auch nicht so direkt ins Gesicht ("Können wir auflegen? Karl Arsch ruft gerade, dass der Film weitergeht ..."). Natürlich sollte man sich vor Pauschalisierungen hüten, aber ich habe den Eindruck, dass in den meisten dieser Fälle ein neuer Lebensabschnitt mit einem neuen Partner so vehement durchgezogen werden soll, dass das alte Leben und alles was es ausgemacht hat, auf der Strecke bleibt. Man will, dass es jetzt einfach funktioniert und baut sich seine kleine Welt auf.

Andersrum kann es theoretisch auch sein, dass sich diese Mütter (und sicherlich auch Väter) nicht jetzt was vormachen, sondern in ihrem "früheren Leben" und jetzt erstmal zu sich selber finden. Dann allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass die Liebe zu den Kindern auf der Strecke bleibt, sondern würde in einem Anflug von Naivität erstmal annehmen, dass sie doch erst recht rauskommt.

Allemal schwierig. Und ein Tritt in den Magen, den man erstmal wegstecken muss.
Titel: Re: Krisen, seelische Erschütterungen ...
Beitrag von: Kallisti am 21 Juli 2011, 01:44:02
Zitat
Quote from: Multivac

    meine mutter hat mir gestern am telefon gesagt, sie hätte ihren freund lieber als mich


Ich habe von solchen ähnlichen Fällen jetzt schon mehrfach gehört, wenn auch nicht so direkt ins Gesicht ("Können wir auflegen? Karl Arsch ruft gerade, dass der Film weitergeht ..."). Natürlich sollte man sich vor Pauschalisierungen hüten, aber ich habe den Eindruck, dass in den meisten dieser Fälle ein neuer Lebensabschnitt mit einem neuen Partner so vehement durchgezogen werden soll, dass das alte Leben und alles was es ausgemacht hat, auf der Strecke bleibt. Man will, dass es jetzt einfach funktioniert und baut sich seine kleine Welt auf.

Andersrum kann es theoretisch auch sein, dass sich diese Mütter (und sicherlich auch Väter) nicht jetzt was vormachen, sondern in ihrem "früheren Leben" und jetzt erstmal zu sich selber finden. Dann allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass die Liebe zu den Kindern auf der Strecke bleibt, sondern würde in einem Anflug von Naivität erstmal annehmen, dass sie doch erst recht rauskommt.

Allemal schwierig. Und ein Tritt in den Magen, den man erstmal wegstecken muss.
(Simia)


Ja - denn dann gibt es auch noch die Möglichkeit/Version, dass es Eltern gibt, die ihre Kinder gar nicht (nie) (wirklich) lieb(t)en, nicht lieben können.



Zitat
Schon, aber diese Resilienz (oder was auch immer) ist ja keine Frage von ganz oder gar nicht. Es kann sein, dass die Person Angst- und Zwangsstörungen entwickelt, sich selber verletzt oder wirklich im nächsten Einkaufszentrum um sich schießt. Dass irgendwann etwas passiert ist realistisch, nur wie heftig, das ist die Frage.
(Simia)

Meinst du? - Ich hatte das so verstanden, dass resiliente Menschen also doch ziemlich gut "alles im Griff" haben - also eben grade nicht resignieren, deprimieren, aggressivieren (wie nennt man das - gibt´s da ein Wort für "aggressiv werden"?) - also weder gegen sich noch gegen andere, sondern dass sie zwar sicherlich traurig, wütend, enttäuscht sein können/sind, aber eben nie besonders lange/langfristig/dauerhaft und eben auch nie in der Form, dass das "zerstörerische" Formen annimmt - dass diese Menschen also gerade nicht unter Angst-, Zwangsstörungen oder Depressionen etc. leiden. ?

Aber wie oben schon gesagt: ich schnall das mit der Resilienz immer noch nicht so wirklich.  =/