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Autor Thema: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?  (Gelesen 73768 mal)

Killerqueen

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Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #45 am: 08 Juni 2006, 16:22:43 »

Warum nimmt der Efeu, der sich an der Linde hochrankt, keine Rücksicht auf die Linde und bringt sie mit seinem Egoismus irgendwann um? Hält er sich für etwas Besseres?

Würde er etwas ändern, wenn er es wüsste?

Passt jeder Mensch, der sich darüber bewusst ist, dass es Ameisen und andere Tiere auf dem Gehweg gibt, darauf auf, keines der Lebewesen versehentlich zu zertreten?

Nein? Warum nicht?

Wertesystem, oder einfach Verdrängung, Egoismus, Anmaßung?

Nur mal so als Denkanstoß ;)
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Eisbär

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Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #46 am: 08 Juni 2006, 16:24:50 »

Zitat von: "Killerqueen"
Ein Lebewesen ist auf den Erhalt der eigenen Art fixiert; bei Löwen geht das sogar so weit, dass sie nur die selbstgezeugten Nachkommen erhalten wollen und den Nachwuchs anderer Löwenmännchen töten.
Ähm, nein!

Dein Beispiel zeigt das sogar deutlich. Es gibt, wie "neuere" biologische Kenntnisse zeigen, kein Konzept der Arterhaltung. Vielmehr entsteht es indirekt durch den Trieb, die eigenen Gene, nicht die der Art, zu verbreiten.

Und um Kenaz Kritik an meiner Auflösung der Frage noch zu entkräften:
Um das qualitativ zu entscheiden, müßten wir für diese Frage eine höhere Instanz haben, die über die Qualität entscheidet.
Wenn wir aus unserer subjektiven Sicht qualitative Maßstäbe erstellen, die wir dann auf uns selbst anwenden, kann das nur in die Hose gehen.
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Killerqueen

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Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #47 am: 08 Juni 2006, 16:25:07 »

Zitat von: "Thomas"
Kann man diesen Arterhaltungstrieb nicht auch als biologisch vorgegebenes Wertesystem sehen, das zudem noch die meisten Menschen teilen ?

Ja, ist es ja auch.

Aber es geht hier ja nicht um biologische Gegebenheiten, wie den Erhalt, sondern um bewusste Wertebildungen, die der Mensch sich selbst schafft.

...Mist, muss los - wo's grade so spannend ist...


Nur kurz noch: Vielleicht ist der Mensch aber auch nur verhaltensgestört, weil er Emotionen fühlen kann.

@Eisbär: Zu diesen neuen Erkenntnissen würde ich gerne mal ne zuverlässige Quelle sehen. ;) [/color]
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Kenaz

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Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #48 am: 08 Juni 2006, 16:50:16 »

Zitat von: "Eisbär"
Und um Kenaz Kritik an meiner Auflösung der Frage noch zu entkräften:
Um das qualitativ zu entscheiden, müßten wir für diese Frage eine höhere Instanz haben, die über die Qualität entscheidet.
Wenn wir aus unserer subjektiven Sicht qualitative Maßstäbe erstellen, die wir dann auf uns selbst anwenden, kann das nur in die Hose gehen.

- Und was gedenkst Du mit diesem Hinweis nun bitte zu "entkräften"?! - Nachdem Dir auf die Frage, was den Mensch zum Menschen mache, nichts besseres eingefallen ist, als auf irgendwelche popeligen DNA-Sequenzen hinzuweisen und diese dann als Antwort der Naturwissenschaft auf Fragen ins Feld zu führen, über die sich die dusseligen Philosophen dusseligerweise immer noch den Kopp zerbrechen, habe ich Dich dezent darauf aufmerksam genacht, dass Dir ganz offenkundig Stoßrichtung und Tragweite der Frage gleichermaßen entgangen sind (wie Thomas ja schon sehr fix erkannte).
Inwieweit Du in Deiner jetzigen Entgegnung irgendwas "entkräftest", ahnst wohl nur Du selbst; das, was Du hier verkündest, liegt jedenfalls voll auf meiner Position:
Zitat von: "Kenaz"
Der Mensch kann nicht um seine eigene Ecke sehen, und somit erliegt er bedauerlicherweise immer wieder der Versuchung, seine eigenen Konzepte für die allein gültigen und seligmachenden zu halten, [...].

Interessant nur: Die Menschen sind ununterbrochen damit beschäftigt, aus ihrer "subjektiven Sicht qualitative Maßstäbe erstellen, die [sie] dann auf [sich] selbst anwenden", und es ist ihnen ziemlich egal, ob das "in die Hose geht" ...  8)
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Thomas

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Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #49 am: 08 Juni 2006, 16:56:58 »

Zitat von: "Killerqueen"
Warum nimmt der Efeu, der sich an der Linde hochrankt, keine Rücksicht auf die Linde und bringt sie mit seinem Egoismus irgendwann um? Hält er sich für etwas Besseres?

Nein, er hat kein Bewußtsein.Er folgt seinem genetisch bedingtem Plan, genau wie der Vogel oder die Spinne.

Zitat von: "Killerqueen"
Würde er etwas ändern, wenn er es wüsste?

Das driftet mir zu sehr ab.

Zitat von: "Killerqueen"
Passt jeder Mensch, der sich darüber bewusst ist, dass es Ameisen und andere Tiere auf dem Gehweg gibt, darauf auf, keines der Lebewesen versehentlich zu zertreten?

Nein? Warum nicht?

Unterschiedlich, würde ich sagen.Ich z.B. achte da des öfteren drauf, aber immer nur eher Zufällig (man guck ja nicht ständig auf den Boden)

Zitat von: "Killerqueen"
Wertesystem, oder einfach Verdrängung, Egoismus, Anmaßung?

auf den Absatz darüber bezogen : In erster Linie Verdrängung, die aber von einem Wertesystem abhängt.In einem Schwimmbad würde ich ja auch nicht plötzlich vergessen, das ich bei meinen artistischen Aktionen Rücksicht auf andere nehmen muß.Bei den Ameisen und Schnecken auf den Gehwegen ist man sich dessen nicht immer bewußt.Dies steht mit sicherheit in Zusammenhang mit einem Wertesystem.

Zitat von: "Killerqueen"
Zitat von: "Thomas"
Kann man diesen Arterhaltungstrieb nicht auch als biologisch vorgegebenes Wertesystem sehen, das zudem noch die meisten Menschen teilen ?

Ja, ist es ja auch.

Aber es geht hier ja nicht um biologische Gegebenheiten, wie den Erhalt, sondern um bewusste Wertebildungen, die der Mensch sich selbst schafft.

Nein, darum geht es nicht unbedingt.Es geht um "Wertesystem vorhanden - Ja oder Nein ?".Ob sich der Mensch dieses selbst gebildet hat oder ob er es als Trieb in sich trägt, ist dafür erst mal unerheblich.

Zitat von: "Killerqueen"
Nur kurz noch: Vielleicht ist der Mensch aber auch nur verhaltensgestört, weil er Emotionen fühlen kann.

Hm.Kann ich nicht ausschließen, aber dann hat er diese Störung recht gut kultiviert  :wink:

Zitat von: "Kenaz"
Interessant nur: Die Menschen sind ununterbrochen damit beschäftigt, aus ihrer "subjektiven Sicht qualitative Maßstäbe erstellen, die [sie] dann auf [sich] selbst anwenden", und es ist ihnen ziemlich egal, ob das "in die Hose geht" ...

Die Frage hier : Was geht denn dabei tatsächlich in die Hose, außer das es vieleicht hier und da mit der Logik nicht so paßt ?

Da wir Menschen offensichtlich immer noch die herrschende Kraft auf diesem Planeten sind, fahren wir doch mit unseren subjektiven Maßstäben bisher recht gut, oder ?
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Eisbär

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Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #50 am: 08 Juni 2006, 16:57:53 »

Diese Deine Position bestreite ich gar nicht, verwende sie nur gegen die blödsinnige Frage, was uns Menschen - außer aus der biologischen Sicht - vom Tier unterscheidet.

Ich bestreite einfach, daß es da was gibt.
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Thomas

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Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #51 am: 08 Juni 2006, 17:03:57 »

Zitat von: "Eisbär"
Diese Deine Position bestreite ich gar nicht, verwende sie nur gegen die blödsinnige Frage, was uns Menschen - außer aus der biologischen Sicht - vom Tier unterscheidet.

Ich bestreite einfach, daß es da was gibt.

Das sehe ich anders, auch wenn ich diesen Unterschied nicht genau beschreiben kann.Vermutlich haben Menschen ein Bewußtsein, das wesentlich freier von den biologisch vorgegebenen Zwängen ist, welche das Tierbewußtsein fesseln.
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Kenaz

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Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #52 am: 08 Juni 2006, 17:08:18 »

Zitat von: "Thomas"
Da wir Menschen offensichtlich immer noch die herrschende Kraft auf diesem Planeten sind, fahren wir doch mit unseren subjektiven Maßstäben bisher recht gut, oder ?

- Gerade die Beurteilung dieser Frage ist wohl noch mal ganz besonders an die im Einzelnen jeweils vorherrschenden Wertmaßstäbe gekoppelt ... :wink:

Zitat von: "Eisbär"
Ich bestreite einfach, daß es da was gibt.

- Na, dann können wir die "Menschenwürde" und was an überflüssigem Ballast da sonst noch so in den humanistisch verblendeten Köpfen umherschwirrt, ja endlich über Bord werfen und wieder Nägel mit Köpfen machen: Denn wenn es tatsächlich nichts gibt, was den Menschen zum Menschen macht (wozu dann überhaupt das Wort?) und ihn vom Tier unterscheidet, dann fragt sich doch mit Fug und Recht, warum wir einen "Mörder" eigentlich anders bestrafen als einen "Schlachtermeister" ... - ob's sich's nun um Menschen, Schweine oder Ratten handelt ... - denn dann ist doch eh alles nur beliebiges, ersetzbares, biologisches Zellmaterial ...!?
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colourize

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #53 am: 08 Juni 2006, 18:25:14 »

Bedauerlicher Weise gibt es über die Wertigkeit des Lebens keinen Konsens, und vermutlich wird es den auch niemals geben, weil das Maß der Bewertung von dem Wert anderer Lebewesen (Mensch wie Tier) jeder von uns selbst ist. Die Bewertung des Lebens anderer Lebewesen kann nur vom Standpunkt des Individuums aus erfolgen. Mir erscheinen drei Punkte für diese individuelle Bewertung bedeutsam: Erstens die psychische Nähe, zweitens die physische Nähe und drittens die Diskontierung durch Menge.

Die psychische Nähe möchte ich als aufgrund von Ähnlichkeit empfundene Nähe verstehen. So habe ich wenig Probleme damit, eine Fliege zu erschlagen - vermutlich nicht, weil ich keine Achtung vor dem Leben an sich habe, sondern weil mir das Tier sehr unähnlich ist. Ich verspüre keine Nähe zu einer Fliege und kann mit ihr kaum in Interaktion treten.
Bei einem putzigen kleinen Kätzchen mag das schon anders aussehen. Dieses Tier zu erschlagen fällt mir schwerer - nicht nur aufgrund seiner Größe, sondern aufgrund der im Vergleich zur Fliege zweifelsohne größeren psychischen Nähe von mir zu diesem Lebewesen. Ich kann mit dem Kätzchen in Interaktion treten, es reagiert für mich wahrnehmbar auf meine Handlungen, und außerdem wirken säugetierspezifische Ähnlichkeitsmuster (etwa das Kindchenschema), die mir eine Nähe zu dem Tier suggerieren.
Ein Embryo, das in dem Leib einer beliebigen Frau heranwächst, mag für mich bedeutungslos sein. Ich kann mit diesem Lebewesen nicht in Interaktion treten, ob sie es austrägt oder abtreibt ist mir vollkommen schnuppe. Es betrifft mich nicht und der Verlust dieses Lebens macht mich kein Stück betroffen.
Die Frau selbst mag dies aber ganz anders sehen: Sie verspürt vermutlich eine größere Nähe zu dem, was da in ihrem Bauch heranwächst, und für sie erscheint sehr wohl eine Interaktion mit diesem werdenden Leben möglich zu sein. Darüber hinaus wirkt die psychische Nähe ebenfalls aufgrund der großen genetischen Ähnlichkeit.

Mit physischer Nähe meine ich nichts anderes als die räumliche Kopräsenz. Ob irgendein Mensch in China bei einem Verkehrsunfall stirbt, oder ein Mensch bei mir vor der Haustür von einem Auto totgefahren wird, ist für mich nicht dasselbe. Ersteres berührt mich garnicht, letzteres dagegen sehr viel mehr - auch wenn ich mit beiden Menschen zuvor niemals etwas zu tun hatte. Ich verspüre zu letzterem eine größere Nähe aufgrund von Kopräsenz.

Schließlich spielt die Diskontierung durch Menge eine Rolle: Je mehr es mengenmäßig von einer Sorte gibt, desto wertloser erscheint uns das Einzelne. Nur was selten ist, erscheint uns wertvoll.
Aus einer Büffelherde einen einzelnen Büffel zu erlegen, ist moralisch etwas anderes als den letzten seiner Art zu töten. Ähnlich verhält es sich mit menschlichem Leben: Kasimir sprach Spermien an, die ja eine Vorform menschlichen Lebens darstellen mögen. Ich habe aber überhaupt keinen Skupel, zigmillionen von diesen Lebensvorformen vollkommen ohne jegliche Bedenken im hohen Bogen auf den Boden zu schleudern, wo sie sogleich absterben und jämmerlich verrecken werden. Der Grund dafür ist die Diskontierung durch Menge: Ich kann noch eine Weile in beliebiger Anzahl dieses Zeugs ohne Probleme nachproduzieren, und das einzelne Spermium erscheint aufgrund dieser Tatsache als unbedeutend und nicht wirklich wertvoll.
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Kallisti

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Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #54 am: 09 Juni 2006, 09:01:13 »

Zitat
Mit physischer Nähe meine ich nichts anderes als die räumliche Kopräsenz. Ob irgendein Mensch in China bei einem Verkehrsunfall stirbt, oder ein Mensch bei mir vor der Haustür von einem Auto totgefahren wird, ist für mich nicht dasselbe. Ersteres berührt mich garnicht, letzteres dagegen sehr viel mehr - auch wenn ich mit beiden Menschen zuvor niemals etwas zu tun hatte. Ich verspüre zu letzterem eine größere Nähe aufgrund von Kopräsenz.

(colourize)


Ja, sicher - so geht es wohl den meisten Leuten, nehme ich an. Aber: ich kann mich als Mensch ja normalerweise in andere bis zu einem gewissen Grad einfühlen (jajajaja - ist individuell unterschiedlich stark ausgeprägt, diese Fähigkeit) und da ich also auch selbst Schmerz kenne (also so ziemlich jeder Mensch - früher oder später), kann ich auch davon ausgehen, dass auch der Andere (egal, wo er lebt, egal wie weit weg, egal wie er aussieht etc.) Schmerz (auf andere, aber doch ähnliche Weise wie ich selbst) empfindet (wie das ja auch ähnlich bei einigen Tieren der Fall ist...). Also das nur so als Beispiel - ich meine damit: Es kann einen doch ganz genauso betroffen machen, wenn jemand in Afrika oder Asien oder Südamerika "überfahren wird", an schlimmer Krankheit leidet, Kriegs- oder Hungeropfer oder... ist  - als wenn irgend jemand mir Fremdes in Hamburg überfahren wird oder an einer Krankheit leidet...! ?
Also ich leide mit mir Unbekannten in meiner Nachbarschaft genauso viel oder wenig wie mit Unbekannten auf einem anderen Kontinent - wollte ich damit nur sagen. Und denke, das ist auch "einleuchtend".
Anders verhält es sich natürlich (mit der "psychischen Nähe"), wenn mir Menschen wirklich nahestehen... dann ist dein Argument natürlich richtig. Aber diese "räumliche Kopräsenz" fällt - bei mir zumindest - nicht ins Gewicht bzw. wirkt sich nicht dahingehend aus, dass mir die Ferneren weniger "leid tun..." als die, die mir räumlich näher sind (wie gesagt: so lange ich beide nicht kenne!).


Dann dein Büffelbeispiel: auch da gebe ich dir Recht.
Aber die Spermien-Geschichte - also das finde ich einen etwas unpassenden Vergleich. Ich meine: es kommt wohl bei dieser "Diskontierung durch Menge" schon auch darauf an, worum es sich jeweils handelt. Denn: Übertrage doch mal dein Spermien-Beispiel einfach auf Menschen (an sich/als solche)... ... ... ?!???
(Menschen werden auch noch eine Weile in beliebiger Menge "produziert" (gezeugt, geboren - getötet auch, ja. :?  )

 :lol:
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Thomas

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Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #55 am: 09 Juni 2006, 12:00:03 »

Die Erklärung von colourize finde ich schon ganz passend.

Zitat von: "Kallisti"
ich meine damit: Es kann einen doch ganz genauso betroffen machen, wenn jemand in Afrika oder Asien oder Südamerika "überfahren wird", an schlimmer Krankheit leidet, Kriegs- oder Hungeropfer oder... ist  - als wenn irgend jemand mir Fremdes in Hamburg überfahren wird oder an einer Krankheit leidet...! ?
Also ich leide mit mir Unbekannten in meiner Nachbarschaft genauso viel oder wenig wie mit Unbekannten auf einem anderen Kontinent - wollte ich damit nur sagen. Und denke, das ist auch "einleuchtend".

Vermutlich sind uns diese sowohl durch ihre Lebensweise als auch durch ihre Kultur fremder.Ich versuche das mal übertrieben aus der Sicht vieler darzustellen :

In D ist man eine Zivilgesellschaft, das menschliche Leben hat einen hohen Stellenwert, man bemüht sich um vernünftigen Umgang miteinander,etc. (Ausnahmen bestätigen die Regel)

Aber in Afrika in den Lehmhütten sterben jeden Tag Menschen, weil sie verhungern oder weil mal wieder irgendein Bürgerkrieg tobt.
Da ist Leid und Tod im Alltag wesentlich präsenter als hier, deswegen wird das, wenn es im dortigen Umfeld geschieht, weniger wahrgenommen.Vermutlich wäre das Moment des besonderen, des Regelbruches bei uns hier viel stärker vorhanden, als wenn wir nach Afrika&Co. schauen.Es ist einfach dieser Gewöhnungseffekt vorhanden.

"Was, schon wieder 25 Zivilisten im Irak von einem Selbstmordattentäter mit in den Tot gerissen ? Toll, also alles wie immer"

Was wäre in D Los, wenn obiges am Hamburger Hauptbahnhof passieren würde ?

Ich nehme an, das das in Deutschland z.B. während und kurz nach dem 2.Weltkrieg ähnlich war : Leid und Tod waren alltäglich, das hat niemanden mehr sonderlich berührt.
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Kenaz

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« Antwort #56 am: 09 Juni 2006, 12:12:12 »

Zitat von: "colourize"
Ob irgendein Mensch in China bei einem Verkehrsunfall stirbt, oder ein Mensch bei mir vor der Haustür von einem Auto totgefahren wird, ist für mich nicht dasselbe. Ersteres berührt mich garnicht, letzteres dagegen sehr viel mehr

VS.
Zitat von: "Kallisti"
Also ich leide mit mir Unbekannten in meiner Nachbarschaft genauso viel oder wenig wie mit Unbekannten auf einem anderen Kontinent - wollte ich damit nur sagen. Und denke, das ist auch "einleuchtend".

- Nein, das ist ganz und gar nicht ""einleuchtend"" und offen gestanden kann ich Dir das auch nicht ganz glauben. Du kannst mir jedenfalls nicht erzählen, dass es Dich emotional nicht etwas mehr mitnimmt, wenn das nette kleine Mädchen von zwei Stockwerke weiter unten, das Du zwar nicht kennst, das aber jeden Morgen, wenn Du zur Arbeit gehst, so nett "Guten Morgen" zu Dir sagt, direkt vor Deiner Haustür von einem LKW über den Haufen gefahren wird, als wenn Du erzählt bekommst/liest/sonstwie mitbekommst, dass sich ein vergleichbarer Vorfall mit Dir völlig unbekannten "Protagonisten" gestern in Tokio ereignet hat. - Und wenn dem wider meiner persönlichen Einschätzung tatsächlich so wäre, dann würdest Du aus dem Trauern gar nicht mehr rauskommen, weil so etwas ständig passiert.

Interessanterweise trifft das von colourize Dargestellte auch auf das Moment der temporalen Kopräsenz zu: Je weiter ein Ereignis in der Vergangenheit "verschwunden" ist, desto weniger stark greift es den Einzelnen psychisch an, will heißen: Die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges wühlen uns emotional weniger auf als die des Zweiten Weltkrieges.
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Eisbär

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« Antwort #57 am: 09 Juni 2006, 12:12:27 »

Zitat von: "Kenaz"
Zitat von: "Eisbär"
Ich bestreite einfach, daß es da was gibt.
- Na, dann können wir die "Menschenwürde" und was an überflüssigem Ballast da sonst noch so in den humanistisch verblendeten Köpfen umherschwirrt, ja endlich über Bord werfen und wieder Nägel mit Köpfen machen: Denn wenn es tatsächlich nichts gibt, was den Menschen zum Menschen macht (wozu dann überhaupt das Wort?) und ihn vom Tier unterscheidet, dann fragt sich doch mit Fug und Recht, warum wir einen "Mörder" eigentlich anders bestrafen als einen "Schlachtermeister" ... - ob's sich's nun um Menschen, Schweine oder Ratten handelt ... - denn dann ist doch eh alles nur beliebiges, ersetzbares, biologisches Zellmaterial ...!?
Nein. Es gibt ja den quantitativen Unterschied und der sollte doch völlig ausreichen, oder?
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Kenaz

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Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #58 am: 09 Juni 2006, 12:13:37 »

Ach Eisbär, Du verstehst das Problem anscheinend wirklich nicht ... :roll:
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colourize

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« Antwort #59 am: 09 Juni 2006, 13:06:48 »

Zitat von: "Kenaz"
Interessanterweise trifft das von colourize Dargestellte auch auf das Moment der temporalen Kopräsenz zu: Je weiter ein Ereignis in der Vergangenheit "verschwunden" ist, desto weniger stark greift es den Einzelnen psychisch an, will heißen: Die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges wühlen uns emotional weniger auf als die des Zweiten Weltkrieges.

Stimmt genau, dieser Gedanke kam mir gestern Abend auch noch.

Die Wertigkeit von Leben erfährt in unserer individuellen Einschätzung unterschiedliche Diskontierungen:

- durch fehlende psychische Nähe
- durch fehlende physische Nähe (räumliche Kopräsenz)
- durch fehlende zeitliche Kopräsenz
- durch Menge (Entitäten, die wir als "gleich" betrachten)


Zitat von: "Kallisti"
Dann dein Büffelbeispiel: auch da gebe ich dir Recht.
Aber die Spermien-Geschichte - also das finde ich einen etwas unpassenden Vergleich. Ich meine: es kommt wohl bei dieser "Diskontierung durch Menge" schon auch darauf an, worum es sich jeweils handelt. Denn: Übertrage doch mal dein Spermien-Beispiel einfach auf Menschen (an sich/als solche)... ... ... ?!???
(Menschen werden auch noch eine Weile in beliebiger Menge "produziert" (gezeugt, geboren - getötet auch, ja. :?  )

Ja, das ist das Phänomen der Diskontierung durch Menge.

Man denke an Soldaten, die alle gleich aussehen. Einen feindlichen Soldaten zu erschiessen fällt vermutlich leichter, wenn einem 500 von denen im Blutharsch entgegenstürmen, als wenn man einem einzelnen von denen im Häuserkampf gegenübersteht.
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