Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?  (Gelesen 74624 mal)

Kaffeebohne

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #315 am: 11 Juni 2011, 23:05:46 »

Dann lohnt es sich Mensch zu sein und eben nicht das eigene Leben zu beenden.
Und selbst das könnte man ja bei einem total gelähmten Körper nicht...   ;)

Nicht, wenn man per Augenbewegung kommunizieren kann.

Die eigentliche Arschkarte hat deswegen für mich derjenige der sterben möchte, es nicht selbst erledigen kann und nicht mehr in der Lage dazu ist, es irgendwem sagen zu können.  :(
Wie willst Du Dich denn per Augenbewegung SELBST umbringen?  ;)
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messie

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #316 am: 12 Juni 2011, 00:31:55 »

Dann lohnt es sich Mensch zu sein und eben nicht das eigene Leben zu beenden.
Und selbst das könnte man ja bei einem total gelähmten Körper nicht...   ;)

Nicht, wenn man per Augenbewegung kommunizieren kann.

Die eigentliche Arschkarte hat deswegen für mich derjenige der sterben möchte, es nicht selbst erledigen kann und nicht mehr in der Lage dazu ist, es irgendwem sagen zu können.  :(
Wie willst Du Dich denn per Augenbewegung SELBST umbringen?  ;)

Selbst umbringen klappt natürlich nicht  :D
Aber wenn es ein Kommunikationsgerät geben sollte das die Augenbewegungen "übersetzt", dann kann man seinen Willen ja jemandem sagen. Wenn der zu einer Patientenverfügung passt, kann man durchaus z.B. Geräte abstellen und damit die Person sterben lassen.

Ein guter Film zum Thema ist übrigens auch "Million Dollar Baby".
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Kaffeebohne

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #317 am: 12 Juni 2011, 09:53:02 »

Mir ging es ja darum, daß man "wenigstens das" selbst tun kann.  ;) Ist das mit ner Patientenverfügung möglich, die Maschinen abstellen zu lassen? Außerdem: es gibt ja auch Formen einer Lähmung, da hängt man eben nicht an irgendwelchen Geräten.
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messie

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #318 am: 12 Juni 2011, 17:35:03 »

Mir ging es ja darum, daß man "wenigstens das" selbst tun kann.  ;) Ist das mit ner Patientenverfügung möglich, die Maschinen abstellen zu lassen?

Die Rechtslage ist da ziemlich kompliziert. Aktive Sterbehilfe ist verboten ("Töten auf Verlangen"), passive in Einschränkungen aber erlaubt. Das Unterlassen lebenserhaltender Systeme ist inzwischen erlaubt, das kommt einer passiven Sterbehilfe gleich. Wenn der Patient z.B. nur noch mit einer Magensonde am Leben erhalten werden kann, kann man das per Patientenverfügung und einer Vorsorgevollmacht unterbinden.

Das Problem ist wie so oft, dass meist eins von beidem zuvor nicht erstellt wurde: Auch die Vorsorgevollmacht ist wichtig, da bei Uneindeutigkeit der Signale des Patienten nur ein offizieller Betreuer entscheiden kann dass die Maschinen abgestellt werden sollen, und das regelt wiederum die Vorsorgevollmacht.

Ich halte es auch für den schlimmsten Fall, dass die Person selbst sterben möchte, es aber nicht mehr kommunizieren kann und rein rechtlich den Ärzten die Hände gebunden sind, weil eine Patientenverfügung fehlt. :(
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Kallisti

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #319 am: 13 Juni 2011, 15:57:52 »

messie


... eben weil das alles so kompliziert ist (Rechtslage) und aufwändig ..., läuft es letztlich doch meistens darauf hinaus, dass diese Menschen eben nicht sterben dürfen, wenn/obwohl sie es wollen!

Ja, es ist doch beides schrecklich - ob man es noch "kommunizieren", mitteilen kann und dem Wunsch dennoch nicht nachgegeben wird oder ob man es nicht mehr mitteilen kann und dem Wunsch dann auch nicht nachgegeben wird.

Mir sind die ganzen eingebauten Hürden da einfach viel zu hoch ... !

Im Übrigen kann ich dem nicht zustimmen:


Zitat
Dass ein Mensch dann Mensch ist, wenn er Glück empfindet (dauerhaft immer wieder, nicht nur kurzzeitig). Dann lohnt es sich Mensch zu sein und eben nicht das eigene Leben zu beenden.
(messie)

Also das ist deine Maxime, ok, aber das kann man nicht für alle Menschen als "allgemein geltende Richtschnur" proklamieren.
(Alles am "Glücklichsein" aufhängen/messen, das als Grundwert setzen.)


Davon abgesehen ist ja eben gerade die Frage, wie "glücklich" bzw. lebenszufrieden und lebensfroh Menschen mit bspw. locked in syndrom (noch) sein können bzw. sind - das hatten wir vorne schon.


Und ich bin eben der Meinung, dass da so einzelne kleine "Glücksmomente" nicht ausreichen - wie bspw. wenn man "noch Schach spielen kann" oder "ein Buch schreiben/veröffentlichen" ...  (siehe: die von dir genannten Beispiele)

Ich bin mir ziemlich sicher, dass das den meisten Menschen auf Dauer nicht ausreicht. - Weil eben so vieles andere, das Menschen ausmacht, das die jeweilige Person ausmachte, nicht mehr (nie wieder) möglich ist. (Siehe, was ich oben/vorne dazu schrieb).


Es ist ja so, dass man das (Selbst-) Bewusstsein, den Verstand, die Fähigkeit hierzu als "typisch für den Menschen" sonst heranziet, dass kognitive Fähigkeiten (u.v.a.m.) bedingend bzw. ausschlaggebend sind für das "Person-Sein".

Dass Menschen sich ja daher auch verändern, d.h. sich ihre Persönlichkeit, Person verändert, wenn sie bspw. eine Hirnverletzung haben bzw. die Folgen davon - wenn sie sich dadurch in ihrem Denken, Fühlen und Handeln erheblich verändern ...

Oder auch, wenn Menschen stark dement sind, da ja Erininerungen (autobiographisches Gedächtnis) auch entscheidend für "Person-Sein", für Identität ... sind.


Beim locked in syndrom ist es nun umgekehrt: Der Verstand ist noch voll da, aber er kann sich nicht mehr "ausdrücken"/"manifestieren", weil ihm der dazu notwendige Körper (das "Handwerkszeug") fehlt - also: was "nützt"/hilft einem das dann??

Und hinzu kommt eben, dass der Mensch beides ist: ein "geistiges, kognitives", denkendes, kultur-, moralfähiges, über komplexe Sprache und Selbstbewusstheit verfügendes Lebewesen, als auch ein sinnliches, körperliches.

Dass beides also "zu seinem Recht kommen muss" - zumindest in gewissem Rahmen/Maß/Ausprägung.

Und wenn dies nicht mehr gegeben, nicht mehr möglich bzw. massiv eingeschränkt ist (dauerhaft!, beständig, unveränderlich), denke ich, fällt es den meisten (wenn nicht allen!) Menschen (auf Dauer!!!) sehr schwer, ihr Dasein, ihre Existenz noch als "lebenswert" und wirkliche Lebensfreude noch zu empfinden.


Ich denke nicht, dass das individuell so unterschiedlich ist/wäre/sein würde - ich glaube viel mehr, dass man das tatsächlich so sagen kann: dass die meisten Menschen auf Dauer so nicht weiter leben/existieren wollen - eben weil ihnen so vieles, das für das Menschsein und viel mehr noch für das Person-Sein so wichtig ist, nicht mehr möglich ist.

Wenn man darum nicht weiß, dann existiert man einfach weiter - letztlich ähnlich wie Tiere, die auch nicht um ihre Vergangenheit und Zukunft bewusst wissen, darüber nicht reflektieren (was ich jetzt einfach mal unterstelle).

Wenn man aber weiß, was alles man war, machen, erleben ... konnte und was alles nicht mehr, nie mehr möglich, machbar, erlebbar ... sein wird - also im Grunde ja wirklich (fast) alles (!), dann ist das eine derart immense "Freiheitsberaubung", Beraubung/Verlust von Selbstbestimmtheit, Körperlichkeit/Sinnlichkeit, Eigentätigkeit, Selbstwirksamkeit usw., dass das Menschen schlicht überfordert - in solchem Zustand "lebensfroh" zu sein, zu bleiben (dauerhaft!).



Und ich finde, wenn jemand sein Leben also  ohne Hilfe selbst nicht beenden kann, hat er meistens schlechte Karten (es zu beenden).

Der Punkt, der daran anschließt ist, dass man sein Leben (bisher) nur auf würdelose, zumeist riskante und/oder schmerzhafte bzw. gewaltsame Art beenden "kann" - womit ich lange schon "nicht einverstanden" bin.





« Letzte Änderung: 13 Juni 2011, 16:02:04 von Kallisti »
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messie

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #320 am: 13 Juni 2011, 17:41:00 »

Zitat
Also das ist deine Maxime, ok, aber das kann man nicht für alle Menschen als "allgemein geltende Richtschnur" proklamieren.
(Alles am "Glücklichsein" aufhängen/messen, das als Grundwert setzen.)

Wieso nicht?
Wer was als "Glück" empfindet, ist individuell höchst verschieden. Insofern ist diese "allgemeine Richtschnur" gleichzeitig eine sehr spezielle, da keine zwei Personen exakt dasselbe als Glück definieren für sich selbst.

Ich wüsste aber nicht, warum jemand das eigene Leben als nicht lebenswert erachten würde, wenn diese Person "ich bin glücklich" sagt und es auch so meint. :)
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Kallisti

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #321 am: 14 Juni 2011, 12:13:40 »

messie


also ich denke, eine andere "Richtschnur"/Maxime könnte z.B.die Sinnfrage sein. ? - Daher ist das mit dem "Glücklichsein" nur ein Aspekt, aber nicht der allein ausschlaggebende (für Lebenszufriedenheit), wie ich finde. - Es sei denn, du würdest sagen, der Sinn des Lebens (eines jeden Menschen) besteht darin, dass der Mensch "glücklich" ist.


Ja, sicher - die Frage ist zunächst mal: Was versteht wer unter "(Lebens-)Glück", "Glücklichsein" oder Lebensfreude. - Wie immer sollte man sich da wohl auf Definitionen (der Begriffe) einigen, sonst redet man zwangsläufig aneinander vorbei.

Ich setze eben "Glücklichsein" nicht gleich mit dauerhafter bzw. überwiegender (mehr oder weniger: beständiger/kontinuierlicher) Lebenszufriedenheit oder Lebensfreude/Freude am Leben, an der eigenen Existenz.


Und ich denke, die Bedingungen, Möglichkeiten, Umstände, sein Leben bei massiver Einschränkung/"Freiheitsberaubung" wie bspw. beim locked in syndrom als "froh", "freudig" und "sinnerfüllt" zu empfinden, zu bezeichnen, sind massiv erschwert, wenn nicht nahezu gegen Null tendierend - immer auf lange Sicht gesehen (also: fortdauernd: über Jahre oder Jahrzehnte: in/mit einer solchen Lebenssituation, die kaum bis gar nicht verbessert/positiv verändert werden kann).





« Letzte Änderung: 14 Juni 2011, 12:16:12 von Kallisti »
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messie

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #322 am: 14 Juni 2011, 15:28:28 »

Zitat
Und ich denke, die Bedingungen, Möglichkeiten, Umstände, sein Leben bei massiver Einschränkung/"Freiheitsberaubung" wie bspw. beim locked in syndrom als "froh", "freudig" und "sinnerfüllt" zu empfinden, zu bezeichnen, sind massiv erschwert, wenn nicht nahezu gegen Null tendierend - immer auf lange Sicht gesehen (also: fortdauernd: über Jahre oder Jahrzehnte: in/mit einer solchen Lebenssituation, die kaum bis gar nicht verbessert/positiv verändert werden kann).

Sicher erschweren diese Umstände es.
Auf der anderen Seite kann man ja nie wissen, ob derjenige nicht doch vergisst, dass es jemals anders war.
Wenn die Person es z.B. nicht anders kennt weil sie alles zuvor vergessen hat, dann wird sie ja vielleicht nichts vermissen.
Ist aber ja auch logisch dass es dann leichter für sie ist: Jemand der erblindet ist hadert sehr viel mehr mit seinem Schicksal der Blindheit als jemand, der blind geboren wurde etc.
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Kallisti

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #323 am: 15 Juni 2011, 11:07:14 »

Zitat
Auf der anderen Seite kann man ja nie wissen, ob derjenige nicht doch vergisst, dass es jemals anders war.
Wenn die Person es z.B. nicht anders kennt weil sie alles zuvor vergessen hat, dann wird sie ja vielleicht nichts vermissen.
(messie)


Wie kommst du darauf, dass sie ihr vorheriges gesamtes Leben "vergessen" könnten? - Darüber (dass locked in syndrom-Betroffene das tun) ist mir nichts bekannt. So hoch dürfte ihre Lebenserwartung auch nicht sein, dass sie noch viele Jahrzehnte lang "leben" --- und dann irgendwann also dement werden.

Das ist doch einigermaßen naiv gedacht, finde ich. Wie gesagt: das Problem besteht ja gerade darin, dass diese Menschen geistig nicht beeinträchtigt sind, sondern alles wie zuvor ist (Verstand, Bewusstsein, Erinnerungen/Gedächtnis ...) - es ist ja gerade das die große Qual daran!

Nicht umsonst nennt man das LOCKED IN syndrom.  
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