Schwarzes Hamburg

Schwarzes Hamburg => Politik und Gesellschaft => Thema gestartet von: Multivac am 05 November 2012, 15:09:56

Titel: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Multivac am 05 November 2012, 15:09:56
Es gibt ja neuerdings wieder die Diskussion über strittige Organspendemachenschaften, in denen
Patienten mittels Geld und Macht plötzlich ganz oben auf Wartelisten erschienen, und in diesem eh
schon ungünstigem Zusammenhang wird für mehr Bereitschaft zur Organspende in der Politik plädiert,
die Krankenkassen wollen einen zur Entscheidung zwingen und versenden Fragebögen, und außerdem,
was ich am interessantesten an dem ganzen Thema finde, wird die Definition des Todes diskutiert.

Ein krasser Artikel zu letzterem Punkt in der FAZ:

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/organspende-hirntod-11860677.html

Es ist ja so, daß ein Mensch früher mit dem Herzstillstand als tot erklärt wurde. Dann bemerkte man,
daß das Gehirn dann noch funktionieren kann, also wurde die neue Definition für "tot", wenn auch ein
Gehirntot eingetreten war. Nun soll, da es an Organen für die Spende mangelt, wieder die alte Definition
eingeführt werden, Herztot gleich tot. Nun ist es aber so, daß nach einem Herzstillstand nach 2-10min
ca. die Hälfte der Patienten wieder aufwacht - bei voller Gehirnfunktion ! Das bedeutet, daß bereits
nach jetziger Praxis (75sec. Wartezeit) eigentlich ein haufen Leute getötet werden, wenn Ihnen
Organe entnommen werden. Mit der neuen Definition wird dieser Mord auch noch rechtlich abgesichert.

Übrigens soll der Tod eine unumkehrbar und endgültig sein. Was ist mit der Situation, dem das Herz nach
einem Herzstillstand entnommen wird, und es wieder in einem neuen Empfänger zum Schlagen gebracht
wird ? Hätte man es nicht auch im Spender wieder zum Schlagen bringen können ?

Und der Test des Todes: alle Maschinen werden für kurze Zeit abgeschaltet, alle Medikamente runtergefahren:
das kann jemandem, der eigentlich noch nicht tot ist und wieder aufgepäppelt werden können, endgültig den
Rest geben. Das wäre auch Mord.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Black Ronin am 05 November 2012, 15:20:16
Hey! Wir brauchen schliesslich mehr Soylent-Green !
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: nightnurse am 05 November 2012, 19:12:12
Wow, das ist so unsagbar schwierig...

Das Einfachste an Multis Beitrag ist vielleicht noch die Frage nach dem Herzen, das man in einem fremden Körper wieder zum schlagen bringt - na, und? Das ist nur ein verpflanztes Organ, das noch funktionsfähig war, ähnlich wie ein Finger oder eine Niere. Daß die noch funktionieren, bedeutet für den Gesamt-"Spenderorganismus" ja nicht, daß der auch noch lebensfähig war (Menschen mit Herzschrittmacher sind auch irgendwann mal definitiv tot, obwohl die Pumpe noch schlägt).

Daß man aber die Todesdefinition möglichst weit nach vorne rücken muss, um Organspende aus Toten überhaupt sinnvoll zu machen...das ist heikel.
Da geht es ja leider nicht nur um die armen Schweine, die neue Organe benötigen. Da tanzen Machbarkeitswahn, Statusdenken, Helfersyndrome, wirtschaftliche Interessen und noch 1000 andere Dinge schwer zu entwirrenden Ringelpiez.
Man kommt da auch  ganz schnell in Regionen, wo man sich die Frage stellt, was eigentlich den Menschen zum Menschen macht - wieviel funktionsfähiges Hirn braucht man denn, um noch als Person durchzugehen? Und das ist dann der Punkt, wo ich persönlich gerne den nächstgelegenen Ausgang nehme und die Tür von außen verrammeln möchte.

Eigentlich finde ich Organspende ne tolle Sache. Mir wäre auch wurst, was aus meiner Leiche wird. Mir ist aber nicht ganz egal, wie ich zur Leiche werde und ein bißchen geht es mir auch ums Prinzip. Deshalb hab ich mich noch nicht zu einem Spenderausweis durchringen können: Weil es am Ende doch nicht so einfach und geradeaus ist, wie es am Anfang aussieht.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: messie am 06 November 2012, 00:25:38
Zitat
Eigentlich finde ich Organspende ne tolle Sache.

Geht mir genauso. Mich hat aber ebenfalls diese Meldung zutiefst schockiert, dass man so den Todeszeitpunkt nach vorne verlegen möchte. Das macht für mich im Zusammenhang der derzeitigen Benachrichtigung auch überhaupt keinen Sinn!
Denn, mal logisch betrachtet: Es macht dann einen, wenn es viel, viel zu wenige Spender gibt. Sozusagen als Übergangslösung, als Kompromiss zwischen Risiko jemanden damit zu töten und stattdessen ein Leben zu retten. Strittig genug, aber das wäre für mich noch nachvollziehbar.

Wenn nun aber durch eine Aktion erhofft wird dass viele, viele Spender hinzukommen, dann würde ich doch eher den umgekehrten Weg gehen! Will heißen "wenn sich soundsoviele nun dafür erklären zu spenden, dann können wir den Todeszeitpunkt nach hinten verschieben, dann benötigen wir diese Maßnahme nicht mehr, Sie werden also wirklich tot sein wenn Sie Organe spenden und nicht nur vielleicht."

Man sagt derzeit also doch im Prinzip "ok, wir kriegen jetzt viele, viele Spender dazu, aber was kümmert's uns, wir wollen noch mehr Geld damit machen, also mehr Organe bitte, egal um welchen Preis!".
Was dann wiederum wunderbar dazu passt, dass sich Reiche ihre Organe schneller bestellen können.

Etwas, das ich so nicht unterstützen möchte, so unterstütze ich dieses korrupte System doch erst recht.
Das Perfide daran ist: Denken viele so wie ich, dann würde diese Meldung wieder Sinn machen, da dann ja wieder extrem zu wenige Spender da wären.
Aber halt erst dann.
Und selbst dann würde ich sagen: Leute, werbt einfach damit, dass ihr die Maschinen umso später abstellen könnt, je mehr Spender es gibt und sich damit jeder sicher sein kann dass er wirklich tot ist, wenn er für tot erklärt wird.
Das ist die bessere Werbung dafür.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Julya am 06 November 2012, 00:49:14
Vielleicht bin ich da etwas "kalt", was die weitere Verwendung meiner Körperteile angeht, aber mir ist das völlig egal, was mit mir passiert. Ich hab seit über 16 Jahren einen Organspendeausweis und werde ihn auch weiterhin behalten, trotz der schlechten Nachrichten rund um das Thema.
Selbstverständlich sehe ich es als großen Skandal an, daß es möglich war, solch ein Schindluder mit Organen zu betreiben, wie es geschehen ist, aber für den Transplantierten macht es letztlich keinen Unterschied und für mich als potentielle Leiche wäre es auch egal, wer und auf welchem Wege meine Ersatzteile bekommt.
Auch für die Ärzte, die in einen solchen Fall involviert sind, ist es im Normalfall sicher völlig egal, welcher Person sie das Leben retten. Der hippokratische Eid wird ja nicht vorrangig auf -den- angewendet, der auf ein Organ wartet.

Daß der Todeszeitpunkt nach vorne gerückt werden soll, führt aber mit Sicherheit nur zu noch größerer Spendenverweigerung.

Allerdings zu einer Entscheidung gezwungen werden, kann letztlich niemand. Man kann den Brief der Krankenkasse ja unbeachtet wegwerfen... es wird niemand kommen und einen mit vorgehaltenem Skalpell um seine Niere bringen wollen. ;)
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: CubistVowel am 06 November 2012, 09:35:27
Selbstverständlich sehe ich es als großen Skandal an, daß es möglich war, solch ein Schindluder mit Organen zu betreiben, wie es geschehen ist

Diese perfide Geschäftemacherei mit den Organen ist doch nur möglich, weil es zu wenig Organspender gibt. Je mehr Organe/Organspender, desto weniger Geld lässt sich mit Organhandel und ähnlichen illegalen Geschäften machen.

Aus diesem Grund werde ich meinen Organspendeausweis auf jeden Fall behalten.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: EL am 06 November 2012, 13:49:38
 ;D  it seems there are alot of donors here!
I would kindly not refused to have  one more kidney instead my deceased one.   :(
Sign a contract and wait rubbing my hands for.....   hehe!   ;D >:(  Hellish feeling!

I would prefer to see a grown kidney for replacement!!!
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Strigoi_69 am 06 November 2012, 18:18:30
Ich habe keinen Organspendeausweis und habe es auch nicht vor. Es sind meine Organe, sie passen nur zu mir- der Empfänger kann nur durch lebenslange Medikamenteneinnahme (mit unangenehmen Nebenwirkungen) noch ein paar Jahre rausschinden. Zudem sind die Empfänger oft nicht so glücklich damit und es gibt Berichte von Persönlichkeitsveränderungen. Auch muss das Herz bei der Organentnahme noch schlagen- der Körper lebt also noch- ob das Schmerzempfinden wirklich ausgeschaltet ist, während man da so ausgeweidet wird? Berichten können es die Toten freilich nicht.

Es ist jedem selbst überlassen- Gott sei Dank- ob er seine Organe zur Verfügung stellt. Verurteilen sollte man keine Seite- nur man selbst kann über seinen Körper bestimmen.

Ich empfinde es auf jeden Fall als einen würdelosen Tod, wenn mein Körper am sterben ist und die Ärzte darauf gieren, mir möglichst viele Organe zu entnehmen. Die Verwandten dürfen dann um eine "leere Hülle" trauern? Ich wünsche mir jedenfalls an meinem Todestag einen möglicht pietätvollen Umgang mit meiner Leiche- dies ist auf dem OP Tisch nicht gegeben. Und wer weiß, ob wir es nicht doch mitbekommen  ;). 

Hier etwas zum nachdenken: ...der angeblich hirntote Mensch lag da und hatte fast ein gewisses Lächeln auf seinem Gesicht. Er wurde weggebracht, um ihm sodann seine Leber und sein Herz zu entnehmen. Nach der Organentnahme hatte der selbe Mensch nun plötzlich ein schmerzverzerrtes Gesicht...
Niemand, absolut niemand, konnte (wollte) mir das erklären...
Das Herz muss noch schlagen, sonst sind Organe relativ unbrauchbar.
Versteht ihr!!! Das Herz schlägt,schlägt,schlägt.....
Schmerzverzerrtes Gesicht - offensichtlich unter Schmerzempfinden bei lebendigem Leibe aufgeschnitten und das schlagende Herz entnommen..... wer sagt uns, dass wir nicht furchtbare Schmerzen erleiden-wer???

Dies fand ich im Netz und hat natürlich keine Beweiskraft, aber nachdenklich stimmt es zumindest mich. 

Ach so: Ich lehne eine Organspende selbstverständlich auch für mich ab! Und nur wenn es bei meiner Schwester einmal notwendig sein sollte, würde ich eine meiner Nieren spenden (nur wenn ich noch lebe). Aber dies wäre die absolute, hoffentlich niemals eintreffende Ausnahme.

Mir ist bewusst, dass meine Wortwahl und Aussagen ggf. für Zündstoff sorgen... Harr Harr  8) Aber Zeit für ellenlange Diskussionen ist mir nicht vergönnt :P
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: nightnurse am 06 November 2012, 18:27:57
Ich habe schon einige Tote gesehen, die soeben eines nicht unbedingt angenehmen Todes gestorben waren. Bei allen trat ein, was die Wissenschaft erwarten ließe: Erschlaffung der Gesichtsmuskulatur. Das sieht dann automatisch entspannt und friedlich aus (je nach Körperumfang sinkt der Unterkiefer mehr oder weniger ab, das sieht dann gequält aus, deshalb stützen wir den auch mit einer Binde). Denkbar wäre noch, daß, wenn der Mensch nach dem Ableben nicht flach auf dem Rücken liegt, sich die entspannten Gesichtszüge per Schwerkraft oder Druck verformen.
Naja, und natürllich will ich nicht behaupten, schon alles gesehen zu haben. Aber die Geschichte mit dem schmerzverzerrten Gesicht nach Organentnahme hat wirklich nullkommagarkeine Beweiskraft.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Strigoi_69 am 06 November 2012, 18:37:57
Aber die Geschichte mit dem schmerzverzerrten Gesicht nach Organentnahme hat wirklich nullkommagarkeine Beweiskraft.
Dies schrieb ich ja ;) Aber nachdenken und Google  bemühen könnte man schon- es ist wirklich erstaunliches zu finden. Wenn mein Gedächnis nicht so schlecht wäre, wüsste ich auch noch wo ;).
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Julya am 06 November 2012, 18:40:16
Aber die Geschichte mit dem schmerzverzerrten Gesicht nach Organentnahme hat wirklich nullkommagarkeine Beweiskraft.
Danke. ::)
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: nightnurse am 06 November 2012, 18:46:47
Aber nachdenken und Google  bemühen könnte man schon- es ist wirklich erstaunliches zu finden.

Ich erwähnte an anderer Stelle sicher schonmal, daß ich das Internet unter anderem für die größte Desinformationsmaschine aller Zeiten halte.
Danke, nachgedacht hatte ich schon, siehe weiter oben.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Strigoi_69 am 06 November 2012, 18:49:26
Aber die Geschichte mit dem schmerzverzerrten Gesicht nach Organentnahme hat wirklich nullkommagarkeine Beweiskraft.
Danke. ::)
Herrjemine- ich habe auch niemals behauptet, dass es ein Beweis ist!  ::)  Doch ich vertraue auch nicht der Ärzteschaft, sowie der Pharmaindustrie. Wer am meisten von Organspenden profitiert ist ja wohl klar..

Da wohl kaum jemand von uns bei einer Organentnahme dabei war, wissen wir nicht wirklich, was genau geschieht. Und nun ja, wie ich schrieb, es ist jedem selbst überlassen. Auch ich habe die alleinige Wahrheit nicht gepachtet  ;D Und immer wieder schön, wie bitterernst manche Aussagen gleich genommen werden. Und wenn es Schmerzempfinden gäbe, und dies beweisbar wäre, würden wir es ohnehin nie erfahren.  ;)
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Strigoi_69 am 06 November 2012, 18:54:51
Aber nachdenken und Google  bemühen könnte man schon- es ist wirklich erstaunliches zu finden.

Ich erwähnte an anderer Stelle sicher schonmal, daß ich das Internet unter anderem für die größte Desinformationsmaschine aller Zeiten halte.
Danke, nachgedacht hatte ich schon, siehe weiter oben.
Ich meinte natürlich darüber nachdenken, den Gedanken durchspielen- ist wohl etwas unglücklich formuliert.  Nun, das Internet (ich glaube natürlich nicht blauäugig alles) ist eine von den Meinungsmachern relativ unabhängige Quelle. Sicher steht da auch viel Unsinn drin. Wie bereits erwähnt, ausschließen kann man nichts. Wir alle können nicht wissen, ob der sterbende Mensch wirklich nichts mehr spürt, nur weil sein Hirn für tot erklärt wird. Dies ist alles. 
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: nightnurse am 06 November 2012, 19:02:42
Wir alle können nicht wissen, ob der sterbende Mensch wirklich nichts mehr spürt, nur weil sein Hirn für tot erklärt wird. Dies ist alles.

Das sind natürlich legitime Bedenken.
Die man aber nicht mit Erzählungen aus 1001 Google-Ergebnissen zu untermauern versuchen sollte; ich bin sicher, das hat schonmal jemand wissenschaftlich zu erforschen versucht. Was aber sicher schwieriger zu ergooglen und zu lesen wäre  ::)
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Julya am 06 November 2012, 19:13:39
Doch ich vertraue auch nicht der Ärzteschaft, sowie der Pharmaindustrie. Wer am meisten von Organspenden profitiert ist ja wohl klar..
Ja, die Transplantierten!
Ich bin fest davon überzeugt, daß das deutsche System der Organvergabe eines der besten der Welt ist. Schwarze Schafe gibt es überall und in allen Branchen, aber ich glaube, wir können uns nicht im Entferntesten vorstellen, wie es ist, sieben Jahre auf einer Warteliste für eine Niere zu stehen, wenn man das nicht selber mal erlebt hat.

Es gibt ein Punktesystem, das die Dringlichkeit regelt. Da kann man selbst nach Jahren an der Dialyse immer noch im Bereich von 13, 14, oder 15 sein und erst ab 30 hat man überhaupt die Chance auf der Liste weiter nach vorne zu rutschen. Ab 32 besteht allerdings schon akute Lebensgefahr. (Ich weiß jetzt nicht mehr die exakten Zahlen, aber so in etwa liegen die Entfernungen zwischen jahrelangem Leiden und der annähernden Chance auf ein Organ.)
Und es gibt durchaus viele Menschen, die schon bei Organentnahmen dabei waren: Nämlich die Transplantationsärzte. Und man kann ja wohl kaum einem kompletten Berufsstand Bestechlichkeit und Unmenschlichkeit vorwerfen.


Und merkwürdige Befindlichkeiten, gepaart mit Halbwissen und Aberglauben verbauen den Menschen, die dringend auf ein Organ angewiesen sind, den Weg, um weiter LEBEN zu können.
Ich finde es außerdem ziemlich herablassend von Dir, daß Du denkst, beurteilen zu können, welcher Aufwand einen Monat, ein Jahr, oder zehn Jahre Leben wert ist.
Ich denke, es ist ein unglaublich befreites Leben, wenn man nicht mehr vier Mal die Woche stundenlang zur Dialyse, sondern nur noch drei Mal am Tag Tabletten schlucken muss.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: nightnurse am 06 November 2012, 19:45:57
Danke  ;D
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Eisbär am 06 November 2012, 19:53:25
Da wohl kaum jemand von uns bei einer Organentnahme dabei war, wissen wir nicht wirklich, was genau geschieht.
Ich war bei einer Beinamputation dabei. Zählt das auch?
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Kaffeebohne am 06 November 2012, 20:05:14
Es ist jedem selbst überlassen- Gott sei Dank- ob er seine Organe zur Verfügung stellt. Verurteilen sollte man keine Seite- nur man selbst kann über seinen Körper bestimmen.

Ich empfinde es auf jeden Fall als einen würdelosen Tod, wenn mein Körper am sterben ist und die Ärzte darauf gieren, mir möglichst viele Organe zu entnehmen. Die Verwandten dürfen dann um eine "leere Hülle" trauern? Ich wünsche mir jedenfalls an meinem Todestag einen möglicht pietätvollen Umgang mit meiner Leiche- dies ist auf dem OP Tisch nicht gegeben. Und wer weiß, ob wir es nicht doch mitbekommen  ;). 
Ich denke, man sollte anderen Menschen auch eine andere Meinung als die eigene zugestehen. Wenn jemand es als würdelos empfindet, dann möchte ich nicht darüber urteilen.


Meine Meinung ist: wenn ich tot bin, bin ich tot. Dann nützen mir auch gesunde Organe nichts mehr. Wenn einem Menschen damit aber das Leben gerettet oder zumindest deutlich erleichtert wird, dann wäre ich nicht "umsonst gestorben".

Ich denke, man trauert immer irgendwie um eine leere Hülle, auch wenn dem toten Körper keine Organe entnommen wurden. Der Mensch ist nicht mehr da. Und ich möchte gern in der Erinnerung derer, die um mich trauern, weiterleben. Der Körper verwest sowieso...
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Kenaz am 06 November 2012, 22:35:40
Ohne mich jetzt allzu tief in diese Diskussion hier reinknien zu wollen, da wahrscheinlich eh' nur wieder der ewige "Wissenschafts"-Sermon 'rauf- & 'runtergenudelt wird: hierzu allerdings kann ich mir einen klitzekleinen Kommentar beim besten Willen nicht verkneifen:

Wenn einem Menschen damit aber das Leben gerettet oder zumindest deutlich erleichtert wird, dann wäre ich nicht "umsonst gestorben".

WARUM eigentlich, wenn ich mal so ketzerisch fragen darf? Es wird immer so gerne als eine völlig selbstverständliche Evidenz hingestellt, als ob "das Leben" ein Wert an sich sei, der nicht weiter hinterfragt werden könne/dürfe und uuuunbedingt & auf Teufelkommraus erhaltenswert sei? Desgleichen "der Mensch"? Bitteschön wieso und weshalb eigentlich? Ich für meinen Teil kann mir jedenfalls ohne nennenswerte Mühe eine unfassbar riesengroße Horde Honks vorstellen, bei der mich der Gedanke im Grabe rotieren lassen würde, einer dieser Idioten könne mit Hilfe meiner unschuldigen, rechtschaffenen Organe noch ein paar Jahre länger auf diesem Planeten seinen Dünnsinn verzapfen und Schwachfug anstellen, als ihm das nach Gottes weisem Ratschluss eigentlich möglich gewesen wäre.

Es will mir kein bisschen einleuchten, warum mein Tod quasi objektiv sinnvoller sein soll, bloß weil meine Niere irgendeinem dahergelaufenen Trottel eingepflanzt wird, der anschließend aus dem Krankenhaus spaziert und erst mal mit neuer Verve und frischem Mute seine Frau verdrischt, seine Kinder misshandelt und anschließend in der nächsten Wahlkabine sein Kreuzchen bei der "Linken" macht. (Ich bitte mein Beispiel übrigens je nach weltanschaulichen & persönlichen Präferenzen zu modifizieren, bspw. durch "Lebensgefährten verdreschen", "Oma ertränken", "Beichtvater foltern", "Katze ficken", "Hamster fisten", "Grüne wählen", "NPD beitreten", "Obertongesang erlernen", whatsoever ...)

Und jaaaaa, geschenkt: das Beispiel ist mal wieder ein bisschen provokant formuliert, doch ich denke, jeder geneigte Leser, der willens & fähig ist, bis drei zu zählen, weiß, was ich damit sagen will und wo der Hase m. E. im Pfeffer liegt. Und wer nicht bis drei zählen will/kann, der kriegt den Hasen nicht und meine Niere schon gleich gar nicht. Vielleicht meine Leber oder meine Lunge - damit wünsch' ich ihm dann allerdings viel Spaß!  ;D
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: colourize am 07 November 2012, 00:03:17
Es will mir kein bisschen einleuchten, warum mein Tod quasi objektiv sinnvoller sein soll, bloß weil meine Niere irgendeinem dahergelaufenen Trottel eingepflanzt wird, der anschließend aus dem Krankenhaus spaziert und erst mal mit neuer Verve und frischem Mute seine Frau verdrischt, seine Kinder misshandelt und anschließend in der nächsten Wahlkabine sein Kreuzchen bei der "Linken" macht. (Ich bitte mein Beispiel übrigens je nach weltanschaulichen & persönlichen Präferenzen zu modifizieren, bspw. durch "Lebensgefährten verdreschen", "Oma ertränken", "Beichtvater foltern", "Katze ficken", "Hamster fisten", "Grüne wählen", "NPD beitreten", "Obertongesang erlernen", whatsoever ...)
Ob ein Mensch die Chance hat weiterzuleben sollte m.E. unabhängig von seinen Taten sein.

Andernfalls müsste ich ja im Umkehrschluss auch Menschen, die Frauen verdreschen, Kinder misshandeln oder Omas ertränken ein geringeres Recht auf Leben beimessen als Menschen, die das nicht tun. Die logische Konsequenz einer solchen Geisteshaltung wäre, dass es weniger verwerflich ist, einen Frauenverdrescher/Kinderschänder/Omaertränker hinterrücks niederzumeucheln als einen Nicht-Frauenverdrescher/Nicht-Kinderschänder/Nicht-Omaertränker. Was gleichsam auf eine moralische Wertordnung hinausliefe, wie sie im Wilden Westen Usus war, wo es völlig okay war den Pferdedieb zu lynchen oder den Bankräuber mal eben am nächsten Baum aufzuknüpfen.

Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: messie am 07 November 2012, 01:16:51
Zitat von: Kenaz
Es will mir kein bisschen einleuchten, warum mein Tod quasi objektiv sinnvoller sein soll, bloß weil meine Niere irgendeinem dahergelaufenen Trottel eingepflanzt wird, der anschließend aus dem Krankenhaus spaziert und erst mal mit neuer Verve und frischem Mute seine Frau verdrischt, seine Kinder misshandelt und anschließend in der nächsten Wahlkabine sein Kreuzchen bei der "Linken" macht.

Hmm, und wie sieht es für dich aus, wenn deine Niere zufälligerweise jemandem eingepflanzt wird, der Obdachlose davor rettet im Winter zu erfrieren, oder jemandem der als Rechtsanwalt einen großen Pharmaskandal aufdeckt (Stichwort Contergan ...) und damit tausenden von Menschen hilft, oder einem aufopferungsvollen Tafelmitarbeiter ...? Und überhaupt, wer weiß, vielleicht hat ja irgendwann mal jemand einem nicht seine Niere gespendet, dem im Anschluss daran sein Vorhaben, Hitler umzulegen kurz vorm zweiten Weltkrieg, gelungen wäre?

Genug um klarzustellen, dass diese "hätte, wäre, könnte"-Argumentation null komma gar nix bringt? ;)
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Kenaz am 07 November 2012, 06:37:51
Ob ein Mensch die Chance hat weiterzuleben sollte m.E. unabhängig von seinen Taten sein.

- Prinzipiell bin ich geneigt, Dir recht zu geben, die Frage ist nur, inwieweit dem einzelnen eine moralische Pflicht daraus gebastelt werden kann, sein Allereigenstes - und viel "eigener" als sein Körper ist nur noch seine Seele, was auch immer das genau bezeichnet - dafür herzugeben, diese Chance jedem unter völliger Ausblendung seiner Person einzuräumen. Ich würde den Satz lieber so formulieren: Jeder Mensch hat unabhängig von seinen Taten das Recht weiterzuleben, aber es besteht keine Pflicht für jeden Menschen, jedem unter allen Umständen und mit allen Mitteln dieses Weiterleben zu ermöglichen.

Andernfalls müsste ich ja im Umkehrschluss auch Menschen, die Frauen verdreschen, Kinder misshandeln oder Omas ertränken ein geringeres Recht auf Leben beimessen als Menschen, die das nicht tun.

- Durchaus richtig ja. Um die Frage jedoch ein bisschen unappetitlich zuzuspitzen: Nehmen wir an, Du hast zwei Menschen vor Dir, einen Frauenverdrescher und Omaertränker und einen Frauenstreichler und Omaüberdiestraßebegleiter - Du kannst nur einen mit Deiner Niere retten: bei wem würdest Du sagen, ist sie besser aufgehoben? Was ich damit sagen will: Es gibt Grenzen des "objektiven", ganz und gar neutralen Urteils und wir sollten im Interesse einer gewissen Redlichkeit aufhören so zu tun, als gäbe es die nicht.

Die logische Konsequenz einer solchen Geisteshaltung wäre, dass es weniger verwerflich ist, einen Frauenverdrescher/Kinderschänder/Omaertränker hinterrücks niederzumeucheln als einen Nicht-Frauenverdrescher/Nicht-Kinderschänder/Nicht-Omaertränker. Was gleichsam auf eine moralische Wertordnung hinausliefe, wie sie im Wilden Westen Usus war, wo es völlig okay war den Pferdedieb zu lynchen oder den Bankräuber mal eben am nächsten Baum aufzuknüpfen.

- Lynchjustiz ist keineswegs die "logische Konsequenz", wenigstens nicht im Sinne von "logisch"="zwingend" ... - aber es kommt am End' schon irgendwas zwischen "lex talionis" und Nietzsches "Herrenmoral" dabei raus ... - Aus Zeitgründen muss ich an dieser Stelle leider abbrechen, später gerne mehr.

Schönes Thema übrigens, vielleicht knie ich mich doch ein bisschen tiefer rein. ;)
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Graf Edward Zahl am 07 November 2012, 06:38:01
Ich sehe keinen Grund für Organspende...
Warum sollten Leute durch mein Ableben profitieren?
Also ganz ehrlich, zum einen hab ich nie wirklich aktiv gesund gelebt...
Zum ander'n ist mir diese Organspendedebatte viel zu emotional aufgeladen, als das man rational entscheiden könnte, ob das wirklich sinnvoll ist.
Zum Dritten ist mir das Leiden irgendwelcher Menschen ebenfalls egal.

Ausserdem öffnet man Missbrauch Tür und Tor. Wenn irgendein Reicher sterbenskrank ist, und ein Organ braucht, dass dann nicht vielleicht auch mal einen bisschen nachgeholfen wird.
Warum auch nicht?

http://www.youtube.com/watch?v=gQnejLliS9g (http://www.youtube.com/watch?v=gQnejLliS9g)
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: CubistVowel am 07 November 2012, 07:44:46
Ich für meinen Teil bin froh, dass Organverpflanzungen ohne Ansehen der Person erfolgen. Mir wäre es natürlich auch lieber, ein mir "genehmer" Mensch bekäme meine Organe, aber soweit ich weiß, gibt es kein allgemeingültiges Bewertungssystem für den Wert eines Menschenlebens, und damit kann ich sehr gut leben. (Zum Glück, denn in der heutigen Gesellschaft entschiede höchstwahrscheinlich der finanzielle Nutzwert dieses Menschen.)

Und wer aus dem Grunde nicht spenden will, weil es "Schindluder" gibt, handelt genau kontraproduktiv. Wie ich oben schon schrieb, würde eine größere Menge an Organspendern diese miesen Geschäfte unrentabel machen.

Ich hoffe für all diejenigen, die gegen Organspenden sind, dass sie niemals in so eine schlimme, schmerzhafte und ausweglose Lage geraten, dass ein neues Organ das letzte Mittel ist. Dann ist es übrigens meistens auch schnell vorbei mit dem großen Maul.

Vielleicht sollte man aber tatsächlich die Konsequenzen ziehen und daraus ein geschlossenes System machen? Das hieße, nur wer vor Ausbruch seiner Erkrankung bereits eine bestimmte Zeit als Spender registriert ist, hätte selbst ein Anrecht auf eine Transplantation. Nur mal als Anregung...^^
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Kaffeebohne am 07 November 2012, 08:03:24
Wenn einem Menschen damit aber das Leben gerettet oder zumindest deutlich erleichtert wird, dann wäre ich nicht "umsonst gestorben".

WARUM eigentlich, wenn ich mal so ketzerisch fragen darf? Es wird immer so gerne als eine völlig selbstverständliche Evidenz hingestellt, als ob "das Leben" ein Wert an sich sei, der nicht weiter hinterfragt werden könne/dürfe und uuuunbedingt & auf Teufelkommraus erhaltenswert sei?
Persönliches Empfinden. Für mich ist das Leben ein sehr kostbares Gut. Ich selbst möchte am liebsten lange & dabei gesund leben. Sollte ich aber versterben, dann ist das eben "der Lauf der Dinge". Ich würde ja nicht sterben, DAMIT ein "Honk" weiterleben kann. Klar kann ich mir auch Menschen vorstellen, die mir unsympathisch sind. Aber von einigen Extrembeispielen mal abgesehen, sehe ich jeden Menschen als einen Menschen an. Einen Menschen, der genauso wie ich an seinem Leben hängt.

Klar habe ich auch meine Werte und messe andere Menschen auch daran. Aber das geht nicht über eine persönliche Sympathie hinaus. Das heißt, ich entscheide aufgrund dieser, mit wem ich mich im Alltag umgeben möchte. Eine Entscheidung, welcher Mensch leben darf oder nicht, will ich nicht treffen.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Taéra am 07 November 2012, 08:38:28
Ich habe mich schon sehr früh für die Organspende entschieden. Wie ich später durch Zufall feststellte, hatte ich bereits meinen Ausweis in der Tasche, als ich vom Alter her noch gar nicht hätte spenden dürfen bzw. selber noch keine Entscheidungsbefugnis darüber hatte... Aber egal. ^^

Ich habe da eher die Einstellung, dass man mit meinem Körper machen darf, was die Lebenden eben wollen. Ist mir egal, ich bin dann tot. Und mein Körper ist es nicht, an dem meine Liebsten dann festhalten sollen.
Und über die Debatte, ab wann man denn nun als tot gilt, mache ich mir auch eher weniger Gedanken dabei. Da ich auch keine lebenserhaltenden Maßnahmen wünsche, ist es mir egal, ob mein Herz noch schlägt, aber mein Hirn schon ausgesetzt hat. Sobald ich nicht mehr ganz natürlich Leben kann, komplett ans Bett gefesselt bin und mich nicht mehr richtig mit meiner Außenwelt verständigen kann, bevorzuge ich den Tod.
Und dass meine Organe Menschen helfen, die es wirklich brauchen und auch verdient haben, daran will ich gar nicht zweifeln.
Und selbst wenn ich "nur" für Versuchs- oder Übungszwecke auf einem Tisch vor Medizinstudenten landen sollte (man weiß ja nie, was noch so kommen könnte^^) wäre mir das recht.
Es ist alles sinnvoller als im Erdreich zu verwesen.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Kenaz am 07 November 2012, 14:17:07
[...] vielleicht hat ja irgendwann mal jemand einem nicht seine Niere gespendet, dem im Anschluss daran sein Vorhaben, Hitler umzulegen kurz vorm zweiten Weltkrieg, gelungen wäre?
- Um die vom Kollegen colourize bereits geäußerte - und von mir im Grundsatz durchaus geteilte - These von der prinzipiellen Nicht-Aufrechenbarkeit persönlicher Taten und dem "Wert" des damit verbundenen, individuellen Lebens aus lauter Jux & Dollerei mal auf die provokante Spitze zu treiben: Wieso gilt eigentlich diese Apotheose des Lebens, die hier gerade abgefeiert wird, schon wieder für alle außer Hitler - wohlgemerkt: bevor (!) er den Zweiten Weltkrieg losgetreten hat (ihm also alles nach dem 1. September 1939 noch gar nicht aufs Brot geschmiert werden kann, weil's noch nicht geschehen wäre)? Ich dachte, "ob ein Mensch die Chance hat weiterzuleben sollte [...] unabhängig von seinen Taten sein"?  :o  Jetzt also doch nur mit Einschränkung?  :o

Und wieviel genau muss einer verbockt haben, damit er sein "unbedingtes Recht auf (Weiter-)Leben" verwirkt hat? Frau verdreschen? Oma ertränken? Kinder schänden? Serienkiller? Massenmörder? Völkermörder? - Wo genau verläuft denn die Grenze, ab der wir unsere schöngeistigen Prinzipien über Bord werfen und schreien: "Der hat den Tod verdient"? Oder zieht hier nur wieder die alte Nazi-Klausel: "Alle dürfen weiterleben, nur die Faschos nicht, weil Faschismus ist ja ein Verbrechen und keine Meinung"? - Das wäre dann allerdings ein seltsames "Prinzip".  ::)  Ich bitte höflichst um Erläuterung.

Genug um klarzustellen, dass diese "hätte, wäre, könnte"-Argumentation null komma gar nix bringt? ;)
- Diese "Hätte, wäre, könnte"-Argumentation bringt durchaus so einiges und ich erkläre Dir auch gerne, was genau, lieber messie: Ebensowenig nämlich, wie ich bereit bin, auf der Straße jedem Dahergelaufenen, der mich gerade dazu auffordert, 'nen Euro in die Hand zu drücken, schmeckt mir der Gedanke, meine Organe irgend jemandem zu überlassen, über den ich rein gar nichts weiß und der möglicherweise für Dinge eintritt, die ich zutiefst verachte und verabscheue. Ich spreche mich nämlich nicht prinzipiell gegen die Organtransplantation aus, sondern trete für ein Bestimmungsrecht des Spenders über die von ihm gespendeten Organe ein, das ist ein kleiner Unterschied. Und vor diesem Hintergrund finde ich die "Hätte, wäre, könnte"-Argumentation einer Entscheidungsfindung durchaus förderlich.

Ich hoffe für all diejenigen, die gegen Organspenden sind, dass sie niemals in so eine schlimme, schmerzhafte und ausweglose Lage geraten, dass ein neues Organ das letzte Mittel ist. Dann ist es übrigens meistens auch schnell vorbei mit dem großen Maul.
- Mir ist zwar nicht ganz klar, von welchem "großen Maul" Du hier sprichst, ich denke aber, dass die individuelle Entscheidung des einzelnen Menschen in dieser Hinsicht - und gerade in dieser! - unbedingt zu respektieren ist: Hat was mit der - bis jetzt noch ... - unveräußerlichen Würde des Menschen und Respekt vor dem Individuum zu tun. Alles andere mündet in diktatorische Strukturen; und die bilden sich immer dann, wenn das Prinzip - egal, wie es aussieht - über den einzelnen Menschen gestellt wird. Mit dem Primat irgendwelcher abstrakter Prinzipen beginnt der Terror, das lehrt die Geschichte anhand unzähliger Beispiele.

Vielleicht sollte man aber tatsächlich die Konsequenzen ziehen und daraus ein geschlossenes System machen? Das hieße, nur wer vor Ausbruch seiner Erkrankung bereits eine bestimmte Zeit als Spender registriert ist, hätte selbst ein Anrecht auf eine Transplantation.
- Diesen Gedanken finde ich persönlich gar nicht so übel. Ist auf jeden Fall konsequent und nimmt den einzelnen in seiner Entscheidung mit all ihren Konsequenzen absolut ernst. - Auch wenn's freilich wieder auf Prinzipienreiterei hinausläuft ...  ::)
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: colourize am 07 November 2012, 14:37:11
Ob ein Mensch die Chance hat weiterzuleben sollte m.E. unabhängig von seinen Taten sein.

- Prinzipiell bin ich geneigt, Dir recht zu geben, die Frage ist nur, inwieweit dem einzelnen eine moralische Pflicht daraus gebastelt werden kann, sein Allereigenstes - und viel "eigener" als sein Körper ist nur noch seine Seele, was auch immer das genau bezeichnet - dafür herzugeben, diese Chance jedem unter völliger Ausblendung seiner Person einzuräumen. Ich würde den Satz lieber so formulieren: Jeder Mensch hat unabhängig von seinen Taten das Recht weiterzuleben, aber es besteht keine Pflicht für jeden Menschen, jedem unter allen Umständen und mit allen Mitteln dieses Weiterleben zu ermöglichen.
Vollste Zustimmung.

Wobei sich m.E. die Frage stellt, ob wir Hirntoten diese Entscheidungskompetenz zusprechen wollen. Das Dumme bei der Sache ist ja, dass der Organspender im Regelfall nicht befragt werden kann, wer unter den wartenden Patienten sein Organ erhalten soll.


Andernfalls müsste ich ja im Umkehrschluss auch Menschen, die Frauen verdreschen, Kinder misshandeln oder Omas ertränken ein geringeres Recht auf Leben beimessen als Menschen, die das nicht tun.

- Durchaus richtig ja. Um die Frage jedoch ein bisschen unappetitlich zuzuspitzen: Nehmen wir an, Du hast zwei Menschen vor Dir, einen Frauenverdrescher und Omaertränker und einen Frauenstreichler und Omaüberdiestraßebegleiter - Du kannst nur einen mit Deiner Niere retten: bei wem würdest Du sagen, ist sie besser aufgehoben? Was ich damit sagen will: Es gibt Grenzen des "objektiven", ganz und gar neutralen Urteils und wir sollten im Interesse einer gewissen Redlichkeit aufhören so zu tun, als gäbe es die nicht.

Mag ja sein, aber das ist doch eher eine Gedankenspielerei. Wie schon gesagt: Organspender können nicht mehr befragt werden, wer ihre Organe erhalten soll. In der Praxis bekommt übrigens mit hoher Wahrscheinlichkeit derjenige das Organ, der über das höchste soziale Kapital verfügt. Respektive der, der den richtigen Arzt am schlausten zu bestechen weiß. Schon alleine auf Grund dessen sind etwaige Überlegungen über die Wertigkeit von Menschen im Kontext der konkreten Fragestellung eine ziemlich akademische Diskussion. ;) Fürst von Thurn und Taxis wird vermutlich knapp vor Dieter Hundt oder Josef Ackermann mit frischen Organen versorgt, und diese vermutlich deutlich vor dem Chef des örtlichen Opel-Autohauses. Als Kassenpatient stehst Du eh am Ende der Innereiennahrungkette und Dein linkenwählender Hartzer wird eh niemals in den Genuss eines frischen Herzens kommen - geschweige denn in die von Doppelherz, so wie Fürst von Thurn und Taxis.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: CubistVowel am 07 November 2012, 15:01:49
Ich hoffe für all diejenigen, die gegen Organspenden sind, dass sie niemals in so eine schlimme, schmerzhafte und ausweglose Lage geraten, dass ein neues Organ das letzte Mittel ist. Dann ist es übrigens meistens auch schnell vorbei mit dem großen Maul.
- Mir ist zwar nicht ganz klar, von welchem "großen Maul" Du hier sprichst, ich denke aber, dass die individuelle Entscheidung des einzelnen Menschen in dieser Hinsicht - und gerade in dieser! - unbedingt zu respektieren ist: Hat was mit der - bis jetzt noch ... - unveräußerlichen Würde des Menschen und Respekt vor dem Individuum zu tun. Alles andere mündet in diktatorische Strukturen; und die bilden sich immer dann, wenn das Prinzip - egal, wie es aussieht - über den einzelnen Menschen gestellt wird. Mit dem Primat irgendwelcher abstrakter Prinzipen beginnt der Terror, das lehrt die Geschichte anhand unzähliger Beispiele.

Ich sehe das nicht anders. Das "große Maul" bezog sich nicht auf dich, ich hatte erstens nicht den Eindruck, du seiest prinzipiell gegen Organspenden und zweitens fand ich deine Fragestellung, wenn auch krass formuliert, so doch legitim und interessant. Lass es mich also umformulieren:

Ich denke, dass viele, die sich (hier oder anderswo) gegen Organspenden aussprechen, weil es sie im Moment selbst nicht betrifft und sie sich nicht in die Lage eines Todkranken hineinversetzen können oder wollen - ich bin überzeugt, die Mehrzahl von denen wird sich bei eigener schwerer Erkrankung (oder des Kindes oder Partners...) dennoch für das Weiterleben mit einem fremden Organ entscheiden. Solange man halbwegs gesund ist, kann man prima rumtönen, dass man gegen [beliebige Medizin] ist. Wenn man aber selbst auf Platz 1028 der Liste hockt, wünscht man sich garantiert, man hätte ein paar weniger Leute vom Spenden abgehalten.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: EL am 07 November 2012, 16:32:50

Es will mir kein bisschen einleuchten, warum mein Tod quasi objektiv sinnvoller sein soll, bloß weil meine Niere irgendeinem dahergelaufenen Trottel eingepflanzt wird, der anschließend aus dem Krankenhaus spaziert und erst mal mit neuer Verve und frischem Mute seine Frau verdrischt, seine Kinder misshandelt und anschließend in der nächsten Wahlkabine sein Kreuzchen bei der "Linken" macht. (Ich bitte mein Beispiel übrigens je nach weltanschaulichen & persönlichen Präferenzen zu modifizieren, bspw. durch "Lebensgefährten verdreschen", "Oma ertränken", "Beichtvater foltern", "Katze ficken", "Hamster fisten", "Grüne wählen", "NPD beitreten", "Obertongesang erlernen", whatsoever ...)

Who told you recipients are indifferent from whom and what the way they will have donor organ ? Maybe if I were one of the patients, who several years went to dialysis and wait in the queue for transplantation, maybe, I would think different. But I think to have organ from somebody it's unpleasant in itself! Who know, was its owner idiot, bastard, killer or a decent man?... I understand it just as the last possibility for patients to be alive! Anyway it's ethic question from both side.
Luckily the Nature made kidneys as paired organ and first kidneys takes on itself a function of second one. So, with one kidney we can live long time! And for example I've lived normally 10 years with one kidney and hope I will live some time yet.)))
Maybe I will choose be dead in future than to wait for kidney of somebody.

I just very sorry, that because of ethic deadlock the scientists almost stopped research in the field therapeutic cloning (http://www.cloneorgans.com/category/therapeutic-cloning/). I would like to see my alternative kidney grown from my DNA material in laboratory method.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: messie am 07 November 2012, 18:50:29
Zitat
Und wieviel genau muss einer verbockt haben, damit er sein "unbedingtes Recht auf (Weiter-)Leben" verwirkt hat?

Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wieviel muss jemand richtig gemacht haben, damit er ein Recht auf Leben hat? Deiner Argumentation zufolge haben ja offenbar bestimmte Menschen kein Recht auf (Weiter-)leben, da du jenen deine, für sie überlebenswichtigen, Organe ja eh nicht geben würdest.

Das Hitlerbeispiel passt da ganz gut: Du gibst also Menschen nicht deine Organe, wenn sie etwas Schlimmes getan haben, sie sich in deinen Augen also offensichtlich als "schlechte Menschen" geoutet haben.
Übersieht dabei aber zwei Dinge: Erstens, woher das Wissen, dass diese auch weiterhin schlecht bleiben (vielleicht hat die verbüßte Strafe ja tatsächlich etwas gebracht in Sachen Umdenken ...?), zweitens, woher die Sicherheit, dass jene, die du ihnen dann deine Organe gibst, später sich nicht doch als "schlechte Menschen" outen? Siehe Hitler, mit 18 ein schüchterner, wohlerzogener Junge, später ein Massenmörder aus Überzeugung. (Lässt sich auf unzählige andere Menschen übertragen, Stalin, Khomeini, Fritz Haarmann ...)

Zitat
Ich spreche mich nämlich nicht prinzipiell gegen die Organtransplantation aus, sondern trete für ein Bestimmungsrecht des Spenders über die von ihm gespendeten Organe ein, das ist ein kleiner Unterschied.

Siehe eben: Woran möchtest du es dann festmachen, wem du deine Organe geben wirst? Kommen dann für dich also nur zwei Dutzend Menschen in Frage denen du spenden würdest (Enge Freunde + Familie), das war's? Für alle anderen bleibt doch ausnahmslos die Unsicherheit übrig, ob sie in ihrem Leben mit deinen Organen nicht doch noch Dinge tun, mit denen du dich nicht einverstanden erklären würdest.

Ich kann zwar dieses Ansinnen, nur "guten" Menschen die eigenen Organe geben zu wollen, verstehen, halte es aber für nicht umsetzbar. Für mich bleibt hier lediglich das Prinzip Hoffnung, dass es nicht einen der "Bösen" erwischt.

Aus diesem Grund denke ich, dass man eine Spende davon nicht unabhängig machen kann und auch erst gar nicht sollte: Da es eh Gevatter Zufall ist der hier regiert, bleibt lediglich übrig, dass man ein Leben verlängert hierdurch, und ob man das gerne möchte für den Preis, dass man mit einer sehr kleinen Prozentzahl selbst bei draufgeht - oder eben nicht.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Kenaz am 07 November 2012, 19:34:35
Mag ja sein, aber das ist doch eher eine Gedankenspielerei. Wie schon gesagt: Organspender können nicht mehr befragt werden, wer ihre Organe erhalten soll.
- Das ist genau die Frage, die für mich von besonderem Interesse wäre: die Organisation der Weitergabe. Ich möchte tatsächlich Einfluss darauf haben, wer mit meinen Organen 'ne zweite Chance erhält, um weiterzumachen. Und da es immer Menschen gibt, die mir sympathischer sind als andere, und das in der Gruppe der Organbedürftigen kaum anders aussehen dürfte, wäre diese Frage für mich von gesteigertem Interesse. Das ist es, was ich weiter oben mit den Grenzen der neutralen Betrachtung meinte, die wir uns meiner Ansicht nach redlicherweise eingestehen sollten.

Ich hab' vor Jahren mal auf 'nem Tour-T-Shirt von Blood Axis den herben Spruch gelesen: "The tears of strangers are only water." Das klingt auf den ersten Blick freilich bitter, aber hey: so funktionieren wir Menschen nun mal, und bei näherer Betrachtung ist das ziemlich normal. (Das Gegenteil hingegen ist ungewöhnlich, weshalb Jesus & Konsorten ja derart von sich reden mach(t)en ...) Wie gesagt: Ich drücke auch nicht jedem, der mich auf der Straße anbettelt, Geld in die Hand, sondern suche mir von zwei Nasen diejenige aus, die mir intuitiv sympathischer ist. Und klar: Wenn ich die Wahl habe zwischen einem, der meine Werte und das, was mir lieb & teuer ist, teilt, dann finde ich den Gedanken, dass der mit meinem Organ XY weiterlebt, sympathischer, als wenn der frauenverdreschende & hamsterfistende Omaertränker damit eine zweite Chance erhält.

Dass die Frage der Umsetzung in der Praxis freilich nicht ganz unknifflig ist, möchte ich mit keiner Silbe in Zweifel ziehen, aber da könnte ich mir schon so einiges zurechfantasieren ...

In der Praxis bekommt übrigens mit hoher Wahrscheinlichkeit derjenige das Organ, der über das höchste soziale Kapital verfügt. Respektive der, der den richtigen Arzt am schlausten zu bestechen weiß. Schon alleine auf Grund dessen sind etwaige Überlegungen über die Wertigkeit von Menschen im Kontext der konkreten Fragestellung eine ziemlich akademische Diskussion. ;) Fürst von Thurn und Taxis wird vermutlich knapp vor Dieter Hundt oder Josef Ackermann mit frischen Organen versorgt, und diese vermutlich deutlich vor dem Chef des örtlichen Opel-Autohauses. Als Kassenpatient stehst Du eh am Ende der Innereiennahrungkette und Dein linkenwählender Hartzer wird eh niemals in den Genuss eines frischen Herzens kommen - geschweige denn in die von Doppelherz, so wie Fürst von Thurn und Taxis.
- Nun, da ich passionierter Pessimist bin, teile ich diese Deine Einschätzung natürlich vollumfänglich, doch wie sieht Deiner Ansicht nach die sinnvollste Konsequenz aus: "Meine Niere/Lunge/Leber/Netzhaut etc.pp. gehört mir"? "Lieber kriegt sie keiner als der Ackermann"? (Wobei, letztere Konsequenz würde ich tatsächlich sofort und ohne mit der Wimper zu zucken unterschreiben ...  ;D) - Ich bin ich dieser Frage tatsächlich unentschieden ...

Das "große Maul" bezog sich nicht auf dich, ich hatte erstens nicht den Eindruck, du seiest prinzipiell gegen Organspenden und zweitens fand ich deine Fragestellung, wenn auch krass formuliert, so doch legitim und interessant.
- Hase, wir versteh'n uns. Schön! :)

Ich denke, dass viele, die sich (hier oder anderswo) gegen Organspenden aussprechen, weil es sie im Moment selbst nicht betrifft und sie sich nicht in die Lage eines Todkranken hineinversetzen können oder wollen - [...]
- Da bin ich zu 100% bei Dir. Das Thema Leiden und Tod gehört in der überwiegend entertainmentorientierten Bevölkerung sicherlich nicht zu den großen Publikumsmagneten - zumindestens nicht, wenn's jenseits der Ebene von "Hostel", "Martyrs" oder "Saw I-schießmichtot" mal ganz realistisch und praxisorientiert behandelt wird.

[... ]ich bin überzeugt, die Mehrzahl von denen wird sich bei eigener schwerer Erkrankung (oder des Kindes oder Partners...) dennoch für das Weiterleben mit einem fremden Organ entscheiden. Solange man halbwegs gesund ist, kann man prima rumtönen, dass man gegen [beliebige Medizin] ist. Wenn man aber selbst auf Platz 1028 der Liste hockt, wünscht man sich garantiert, man hätte ein paar weniger Leute vom Spenden abgehalten.
- Konsens. Deshalb finde ich Deinen Vorschlag von weiter oben ja auch durchaus interessant, diskussionswürdig und nicht so ohne weiteres vom Tisch zu wischen.

@ messie

Ich finde, Du weichst aus und das nicht zu knapp. Im übrigen habe ich weiter oben bereits ausgeführt, dass für mich grundsätzlich jeder ein Recht auf (Weiter-)Leben hat, daraus meiner bescheidenen Meinung nach umgekehrt aber keine moralische Pflicht für den einzelnen abzuleiten ist, jedem dahergelaufenen Honk mit den eigenen Organen ein Weiterleben zu ermöglichen, welches ohne diese Organe an seine natürlichen Grenzen stieße. Aus eben diesem Grunde lehne ich einerseits die Todesstrafe ab und finde andererseits Dein Hitlerattentäterbeispiel höchst fragwürdig, denn es insinuiert, ab einem gewissen Punkt habe es jemand sehr wohl verdient, gewaltsam unter die Erde befördert zu werden. Und in dieser Frage, mein guter messie, eierst Du herum und versuchst den Ball in meinen Teil des Spielfeldes zurückzuschummeln und Dich um eine Antwort auf meine Frage zu drücken. Entweder radikale Friedenstaube und prinzipieller Lebensapologet oder Attentate rechtfertigen, beides geht nun mal nicht - man kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen und es allen recht machen (ich weiß freilich, dass Du das gerne versuchst ... ;) )

Und woran ich festmachen möchte, wem ich meine Organe gebe, das habe ich ja wohl schon einigermaßen klar & deutlich ausgeführt. Siehe die Analogie zum Bettelbeispiel.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: colourize am 07 November 2012, 21:17:43
In der Praxis bekommt übrigens mit hoher Wahrscheinlichkeit derjenige das Organ, der über das höchste soziale Kapital verfügt. Respektive der, der den richtigen Arzt am schlausten zu bestechen weiß. Schon alleine auf Grund dessen sind etwaige Überlegungen über die Wertigkeit von Menschen im Kontext der konkreten Fragestellung eine ziemlich akademische Diskussion. ;) Fürst von Thurn und Taxis wird vermutlich knapp vor Dieter Hundt oder Josef Ackermann mit frischen Organen versorgt, und diese vermutlich deutlich vor dem Chef des örtlichen Opel-Autohauses. Als Kassenpatient stehst Du eh am Ende der Innereiennahrungkette und Dein linkenwählender Hartzer wird eh niemals in den Genuss eines frischen Herzens kommen - geschweige denn in die von Doppelherz, so wie Fürst von Thurn und Taxis.
- Nun, da ich passionierter Pessimist bin, teile ich diese Deine Einschätzung natürlich vollumfänglich, doch wie sieht Deiner Ansicht nach die sinnvollste Konsequenz aus: "Meine Niere/Lunge/Leber/Netzhaut etc.pp. gehört mir"? "Lieber kriegt sie keiner als der Ackermann"? (Wobei, letztere Konsequenz würde ich tatsächlich sofort und ohne mit der Wimper zu zucken unterschreiben ...  ;D) - Ich bin ich dieser Frage tatsächlich unentschieden ...
Halten wir fest: jeder sollte - unabhängig von seinem Handeln - in den Genuss einer medizinischen Behandlung kommen, die hilft sein Leben zu retten.

Halten wir ferner fest: Organe sind (zumindest derzeit) ein durchaus knappes Gut. Ferner passt nicht ein beliebiges Spenderorgan zu jedem potentiellen Empfänger (wobei "gleiche Blutgruppe" nur einer der limitierenden Faktoren darstellen dürfte). Vor allem aber: unter den Bedingungen eines derart zwielichtigen Marktes, bei dem es noch nicht mal gelingt, quantitative Größen wie Wartezeiten in Jahren sowie intersubjektiv überprüfbare Prioritätsindikatoren als Vergabekriterien umzusetzen, bin ich einigermaßen skeptisch dass Variablen wie "homogene Wertorientierung von Empfänger und Spender" eine Chance auf Umsetzung haben. Im Zweifelsfall würde nämlich Josef Ackermann sehr schnell zum überzeugten Sozialisten umetikettiert werden, oder Fürst von Thurn und Taxis als vorderster Vertreter der Reinstitutionalisierung der Räterepublik mit neuen Organen neu auferstehen.

Die Lösung *kann* also einzig und allein darin bestehen, die Zahl verfügbarer Spenderorgane derart signifikant zu erhöhen, dass jeder - vom Hartzer bis zum Acker Mann - in den Genuß von passenden Innereien kommt. Sprich: Eine Gesetzesänderung muss her, die dem toten Menschen (bzw. seinen Angehörigen) sämtliche Verfügungsrechte über (dann eben nicht mehr) "seine" Organe abspricht und ihn im Falle eines Hirntods automatisch zum Lieferanten der dringend benötigten Ersatzteile umdeklariert. Und zwar ohne das Recht auf Widerspruch von irgendwem.

Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Kenaz am 07 November 2012, 21:38:50
Eine Gesetzesänderung muss her, die dem toten Menschen (bzw. seinen Angehörigen) sämtliche Verfügungsrechte über (dann eben nicht mehr) "seine" Organe abspricht und ihn im Falle eines Hirntods automatisch zum Lieferanten der dringend benötigten Ersatzteile umdeklariert. Und zwar ohne das Recht auf Widerspruch von irgendwem.

- Aaaalder, ich kotz' ja alles voll!  :o  Das ist nun wirklich genau die Extremform biologistisch-materialistischer Technokratenterrordiktatur, gegen die ich mit Zähnen und Klauen zu Felde ziehen würde.

Ermsthaft: wenn's so weit kommt, bin ich der erste, der in den Untergrund geht und einen Sprengstoffgürtel anlegt. Gesetzt den Fall, es handelt sich jetzt nicht gerade um eine besonders perfide Form der Ironie oder Du bist gerade sturzbesoffen oder sonstwie nicht Herr Deiner fünf Sinne (eine Annahme zu der ich insofern tendiere, als dieses Geschreibsel nun wirklich so gar nicht zu dem passt, was Du bislang so abgelassen hast), dann stelle ich fest, dass die Welt, die Du da forderst, keine ist, in der ich auch nur 24 Stunden leben will. Da möchte ich lieber tot sein. Und ich denke, der Sprengstoffgürtel wäre da wirklich das Mittel der Wahl, damit auch gewährleistet ist, dass Leute Deines Kalibers nicht auch noch ihren Nutzen daraus ziehen.

Selten etwas derart ausgesucht Ekelhaftes gelesen. Mich schüttelt's.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: colourize am 07 November 2012, 21:52:31
Zugegeben, ich habe das ein wenig zugespitzt. Tatsächlich aber frage ich mich, warum es hierzulande nicht möglich ist, die Zahl der Spenderorgane durch eine Widerspruchsregelung signifikant zu erhöhen. Schaffen ja selbst Staaten die nicht gerade für eine sekulare Grundorientierung ihrer Bevölkerung bekannt sind, wie etwa Polen, Israel oder Österreich.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Multivac am 09 November 2012, 13:46:20
Hasen, es sollte keine Diskussion pro oder contra Organspende werden, sondern mir ging es um die Aufweichung der Definition des Todes. Organspende ist ein sehr intimes Thema und ich denke, man sollte es jedem selbst überlassen, genauso, wie man andere Leute nicht fragt, was sie wählen.

Das potentielle Leben eines Empfängers über das eines Spenders zu stellen - das irritiert mich. Einen Menschen sterben zu lassen, um einen anderen zu retten - das verstehe ich nicht. Wie gesagt, nach 2min wacht noch die Hälfte aller Herztoten mit voller Hirnleistung auf. Wenn die in Zukunft als tot gelten, töten wir statistisch gesehen die Hälfte aller Spender bewußt und aktiv. Ich denke, egal, was e sauf der anderen Seite zu gewinnen gibt - es legitimiert es nicht. Ebenso, wie es keine Todesstrafe bei uns gibt, egal, was jemand tat. Leben kann moralisch nicht aufgerechnet werden gegen irgendwas. Wie soll ein Arzt so einer Definitionsänderung eigentlich nachkommen - mit dem hippokratischen Eid, den er leistete ?
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: CubistVowel am 09 November 2012, 16:13:15
Es ist ja so, daß ein Mensch früher mit dem Herzstillstand als tot erklärt wurde. Dann bemerkte man,
daß das Gehirn dann noch funktionieren kann, also wurde die neue Definition für "tot", wenn auch ein
Gehirntot eingetreten war. Nun soll, da es an Organen für die Spende mangelt, wieder die alte Definition
eingeführt werden, Herztot gleich tot. Nun ist es aber so, daß nach einem Herzstillstand nach 2-10min
ca. die Hälfte der Patienten wieder aufwacht - bei voller Gehirnfunktion ! Das bedeutet, daß bereits
nach jetziger Praxis (75sec. Wartezeit) eigentlich ein haufen Leute getötet werden, wenn Ihnen
Organe entnommen werden. Mit der neuen Definition wird dieser Mord auch noch rechtlich abgesichert.

Ich lese aus dem von dir verlinkten Artikel nirgends heraus, dass die Definition für den Tod "aufgeweicht" werden soll - im Gegenteil, laut diesem Text gibt es offenbar immer mehr Wissenschaftler, die behaupten, selbst der Hirntod sei noch nicht das Ende. Nach diesen Wissenschaftlern zu urteilen, müsste der definitive Tod ja noch weiter "nach hinten" verlegt werden... Aber bis wann - bis man anfängt zu verwesen?

Wo hast du denn gelesen/gehört, dass die Definition für den Tod von Hirntod zu Herztod "vorverlegt" werden soll? Gibt es da einen Link mit belastbaren Infos?
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: nightnurse am 09 November 2012, 16:59:01
Das Problem, wie ich es verstanden hatte, ist: Daß viele Wissenschaftler den Hirntod in seiner momentanen Definition nicht als Den Tod ansehen und daß das in Sachen Organspende nicht sehr hilfreich ist.
Wenn, wie da steht, er Kreislauf eines Hirntoten noch 14 Jahre lang selbständig funktionieren kann (  :o)...quo vadis, Organspende?
Bisher, so verstehe ich das, macht man den Test auf Hirntod und wenn man da keine Aktivitäten mehr findet, gibt man den Menschen zur Entnahme frei - ohne zu warten, ob da vielleicht noch etwas funktioniert oder nicht, denn wenn man das abwartet und es gibt keine weitere Kreislauffunktion, kann man womöglich am Ende die Organe nicht verwerten.

Es ist dann vielleicht auch kein Zufall, daß

Zitat
Hirntod heißt nach dem deutschen Gesetz: Großhirn, Kleinhirn, Stammhirn sind endgültig, nicht behebbar ausgefallen. An keiner Stelle aber steht im Transplantationsgesetz (TPG), dass der Hirntod der Tod ist.
Der Staatsrechtler Wolfram Höfling bezeichnet diesen Umstand als ein „Glanzstück juristischer Trickserei“: Die Abgeordneten haben eine Organentnahme nach dem Hirntod erlaubt, ohne zu sagen, dass der Hirntod den Tod bedeutet. Warum? Ganz einfach: Weil der Hirntod nicht dasselbe ist wie der Tod.

Das ist halt so, man muss, um Organspenden von Toten durchzuführen, den Todeszeitpunkt mögichst früh ansetzen, und zwar, wenn wir dem Artikel gauben, VOR dem, was wissenschaftlich als "tot" gilt.
Man muss dabei gar nicht bis zum Herztod gehen, damit ich mich, wie erwähnt, etwas zu gruseln beginne.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: seinschi am 09 November 2012, 18:25:51
Antworten auf ethische Fragen, die das eigene Tun leiten sollen, zu ergooglen, halte ich fuer einen falschen Weg. Fuer Denkanstoesse langt das Weltweitnetz bestimmt, doch halte ich es fuer weitaus besser, wenn man sich selber hinterfragt.

Es gibt ja durchaus allgemein gueltige ethische Grundsaetze, die im Kernteilen in allen Kulturen Gueltigkeit erfahren. Ein Beispiel waeren dafuer Gebote wie "Du sollst nicht toeten" oder "Du sollst nicht begehren des anderen Hab und Gut", die fuer diese Diskussion zu Rate zu ziehen waeren.

Meinen Koerper betrachte ich als mein Hab und Gut, insofern mach ich auch damit, was ich moechte. Daher moechte ich auch gern ueber die "Verwertung" meiner Huelle entscheiden, sobald ich selber das Zeitige gesegnet habe. Somit finde ich es auch verkehrt, wenn jemand anders darueber bestimmen soll.

Die Bestimmung des genauen Todeszeitpunktes ist offensichtlich eine sehr diffizilie ethische Frage, an der sich recht schnell die Geister scheiden. Was heisst "tot", ist man schon tot, wenn man durch Maschinen ueber langen Zeitraum am Leben erhalten werden muss? Wenn das Unterbewusstsein nicht mehr aktiv ist? Diese Frage ist kaum mit wissenschaftlicher Exaktheit zu klaeren, genau wie die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt eine Abtreibung in Frage kommt.. Wann beginnt und endet fuer uns "menschliches Leben" ? Da fallen schnell Worte wie "Seele" , wer damit aber unbedacht um sich wirft, sollte bedenken, dass die meisten mittlerweile auch den Tieren den Besitz einer Seele zusprechen. Und dennoch Fleisch verzehren . . .


Kurz und gut: ich hab nen Organspendeausweis ... weil ich denke, dass man so oder so nix meitnehmen kann

Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: DunkelBunt am 10 November 2012, 10:48:48

Ich bin fest davon überzeugt, daß das deutsche System der Organvergabe eines der besten der Welt ist.

Es gibt ein Punktesystem, das die Dringlichkeit regelt. Da kann man selbst nach Jahren an der Dialyse immer noch im Bereich von 13, 14, oder 15 sein und erst ab 30 hat man überhaupt die Chance auf der Liste weiter nach vorne zu rutschen. Ab 32 besteht allerdings schon akute Lebensgefahr.....


Meiner Meinung nach ist hier schon ein Fehler im System.

Theoretisch finde ich die Idee mit der Organspende eine prima Sache und würde mir auch einen Organspendeausweis zulegen.
Allerdings vertraue ich weder der Ärzteschaft, noch der Pharmaindustrie, und unser Rechtssystem finde ich auch an vielen Stellen mehr als fragwürdig.
Soll heißen; Ich hätte schlicht und ergreifend Angst, dass man mich sterben lässt, um einer anderen Person das Leben zu retten!
Ich weiß, dass dies sehr einfach gedacht ist, und sicherlich auch auf gewisse Art und Weise realitätsfremd ist, aber die Unsicherheit bleibt. Und warum sollte ich etwas tun, bei dem ich mich nicht wohlfühle?
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Julya am 10 November 2012, 11:22:42
Ich bin fest davon überzeugt, daß das deutsche System der Organvergabe eines der besten der Welt ist.
Es gibt ein Punktesystem, das die Dringlichkeit regelt. Da kann man selbst nach Jahren an der Dialyse immer noch im Bereich von 13, 14, oder 15 sein und erst ab 30 hat man überhaupt die Chance auf der Liste weiter nach vorne zu rutschen. Ab 32 besteht allerdings schon akute Lebensgefahr.....

Meiner Meinung nach ist hier schon ein Fehler im System.

Das Punktesystem an sich finde ich nicht schlecht. Daß es allerdings so knapp ist und daß man erst "fast tot" sein muss, um ein Organ zu bekommen, liegt einzig und allein an der Tatsache, daß es zu wenig Spender gibt.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: colourize am 10 November 2012, 22:31:00
Eine Gesetzesänderung muss her, die dem toten Menschen (bzw. seinen Angehörigen) sämtliche Verfügungsrechte über (dann eben nicht mehr) "seine" Organe abspricht und ihn im Falle eines Hirntods automatisch zum Lieferanten der dringend benötigten Ersatzteile umdeklariert. Und zwar ohne das Recht auf Widerspruch von irgendwem.

- Aaaalder, ich kotz' ja alles voll!  :o  Das ist nun wirklich genau die Extremform biologistisch-materialistischer Technokratenterrordiktatur, gegen die ich mit Zähnen und Klauen zu Felde ziehen würde.

Ermsthaft: wenn's so weit kommt, bin ich der erste, der in den Untergrund geht und einen Sprengstoffgürtel anlegt. Gesetzt den Fall, es handelt sich jetzt nicht gerade um eine besonders perfide Form der Ironie oder Du bist gerade sturzbesoffen oder sonstwie nicht Herr Deiner fünf Sinne (eine Annahme zu der ich insofern tendiere, als dieses Geschreibsel nun wirklich so gar nicht zu dem passt, was Du bislang so abgelassen hast), dann stelle ich fest, dass die Welt, die Du da forderst, keine ist, in der ich auch nur 24 Stunden leben will. Da möchte ich lieber tot sein. Und ich denke, der Sprengstoffgürtel wäre da wirklich das Mittel der Wahl, damit auch gewährleistet ist, dass Leute Deines Kalibers nicht auch noch ihren Nutzen daraus ziehen.

Selten etwas derart ausgesucht Ekelhaftes gelesen. Mich schüttelt's.
Nachdem ich meine Aussage ja relativiert habe (Widerspruchsrecht würde ich dann doch einräumen wollen ;) ) würde mich am Ende des Tages dann doch Dein Argument interessieren. Das hast Du nämlich bislang noch verschwiegen.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Kenaz am 11 November 2012, 07:35:22
Nachdem ich meine Aussage ja relativiert habe (Widerspruchsrecht würde ich dann doch einräumen wollen ;) ) würde mich am Ende des Tages dann doch Dein Argument interessieren. Das hast Du nämlich bislang noch verschwiegen.

- Mein Argument wofür oder wogegen? Gegen Pflichtausschlachtung mit Widerspruchsrecht? Nun, da würde ich mich im großen & ganzen seinschi anschließen:

Meinen Koerper betrachte ich als mein Hab und Gut, insofern mach ich auch damit, was ich moechte. Daher moechte ich auch gern ueber die "Verwertung" meiner Huelle entscheiden, sobald ich selber das Zeitige gesegnet habe. Somit finde ich es auch verkehrt, wenn jemand anders darueber bestimmen soll.

Ich finde es in Ordnung, wenn man die Pistole ein bisschen nachdrücklicher auf die Brust gesetzt bekommt und dermaßen genötigt wird, sich zu dem Thema verbindlich zu äußern. Eine Gesetzesänderung, wie sie Dir vorzuschweben scheint, nämlich eine nicht gegebene Antwort automatisch als "Ja" zu werten, lehne ich allerdings ganz entschieden ab.

Dass ich als reaktionäre Socke die galoppierende Funktionalisierung und - damit nahezu zwangsläufig verbundene - Ökonomisierung von allem mit Verve bekämpfe, dürfte Dir klar sein. Und nichts anderes ist es, wenn der leblose menschliche Körper nach einer Zeitspanne x - die, wie wir Multivacs Artikelchen entnehmen können, auch von "Wissenschaftlern" nur ungenau bestimmt werden kann und insofern höchst umstritten ist - automatisch vom Modus "Träger und Gefäß der menschlichen Persönlichkeit/Seele/whatsoever" in den Modus "Ersatzteillager" wechselt. Und es spricht mal wieder für die grenzenlose Arroganz des naturwissenschaftlich geprägten Denkens, alle Positionen hierzu, die nicht auf einer naturwissenschaftlichen, rein rationalen Argumentation basieren, eo ipso als quasi-esoterischen Mumpitz vom Tisch zu fegen.

Insbesondere mit der Frage nach der Grenze zwischen Leben und Tod bewegen wir uns ja in einem Grenzbereich, wo die Unschärfe zwischen der Ebene des Materiellen und des Geistigen überdeutlich spürbar wird. Da ist man, wie ja schon gesagt wurde, ganz fix bei der Frage nach dem "Wesen" des Menschen (um den religiös überfrachteten Terminus "Seele" mal zu umschiffen) - und wer allen Ernstes denkt, die sei nach mehreren Jahrtausenden menschlicher Grübel- und Forscherei nun erschöpfend beantwortet, der irrt gewaltig. Es gibt in dieser Hinsicht zwar immer wieder hübsche Thesen, Ansätze und Vorschläge, die den Moden der jeweiligen Zeit unterliegen - das ist in der Wissenschaft bekanntlich nicht anders als in der Musik- oder Textilindustrie -, doch eine hieb- & stichfeste Antwort/Lösung steht nach wie vor aus (und das wird, so meine Überzeugung, gottlob auch so bleiben).

Da dem so ist, bedeutete eine "Zwangsentnahme" bei denen, die sich nicht geäußert haben, dass sie aufgrund einer letztlich willkürlichen Mehrheitsentscheidung, die durch nichts als Thesen, Mutmaßungen und Annahmen gestützt wird, ausgeschlachtet würden. Das kann ich unmöglich gutheißen. Denn ich bin sehr wohl der Meinung, dass es gewisse Restbereiche des Lebens geben sollte, die uns "heilig" - im Sinne einer prinzipiellen Unantastbarkeit - sein & bleiben sollten; viele sind eh nicht mehr übrig. Der des menschlichen Körpers als unbedingtes Hoheitsgebiet seines "Trägers" gehört für mich ebenso dazu wie der der menschlichen Person als Gegenstand unbedingter Achtung, respektive: "Würde". Denn dass auch die auf rationaler Ebene prinzipiell verhandelbar ist, muss ich Dir wohl kaum erklären. Und warum man diese Verhandlung trotzdem entschieden von sich weist, sicherlich ebensowenig. Ich will nicht in einer Welt leben, in der der Zweck jedes Mittel heiligt - und das will keiner von uns, wenn er mal etwas tiefer darüber nachdenkt. Dummerweise steht tiefes Nachdenken nicht allzu hoch im Kurs, was den Meinungsmachern und Parolenherumtrötern dieser Welt ihr unappetitliches Handwerk so betrüblich leicht macht ...

Fazit: Flächendeckende Befragung und ein Anziehen der Daumenschrauben, sich hinsichtlich einer möglichen Organentnahme zu äußern: Ja. Zwangsausschlachtung bei Nichtvorliegen einer Antwort: Nein.

edit: morgendliche Flüchtigkeitsfehler ausgebügelt ...
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Eisbär am 11 November 2012, 08:32:21
Es heißt schließlich Organspende, nicht Organsteuer oder -abgabe.

Spenden sind freiwillig. Davon ab hab ich bei jeder anderen Form von Spende das Recht, zu entscheiden, wofür diese Spende genutzt werden darf. Dabei geht es bei den anderen Spenden nur um schnödes Geld, nicht um so etwas persönliches, privates und intimes wie einen Teil seiner selbst, wie es bei der Organspende der Fall ist.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: messie am 11 November 2012, 20:09:19
Es heißt schließlich Organspende, nicht Organsteuer oder -abgabe.

Das ist zwar richtig, es stellt sich aber ja schon die Frage, ob es nicht doch eine sein sollte oder könnte. Also, ob man es nicht doch auch als eine Art Bürgerpflicht ansehen könnte, indem man sagt, dass es zu den Bürgerpflichten gehört Leben zu retten. Wenn man das weiter denkt, könnte man auch behaupten, dass es "unterlassene Hilfeleistung" ist, wenn man die eigenen Organe nicht spendet, weil damit ein Mensch zu Tode kommt, den es sonst nicht erwischen würde.

Klingt erstmal sehr ungewohnt, rein logisch betrachtet kann man das aber schon so sehen. Denn auch alle anderen Bürgerpflichten sind Dinge, die niemandem schmecken. Wer zahlt schon gerne Steuern? Wer gerne die Sozialabgaben? Dies sind auch alles Dinge die dazu führen, dass man selbst versorgt ist und jeder Bürger davon profitiert.
Sind alle Menschen dabei, dann profitiert auch jeder davon. Nicht profitieren kann dann die Seite, die kriminelle Energie dort hineinsteckt, da Organe dann -klingt jetzt etwas makaber, ist aber ja so- zu günstig zu haben sind, als dass sich das Geschäft damit dann noch besonders lohnen würde.

Es sterben auf diese Weise dann aber deutlich weniger Menschen, und jeder von uns hat dieselbe Chance, davon eines Tages selbst mal profitieren zu können. Womit dann ein Solidarprinzip herrscht, das das sonstige Gesundheitssystem ja ebenfalls befolgt: Schließlich müssen auch Leute ihren Krankenkassenbeitrag bezahlen, selbst wenn sie nicht einmal in ihrem Leben krank werden bzw. Medikamente nehmen oder zum Arzt gehen.

Die entscheidende Frage ist insofern vor allem: Wem gehört der eigene Körper nach dem Tod eigentlich? Den Nachkommen, den Verwandten?
Würde er stattdessen dem Staat gehören, dann wäre dieses Solidarprinzip im Tode nur konsequent.

Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Kenaz am 11 November 2012, 20:19:09
Würde er stattdessen dem Staat gehören, dann wäre dieses Solidarprinzip im Tode nur konsequent.

- Ihr dreht jetzt völlig durch, was?! Wenn ich nicht aus Erfahrung wüsste, dass Deiner Schreibe Ironie nahezu völlig abgeht, würde ich lachen. - So bleibt mir nur noch, meine absolute Fassungslosigkeit zu Protokoll zu geben.

Dem habe ich wirklich nichts mehr hinzuzufügen.
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: messie am 11 November 2012, 21:05:23
Stimmt, schriftlich hab ich's mit Ironie nicht so. Kapiere sie auch nicht immer, wenn ich welche lese.
Ein bisschen davon steckt da diesmal aber schon mal drin. Um's anders zu sagen: So ganz glaube ich mir das auch nicht was ich da schrieb, war nur eine Gedankenspielerei. Eine der Sorte "hmm, und wenn man das jetzt doch mal umdreht und sagt 'so isset', was wäre dann die logische Konsequenz?" ;)

Eine im übrigen wäre dann auch, dass ausschließlich der Staat für Beerdigungskosten aufkommen müsste. Wem der Körper gehört, der bezahlt! Fertich.  8)
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Black Ronin am 12 November 2012, 09:13:13
Würde er stattdessen dem Staat gehören, dann wäre dieses Solidarprinzip im Tode nur konsequent.

- Ihr dreht jetzt völlig durch, was?! Wenn ich nicht aus Erfahrung wüsste, dass Deiner Schreibe Ironie nahezu völlig abgeht, würde ich lachen. - So bleibt mir nur noch, meine absolute Fassungslosigkeit zu Protokoll zu geben.

Dem habe ich wirklich nichts mehr hinzuzufügen.
Ich sag´s doch. Soylent green !  ::)
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Kenaz am 12 November 2012, 09:51:23
Ich sag´s doch. Soylent green !  ::)

- Zweifelsohne. So mancher hier ist sicherlich auch für die dortselbst praktizierte, extrem nachhaltige Komplett-Rundum-Kadaververwertung zu begeistern: quasi 'ne 1:1 Umsetzung des originären Recycling-Gedankens ohne irgendwelche Abstriche. Toll!  ::)
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Multivac am 03 Dezember 2012, 20:43:01
es geht nicht um die spende als solche, es geht um die definition des todeszeitpunktes ! wieso könnt ihr das nicht trennen ? oder meint ihr das wirklich ernst ?
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Kenaz am 03 Dezember 2012, 21:16:00
es geht nicht um die spende als solche, es geht um die definition des todeszeitpunktes !

- Wer sagt das? Hier ging's zuletzt eben mehr um die Spende als solche und weniger um die Definition des Todeszeitpunktes. Dass dessen Diskussion in 'ne endlose Laberrhabarberei ausartet, wo jeder Konsens letztlich ohnehin an Glaubensüberzeugungen scheitert, ist doch eh klar. Bisschen was hab' ich weiter oben dazu gesagt, das kann man freilich noch vertiefen, letztlich verliert sich die Frage aber notwendigerweise in den Untiefen eines Kontinuums, in dem nichts mehr wirklich abzugrenzen ist. Denn die Frage, WAS Leben in letzter Konsequenz IST, diffundiert im Hinblick auf das subjektive Sein notwendigerweise ins Religiös-Metaphysische - und da können wir dann gleich in Raouls "Seelen"-Thread weitermachen. Und aus dem hab' ich mich bislang mit gutem Grund 'rausgehalten. ;)
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: Mishima am 27 Dezember 2012, 21:54:44
http://www.youtube.com/watch?v=CmPF-5qv_KI
Titel: Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
Beitrag von: CubistVowel am 30 Januar 2013, 09:28:44
Noch mal etwas Persönliches zum Thema "Organspende": Ich bin raus. Als MSler komme ich wohl doch nicht in Frage...

(Wen es interessiert: Stellungnahme des Ärztlichen Beirats der DMSG) (http://www.dmsg.de/multiple-sklerose-news/index.php?w3pid=news&kategorie=forschung&anr=4530)