Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt  (Gelesen 28477 mal)

Julya

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Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
« Antwort #15 am: 06 November 2012, 19:13:39 »

Doch ich vertraue auch nicht der Ärzteschaft, sowie der Pharmaindustrie. Wer am meisten von Organspenden profitiert ist ja wohl klar..
Ja, die Transplantierten!
Ich bin fest davon überzeugt, daß das deutsche System der Organvergabe eines der besten der Welt ist. Schwarze Schafe gibt es überall und in allen Branchen, aber ich glaube, wir können uns nicht im Entferntesten vorstellen, wie es ist, sieben Jahre auf einer Warteliste für eine Niere zu stehen, wenn man das nicht selber mal erlebt hat.

Es gibt ein Punktesystem, das die Dringlichkeit regelt. Da kann man selbst nach Jahren an der Dialyse immer noch im Bereich von 13, 14, oder 15 sein und erst ab 30 hat man überhaupt die Chance auf der Liste weiter nach vorne zu rutschen. Ab 32 besteht allerdings schon akute Lebensgefahr. (Ich weiß jetzt nicht mehr die exakten Zahlen, aber so in etwa liegen die Entfernungen zwischen jahrelangem Leiden und der annähernden Chance auf ein Organ.)
Und es gibt durchaus viele Menschen, die schon bei Organentnahmen dabei waren: Nämlich die Transplantationsärzte. Und man kann ja wohl kaum einem kompletten Berufsstand Bestechlichkeit und Unmenschlichkeit vorwerfen.


Und merkwürdige Befindlichkeiten, gepaart mit Halbwissen und Aberglauben verbauen den Menschen, die dringend auf ein Organ angewiesen sind, den Weg, um weiter LEBEN zu können.
Ich finde es außerdem ziemlich herablassend von Dir, daß Du denkst, beurteilen zu können, welcher Aufwand einen Monat, ein Jahr, oder zehn Jahre Leben wert ist.
Ich denke, es ist ein unglaublich befreites Leben, wenn man nicht mehr vier Mal die Woche stundenlang zur Dialyse, sondern nur noch drei Mal am Tag Tabletten schlucken muss.
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nightnurse

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Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
« Antwort #16 am: 06 November 2012, 19:45:57 »

Danke  ;D
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Eisbär

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Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
« Antwort #17 am: 06 November 2012, 19:53:25 »

Da wohl kaum jemand von uns bei einer Organentnahme dabei war, wissen wir nicht wirklich, was genau geschieht.
Ich war bei einer Beinamputation dabei. Zählt das auch?
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Kaffeebohne

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Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
« Antwort #18 am: 06 November 2012, 20:05:14 »

Es ist jedem selbst überlassen- Gott sei Dank- ob er seine Organe zur Verfügung stellt. Verurteilen sollte man keine Seite- nur man selbst kann über seinen Körper bestimmen.

Ich empfinde es auf jeden Fall als einen würdelosen Tod, wenn mein Körper am sterben ist und die Ärzte darauf gieren, mir möglichst viele Organe zu entnehmen. Die Verwandten dürfen dann um eine "leere Hülle" trauern? Ich wünsche mir jedenfalls an meinem Todestag einen möglicht pietätvollen Umgang mit meiner Leiche- dies ist auf dem OP Tisch nicht gegeben. Und wer weiß, ob wir es nicht doch mitbekommen  ;)
Ich denke, man sollte anderen Menschen auch eine andere Meinung als die eigene zugestehen. Wenn jemand es als würdelos empfindet, dann möchte ich nicht darüber urteilen.


Meine Meinung ist: wenn ich tot bin, bin ich tot. Dann nützen mir auch gesunde Organe nichts mehr. Wenn einem Menschen damit aber das Leben gerettet oder zumindest deutlich erleichtert wird, dann wäre ich nicht "umsonst gestorben".

Ich denke, man trauert immer irgendwie um eine leere Hülle, auch wenn dem toten Körper keine Organe entnommen wurden. Der Mensch ist nicht mehr da. Und ich möchte gern in der Erinnerung derer, die um mich trauern, weiterleben. Der Körper verwest sowieso...
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Kenaz

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Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
« Antwort #19 am: 06 November 2012, 22:35:40 »

Ohne mich jetzt allzu tief in diese Diskussion hier reinknien zu wollen, da wahrscheinlich eh' nur wieder der ewige "Wissenschafts"-Sermon 'rauf- & 'runtergenudelt wird: hierzu allerdings kann ich mir einen klitzekleinen Kommentar beim besten Willen nicht verkneifen:

Wenn einem Menschen damit aber das Leben gerettet oder zumindest deutlich erleichtert wird, dann wäre ich nicht "umsonst gestorben".

WARUM eigentlich, wenn ich mal so ketzerisch fragen darf? Es wird immer so gerne als eine völlig selbstverständliche Evidenz hingestellt, als ob "das Leben" ein Wert an sich sei, der nicht weiter hinterfragt werden könne/dürfe und uuuunbedingt & auf Teufelkommraus erhaltenswert sei? Desgleichen "der Mensch"? Bitteschön wieso und weshalb eigentlich? Ich für meinen Teil kann mir jedenfalls ohne nennenswerte Mühe eine unfassbar riesengroße Horde Honks vorstellen, bei der mich der Gedanke im Grabe rotieren lassen würde, einer dieser Idioten könne mit Hilfe meiner unschuldigen, rechtschaffenen Organe noch ein paar Jahre länger auf diesem Planeten seinen Dünnsinn verzapfen und Schwachfug anstellen, als ihm das nach Gottes weisem Ratschluss eigentlich möglich gewesen wäre.

Es will mir kein bisschen einleuchten, warum mein Tod quasi objektiv sinnvoller sein soll, bloß weil meine Niere irgendeinem dahergelaufenen Trottel eingepflanzt wird, der anschließend aus dem Krankenhaus spaziert und erst mal mit neuer Verve und frischem Mute seine Frau verdrischt, seine Kinder misshandelt und anschließend in der nächsten Wahlkabine sein Kreuzchen bei der "Linken" macht. (Ich bitte mein Beispiel übrigens je nach weltanschaulichen & persönlichen Präferenzen zu modifizieren, bspw. durch "Lebensgefährten verdreschen", "Oma ertränken", "Beichtvater foltern", "Katze ficken", "Hamster fisten", "Grüne wählen", "NPD beitreten", "Obertongesang erlernen", whatsoever ...)

Und jaaaaa, geschenkt: das Beispiel ist mal wieder ein bisschen provokant formuliert, doch ich denke, jeder geneigte Leser, der willens & fähig ist, bis drei zu zählen, weiß, was ich damit sagen will und wo der Hase m. E. im Pfeffer liegt. Und wer nicht bis drei zählen will/kann, der kriegt den Hasen nicht und meine Niere schon gleich gar nicht. Vielleicht meine Leber oder meine Lunge - damit wünsch' ich ihm dann allerdings viel Spaß!  ;D
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colourize

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Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
« Antwort #20 am: 07 November 2012, 00:03:17 »

Es will mir kein bisschen einleuchten, warum mein Tod quasi objektiv sinnvoller sein soll, bloß weil meine Niere irgendeinem dahergelaufenen Trottel eingepflanzt wird, der anschließend aus dem Krankenhaus spaziert und erst mal mit neuer Verve und frischem Mute seine Frau verdrischt, seine Kinder misshandelt und anschließend in der nächsten Wahlkabine sein Kreuzchen bei der "Linken" macht. (Ich bitte mein Beispiel übrigens je nach weltanschaulichen & persönlichen Präferenzen zu modifizieren, bspw. durch "Lebensgefährten verdreschen", "Oma ertränken", "Beichtvater foltern", "Katze ficken", "Hamster fisten", "Grüne wählen", "NPD beitreten", "Obertongesang erlernen", whatsoever ...)
Ob ein Mensch die Chance hat weiterzuleben sollte m.E. unabhängig von seinen Taten sein.

Andernfalls müsste ich ja im Umkehrschluss auch Menschen, die Frauen verdreschen, Kinder misshandeln oder Omas ertränken ein geringeres Recht auf Leben beimessen als Menschen, die das nicht tun. Die logische Konsequenz einer solchen Geisteshaltung wäre, dass es weniger verwerflich ist, einen Frauenverdrescher/Kinderschänder/Omaertränker hinterrücks niederzumeucheln als einen Nicht-Frauenverdrescher/Nicht-Kinderschänder/Nicht-Omaertränker. Was gleichsam auf eine moralische Wertordnung hinausliefe, wie sie im Wilden Westen Usus war, wo es völlig okay war den Pferdedieb zu lynchen oder den Bankräuber mal eben am nächsten Baum aufzuknüpfen.

« Letzte Änderung: 07 November 2012, 00:12:34 von colourize »
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messie

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Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
« Antwort #21 am: 07 November 2012, 01:16:51 »

Zitat von: Kenaz
Es will mir kein bisschen einleuchten, warum mein Tod quasi objektiv sinnvoller sein soll, bloß weil meine Niere irgendeinem dahergelaufenen Trottel eingepflanzt wird, der anschließend aus dem Krankenhaus spaziert und erst mal mit neuer Verve und frischem Mute seine Frau verdrischt, seine Kinder misshandelt und anschließend in der nächsten Wahlkabine sein Kreuzchen bei der "Linken" macht.

Hmm, und wie sieht es für dich aus, wenn deine Niere zufälligerweise jemandem eingepflanzt wird, der Obdachlose davor rettet im Winter zu erfrieren, oder jemandem der als Rechtsanwalt einen großen Pharmaskandal aufdeckt (Stichwort Contergan ...) und damit tausenden von Menschen hilft, oder einem aufopferungsvollen Tafelmitarbeiter ...? Und überhaupt, wer weiß, vielleicht hat ja irgendwann mal jemand einem nicht seine Niere gespendet, dem im Anschluss daran sein Vorhaben, Hitler umzulegen kurz vorm zweiten Weltkrieg, gelungen wäre?

Genug um klarzustellen, dass diese "hätte, wäre, könnte"-Argumentation null komma gar nix bringt? ;)
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Kenaz

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Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
« Antwort #22 am: 07 November 2012, 06:37:51 »

Ob ein Mensch die Chance hat weiterzuleben sollte m.E. unabhängig von seinen Taten sein.

- Prinzipiell bin ich geneigt, Dir recht zu geben, die Frage ist nur, inwieweit dem einzelnen eine moralische Pflicht daraus gebastelt werden kann, sein Allereigenstes - und viel "eigener" als sein Körper ist nur noch seine Seele, was auch immer das genau bezeichnet - dafür herzugeben, diese Chance jedem unter völliger Ausblendung seiner Person einzuräumen. Ich würde den Satz lieber so formulieren: Jeder Mensch hat unabhängig von seinen Taten das Recht weiterzuleben, aber es besteht keine Pflicht für jeden Menschen, jedem unter allen Umständen und mit allen Mitteln dieses Weiterleben zu ermöglichen.

Andernfalls müsste ich ja im Umkehrschluss auch Menschen, die Frauen verdreschen, Kinder misshandeln oder Omas ertränken ein geringeres Recht auf Leben beimessen als Menschen, die das nicht tun.

- Durchaus richtig ja. Um die Frage jedoch ein bisschen unappetitlich zuzuspitzen: Nehmen wir an, Du hast zwei Menschen vor Dir, einen Frauenverdrescher und Omaertränker und einen Frauenstreichler und Omaüberdiestraßebegleiter - Du kannst nur einen mit Deiner Niere retten: bei wem würdest Du sagen, ist sie besser aufgehoben? Was ich damit sagen will: Es gibt Grenzen des "objektiven", ganz und gar neutralen Urteils und wir sollten im Interesse einer gewissen Redlichkeit aufhören so zu tun, als gäbe es die nicht.

Die logische Konsequenz einer solchen Geisteshaltung wäre, dass es weniger verwerflich ist, einen Frauenverdrescher/Kinderschänder/Omaertränker hinterrücks niederzumeucheln als einen Nicht-Frauenverdrescher/Nicht-Kinderschänder/Nicht-Omaertränker. Was gleichsam auf eine moralische Wertordnung hinausliefe, wie sie im Wilden Westen Usus war, wo es völlig okay war den Pferdedieb zu lynchen oder den Bankräuber mal eben am nächsten Baum aufzuknüpfen.

- Lynchjustiz ist keineswegs die "logische Konsequenz", wenigstens nicht im Sinne von "logisch"="zwingend" ... - aber es kommt am End' schon irgendwas zwischen "lex talionis" und Nietzsches "Herrenmoral" dabei raus ... - Aus Zeitgründen muss ich an dieser Stelle leider abbrechen, später gerne mehr.

Schönes Thema übrigens, vielleicht knie ich mich doch ein bisschen tiefer rein. ;)
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Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
« Antwort #23 am: 07 November 2012, 06:38:01 »

Ich sehe keinen Grund für Organspende...
Warum sollten Leute durch mein Ableben profitieren?
Also ganz ehrlich, zum einen hab ich nie wirklich aktiv gesund gelebt...
Zum ander'n ist mir diese Organspendedebatte viel zu emotional aufgeladen, als das man rational entscheiden könnte, ob das wirklich sinnvoll ist.
Zum Dritten ist mir das Leiden irgendwelcher Menschen ebenfalls egal.

Ausserdem öffnet man Missbrauch Tür und Tor. Wenn irgendein Reicher sterbenskrank ist, und ein Organ braucht, dass dann nicht vielleicht auch mal einen bisschen nachgeholfen wird.
Warum auch nicht?

http://www.youtube.com/watch?v=gQnejLliS9g
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Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
« Antwort #24 am: 07 November 2012, 07:44:46 »

Ich für meinen Teil bin froh, dass Organverpflanzungen ohne Ansehen der Person erfolgen. Mir wäre es natürlich auch lieber, ein mir "genehmer" Mensch bekäme meine Organe, aber soweit ich weiß, gibt es kein allgemeingültiges Bewertungssystem für den Wert eines Menschenlebens, und damit kann ich sehr gut leben. (Zum Glück, denn in der heutigen Gesellschaft entschiede höchstwahrscheinlich der finanzielle Nutzwert dieses Menschen.)

Und wer aus dem Grunde nicht spenden will, weil es "Schindluder" gibt, handelt genau kontraproduktiv. Wie ich oben schon schrieb, würde eine größere Menge an Organspendern diese miesen Geschäfte unrentabel machen.

Ich hoffe für all diejenigen, die gegen Organspenden sind, dass sie niemals in so eine schlimme, schmerzhafte und ausweglose Lage geraten, dass ein neues Organ das letzte Mittel ist. Dann ist es übrigens meistens auch schnell vorbei mit dem großen Maul.

Vielleicht sollte man aber tatsächlich die Konsequenzen ziehen und daraus ein geschlossenes System machen? Das hieße, nur wer vor Ausbruch seiner Erkrankung bereits eine bestimmte Zeit als Spender registriert ist, hätte selbst ein Anrecht auf eine Transplantation. Nur mal als Anregung...^^
« Letzte Änderung: 07 November 2012, 07:47:16 von CubistVowel »
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Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
« Antwort #25 am: 07 November 2012, 08:03:24 »

Wenn einem Menschen damit aber das Leben gerettet oder zumindest deutlich erleichtert wird, dann wäre ich nicht "umsonst gestorben".

WARUM eigentlich, wenn ich mal so ketzerisch fragen darf? Es wird immer so gerne als eine völlig selbstverständliche Evidenz hingestellt, als ob "das Leben" ein Wert an sich sei, der nicht weiter hinterfragt werden könne/dürfe und uuuunbedingt & auf Teufelkommraus erhaltenswert sei?
Persönliches Empfinden. Für mich ist das Leben ein sehr kostbares Gut. Ich selbst möchte am liebsten lange & dabei gesund leben. Sollte ich aber versterben, dann ist das eben "der Lauf der Dinge". Ich würde ja nicht sterben, DAMIT ein "Honk" weiterleben kann. Klar kann ich mir auch Menschen vorstellen, die mir unsympathisch sind. Aber von einigen Extrembeispielen mal abgesehen, sehe ich jeden Menschen als einen Menschen an. Einen Menschen, der genauso wie ich an seinem Leben hängt.

Klar habe ich auch meine Werte und messe andere Menschen auch daran. Aber das geht nicht über eine persönliche Sympathie hinaus. Das heißt, ich entscheide aufgrund dieser, mit wem ich mich im Alltag umgeben möchte. Eine Entscheidung, welcher Mensch leben darf oder nicht, will ich nicht treffen.
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Taéra

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Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
« Antwort #26 am: 07 November 2012, 08:38:28 »

Ich habe mich schon sehr früh für die Organspende entschieden. Wie ich später durch Zufall feststellte, hatte ich bereits meinen Ausweis in der Tasche, als ich vom Alter her noch gar nicht hätte spenden dürfen bzw. selber noch keine Entscheidungsbefugnis darüber hatte... Aber egal. ^^

Ich habe da eher die Einstellung, dass man mit meinem Körper machen darf, was die Lebenden eben wollen. Ist mir egal, ich bin dann tot. Und mein Körper ist es nicht, an dem meine Liebsten dann festhalten sollen.
Und über die Debatte, ab wann man denn nun als tot gilt, mache ich mir auch eher weniger Gedanken dabei. Da ich auch keine lebenserhaltenden Maßnahmen wünsche, ist es mir egal, ob mein Herz noch schlägt, aber mein Hirn schon ausgesetzt hat. Sobald ich nicht mehr ganz natürlich Leben kann, komplett ans Bett gefesselt bin und mich nicht mehr richtig mit meiner Außenwelt verständigen kann, bevorzuge ich den Tod.
Und dass meine Organe Menschen helfen, die es wirklich brauchen und auch verdient haben, daran will ich gar nicht zweifeln.
Und selbst wenn ich "nur" für Versuchs- oder Übungszwecke auf einem Tisch vor Medizinstudenten landen sollte (man weiß ja nie, was noch so kommen könnte^^) wäre mir das recht.
Es ist alles sinnvoller als im Erdreich zu verwesen.
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Kenaz

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Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
« Antwort #27 am: 07 November 2012, 14:17:07 »

[...] vielleicht hat ja irgendwann mal jemand einem nicht seine Niere gespendet, dem im Anschluss daran sein Vorhaben, Hitler umzulegen kurz vorm zweiten Weltkrieg, gelungen wäre?
- Um die vom Kollegen colourize bereits geäußerte - und von mir im Grundsatz durchaus geteilte - These von der prinzipiellen Nicht-Aufrechenbarkeit persönlicher Taten und dem "Wert" des damit verbundenen, individuellen Lebens aus lauter Jux & Dollerei mal auf die provokante Spitze zu treiben: Wieso gilt eigentlich diese Apotheose des Lebens, die hier gerade abgefeiert wird, schon wieder für alle außer Hitler - wohlgemerkt: bevor (!) er den Zweiten Weltkrieg losgetreten hat (ihm also alles nach dem 1. September 1939 noch gar nicht aufs Brot geschmiert werden kann, weil's noch nicht geschehen wäre)? Ich dachte, "ob ein Mensch die Chance hat weiterzuleben sollte [...] unabhängig von seinen Taten sein"?  :o  Jetzt also doch nur mit Einschränkung?  :o

Und wieviel genau muss einer verbockt haben, damit er sein "unbedingtes Recht auf (Weiter-)Leben" verwirkt hat? Frau verdreschen? Oma ertränken? Kinder schänden? Serienkiller? Massenmörder? Völkermörder? - Wo genau verläuft denn die Grenze, ab der wir unsere schöngeistigen Prinzipien über Bord werfen und schreien: "Der hat den Tod verdient"? Oder zieht hier nur wieder die alte Nazi-Klausel: "Alle dürfen weiterleben, nur die Faschos nicht, weil Faschismus ist ja ein Verbrechen und keine Meinung"? - Das wäre dann allerdings ein seltsames "Prinzip".  ::)  Ich bitte höflichst um Erläuterung.

Genug um klarzustellen, dass diese "hätte, wäre, könnte"-Argumentation null komma gar nix bringt? ;)
- Diese "Hätte, wäre, könnte"-Argumentation bringt durchaus so einiges und ich erkläre Dir auch gerne, was genau, lieber messie: Ebensowenig nämlich, wie ich bereit bin, auf der Straße jedem Dahergelaufenen, der mich gerade dazu auffordert, 'nen Euro in die Hand zu drücken, schmeckt mir der Gedanke, meine Organe irgend jemandem zu überlassen, über den ich rein gar nichts weiß und der möglicherweise für Dinge eintritt, die ich zutiefst verachte und verabscheue. Ich spreche mich nämlich nicht prinzipiell gegen die Organtransplantation aus, sondern trete für ein Bestimmungsrecht des Spenders über die von ihm gespendeten Organe ein, das ist ein kleiner Unterschied. Und vor diesem Hintergrund finde ich die "Hätte, wäre, könnte"-Argumentation einer Entscheidungsfindung durchaus förderlich.

Ich hoffe für all diejenigen, die gegen Organspenden sind, dass sie niemals in so eine schlimme, schmerzhafte und ausweglose Lage geraten, dass ein neues Organ das letzte Mittel ist. Dann ist es übrigens meistens auch schnell vorbei mit dem großen Maul.
- Mir ist zwar nicht ganz klar, von welchem "großen Maul" Du hier sprichst, ich denke aber, dass die individuelle Entscheidung des einzelnen Menschen in dieser Hinsicht - und gerade in dieser! - unbedingt zu respektieren ist: Hat was mit der - bis jetzt noch ... - unveräußerlichen Würde des Menschen und Respekt vor dem Individuum zu tun. Alles andere mündet in diktatorische Strukturen; und die bilden sich immer dann, wenn das Prinzip - egal, wie es aussieht - über den einzelnen Menschen gestellt wird. Mit dem Primat irgendwelcher abstrakter Prinzipen beginnt der Terror, das lehrt die Geschichte anhand unzähliger Beispiele.

Vielleicht sollte man aber tatsächlich die Konsequenzen ziehen und daraus ein geschlossenes System machen? Das hieße, nur wer vor Ausbruch seiner Erkrankung bereits eine bestimmte Zeit als Spender registriert ist, hätte selbst ein Anrecht auf eine Transplantation.
- Diesen Gedanken finde ich persönlich gar nicht so übel. Ist auf jeden Fall konsequent und nimmt den einzelnen in seiner Entscheidung mit all ihren Konsequenzen absolut ernst. - Auch wenn's freilich wieder auf Prinzipienreiterei hinausläuft ...  ::)
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colourize

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Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
« Antwort #28 am: 07 November 2012, 14:37:11 »

Ob ein Mensch die Chance hat weiterzuleben sollte m.E. unabhängig von seinen Taten sein.

- Prinzipiell bin ich geneigt, Dir recht zu geben, die Frage ist nur, inwieweit dem einzelnen eine moralische Pflicht daraus gebastelt werden kann, sein Allereigenstes - und viel "eigener" als sein Körper ist nur noch seine Seele, was auch immer das genau bezeichnet - dafür herzugeben, diese Chance jedem unter völliger Ausblendung seiner Person einzuräumen. Ich würde den Satz lieber so formulieren: Jeder Mensch hat unabhängig von seinen Taten das Recht weiterzuleben, aber es besteht keine Pflicht für jeden Menschen, jedem unter allen Umständen und mit allen Mitteln dieses Weiterleben zu ermöglichen.
Vollste Zustimmung.

Wobei sich m.E. die Frage stellt, ob wir Hirntoten diese Entscheidungskompetenz zusprechen wollen. Das Dumme bei der Sache ist ja, dass der Organspender im Regelfall nicht befragt werden kann, wer unter den wartenden Patienten sein Organ erhalten soll.


Andernfalls müsste ich ja im Umkehrschluss auch Menschen, die Frauen verdreschen, Kinder misshandeln oder Omas ertränken ein geringeres Recht auf Leben beimessen als Menschen, die das nicht tun.

- Durchaus richtig ja. Um die Frage jedoch ein bisschen unappetitlich zuzuspitzen: Nehmen wir an, Du hast zwei Menschen vor Dir, einen Frauenverdrescher und Omaertränker und einen Frauenstreichler und Omaüberdiestraßebegleiter - Du kannst nur einen mit Deiner Niere retten: bei wem würdest Du sagen, ist sie besser aufgehoben? Was ich damit sagen will: Es gibt Grenzen des "objektiven", ganz und gar neutralen Urteils und wir sollten im Interesse einer gewissen Redlichkeit aufhören so zu tun, als gäbe es die nicht.

Mag ja sein, aber das ist doch eher eine Gedankenspielerei. Wie schon gesagt: Organspender können nicht mehr befragt werden, wer ihre Organe erhalten soll. In der Praxis bekommt übrigens mit hoher Wahrscheinlichkeit derjenige das Organ, der über das höchste soziale Kapital verfügt. Respektive der, der den richtigen Arzt am schlausten zu bestechen weiß. Schon alleine auf Grund dessen sind etwaige Überlegungen über die Wertigkeit von Menschen im Kontext der konkreten Fragestellung eine ziemlich akademische Diskussion. ;) Fürst von Thurn und Taxis wird vermutlich knapp vor Dieter Hundt oder Josef Ackermann mit frischen Organen versorgt, und diese vermutlich deutlich vor dem Chef des örtlichen Opel-Autohauses. Als Kassenpatient stehst Du eh am Ende der Innereiennahrungkette und Dein linkenwählender Hartzer wird eh niemals in den Genuss eines frischen Herzens kommen - geschweige denn in die von Doppelherz, so wie Fürst von Thurn und Taxis.
« Letzte Änderung: 07 November 2012, 14:39:14 von colourize »
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CubistVowel

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Re: Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
« Antwort #29 am: 07 November 2012, 15:01:49 »

Ich hoffe für all diejenigen, die gegen Organspenden sind, dass sie niemals in so eine schlimme, schmerzhafte und ausweglose Lage geraten, dass ein neues Organ das letzte Mittel ist. Dann ist es übrigens meistens auch schnell vorbei mit dem großen Maul.
- Mir ist zwar nicht ganz klar, von welchem "großen Maul" Du hier sprichst, ich denke aber, dass die individuelle Entscheidung des einzelnen Menschen in dieser Hinsicht - und gerade in dieser! - unbedingt zu respektieren ist: Hat was mit der - bis jetzt noch ... - unveräußerlichen Würde des Menschen und Respekt vor dem Individuum zu tun. Alles andere mündet in diktatorische Strukturen; und die bilden sich immer dann, wenn das Prinzip - egal, wie es aussieht - über den einzelnen Menschen gestellt wird. Mit dem Primat irgendwelcher abstrakter Prinzipen beginnt der Terror, das lehrt die Geschichte anhand unzähliger Beispiele.

Ich sehe das nicht anders. Das "große Maul" bezog sich nicht auf dich, ich hatte erstens nicht den Eindruck, du seiest prinzipiell gegen Organspenden und zweitens fand ich deine Fragestellung, wenn auch krass formuliert, so doch legitim und interessant. Lass es mich also umformulieren:

Ich denke, dass viele, die sich (hier oder anderswo) gegen Organspenden aussprechen, weil es sie im Moment selbst nicht betrifft und sie sich nicht in die Lage eines Todkranken hineinversetzen können oder wollen - ich bin überzeugt, die Mehrzahl von denen wird sich bei eigener schwerer Erkrankung (oder des Kindes oder Partners...) dennoch für das Weiterleben mit einem fremden Organ entscheiden. Solange man halbwegs gesund ist, kann man prima rumtönen, dass man gegen [beliebige Medizin] ist. Wenn man aber selbst auf Platz 1028 der Liste hockt, wünscht man sich garantiert, man hätte ein paar weniger Leute vom Spenden abgehalten.
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