Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Dialektik  (Gelesen 14558 mal)

DarkAmbient

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Dialektik
« am: 13 Juni 2006, 16:58:25 »

Also, ich dachte mir, da es in letzter Zeit eine gewisse Konjunktur des Begriffs gegeben hat und das nicht immer zur Freue der Nicht-Spezialisten passierte, wäre mal langsam ein eigener Thread dafür angemessen. Die Anhänger dieser Denkart können hier also in aller Ruhe fachsimpeln, Positivistinnen, Existenzialisten, Poststrukturalistinnen und Irrationalisten flamen, Interssierte fragen stellen und alle, die es nicht interessiert, werden nicht verstört, weil sie einfach draußen bleiben müssen. :)

Wiki kann hier behelfsmäßig als kleinster gemeinsamer Nenner dienen: http://de.wikipedia.org/wiki/Dialektik

Für alle, die Dialektik als so eine Art (Tot)Schlagwort ideologisch argumentierender Weltverbesserer halten, was oft ein verständlicher Eindruck sein mag, nur folgende behelfsmäßige und vorläufige 'Richtigstellung': Dialektik (zumindest die moderne) ist eine ziemlich hochgezüchtete Art des Nachdenkens oder Argumentierens, die doch sehr im Gegensatz zum sonst üblichen Gebrauch von Logik steht, was daran liegt, dass dazu doch einiges an Übung und Auseinandersetzung mit Quellen nötig ist. Sie lässt sich nicht einfach 'auswendig' lernen, auch wenn der Versuch, ein paar Gesetze der Dialektik aufzustellen, das so erscheinen lässt. Fahrradfahren geht auch nicht einfach, indem man alles Wissenswerte theoretisch erfasst, sich drauf setzt und mit den Beinen anfängt Tretbewegungen zu machen -- allerdings ist letzteres Voraussetzung, um es überhaupt zu lernen und ersteres vielleicht nicht unbedingt schädlich.

Und schließlich hatte Trakl mich ja aufgefordert, ein paar Sätze zu schreiben. Nur bin ich mir nicht ganz darüber im Klaren, worüber genau...
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Trakl

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Dialektik
« Antwort #1 am: 14 Juni 2006, 00:05:22 »

Eigentlich wollte ich mal ein paar schicke Poststrukturalistische Sätze hören....
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DarkAmbient

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« Antwort #2 am: 14 Juni 2006, 00:21:44 »

Hmm, ich finde den Satz "Die Freiheit der Philosophe liegt allein darin, ihre Unfreiheit darzustellen" (sinngemäß) recht poststrukturalistisch...
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Trakl

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« Antwort #3 am: 14 Juni 2006, 09:05:10 »

Oi, ist das aber deprimierend. Dann doch lieber Sartre.
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« Antwort #4 am: 14 Juni 2006, 14:18:32 »

Wieso findest Du das deprimierend?
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DarkAmbient

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« Antwort #5 am: 14 Juni 2006, 16:35:25 »

Der Satz kommt übrigens von Adorno. *nochmalgenaunachblätter*

"Die Freiheit der Philosophie ist nichts anderes als das Vermögen, ihrer Unfreiheit zum Laut zu verhelfen." (Negative Dialektik S. 29)
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Dialektik
« Antwort #6 am: 14 Juni 2006, 20:33:21 »

Naja, von Adorno stammen auch Sätze wie:


"In der Emigration schmeckt jeder Rehbraten, als wäre er vom Freischütz erlegt worden." oder so

:)
T*
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DarkAmbient

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Dialektik
« Antwort #7 am: 15 Juni 2006, 02:52:19 »

Bestimmte Weinerlichkeiten der Minima Moralia ertrage ich auch schlecht.

Nur als eine Zentrale Aussage (praktisch Definition) zu seinem Haupttätigkeitsfeld kann man diese doch nicht mit der über bestimmte Formen des Fleischkonsums vergleichen. Da musst Du doch andere Gründe haben, weshalb Du den Satz deprimierend findest...
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Trakl

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« Antwort #8 am: 15 Juni 2006, 08:29:26 »

Der Satz überbetont die Unfreiheit. Ich glaube das ist noch ein bisschen so ein Nachklang aus dem Krieg...
Wo steht denn der Satz?
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Kenaz

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Dialektik
« Antwort #9 am: 15 Juni 2006, 12:21:36 »

Na, da haben sich ja zwei gefunden, was?  :wink:
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DarkAmbient

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Dialektik
« Antwort #10 am: 15 Juni 2006, 13:44:28 »

Zitat von: "Trakl"
Wo steht denn der Satz?


Wie gesagt: Negative Dialektik S. 29, meiner Meinung das methodologische Hauptwerk von Adorno. Würde mich aber wundern, wenn er woanders für fröhlich-frei-lustiges Herumphilosophieren argumentiert.

Unabhängig von dem 'Wahrheitsgehalt' des Satzes hab ich ihn benutzt um die poststrukturalistische Spielart von Dialektik zu versuchen zu illustrieren: Der Widerspruch wird dabei nicht nur auf dem Papier dargestellt, sondern im Leser induziert (er kann also als eine Antwort zum Inhalt-Darstellung-Problem verstanden werden). In diesem Fall musstest Du Dich zunächst entscheiden, ob Du vermeintlich gegen den Poststrukturalismus argumentierst und dabei tatsächlich Deine Adorno-Bewunderung relativierst oder aber Deine Abneigung gegenüber dem Poststrukturalismus revidierst. Entweder-oder. Hier würde der Poststrukturalismus nun Halt machen (oder vordergründig indifferent wirken), ohne dem Subjekt bei der Auflösung seines Widerspruchs zu helfen. Er bleibt bei der Provokation stehen, weil er der dialektischen Fähigkeit des Subjetks vertraut! Die Rede vom "Tod des Subjekts" kann man auch einfach als weitere Provokation verstehen.

Also, als dialektisch geschulter Geist wirst Du versuchen, den Widerspruch aufzulösen. Du hast ein genuines Interesse an dem Satz entwickelt, weil er Deine Subjektivität berührt: "Wo steht denn der Satz?".

Diese Form der 'Darstellung' geht natürlich weit über reines Wissensgewurstel hinaus, beinhaltet eine dramaturgische Entwicklung und stellt potenziell eine Erfahrung bereit, die man sonst nur von der Kunst gewohnt ist. Du benutzt ja selbst gern Analogien zur Kunst, warum nicht Elemente und Methoden aus der Kunst in die Darstellung von Wissen voll integrieren? Nicht umsonst ist der Poststrukturalismus in den kulturwissenschaftlichen Disziplinen so beliebt.

Sicher ist das ein Trick gewesen -- aber wenn es gut läuft, ein sehr erkenntnisreicher. Ich hofffe, Du bist mir nicht böse, aber schließlich hast Du mir die Zumutung aufgebürdet, anhand von nur wenigen Sätzen einen Eindruck vom Poststrukturalismus zu vermitteln. Das hast Du jetzt davon! :)
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Trakl

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Dialektik
« Antwort #11 am: 18 Juni 2006, 23:15:10 »

Na, wenn Adorno den Poststrukturalismus schon enthält, warum gibt es ihn dann nochmal extra - und mit so viel unnützer Provokation angereichert. Das meine ich.

Den Widerspruch löse ich ungerne auf - der Satz ist doch sehr prima in seiner Struktur. Ein Möbiusband der Gleichzeitigkeit von Freiheit und Unfreiheit.
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DarkAmbient

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Dialektik
« Antwort #12 am: 18 Juni 2006, 23:56:12 »

Zitat von: "Trakl"
Na, wenn Adorno den Poststrukturalismus schon enthält, warum gibt es ihn dann nochmal extra - und mit so viel unnützer Provokation angereichert. Das meine ich.


Ich glaube mit Mengenlehre kommt man da nicht sehr weit. Und was den Nutzen von Provokation angeht, so will ich mich nicht wiederholen aber sie hat zumindest eins erwiesen: Dass Du denselben Satz deprimierend findest, wenn Du glaubst, dass er aus 'dem Poststrukturalismus' kommt, und dass Du ihn prima findest, wenn er von Adorno kommt. Was Du mit der Erkenntnis anfängst, musst Du selbst wissen.
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Lakastazar

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« Antwort #13 am: 19 Juni 2006, 01:21:47 »

schach matt und schiff versenkt :D
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Trakl

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« Antwort #14 am: 19 Juni 2006, 09:12:13 »

Zitat von: "DarkAmbient"

Ich glaube mit Mengenlehre kommt man da nicht sehr weit. Und was den Nutzen von Provokation angeht, so will ich mich nicht wiederholen aber sie hat zumindest eins erwiesen: Dass Du denselben Satz deprimierend findest, wenn Du glaubst, dass er aus 'dem Poststrukturalismus' kommt, und dass Du ihn prima findest, wenn er von Adorno kommt. Was Du mit der Erkenntnis anfängst, musst Du selbst wissen.


Das macht wohl der Kontext. Das zeigt nur, dass ich von den Poststrukturalisten bisher wenig erbauliche hörte.
Da assoziiert man schnell die negative Seite... aber Du hast recht.

Und was sagt das jetzt aus? Das ist ja nun ein Kernsatz, der im Grunde nicht mehr aussagt als "ich weiß, dass ich nichts weiß".
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