Zitat von: RaoulDuke am 23 März 2012, 08:59:32Ich muss ja nicht einmal Arzt sein, um eine Gehirnoperation durchzuführen. o_OWie geht das denn? bzw. wer haftet dann für die medizinische Kunstfehler, die dann definitiv entstehen?
Ich muss ja nicht einmal Arzt sein, um eine Gehirnoperation durchzuführen.
Frag mal morgens beim Brötchen holen die Allgemeinheit, wer da Platons Höhlengleichnis kennt, wer den Unterschied zwische Goldener Regel und dem kategorischen Imperativ kennt und wer das hübsche Zitat "Cogito ergo sum" dem guten Descartes zuordnen kann...
(...)Diese Verständnisse sind der Ausgangspunkt, das Thema und zugleich das Medium der Philosophie. Ihre Erkundungen stützen sich auf sie, handeln von ihnen und unterziehen sie einer kritischen Behandlung. Auf diese Weise führen alle Philosophierenden ein Selbstexperiment durch. Sie stellen ihre Auffassungen über Gott und die Welt auf die Probe, indem sie sie in ein Gespräch miteinander bringen, bei dem keine das letzte Wort behält und kaum eine unangetastet bleibt. Dabei ist das philosophische Tun nicht auf ein geheimnisvolles Sonderwissen aus. Es versucht bloß das Offensichtliche zu begreifen. Mit dem Bekannten so vertraut zu werden, dass es einem fast wieder fremd erscheint: Durch dieses Verfahren macht die Philosophie den Menschen mit sich selbst bekannt – mit der Reichweite und den Grenzen, den Ambitionen und den Abgründen seines Wissens und Wollens, seines Fühlens und Denkens. (...)
(...) Sie widmet sich Grundbegriffen und den darin enthaltenen Grundverständnissen, die das menschliche Tun und Lassen unausweichlich leiten. Dies sind solche, ohne die es in der Erhaltung und Entwicklung menschlicher Kulturen und Gesellschaften einschließlich ihrer Künste und Wissenschaften nicht – oder jedenfalls nicht gut – geht. Dazu gehören Begriffspaare wie Wahrnehmung und Erkenntnis, Ursachen und Gründe, Geist und Materie, Ding und Ereignis, Zeit und Zahl, Handlung und Widerfahrnis, Freiheit und Zwang, Zweck und Mittel, Arbeit und Spiel, Schein und Schönheit, Gleichheit und Ungleichheit, Recht und Unrecht – und viele weitere mehr. (...)
(...) Deswegen ist das philosophische Tun eine Reise, die jedes Mal von vorn beginnt, wenn man glaubt, an einem Ende angekommen zu sein. Wie andere mit Sinn und Verstand unternommene Reisen dient auch sie einer gesteigerten Anschauung der Weite des Wirklichen. Hier aber, bei den begrifflichen Expeditionen der Philosophie, kommt es nicht so sehr auf eine Erkenntnis der vielfältigen Prozesse der natürlichen und sozialen Realität an, um die sich ja die Wissenschaften redlich genug bemühen. In erster Linie geht es um eine Deutung der Deutungen, die unseren Stand in der Welt formen. In dieser reflexiven Selbstverständigung liegt eine besondere Möglichkeit der Befreiung von den Erstarrungen des individuellen wie kollektiven Agierens und Reagierens. Während die sonstigen Reisenden in der Ferne zu sich selbst zu kommen versuchen, wenden sich die Philosophierenden dem Naheliegendsten – ihrem eigenen Verstehen und Nichtverstehen – zu, um einen Abstand gegenüber sich selbst zu gewinnen. (...)
Die Frage, wie wir uns selbst in theoretischer wie praktischer Hinsicht richtigerweise verstehen sollten, muss dabei jede und jeder zunächst an sich selbst adressieren. Die Behandlung dieser Fragen ist nicht delegierbar. Sie kann nicht an irgendwelche Autoritäten weitergereicht werden, schon gar nicht an die Hirnforschung, die derzeit als das Goldene Kalb aller Weltweisheit angebetet wird. Nur aus der verzweigten Beteiligung an den Dingen des menschlichen Lebens heraus kann es zu einer philosophischen Erkenntnis der Grundfiguren ebendieser Verzweigungen kommen. Die Wahrheit der Philosophie ist explikativ und normativ. Sie verlangt eine stets zu erneuernde Arbeit an dem Selbstbild der Kulturen, deren Teil diese Arbeit ist. »Beim Philosophieren«, bemerkt Wittgenstein deshalb, »muß man in’s alte Chaos hinabsteigen, und sich dort wohlfühlen.«
(...) Was wie eine Schwäche oder sogar das ewige Laster der Philosophie erscheinen mag, ist genau genommen ihre große Stärke. Ihre primäre Tugend liegt in einem beharrlichen Zweifel auch noch gegenüber dem übertriebenen Zweifel. Sie vertraut auf die Wege unseres Verstehens, ohne ihnen doch ganz zu trauen. Sie zweifelt an allem und jedem, das hierfür einen Anhaltspunkt bietet, doch niemals an allem, da ein solcher Zweifel ganz haltlos wäre. (...)
Diese seltsamen Manöver verleihen der Philosophie die Kraft, allen großen Vereinfachern in Politik, Religion, Wissenschaft oder auch im eigenen Lager die Suppe zu versalzen. Noch an den entlegensten Problemen, mit denen sie sich herumschlägt, verfolgt sie insgeheim eine subversive Mission. Seit den Tagen des Sokrates ist Philosophie Antidemagogie: ein mit Argumenten ausgefochtener Widerstand gegen den Glauben, wir hätten alles im Griff oder seien dabei, über kurz oder lang alles in den Griff zu bekommen. Zugleich aber ist die Tätigkeit des Philosophierens selbst das beste Beispiel für eine Lebensform, in der wenig gewiss und die ebendeshalb überaus bereichernd ist.
Es fragt sich da aber halt, was man darunter versteht "mit Philo beschäftigen".
Dass vlt. nicht so viele Leute "philosophisch (vor-)gebildet" sind, mag sein. Aber soo gebildet is Eisbär da glaub ich auch nich.
(Und ja, bei mir klaffen da auch unglaublich riesige Krater von Wissens"lücken" ... )
Dass sich aber doch ein paar mehr Menschen mit der ein oder anderen philosophischen Frage/Thema beschäftigen (vlt. ohne zu wissen, dass es sich hierbei um "philosophieren" handelt), meine ich schon. Vieles wird halt nur leider ja über Religionen abgehandelt, obwohl es eigentlich (auch) "philosophisches Terrain" ist.
Was mich an Eisbärs Sätzen so genervt hat, ist das Aufgeplustere.
So kommt es bei mir jedenfalls oft an - einerseits macht er was schlecht ("gepflegt Scheiße labern" und so ...), andererseits hat er davon, meiner Einschätzung nach, nicht wirklich viel/gute/fundierte Kenntnis (von der "Sache", über die er da negativ urteilt).
Aber behauptet dann von sich, er habe also ("genug") Ahnung und könne das deshalb durchaus gut beurteilen.
Vielleicht sollte ich doch irgendwann auf meine alten Tage auch einfach endlich mal lernen, mich nicht gar so leicht/schnell provozieren zu lassen.
Das mit der stoischen Ruhe bzw. Gelassenheit übe ich noch ein Weilchen. Vielleicht sollte ich auch mal meditieren (lernen) anfangen - ernsthaft! Das soll auch helfen ... glaub ich.
Quote from: Kallisti on Today at 14:28:34 Es fragt sich da aber halt, was man darunter versteht "mit Philo beschäftigen". Sich damit beschäftigen heißt in erster Linie, sich darüber zu informieren.
Ich schreibe ja nun wirklich selten sonderlich verschachtelt und komm i.A. mit maximal zwei Nebensätzen pro Hauptsatz aus. Ich vermeide sogar unnötige Fremdwörter.Und ich vermute genau das ist das Problem: als Naturwissenschaftler oder Techniker lernt man, seine wissenschaftliche Arbeit so zu machen, daß sie hinterher auch für jemanden relativ leicht verständlich ist, der sich nicht ein halbes Leben lang mit der Materie beschäftigt hat. Bei vielen Geisteswissenschaftlern und der Philosophie scheint es hingegen so, daß sie meinen, sich unerhört kompliziert ausdrücken zu müssen, um Sachverhalte zu erklären, gepaart mit einer ausgeprägten Xenologophilie.
Hahaha, Schwurbeln fetzt, ganz ehrlich. Wenn es Jobs gebe, bei denen man nur für's Schwurbeln bezahlt würde, ich würde gleich 5 Bewerbungen auf einmal hinschicken.
Zuweilen ist scheint es, als sei, um der soziokulturellen Distinktion sowie auch der Abgrenzung gedanklicher Schulen genüge zu tun, die Steigerung der durch die Ausdrucksform induzierten, jedoch nicht durch das Wesen der Aussage implizierten Komplexität, eine l'art pour l'art, das Eigenleben welcher zu einer gewissen Exklusivität führen muss, zum einen bei der Auswahl der Rezipienten, zum anderen durch sie zu einem Gefühl ebendieser, an der soziokulturellen Distinktion oder der genannten Abgrenzung der Schulen teilzuhaben, sozusagen zur Unterstreichung der Inklusivität einer besonderen und speziellen Subkultur der Denker, die mit dem Ductus der 60er Symathisierende sogar als Gegenkultur zu bezeichnen in Verlockung geraten würden.
Bis dahin ist es irgendwo zwischen Hobby und Methodenkompetenz einzuordnen, sozusagen mit einem inneren Crossfader seinen Ductus zwischen pseudoelitärem Distinktionssprachgewurste und "Ey alder wo is' mein Pils alder" stufenlos verschieben zu können. Man lässt gegebenenfalls seine Umwelt etwas ratlos zurück, aber es gibt glaube ich echt ungewöhnlichere Hobbies als Hardcore-Schwurbeln.
Zitat von: Eisbär am 23 März 2012, 15:54:43Ich schreibe ja nun wirklich selten sonderlich verschachtelt und komm i.A. mit maximal zwei Nebensätzen pro Hauptsatz aus. Ich vermeide sogar unnötige Fremdwörter.Und ich vermute genau das ist das Problem: als Naturwissenschaftler oder Techniker lernt man, seine wissenschaftliche Arbeit so zu machen, daß sie hinterher auch für jemanden relativ leicht verständlich ist, der sich nicht ein halbes Leben lang mit der Materie beschäftigt hat. Bei vielen Geisteswissenschaftlern und der Philosophie scheint es hingegen so, daß sie meinen, sich unerhört kompliziert ausdrücken zu müssen, um Sachverhalte zu erklären, gepaart mit einer ausgeprägten Xenologophilie.Zuweilen ist scheint es, als sei, um der soziokulturellen Distinktion sowie auch der Abgrenzung gedanklicher Schulen genüge zu tun, die Steigerung der durch die Ausdrucksform induzierten, jedoch nicht durch das Wesen der Aussage implizierten Komplexität, eine l'art pour l'art, das Eigenleben welcher zu einer gewissen Exklusivität führen muss, zum einen bei der Auswahl der Rezipienten, zum anderen durch sie zu einem Gefühl ebendieser, an der soziokulturellen Distinktion oder der genannten Abgrenzung der Schulen teilzuhaben, sozusagen zur Unterstreichung der Inklusivität einer besonderen und speziellen Subkultur der Denker, die mit dem Ductus der 60er Symathisierende sogar als Gegenkultur zu bezeichnen in Verlockung geraten würden.Hahaha, Schwurbeln fetzt, ganz ehrlich. Wenn es Jobs gebe, bei denen man nur für's Schwurbeln bezahlt würde, ich würde gleich 5 Bewerbungen auf einmal hinschicken.Bis dahin ist es irgendwo zwischen Hobby und Methodenkompetenz einzuordnen, sozusagen mit einem inneren Crossfader seinen Ductus zwischen pseudoelitärem Distinktionssprachgewurste und "Ey alder wo is' mein Pils alder" stufenlos verschieben zu können. Man lässt gegebenenfalls seine Umwelt etwas ratlos zurück, aber es gibt glaube ich echt ungewöhnlichere Hobbies als Hardcore-Schwurbeln.
ZitatHahaha, Schwurbeln fetzt, ganz ehrlich. Wenn es Jobs gebe, bei denen man nur für's Schwurbeln bezahlt würde, ich würde gleich 5 Bewerbungen auf einmal hinschicken.... warte - is da irgendwo ein Punkt? Glaub nich. Also da kann ich an "Komplexität" dann fast nicht mehr mithalten.