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Autor Thema: Notwendigkeit von Philosophie in der Gegenwart  (Gelesen 20362 mal)

colourize

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Re: Notwendigkeit von Philosophie in der Gegenwart
« Antwort #45 am: 22 März 2012, 11:55:59 »

Menno, Cubist Vowel...

Daß Philosophie einen Nutzen hat / haben kann, streite ich gar nicht ab.
Es wurde aber die These aufgestellt, sie sei notwendig (siehe Threadtitel) - was ja nochmal etwas anderes ist. Man kann Philosophie mit persönlichem und sogar allgemeinem Gewinn betreiben - aber daß es ohne sie nicht ginge, wäre noch zu erklären.
Die meisten Wissenschaften haben ihren unzweifelhaften Nutzen und ohne sie sähe die Welt anders aus - aber es gäbe die Welt auch ohne sie.
*sign*

Genau das wollte ich auch zum Ausdruck bringen.
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Kallisti

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Re: Notwendigkeit von Philosophie in der Gegenwart
« Antwort #46 am: 22 März 2012, 12:46:51 »

nightnurse

... aber was besagt das? Wenn man so herangeht, ja: es gäbe die Welt auch gänzlich ohne irgendeine (menschliche) Wissenschaft - und auch Menschen gab es - lange lange Zeit (!) ohne Wissenschaft(en)!

Vielleicht hätte ich schreiben sollen: Notwendigkeit von Philosophie für gutes Leben, für "gutes Miteinander-Auskommen" (von Lebewesen auf unserem Planet).

Wobei ich schon eingangs erwähnte, dass ich absichtlich provokant formuliert hatte - also mit Augenzwinkern, was meine Wortwahl betrifft. Aber das soll nun nicht als Relativierung verstanden werden, sondern als Randbemerkung.  ::)  ;)
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CubistVowel

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Re: Notwendigkeit von Philosophie in der Gegenwart
« Antwort #47 am: 22 März 2012, 13:05:08 »

Menno, Cubist Vowel...

Daß Philosophie einen Nutzen hat / haben kann, streite ich gar nicht ab.
Es wurde aber die These aufgestellt, sie sei notwendig (siehe Threadtitel) - was ja nochmal etwas anderes ist. Man kann Philosophie mit persönlichem und sogar allgemeinem Gewinn betreiben - aber daß es ohne sie nicht ginge, wäre noch zu erklären.
Die meisten Wissenschaften haben ihren unzweifelhaften Nutzen und ohne sie sähe die Welt anders aus - aber es gäbe die Welt auch ohne sie.

Da aber im Grunde jede Wissenschaft (und auch die Philosophie) mit jeder anderen Wissenschaft große Überschneidungen hat oder haben kann oder über mehrere Ecken zumindest im Zusammenhang steht, stellt man mit der Frage nach dem Sinn einer bestimmten Wissenschaft meiner Meinung nach auch alle anderen in Frage. Was ich ja an sich nicht uninteressant finde, im Gegenteil. Ich tue mich aber schwer, eine vereinzelte Wissenschaft aus diesem Geflecht herauszureißen, abzugrenzen, jeglichen Zusammenhangs zu berauben und danach einzeln nach messbarer "Nützlichkeit" oder "Notwendigkeit" zu beurteilen.
« Letzte Änderung: 22 März 2012, 13:07:41 von CubistVowel »
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Eisbär

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Re: Notwendigkeit von Philosophie in der Gegenwart
« Antwort #48 am: 22 März 2012, 17:46:32 »

Ich versuche es mal andersherum:

Ist Philosophie wirklich noch eine Wissenschaft im heutigen Wortsinne? Ist sie nicht inzwischen viel mehr eine Kunstform?
Natürlich hat sie als solche ihre Daseinsberechtigung, natürlich haben Philosophen über Jahrtausende unser Denken bereichert. Aber tun sie das immer noch? Wo sind sie denn, die heutigen bahnbrechenden großen Erkenntnisse in der Philosophie? Was gibt es neues aus den letzten 100 Jahren?

Kallisti, die wenn ich das richtig mitbekomme, ein großer "Fan" der Sprachphilosophie ist, mißversteht hier im Forum mehr als jeder andere, ihr Artikulationsvermögen verhindert aber kurze, klare Statements. Irgendwas ist faul im Staate Dänemark.

Muss ich wirklich Philosophie studiert haben, um mich mit ethischen Fragen zu beschäftigen? Reicht da nicht auch einfach der gesunde Menschenverstand?

Ich hab mich ja nun auch ein wenig mit der Geschichte der Philosophie beschäftigt. Einen schönen Überblick schafft da z.B. Das philosophische Staunen von Jeanne Hersch oder auch sehr schön die Sendereihe Denker des Abendlandes auf BR alpha, in deren 43 Folgen sich der Münchner Philosophieprofessor Wilhelm Vossenkuhl und der Professor für theoretische Astrophysik und Dozent für Naturphilosophie Harald Lesch eben über Philosophen (und teilweise auch über andere Denker) von den Vorsokratikern über Sokrates, Platon, Aristoteles, Thomas von Aquin, Spinoza, Kant, Marx und Engels, Nietzsche bis zu Freud Darwin und Einstein unterhalten und so ganz nebenbei eben auch noch den Zuschauer bilden. (Dafür, dass solche Sendungen auch dauerhaft im WWW abrufbar sind, seh ich sogar ein kleines bißchen die GEZ für Computer ein.)
Kurz gesagt: ich hab mich vermutlich weitaus mehr mit Philosophie beschäftigt als die meisten anderen Menschen. Trotzdem - oder gerade deswegen? - habe ich den Eindruck, daß die Philosophie heute an einem toten Punkt angelangt ist. Sie beschäftigt sich mit Fragen der Ethik... na toll! - Ich behaupte immer noch, daß man, um das zu tun, eben kein Philosoph sein muß. Es reicht, mal ein bißchen nachzudenken und das ggf. mit Menschen aus verschiedenen Umfeldern und Lebensbereichen zusammen zu tun.

Und wenn ich mir Fragen bezüglich ethischen Handelns stelle, wäge ich eben ab, was a) den wenigsten Menschen schadet, b) den meisten nutzt und c) welche Auswirkungen es auf mich hat.
Um bei dem "großartigen" *hust* Beispiel des Todesstrahler zu bleiben: wenn ich so ein Ding bauen kann, kann das in kürzester Zeit jemand anderes auch herausfinden. Dem könnte aber tatsächlich der eigene Gewinn wichtiger sein, als Menschenleben. Also verhindere ich, daß ein anderer ihn bauen darf... wie ich das am besten erreiche, würde ich ggf. einen Juristen fragen.

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nightnurse

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Re: Notwendigkeit von Philosophie in der Gegenwart
« Antwort #49 am: 22 März 2012, 18:24:03 »

nightnurse

... aber was besagt das? Wenn man so herangeht, ja: es gäbe die Welt auch gänzlich ohne irgendeine (menschliche) Wissenschaft - und auch Menschen gab es - lange lange Zeit (!) ohne Wissenschaft(en)!

Tja...das besagt es.

Vielleicht hätte ich schreiben sollen: Notwendigkeit von Philosophie für gutes Leben, für "gutes Miteinander-Auskommen" (von Lebewesen auf unserem Planet).

Vielleicht...denn es ging Dir ja explizit nicht um die Nützlichkeit. Warum Philosophie nun aber notwendig sein könnte, scheint allen Philosophen klar zu sein, ist aber hartnäckigen Banausen wie Eisbär und mir nicht leicht zu erklären, wie es scheint  :)
(Daß ich hier grade auf der Philosophie einzeln herumhacke, liegt am Threadtitel; ich sehe das durchaus für...sagen wir vorsichtshalber: Die meisten Wissenschaftszweige ähnlich.)

Muss ich wirklich Philosophie studiert haben, um mich mit ethischen Fragen zu beschäftigen? Reicht da nicht auch einfach der gesunde Menschenverstand?
... Ich behaupte immer noch, daß man, um das zu tun, eben kein Philosoph sein muß. Es reicht, mal ein bißchen nachzudenken und das ggf. mit Menschen aus verschiedenen Umfeldern und Lebensbereichen zusammen zu tun.

Das frage ich mich nämlich auch...oder ist das Nachdenken über Ethik nun schon Philosophie??

« Letzte Änderung: 22 März 2012, 18:27:34 von nightnurse »
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RaoulDuke

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Re: Notwendigkeit von Philosophie in der Gegenwart
« Antwort #50 am: 22 März 2012, 18:25:51 »

Eisbär,

als offensichtlicher Anhänger der "harten" Wissenschaften, was hältst Du von Karl Popper, der vor weniger als 100 Jahren im Werk "Logik der Forschung" einige philosophische Betrachtungen anstellte, die die Wissenschaftstheorie m.E. stark beeinflußten? Als Beispiel kann der Falsifikationismus dienen, nach dem es etwas (zu) kurzgefasst ein Weg zum Gewinn einer neuen Erkenntnis sein kann, etwas nahezu beliebiges zu behaupten und es dann (ernsthaft) mittels anerkannter wissenschaftlicher Methoden zu widerlegen zu versuchen. Wenn das Widerlegen nicht gelingt, ist eine neue Erkenntnis da.

Das hört sich zunächst einmal nicht sehr bahnbrechend an, aber es führte zu der Erkenntnis, dass man beispielsweise ein mathematisches Erklärungsmodell der Realität nicht durch Infragestellen der zugrundeliegenden Annahmen zu widerlegen suchen sollte, sondern durch Widerlegen der durch das Modell getroffenen Aussagen. Das ist natürlich immer noch zu realitätsfern, aber eine ganz praktische Anwendung für die Wirtschaftswissenschaft ist das Capital Asset Pricing Model, das auf mit Sicherheit nicht zutreffenden Annahmen aufbaut, aber die erwartete risikadäquate Rendite (systematischer Natur) eines beliebigen Wertpapieres zumindest so eiiiiiiinigermaßen *räusper* zu beziffern in der Lage ist. Auch wer denkt dass ihm das Ding wumpe ist, hängt mit der erwarteten Rendite seiner Altersvorsorge an den Aussagen. Zu unwissenschaftlich das Ganze? Sharpe räumte mit dem Ding (zusammen mit Miller und Markowitz) den Nobelpreis dafür ab - obwohl jeder Erstsemester (und jeder mit gesundem Menschenverstand) in 5 Minuten die Annahmen als nicht zutreffend charakterisieren kann.

OK, Politik und Wissenschaft haben wir. Was ist mit der philosophischen Disziplin der Ästhetik?

Ich kenne mich auf dem Feld nicht so aus wie auf dem Feld der Sharpes und Markowitz' dieser Welt, aber die Frage, was eigentlich Kunst ist und was eigentlich schön ist, bleibt m.E. hochaktuell. Sind nicht gerade viele hier im Forum mit einem ästhetischen Empfinden unterwegs, das eine verhätnismäßig geringe Schnittmenge mit dem ebensolchen Empfinden des Durchschnittsbürgers aufweist? Oh was prügelten sich die Philosophen darüber, und sie tun es noch. Vielleicht sollte sich hier allerdings ein mehr der Kunst und Literatur zugewandter Diskutant der Sache annehmen, denn damit kenne ich mich noch weniger aus als mit Todesstrahlern, aber mein ästhetisches Empfinden wurde ggf. auch durch zu viele Folgen von "The Twilight Zone" unheilbar korrumpiert (da passierten doch immer so Sachen).
« Letzte Änderung: 22 März 2012, 18:27:28 von RaoulDuke »
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messie

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Re: Notwendigkeit von Philosophie in der Gegenwart
« Antwort #51 am: 22 März 2012, 18:42:52 »

Zitat von: Kallisti
Natürlich braucht es Philosophie in der Politik - immer! Sollte immer ein Bestandteil sein - zur Seite stehen, die Politik durchdringen. Aber niemals geht es dabei um einzelne Menschen, Individuen, sondern immer nur um deren Ideen, um deren Gedanken, um deren Theorien ... ! Um also: die "Sache" - nicht um die Person.

Sicher geht es der Philosophie nur um die Idee. Und Philosophen die zu Politikern mutieren, dürften, ähh ... sicher ziemlich unpraktisch sein. ;)
Der Punkt ist aber ja, dass zur Umsetzung einer Idee die Politik benötigt wird! Oder zumindest die Bedienung politischer Instrumente.
Ich meine damit nicht zwingend "in eine Partei eintreten und die Idee dort hineintragen", sondern vielmehr "die Idee verbreiten, in Alltagssprache übersetzen und damit andere dafür zu begeistern".

Im Grunde genommen ist dieser einfache Satz "wir sind das Volk" der DDR damals einer, der niemals hätte entstehen können, hätte es die Idee eines anderen Sozialismus als des existierenden nie gegeben. Es war die Idee, dass Sozialismus auch anders funktionieren kann (nämlich auch auf einer Basis der Freiheit), die den Stein ins Rollen brachte. Eine Idee, die erst die Kunst, dann die Kultur, und dann immer mehr das einfache Volk durchdrang.

Das Verrückte an der ganzen Sache ist ja, dass damals ja gar nicht mal der Sturz der DDR zur Debatte stand - ja, nicht einmal der Sozialismus! Die Menschen wollten einfach nur den Aspekt der Freiheit in ihr Leben integrieren. Mehr nicht. Sie erkannten Freiheit als ein Gut, das über dem Wohlbefinden Einzelner ging: Denn wer heutzutage behauptet, es wäre jedem DDR-Bürger schlecht gegangen damals, "nur" weil er nicht frei war, der verkennt die Realitäten. Es ging vielen Leuten schlecht, aber auch vielen gut.
Bis heute gibt's großes Rätselraten, ob es nach der Wende mehr Menschen besser ging dank der gewonnenen Freiheit oder schlechter aufgrund eines Systems, das andere Werte verriet (z.B. jenes der Solidarität).

Kurzum: Ich glaube, dass die Philosophie dann notwendig ist, wenn es der Gesellschaft im Ganzen so schlecht geht, dass sie an den Missständen zu zerbrechen droht. Denn genau dann bedarf es Vordenkern die nicht nur in der Lage sind zu analysieren warum es der Gesellschaft schlecht geht, sondern auch es zu Papier zu bringen.

Wenn es einer Gesellschaft gut geht mag die Philosophie vielleicht auch dazu beitragen können sie noch besser zu machen, aber eine Notwendigkeit besteht dann keine dafür.
Um das Ganze mal in ein Bild zu übersetzen: Wenn jemand hungert, dann wird er sehr dankbar dafür sein dass es Leute gibt die wissen, wie man ihm einen Kuchen besorgt.
Ist derselbe Mensch aber satt weil eh genug Kuchen da ist, dann ist es jetzt nicht notwendig, aus dem Kuchen noch eine super-duper-Torte zu machen. Sie mag besser schmecken, aber (überlebens-)notwendig wäre sie nicht.
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Re: Notwendigkeit von Philosophie in der Gegenwart
« Antwort #52 am: 22 März 2012, 18:59:30 »

Popper war Lehrer für Mathe und Physik, er hat Pädagogik und Psychologie studiert und sich sehr viele interdisziplinäre Gedanken gemacht, die tatsächlich für das heutige wissenschaftliche Denken maßgeblich sind.
Wenn einem das Denken über Diziplinen hinweg und über die Art zu denken selbst schon zu einem Philosophen machen, dann bin ich auch einer und hätte gerne meine eigene Büste.

Und auch hier stellt sich mir die Frage: muß man Philosoph sein, um sich Gedanken über Methodiken in verschiedenen Wissenschaften zu machen?

Ich finde es ja schön und gut, daß die verschiedenen Fragen gestellt werden. Einzig Antworten bleibt die Philosophie i.A. schuldig. Dazu kommt, daß mir immer noch niemand klar verstämndlich machen konnte, warum man Philosoph sein muß, um sich bestimmte Fragen zu stellen und ggf. auch Antworten für sich zu finden.

Was CAPM angeht: es ist eine Wirtschaftstheorie und somit für sich eh schon Blödsinn. Und ich finde es ein absolutes Unding, daß es immer noch Menschen gibt, die diesen unseligen Preis der schwedischen Reichsbank als "Nobelpreis" bezeichnen. Alfred Nobel würde im Grabe rotieren.

Was die Ästhetik und die dazugehörige Kunsttheorie angeht, sind wir damit wieder bei meiner schon gestellten Frage: ist die Philosophie inzwischen nicht mehr Kunstform als Wissenschaft? Davon ab haben Psychologen und Neurologen unser ästhetisches Empfinden doch inzwischen recht gut erforscht?
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Kallisti

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Re: Notwendigkeit von Philosophie in der Gegenwart
« Antwort #53 am: 22 März 2012, 21:33:29 »

Zitat
Kallisti, die wenn ich das richtig mitbekomme, ein großer "Fan" der Sprachphilosophie ist, mißversteht hier im Forum mehr als jeder andere, ihr Artikulationsvermögen verhindert aber kurze, klare Statements. Irgendwas ist faul im Staate Dänemark.
Eisbär


Bevor ich hier auf irgendwas anderes eingehe (wenn noch - is mir grad zu mühsam, irgendwie) mal die Frage, warum ich eigentlich immer als Negativbeispiel herhalten muss?

Denn

1. bin ich keine "Philosophin". Davon bin ich so weit entfernt wie unser Heimatplanet von unserer Sonne. Mindestens.
2. bin ich hier nicht die Einzige, die sich mal "mit Philosophie einbisschen beschäftigt hat" - da gibt´s ja z.B. auch noch den Onkel Kenaz und der kann das mit der Sprache ja ganz virtuos - also könnte man ihn auch als "Positiv-Beispiel" anführen.
3. interessiere ich mich u.a. auch für Sprachphilosophie, ja - aber nur weil man sich für etwas interessiert und sich damit mal ein bisschen beschäftigt hat (was außerdem auch schon wieder eine halbe Ewigkeit her ist ... leider!), ist man deshalb noch lange kein Meister auf diesem Gebiet - oder?


Das auch noch eigentlich @nightnurse - weil du von verschwurbelter Ausdrucksweise oben sprachst - nein, das machen nicht alle "Philosophen". Und dann ist meine Verschwurbeltheit auch einfach meine ganz individual-spezifische lol - die hat mit Philosophie eigentlich nicht so viel zu tun, sondern mehr mit mir als Person. ;)
« Letzte Änderung: 22 März 2012, 21:36:22 von Kallisti »
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messie

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Re: Notwendigkeit von Philosophie in der Gegenwart
« Antwort #54 am: 22 März 2012, 21:55:28 »

Zitat
Das auch noch eigentlich @nightnurse - weil du von verschwurbelter Ausdrucksweise oben sprachst - nein, das machen nicht alle "Philosophen".

Also jene "offiziellen" der Gegenwart, die mir bekannt sind, machen das jedenfalls. Gegen deren Verschwurbeltheit und Verstiegenheit ihrer Texte bist du ein gaaaaaanz kleines Licht, Kallisti. ;)

*edit* hübsches Beispiel aus dem Netz zu meinen Worten weiter oben über Theodor Adorno:

http://www.phil-splitter.com/html/adorno.html

Wer diesen Text kapiert, hat meine Hochachtung. ;)
Eine hübsche Stelle dazu, freilich aus dem Zusammenhang gerissen aber eben doch sehr schön um zu zeigen wie er schreibt, ist aus dem Text des Links dieser Satz hier:

Zitat
Die erledigende Gebärde, mit welcher Hegel im Widerspruch zur eigenen Einsicht stets wieder das Individuelle traktiert, rührt paradox genug her von seiner notwendigen Befangenheit in liberalistischem Denken.

Soviel zum Thema Verschwurbeltheit  ;D
« Letzte Änderung: 22 März 2012, 22:01:28 von messie »
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Kallisti

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Re: Notwendigkeit von Philosophie in der Gegenwart
« Antwort #55 am: 22 März 2012, 22:54:22 »

Zitat
Kurzum: Ich glaube, dass die Philosophie dann notwendig ist, wenn es der Gesellschaft im Ganzen so schlecht geht, dass sie an den Missständen zu zerbrechen droht. Denn genau dann bedarf es Vordenkern die nicht nur in der Lage sind zu analysieren warum es der Gesellschaft schlecht geht, sondern auch es zu Papier zu bringen.
messie


Also das mit dem "zu Papier bringen" hab ich jez nich so ganz verstanden. ?

Aber den ersten Teil betreffend: naja, ich könnte nun ganz platt antworten: Es verhält sich eher umgekehrt:

Erst kommt das Fressen, dann die Moral. ;)

Erst wenn zumindest die Grundbedürfnisse von Menschen befriedigt sind (dauerhaft, beständig, verlässlich), haben sie den Luxus (!) zur Muße - und damit also den Kopf frei für die philosophischen Fragen/Dinge des Lebens.

Ich glaube, Philosophen verstehen sich selbst auch eher nicht als "Vordenker".


Eisbär

Ja, klar, so eine Ethik für den Hausgebrauch kriegen wir wahrscheinlich alle einigermaßen hin. Wenn wir jetzt also mal bei dem Ethik-Beispiel bleiben, auf das auch nightnurse sich oben nochmal bezogen hat.

Aber wenn wir uns mal etwas tiefer in die Materie wagen, dann lernen wir:

Es gibt verschiedene Varianten normativer Ethik - die rekonstruktive Ethik (die "beschreibende"), die Verfahrensethik (in der es nicht um "inhaltliche Normen", sondern um Verfahren für Normfindung und -diskussion und deren Einhaltung geht), die deontologische und die konsequenzialistische Ethik ....

Was wir da schnell feststellen können: Ethik (als ein philosophisches Gebiet) ist nicht das Gleiche wie Moral.

Und genau das wird hier aber verwechselt und gleichgesetzt, Eisbär.

Alleine in der Verfahrensethik gibt es dann verschiedene Theorien:

kasuistische Verfahren, Kohärenztheorien, Konsenstheorien, Gewissensethik, Situationsethik, Dezisionismus.

Oder die konsequenzialistische Ethik, zu der bspw. der Utilitarismus gehört (Nutzensummenutilitarismus, Durchschnittsu., Glücks- und Präferenzutilitarismus ...).

Oder dann die Bedeutung moralischer Urteile:
Deskriptivismus, Emotivismus, Präskriptivismus.

Die Frage nach dem Naturalsimus, nach moralischer Wahrheit - ethischer Realismus. Religiöse Moralbegründung ist auch ein Thema. Auch Intuitionen, Tugendethik, Gesinnungsethik, Egoismus und Altruismus ... ... ... ...


So. Ja. Das sollte einfach mal deutlich machen, was alleine "Ethik" so alles beinhaltet. ;)


Wenn die werten Damen und Herren mir dann bitte in die nächste Abteilung folgen wollen ...

... Hier kommen wir zur Sprachphilosophie, die sich u.a. mit solcherlei Spaßigkeiten befasst:

Wie kommen sprachliche Zeichen wie Wörter und Sätze zu ihren Bedeutungen? Was genau ist Bedeutung? Welche Funktionen hat Sprache und welchen Einfluss hat sie auf das Denken? Wie ist Sprache ursprünglich entstanden?

Hierbei streifen wir solche lustigen Vorkommnisse wie das Sprachspiel (Wittgenstein) oder die Sprechakttheorie (Austin) (da bekommen wir es mit lokutiven und illokutiven Akten zu tun, aber auch mit perlokutiven) und mit Searle und mit Quine ("Logiker") und Frege  ...


Falls Ihnen dies zu trocken auf nüchternen Magen sein sollte, folgen Sie mir freundlicherweise dann bitte hier entlang, vorbei am subjektiven Idealismus eines Schelling (Identitätsphilosophie) und Hegel (den hab ich ja gefressen ---- geh mir bloß wech mit HEGEL - von wegen: Verschwurbeltheit in der Ausdrucksweise - na dann gute Unterhaltung mit Hegel!^^) hin zum objektiven Idealismus, auch Realismus, Materialismus, Monismus.

Bis zum Empirismus der Herren Bacon, Locke, Mill zum Berliner und Wiener Kreis der Erkenntnistheoretiker - da machen wir Bekanntschaft mit Berkeley und Leibniz (nein, der hat nicht die Butterkekszacken erfunden) und unserem ehrenwerten Kant ...

Und wir streifen im Vorübergehen den von mir geschätzten Skeptizismus. Wir erinnern uns an Heraklit, Parmenides, Pyrrhon und Timon (nee, die sind nicht verwandt mit Timon und Pumba), wenden uns aber vor allem dem von mir sehr verehrten Michel de Montaigne und David Hume zu.

Dabei beschäftigen uns Fragen wie:

Wie sind die Dinge?
Wie haben wir uns zu ihnen zu verhalten?
Was für Erfolg kann unser Verhalten haben?


Und nachdem wir noch eine Menge weiterer interessanter Etagen einfach links liegen gelassen haben (wie z.B. die Frankfurter Schule und Persönlichkeiten der "Kritischen Theorie" wie den bereits genannten Adorno, Horkheimer, später Habermas ...), weil uns nicht in erster Linie die Beine, sondern weit stärker noch die Gehirnwindungen schmerzen, werfen wir noch einen ganz kurzen Blick auf die von mir ebenfalls äußerst geschätzte Existenzphilosophie, dem sogen. Existentialismus - und kommen somit zu Menschen wie Jaspers, Sartre natürlich, Merleau-Ponty und --- na, wer flüstert da heimlich in der letzten Reihe, dass sie da vorne gleich ganz aufgeregt von einem Bein aufs andere hüpft? - Jaaa, bitte!: Sagen Sie es laut! - Genau: Camus!  :) Der eigentlich gar kein "Philosoph", sondern mehr Schrifsteller war, wie manch ein Pedant einzuwerfen versucht sein wird. ;)


So. Was wollt ich sagen?

Ich habs vergessen.  ;D  - Ach doch: Eisbär - setz dich mal als Gasthörer in ein Seminar oder so oder lies ein "philosophisches Fachbuch" - und nicht bloß Laien-Philo-TV gucken - wenn das oft auch durchaus interessant, informativ und unterhaltsam ist - aber dass du dir deshalb damit schon auf die Schulter klopfst und dem Irrtum aufsitzt, du habest dich deshalb/auf diese Weise "mehr mit Philosophie beschäftigt als die meisten Leute" - das ist dann doch etwas sehr bequem und einfach eine irrige Annahme - aber totally completely my Dear!  ;) - Du hast das philosophische Universum nicht mal gestreift ... ! ^^  :P




« Letzte Änderung: 22 März 2012, 23:00:31 von Kallisti »
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Kallisti

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Re: Notwendigkeit von Philosophie in der Gegenwart
« Antwort #56 am: 22 März 2012, 23:06:25 »


(...)

Zitat
Die erledigende Gebärde, mit welcher Hegel im Widerspruch zur eigenen Einsicht stets wieder das Individuelle traktiert, rührt paradox genug her von seiner notwendigen Befangenheit in liberalistischem Denken.

Soviel zum Thema Verschwurbeltheit  ;D

Und das is noch gar nix! Lies mal HEGEL selber im Original - das is zum Davonlaufen - aber auch: inhaltlich.  8) (Bin hiermit definitiv als Nicht-Hegelianerin entlarvt.  :D ) Oder Heidegger ...  :-\
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Eisbär

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Re: Notwendigkeit von Philosophie in der Gegenwart
« Antwort #57 am: 23 März 2012, 02:42:36 »

Ich habs vergessen.  ;D  - Ach doch: Eisbär - setz dich mal als Gasthörer in ein Seminar oder so oder lies ein "philosophisches Fachbuch" - und nicht bloß Laien-Philo-TV gucken - wenn das oft auch durchaus interessant, informativ und unterhaltsam ist - aber dass du dir deshalb damit schon auf die Schulter klopfst und dem Irrtum aufsitzt, du habest dich deshalb/auf diese Weise "mehr mit Philosophie beschäftigt als die meisten Leute" - das ist dann doch etwas sehr bequem und einfach eine irrige Annahme - aber totally completely my Dear!  ;) - Du hast das philosophische Universum nicht mal gestreift ... ! ^^  :P
Verehrte Kallisti, Dein Realitätssinn ist mal wieder im Urlaub. Was glaubst Du, wieviel sich der Durchschnittsmensch in seinem Leben mit Philosophie beschäftigt hat? Frag mal morgens beim Brötchen holen die Allgemeinheit, wer da Platons Höhlengleichnis kennt, wer den Unterschied zwische Goldener Regel und dem kategorischen Imperativ kennt und wer das hübsche Zitat "Cogito ergo sum" dem guten Descartes zuordnen kann...
nein, liebe Kallisti, alleine schon, daß ich in Deiner obigen Aufzählung von Philosophen (wo ich mir ein bißchen mehr Chronologie gewünscht hätte) im Groben und Ganzen wußte, wovon Du schreibst und mir von vielen nicht nur die Namen sondern auch in Grundzügen deren jeweilige Werke ein Begriff sind, zeigt mir ganz deutlich, daß Du erstens die Bedeutung der Philosophie für die Menschen heutzutage mindestens so gnadenlos überschätzt, wie den philosophischen Bildungsgrad derselben.
Entweder das oder Du hast wieder mal nicht verstanden, was ich schrieb. Wenn ich sage, ich habe mich mehr als die meisten Menschen mit Philosophie beschäftigt, heißt das nicht, daß in der Gauss'schen Normalverteilung da nicht welche sind, die es noch mehr taten; man muß aber sich wahrlich nicht mit den Erkenntnissen dieses Mathematikers auseinandergesetzt haben, um zu verstehen, was "mehr als die meisten" heißt, wenngleich es hilfreich sein würde, würde man sich tiefer damit beschäftigen wollen.
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RaoulDuke

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Re: Notwendigkeit von Philosophie in der Gegenwart
« Antwort #58 am: 23 März 2012, 08:59:32 »

Popper war Lehrer für Mathe und Physik, er hat Pädagogik und Psychologie studiert und sich sehr viele interdisziplinäre Gedanken gemacht, die tatsächlich für das heutige wissenschaftliche Denken maßgeblich sind.

Naja, was die Leute so studiert und getan haben, sagt oft wenig darüber aus, was für ggf. maßgebliche Dinge sie später einmal denken würden. Popper war zwar Lehrer in seinem Leben, aber auch Dozent an der Canterbury University, Christchurch University und an der LSE (was ja nicht gerade mal so eine unbekannte Minibuzze ist). Auch aus jemandem, der nach seinem Studium der Physik zunächst keine Anstellung fand, der sich als Hauslehrer betätigte und schließlich nach längerer Suche eine Anstellung im Patentamt in Bern bekam, wurde immerhin jemand, dessen Anblick wir bei keinem Baumarkt-Besuch mehr entgehen können, nämlich der "größte Physiker aller Zeiten", der werte Herr Einstein.

Wenn einem das Denken über Diziplinen hinweg und über die Art zu denken selbst schon zu einem Philosophen machen, dann bin ich auch einer und hätte gerne meine eigene Büste.

Kein Problem, sowas gibt es hier: http://www.bueste.org/

Aus dem beeindruckenden Werbetext: "Von Schiller und Goethe sind noch heute viele Büsten erhältlich. Wer also in Form einer Büste verewigt ist, ist über viele Jahrzehnte unvergessen." Wenn man sich in derart künstlerisch und sprachlich sensible Hände begibt, ist ja mit Sicherheit alles in Butter.

Und auch hier stellt sich mir die Frage: muß man Philosoph sein, um sich Gedanken über Methodiken in verschiedenen Wissenschaften zu machen?

Nein! Muss ich Mathematiker sein, um mich mit Mathematik zu beschäftigen? Ich muss ja nicht einmal Arzt sein, um eine Gehirnoperation durchzuführen. "Etwas sein müssen" impliziert eine Vorbehaltsaufgabe, und die kann ja nur ggf. aus rechtlichen Gründen, beispielsweise zum Schutz der Allgemeinheit, bestehen. Wenn ich bereit bin, eigenartigen und aussagelosen Formelsalat zu produzieren bzw. das Risiko eines komplett verwirrten Patienten und eines längeren Gefängnisaufenthaltes einzugehen - auf geht's. Prinzipiell kann ja jeder erst einmal alles machen.

Was CAPM angeht: es ist eine Wirtschaftstheorie und somit für sich eh schon Blödsinn. Und ich finde es ein absolutes Unding, daß es immer noch Menschen gibt, die diesen unseligen Preis der schwedischen Reichsbank als "Nobelpreis" bezeichnen. Alfred Nobel würde im Grabe rotieren.

Es wäre vielleicht eine interessante philosophische Frage, was eine Wissenschaft dann ist. Ginge es nach Deinem Geschmack, wäre die Wirtschaftswissenschaft keine. Ging es nach meinem Geschmack, wäre sie es in Teildisziplinen zu 110% (ich meine jetzt nicht diese bunten Folien-Exzesse mit der BCG-Matrix und ähnlichem "Pseudowissen").

Was mehr kann Wissenschaft denn leisten, als die wahrgenommene Realität zu erklären, und dieses teilweise komplett absurde Geschehen auf den Märkten, das ja das Aggregat der Handlungen einzelner Personen ist, die sich im wesentlichen als rational und zumindest zu großen Anteilen als hochgebildet bezeichnen würden, ist ja wohl im höchsten Maße erklärungsbedürftig. So viele schlaue Leute, die bestimmt nicht alle moralisch komplett verdorben sind, produzieren Krise nach Krise, und liefern der Welt ein Schauspiel, das streckenweise selbst gegen surrealistische Kunst wirkt wie pure Narretei? Wie geht das?

Spannend ist das - ich habe diesem verrückten Treiben schon viel Zeit gewidmet, und ich bereue keine Minute davon.
« Letzte Änderung: 23 März 2012, 09:04:14 von RaoulDuke »
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schwarze Katze

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Re: Notwendigkeit von Philosophie in der Gegenwart
« Antwort #59 am: 23 März 2012, 09:43:59 »


Ich muss ja nicht einmal Arzt sein, um eine Gehirnoperation durchzuführen.

o_O

Wie geht das denn? bzw. wer haftet dann für die medizinische Kunstfehler, die dann definitiv entstehen?

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