Ob aber jemand, auf den all das nicht zutrifft, eines Tages sagen würde "so, das reicht jetzt, man soll aufhören, solange es schön ist"?
Wenn jemand sich entscheidet - warum auch immer!- den Kelch auszutrinken, dann sollte man doch nicht kleingeistig und engstirnig sein, sondern das respektieren - nicht?
Über die darf man natürlich jede erdenkliche Meinung haben...aber wenn man der Meinung ist, das sei würdelos und erbärmlich, dann halte ich diese Meinung für anmaßend.
Egal wie "Geist" entsteht, er ist da und man kann damit arbeiten, das ist die Matrix, die das Leben von uns Menschen ausmacht, das "Instrument" zur bewussten Lebensgestaltung. Das (biologische) Sein bestimmt das Bewusstsein, aber jenes gewinnt eine Dynamik, die sich sich nicht immer unmittelbar auf ersteres zurückführen lässt im Sinne einer klaren Zuordbarkeit. Es würde uns auch am Leben hindern (sic!).Du sagst es, es ist uns nicht immer bewusst. Und das muss es auch nicht. Sicherlich geht ohne das Hirn nichts und wenn mir der Magen vor Hunger zwischen den Beinen baumelt, ist auch nicht viel mit Diskussionen im Schwarzen Hamburg, aber wir sind nicht bloß Opfer unserer Hardware.
Und auch wenn ich unter einer endogenen Depression leide oder Schizophrenie, muss ich Verantwortung für meinen Aktionsradius tragen. Ansonsten wären ja, wenn man die "Biologisierung" in letzter Konsequenz betrachtet, weit mehr Täter nicht schuldfähig. Die "Kranken" werden ja nicht alle pauschal entmündigt.
Aber man stelle sich vor, jemand wacht morgens nach nem richtig schönen Abend auf, es ist das Lieblingswetter, die Person hat ihren Lieblingsjob etc., kurzum: es geht ihr richtig gut. Sie wird sich wohl kaum auf die Bettkante setzen und darüber nachgrübeln, wo die Rasierklingen oder die Schlaftabletten sind. Das wird wohl auch kaum passieren, wenn es ihr nicht ganz so gut geht, sondern vielleicht ein wenig schlechter. Lediglich Sorgen, Ängste oder eben Faktoren wie ein subjektives Gefühl zu großer Entbehrungen im bisherigen Leben oder dass man "es nicht packt" (seine Ziele, Vorstellungen, Lebensentwurf) o. dgl., bringen einem solche Gedanken näher.
Aber hier können wir ja über Hintergründe/Beweggründe nachdenken.
Deine Ausführungen signalisieren (zumindest in diesem Rahmen, das ist keine generelle Unterstellung) eine negative Haltung zum Leben (und nicht etwa eine neutrale), besonders auf Seite 8 (Stichwort "Gollum" ). Das Leben allerdings ist alles, was Du hast. Mehr noch, Du BIST Dein Leben. Klar muss man nicht leben, aber ich habe noch nicht verstanden, was Du davon hast, die Sache selber in die Hand zu nehmen (obwohl Du darauf geantwortet hast ...). Einen Sinn ergibt es höchstens dann, wenn ich nicht will, dass mein Lebensentwurf abrupt (ohne meine "Einwilligung") endet. Aber das läuft unter Angst vor dem Tod. Und die schafft man nicht so einfach ab, indem man ihn umarmt. Das geht hart in Richtung Selbstbeschiss, man wird sich nie mit seinem Tod aussöhnen (selbst bei sterbenskranken Menschen wird er wahrscheinlich kaum mehr als das kleinere Übel sein, das sich angesichts des Zustandes als Erlösung darstellt). Ein reflektierter Mensch weiß, dass jederzeit ein heftiger Windstoß kommen kann und den Turm aus Streichhölzern einfach umpustet, da sind wir uns ja einig. Wie "sinnfrei" ist es aber, selber das Fenster aufzumachen bzw. den Ventilator anzuschmeißen?
Wie "sinnfrei" ist es aber, selber das Fenster aufzumachen bzw. den Ventilator anzuschmeißen?Das Bewusstsein, dass es jederzeit zuendegehen kann, hindert mich persönlich nicht daran, mein Leben zu gestalten – ganz ohne mir Gedanken über einen selbstbestimmten Abgang zu machen. Ich "gestalte" im Bewusstsein, dass ich möglicherweise morgen oder in einigen Minuten nicht mehr weitermachen kann.
Eisbär... also du hältst jedes Menschenleben grundsätzlich und per se für "unglaublich wertvoll"? So zumindest ist die Aussage deiner letzten Sätze.
Zitat von: Kallisti am 17 August 2011, 22:23:46Eisbär... also du hältst jedes Menschenleben grundsätzlich und per se für "unglaublich wertvoll"? So zumindest ist die Aussage deiner letzten Sätze.Ja, das tue ich. Und nein, mir geht es nicht nur um Quantität. Aber auch. Der einzige Grund, seinem Leben ein vorzeitiges Ende zu setzen, wäre in meinen Augen eine Krankheit, die jegliche Qualität verhindert. Das entscheidende ist eben das Produkt aus Quantität und Qualität.
Zitat von: Eisbär am 18 August 2011, 09:21:36Zitat von: Kallisti am 17 August 2011, 22:23:46Eisbär... also du hältst jedes Menschenleben grundsätzlich und per se für "unglaublich wertvoll"? So zumindest ist die Aussage deiner letzten Sätze.Ja, das tue ich. Und nein, mir geht es nicht nur um Quantität. Aber auch. Der einzige Grund, seinem Leben ein vorzeitiges Ende zu setzen, wäre in meinen Augen eine Krankheit, die jegliche Qualität verhindert. Das entscheidende ist eben das Produkt aus Quantität und Qualität.Der Meinung vom Eisbären in diesem Punkt kann ich mich in vollem Umfang anschließen.
Ich räume alles ein. Und vor allem dies: Dass Seins-Ekel und Todesneigung in deren voller niederdrückender, depressiver Gestalt nur eine verschwindend geringe Anzahl von Menschen zu spüren bekommen, den anderen darf ihr ebenso illusionäres wie biologisch vorgscheschriebenes Kleben an Sein und Existieren nicht verbittert werden durch bittere Rede. Niemals lebten sie wie Götter , und nie bedurfte es mehr. Sie haben affirmiert und negiert in einem Gleichgewicht, das die je anderen als "Welt" für sie einwogen, und wo es kein Äquililbrium war, fälschten sie besten sozialen und biologischen Gewissens das Gewicht. Demütigung und échec wurden im Handumdrehen ihnen zu Überwindung: die ist manchmal nichts als reines Zeitigen der Zeit. Da sagt sich denn der arme Teufel: So habe ich das alles hinter mich gebracht. Und war ich nicht allein darum schon tapfer und aller Ehren wert? Er nimmt das Dasein mit all dessen Misere an, das Zeitvergehen, Vergehenlassen hilft ihm. Und geht´s zu Ende, meint er - soferne er noch einen Gedanken fassen kann, denn die Endzeit, hammerschlagende, betäubt seinen kopf - er habe seine Pflicht erfüllt. Hier wird mit ihm nicht gerechtet: Wie wäre das auch möglich? Denn er ist ja, er, der Lebenspflichtentreue, der Mensch schlechthin, konstituiert in dieser Eigenschaft durch Biologie und Gesellschaft. Seine Sache, die immens majoritäre und darum normale, raubt erst der Tod ihm, dem er sich stellt, in Furcht und Zittern, die mögen aber Tapferkeit heißen.
Die "Proportionen" werden von der Gesellschaft gemessen. Aber außerdem hat noch jeder sein eigenes Maß zur Hand. Mein Urteil, soferne es nicht das Total aller Erfahrung in Frage stellt, muss schließlich als das gültige anerkannt werden. Ich bin befugt zu sagen: Der Zwischenfall, der euch belanglos erscheint, mag es ja für euch sein, das leugne ich nicht; für mich aber ist er ein entscheidendes Lebensereignis, entscheidend genug, dass ich mir seinetwegen den Tod gebe.Den natürlichen Tod. Dieser ist mir natürlich nicht nur, weil ich den umgangssprachlich als natürlichen Tod bezeichneten geistig nicht verarbeiten kann, sondern auch, weil ich mich einem gesellschaftlichen Urteil über mein Sein und Tun zu unterwerfen nicht gesonnen bin. Es ist dieses ja wesentlich durch Funktionalität bestimmt. Wer als Melancholiker seiner Berufstätigkeit nur mit Widerwillen und darum unzulänglich, schließlich gar nicht mehr nachgeht, nur am Bette kauert und die Dinge an sich herankommen lässt, ist für die Gesellschaft nicht brauchbar, funktioniert nicht. Die Sozietät muss also danach sehen, dass man ihn "heile", durch psychotherapeutisches Herumgerede, durch Elektroschocks, durch chemotherapeutische Behandlung, und wenn all dies nicht hilft, ihn aus- und einsperren. Erst einmal im Narrenturm, ist er unsichtbar, stört nicht, ist außerdem so gut bewacht, dass der Freitod ihm nicht gelingen kann: so hat die Gemeinschaft der Tätigen ein gutes Gewissen. Einspruch. Ich stehe nicht an zu sagen, dass hier die soziale Justiz nicht nur einen Irrtum begeht, der noch verzeihlich wäre, sondern eine Untat, deren sie sich vage bewusst sein muss. Herumgerede und Schocks und Präparate stehen hier im Begriff einen, der anders war, von sich heraus, zum Noch-Anderen zu machen. Ein Ich, einem Menschen oktroyiert, welches nur das fragwürdige Produkt äußerer Eingriffe ist, die ihm seinen Eigen-Interessen entfremden.
Nun ist der Suizid so wenig Schande mehr wie Armut und Krankheit. Er ist nicht mehr die Un-Tat eines verdüsterten (im Mittelalter hätte man gesagt, eines von Dämonen besessenen) Gemüts, sondern Antwort auf die drangvollen Herausforderungen des Daseins und namentlich des Zeitvergehens, in dessen Strom wir mitschwimmen und uns selber ertrinken zusehen; Stück um Stück unseres Ich wird schon weggeschwemmt, wenn die Erinnerungen verblassen und die Realität unserer Person schließlich in einen Strudel gerät, der sie in die Untiefen reißt. Was ist der Suizid als natürlicher Tod? Das schmetternde Nein zum schmetternden, zerschmetternden échec des Daseins.
"Man muss schließlich leben", sagen die Leute in ihrer Leuteweisheit. Man muss nicht, muss dies um so weniger, als ohnehin alles darauf hinausläuft, dass wir irgendeines mit Sicherheit heraufkommenden Tages nicht mehr leben müssen, sondern nicht leben dürfen. Ist ein Schnitter, der heißt Tod.
Geschichte: Sinngebung des Sinnlosen, soferne man mit dem Sinngeben sich abmühen will, was man aber vermeiden wird, wenn erst die Sinnlosigkeit erkannt ist. Theodor Lessing war nicht so querulantisch-verquert, wie man es behauptet, und Hegel vielleicht weniger groß, als die Tagesmeinung es fast terroristisch uns einbleut. Die Erkenntnis der Absurdität des Lebens, das auch dort échec ist, wo ein Lebensträger im Lorbeer prangt und sich spreizt, führt auf geradem Wege zum Gedanken an den Freitod, da muss nicht erst eine spezifische Konfliktsituation sich herstellen. Fügt sie sich aber der halb und halb gelebten, halb und halb aus dem BEwusstsein gedrängten absurden Grundkondition hinzu, verdeutlicht sie diese auf schreckhafte Weise. Dann wird die Last, die wir herumzutragen haben, un-er-träglich, tritt die Existenz uns als eine Prüfung entgegen, die zu bestehen unmöglich ist. So wird der Weg ins Freie gesucht, (...)
Nicht etwa, dass die Erkenntnis sich betröge. Sie vermittelt stets in wohlgegliederter und logisch-syntaktisch einwandfreier Sprache oder auch nur in trübe-vorbewusster Halbdeutlichkeit dass hier das Freie ein Leeres ist. Kein Garten Eden mit prangenden Früchten, kein Ausruhen im Moos unter schattenspendendem Baum winkt, nichts ist da (...) Das Freie ist kein Freies, aber der Weg ist Weg ins Freie, gleichwohl.
Ich hab mir jetzt nicht alle Postings durchgelesen, aber wo liegt eigentlich das Problem?
wobei das mit der krankheit sehr subjektiv ist. was manche noch zumutbar finden, weil andere menschen angeblich glücklich mit irgendwas leben (müssen), muß man selbst so noch lang nicht leben wollen.
Ich glaube ganz am Anfang - so auf der ersten Seite - ging es noch um einen simplen Meinungsaustausch, der dann irgendwann umgeschlagen ist. ^^"
Ich hab mir jetzt nicht alle Postings durchgelesen, aber wo liegt eigentlich das Problem?Geht es wieder um irgendwelche moralischen Grundsatzfragen? Ich meine, wenn jemand aus dem Fenster springen will, kann er das doch jeder Zeit machen. Wenn er aber dafür mein Einverständnis braucht, tut es mir leid, das wird niemand bekommen. Aber das muss ja niemanden abhalten. Wenn jemand schon so rumdruckst wegen dem "Ende", ist er denke ich auch nicht wirklich entschlossen.Ausnahme sind natürlich diejenigen, die aus z.B. krankheitlichen Gründen nicht mehr dazu in der Lage sind, selbst Hand an sich zu legen. In dem Fall und nur in dem Fall, kann man denke ich über eine aktive Sterbehilfe reden.
ZitatIch glaube ganz am Anfang - so auf der ersten Seite - ging es noch um einen simplen Meinungsaustausch, der dann irgendwann umgeschlagen ist. ^^"(l3xi)Wodurch soll das an welcher Stelle "umgeschlagen" sein??
Zum Freitod mit Medikamenten: Ein mir befreundeter habilitierender Pharmazeut hat mich am Wochenende belehrt, dass es quasi unmöglich ist, mit handelsüblichen Medikamenten alleine, also Benzoediazepame etc. Selbstmord zu begehen. Man schläft einfach sehr sehr lang und tief. Die müssen entweder mit anderen Mitteln wie Alkohol oder mit anderen Umständen (Wasser) kombiniert werden um zu sterben.
Selbstbestimmtes Sterben finde ich sehr gut.