Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: wann sterben?  (Gelesen 83410 mal)

Kallisti

  • Gast
Re: wann sterben?
« Antwort #120 am: 17 August 2011, 22:23:46 »

Eisbär

... also du hältst jedes Menschenleben grundsätzlich und per se für "unglaublich wertvoll"?  :o  So zumindest ist die Aussage deiner letzten Sätze.

Wenn ich dich richtig verstehe (deine Begründung bei 2. "Nein"), geht es dir eher um Quantität als Qualität - anders gesagt: Hauptsache, das Leben ist lang - so lang wie geht - dann ist es nach deinem Geschmack? Du hast also außerdem Angst, "etwas zu verpassen", wenn du deinen Tod selbst setztest (bevor er dich "von allein" ereilt)?

Dass niemand in der Lage ist (kein "Normalsterblicher" lol), "alles zu erfahren", hatten wir ja oben schon zweifach abgehandelt (siehe, was ich Simia antwortete ...).


Zitat
Ob aber jemand, auf den all das nicht zutrifft, eines Tages sagen würde "so, das reicht jetzt, man soll aufhören, solange es schön ist"?
(nightnurse)

Wie ich schon sagte: Man kann zu der Entscheidung, dem Entschluss kommen, dass das (eigene) gelebte Leben für einen selbst ausreicht - ja, auch wenn/weil es "rund" ist, weil man es so abschließen möchte, weil man einfach genug hat (gelebt, erlebt - es genug Erfahrungen, Eindrücke, Erinnerungen, Erlebnisse ... sind - für einen selbst).
Weil man nicht nach "immer mehr" hechelt, weil man mit dem, was war, wie es war und wie lange es dauerte zufrieden ist - gesättigt, wie ich schon schrieb. Weil man sich nicht "den Magen verderben" will - an noch mehr, weil man sich nicht am Leben überfressen will, weil man nicht dem Irrglauben (wie Eisbär es nannte - in anderem Zusammenhang, ja) anhängt, es könne noch besser werden oder es könne  noch "mehr" geben oder man müsse unbedingt noch mehr erleben, erfahren ... ... ...

Man kann es einfach an einem bestimmten Punkt gut sein lassen. Und seinen Tod, sein Sterben, sein Ende in eigene Hände nehmen, selbst "verantworten"!


Zitat
Wenn jemand sich entscheidet - warum auch immer!- den Kelch auszutrinken, dann sollte man doch nicht kleingeistig und engstirnig sein, sondern das respektieren - nicht?
(nightnurse)

Wie du schon sagtest - es mag anmaßend wirken (auf wohl viele Menschen): meine Einstellung - kleingeistig und engstirnig ist was anderes.  ;)  Was heißt respektieren in diesem Zusammenhang? Wenn Leute also um jeden Preis ihr Leben bzw. ihre Existenz verlängern oder an ihr festhalten wollen (müssen??), wenn ihnen da ihre Würde, ihre Haltung egal ist (dass die flöten geht), wenn sie partout nicht satt werden wollen, nicht genug kriegen können - nie genug haben (werden) - dann will ich daran ja nichts ändern - das entscheidet jeder für sich (ich denke nur, dass das bei den meisten Menschen eben gar keine bewusste Entscheidung ist - sie unterliegen einfach nur ihrem Lebenstrieb ...). Ich will ja nicht anderen Leuten das Leben nehmen. Ich plädiere nur für einen selbstbestimmten, würdevollen Tod - für sich selbst  (nicht also für Andere - bewahre!).
Allerdings ist meine Haltung solchem Verhalten gegenüber (das so willenlos dem eigenen Lebenstrieb unterworfen ist) eben die, dass ich es schwach finde und teils auch erbärmlich - eben: würdelos, klein. Ja, ich verachte das, wenn man unbedingt dran festhalten will. So ist das.  :)

Umgekehrt mache ich auch keinen Hehl daraus und ist es nur logisch, dass ich Menschen, die sich ihren eigenen Tod gegeben haben, tatsächlich "bewundere" - dass ich eine sehr hohe Meinung von ihnen habe (auch wenn sie davon nix mehr haben). Das heißt nicht, dass ich diese Menschen (so sie mir nahestanden) nicht vermisse, dass ich ihnen nicht vlt. auch noch mehr Zeit, Möglichkeiten, Chancen ... ... ... gewünscht hätte usw. - aber letztlich entscheidet das wirklich jeder für sich selbst - und wenn ich etwas absolut RESPEKTIERE, dann ist es die Selbsttötung (sofern sie wirklich bewusst entschieden und vollzogen wurde und nicht aus ideologischen oder religiösen Gründen -also: fremdbestimmt).

Warum? Weil ich - wie oben mehrmals erwähnt - weiß, dass es niemandem leicht fällt, dass es ein "großer Schritt" ist, das nicht nur zu wollen oder zu "planen" (was so sowieso nicht wirklich abläuft ... - es ist zumeist längere Zeit in den Gedanken ..., aber ausgeführt wird es dann zumeist doch "spontan" - Thema für sich: Suizid, Freitod), sondern es tatsächlich zu vollziehen - wissend, dass es damit endgültig und unwiderruflich vorbei ist - dafür wirklich die Verantwortung zu übernehmen.
Leider wird Suizid nach wie vor als ein Akt der Schwäche, Krankheit, Leid, Flucht, Feigheit gesehen und oft verachtet, die Menschen bemitleidet, für schwach gehalten etc. - das Gegenteil ist der Fall. Jedenfalls immer dann, wenn ein Mensch das "bewusst" macht, wenn er weiß, was es bedeutet, wenn er sich sicher ist ...

Seinen Lebenstrieb zu überwinden (per Willensentscheidung, per Verstand), statt ihm willenlos zu unterliegen - das sehe ich als sehr bewundernswert und sehr stark, "groß" an, ja. - Eben: das schaffen nicht viele ...  ;)

Naja - das nur so zwischendurch. 


Zitat
Über die darf man natürlich jede erdenkliche Meinung haben...aber wenn man der Meinung ist, das sei würdelos und erbärmlich, dann halte ich diese Meinung für anmaßend.

(nightnurse)

Wie gesagt: das sei dir unbenommen - ich bin mir sicher, dass es viele Menschen gibt, die das genauso sehen wie du (die meisten möchte ich meinen).  ;)




Simia ... - uff.   ;)

Also gut - aber dafür ein extra posting. Besser is´.   :D
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Kallisti

  • Gast
Re: wann sterben?
« Antwort #121 am: 18 August 2011, 01:36:57 »

Zitat
Egal wie "Geist" entsteht, er ist da und man kann damit arbeiten, das ist die Matrix, die das Leben von uns Menschen ausmacht, das "Instrument" zur bewussten Lebensgestaltung. Das (biologische) Sein bestimmt das Bewusstsein, aber jenes gewinnt eine Dynamik, die sich sich nicht immer unmittelbar auf ersteres zurückführen lässt im Sinne einer klaren Zuordbarkeit. Es würde uns auch am Leben hindern (sic!).

Du sagst es, es ist uns nicht immer bewusst. Und das muss es auch nicht. Sicherlich geht ohne das Hirn nichts und wenn mir der Magen vor Hunger zwischen den Beinen baumelt, ist auch nicht viel mit Diskussionen im Schwarzen Hamburg, aber wir sind nicht bloß Opfer unserer Hardware.
(Simia)

Also Moment - ich meine nicht, dass wir völlig, ständig und ausnahmslos unseren körperlichen Abläufen unterjocht sind.  Ich sage aber, dass wir uns oft nicht bewusst sind, wie stark dann doch unsere Körperlichkeit unsere Verhaltensweisen, Entscheidungen, Gedanken, Gefühle durchdringt - wie sehr unsere körperlichen Abläufe bzw. unsere körperliche (also auch emotionale) BEFINDLICHKEIT uns beeinflusst.

Trotzdem bin ich der Meinung, wir haben einen Willen (ob der so frei ist wie wir es gerne hätten, ist noch eine andere Frage - und gehört in den anderen thread).
In unseren langfristigen Entscheidungen, Absichten, Vorhaben ... sind wir meines Erachtens eher frei als in den Dingen, die spontan bzw. unbewusst bzw. unreflektiert (!) getan, vollzogen werden.

Wir sind also nicht ausschließlich bzw. ausnahmslos unserer "Biologie", unseren körperlichen Abläufen unterworfen; wir sind es aber (im Alltag - unbewusst bzw.: unwissend) oft doch mehr als es uns eben "bewusst" ist. lol Trotzdem haben wir einen Verstand, mit dem wir langfristig, d.h. über längere Zeiträume "arbeiten" können, der dadurch/auf diese Weise die "alltäglichen" Gegebenheiten, Bedingtheiten ein Stück weit relativieren kann. - Denke ich zumindest. (Noch. ?)  ;)


Zitat
Und auch wenn ich unter einer endogenen Depression leide oder Schizophrenie, muss ich Verantwortung für meinen Aktionsradius tragen. Ansonsten wären ja, wenn man die "Biologisierung" in letzter Konsequenz betrachtet, weit mehr Täter nicht schuldfähig. Die "Kranken" werden ja nicht alle pauschal entmündigt.


(Simia)

Nun ja - da bewegen wir uns aber doch auf sehr dünnem Eis, finde ich! Das ist so eine Sache mit der Verantwortung - gerade bei Krankheit(en) ... ! Und gerade in einer echten Depression wird das besonders schwierig - wie auch in anderen psychischen bzw. "Geisteskrankheiten". Sicher ist es genauso heikel, diese Leute zu "entmündigen", für nicht zurechnungsfähig, nicht urteilsfähig, nicht selbstverantwortlich zu erklären. Andererseits ist es aber so, dass man sogar aufgrund von rein körperlicher Krankheit nicht immer zur vollen Verantwortung für seine Worte und/oder Taten gezogen werden kann - man denke z.B. an Zustände (körperliche) in denen man sehr sehr starke Schmerzen hat ...

Man ist also nicht grundsätzlich oder "für immer" nicht urteilsfähig, nicht verantwortlich, aber man ist es für bestimmte Zeiten vlt., vorübergehend - man muss deshalb nicht entmündigt, sondern viel eher "entschuldigt" werden. Denn dass starke Schmerzen (um bei diesem anschaulichen, leicht verständlichen Beispiel zu bleiben) einen überwältigen können und man dann nicht "Herr (oder Dame *g*) seiner Sinne", also auch nicht seiner Worte und Taten ist, leuchtet unmittelbar ein, denke ich. ?


Zitat
Aber man stelle sich vor, jemand wacht morgens nach nem richtig schönen Abend auf, es ist das Lieblingswetter, die Person hat ihren Lieblingsjob etc., kurzum: es geht ihr richtig gut. Sie wird sich wohl kaum auf die Bettkante setzen und darüber nachgrübeln, wo die Rasierklingen oder die Schlaftabletten sind. Das wird wohl auch kaum passieren, wenn es ihr nicht ganz so gut geht, sondern vielleicht ein wenig schlechter. Lediglich Sorgen, Ängste oder eben Faktoren wie ein subjektives Gefühl zu großer Entbehrungen im bisherigen Leben oder dass man "es nicht packt" (seine Ziele, Vorstellungen, Lebensentwurf) o. dgl., bringen einem solche Gedanken näher.


(Simia)

Wie oben schon geschrieben (->nightnurse), ist das keine mal eben so spontane, kurzfristige Entscheidung, die aus heiterem Himmel *g* über einen kommt. Es ist eine Sache (der Sterbewunsch), die längerfristig "im Raum steht" (das können Jahre sein, aber auch Monate - meistens nicht bloß Wochen oder Tage - wann genau es dann aber letztlich passiert, wann der absolut endgültige und definitive Entschluss gefasst wird/fest steht, ist dann eine eher "spontane" Sache - ja, das ist bei im Grunde allen so, die sich selbst das Leben bereits genommen haben. Woher ich das weiß? Weil ich mich damit schon eine Weile ;) beschäftige - sowohl theoretisch (Bücher ... und Gespräche mit einem befreundeten Psychiater) als auch "praktisch" - logischerweise noch nicht selbsterprobt ...).

Letztlich hält und bringt einen bei dann wirklich final gefasstem Entschluss auch der schönste Sonnenschein, Sommertag - was immer - NICHT davon ab !

(Ja, es gibt auch Statistiken wann wer das in welchen Zeiten, Lebensalter, Umständen usw. tat - will das hier wirklich wer wissen? - Falls ja, liefere es dann nach.)


Zitat
Aber hier können wir ja über Hintergründe/Beweggründe nachdenken.
(Simia)

Habe ich nicht verstanden - worauf bezieht sich dieser Satz?



Zitat
Deine Ausführungen signalisieren (zumindest in diesem Rahmen, das ist keine generelle Unterstellung) eine negative Haltung zum Leben (und nicht etwa eine neutrale), besonders auf Seite 8 (Stichwort "Gollum" ;)). Das Leben allerdings ist alles, was Du hast. Mehr noch, Du BIST Dein Leben. Klar muss man nicht leben, aber ich habe noch nicht verstanden, was Du davon hast, die Sache selber in die Hand zu nehmen (obwohl Du darauf geantwortet hast ...). Einen Sinn ergibt es höchstens dann, wenn ich nicht will, dass mein Lebensentwurf abrupt (ohne meine "Einwilligung") endet. Aber das läuft unter Angst vor dem Tod. Und die schafft man nicht so einfach ab, indem man ihn umarmt. Das geht hart in Richtung Selbstbeschiss, man wird sich nie mit seinem Tod aussöhnen (selbst bei sterbenskranken Menschen wird er wahrscheinlich kaum mehr als das kleinere Übel sein, das sich angesichts des Zustandes als Erlösung darstellt). Ein reflektierter Mensch weiß, dass jederzeit ein heftiger Windstoß kommen kann und den Turm aus Streichhölzern einfach umpustet, da sind wir uns ja einig. Wie "sinnfrei" ist es aber, selber das Fenster aufzumachen bzw. den Ventilator anzuschmeißen?


(Simia)


Es ist nicht Angst - es ist Auflehnung oder Überdruss oder Ekel oder Müdigkeit oder Sättigung. (Wie ich oben auch nightnurse antwortete.)

Inwiefern "bin" ich "mein Leben"? - Wenn ich da an all die unzähligen Menschen denke, die wenig bis (fast) gar keinen "Gestaltungsspielraum" haben ..., frage ich mich wirklich, wie ernst du das meinst bzw. wie bewusst du dir über die Aussage dieses Satzes bist? - Ich bin doch nicht mein Leben - es fängt ja wie gesagt schon damit an, dass ich mich überhaupt nicht freiwillig, bewusst, absichtlich dazu entschließen konnte/kann, auch nicht zu den Startbedingungen und es dann im Leben auch jede Menge Widerfahrnisse geben kann/gibt, auf die ich kaum bis keinen Einfluss habe (je nachdem, wo ich geboren bin, lebe - unter welchen Umständen ... - mal mehr mal weniger, mal intensivere und folgenschwerere, mal harmlosere: Widerfahrnisse).

Ich bin nicht meine biologische Existenz, sondern die Person, die ich (geworden!) bin - aufgrund meiner Anlagen, Erfahrungen, Prägungen, Erlebnisse, Schlussfolgerungen, Gedanken, "Taten"/Handlungen, Gefühle, Einstellungen ... Das ist es, was einen Menschen (als Individuum, als Persönlichkeit, als Person) ausmacht - auch wenn nach seinem Tod davon nichts mehr bleibt - allerhöchstens noch in den Erinnerungen von ein paar Leuten, wenn die "nicht mehr sind", sind auch diese Erinnerungen nicht mehr - es sei denn, man gehört zu den Wenigen, die ein wirkliches (Zeiten überdauerndes) "Vermächtnis" hinterlassen haben - aber das sind dann doch die allerwenigsten Menschen (in der Relation -> zu all dem Überfluss an Existenz, den es gibt, all den Überfluss, den "die Natur" hervorbringt ...)


Man "umarmt" nicht den (eigenen) Tod aus/in der Angst (vor ihm), indem man sich tötet - man tötet sich, weil man sich nicht dem Zufall und der Absurdität unterwerfen will. Weil man nicht um (noch mehr) Leben bettelt, weil man weiß, ob und wann es (für einen selbst - immer nur für einen selbst, klar) genug ist - man übernimmt das Ruder, die Verantwortung - man trifft die Entscheidung zum Ende selbst und bewusst, mit Absicht - man nimmt das Heft selbst in die Hand, statt sich "blind, taub, nichtsahnend"  in "sein Schicksal" zu ergeben, sich dem Zufall zu überlassen.

Ja, dass ich keine euphorische "Haltung zum Leben" habe, dürfte mittlerweile durchgekommen sein.  ;)  Aber muss man das? Muss man das (eigene) Leben "achten", verehren, bewahren, erhalten wollen - nur weil es diesen immensen Lebenstrieb (im Menschen, im Tier) gibt? - Zieht man da nicht das Pferd von hinten auf und sucht eine Rechtfertigung - liegt diese nicht genau darin, das Leben völlig überhöht darzustellen, völlig überzubewerten und sogar "heilig" zu sprechen!?! - Ist es nicht so, dass der Mensch eben deshalb es für gesund, "normal", richtig hält, an seinem Leben festzuhalten - einfach: weil er diesen Lebenstrieb hat - um diesen Trieb auf geistiger Ebene salonfähig zu machen, um ihm mehr Glanz zu verleihen, damit er nicht so schnöde, profan und erbarmungswürdig erscheint?!?

Ich habe nicht das (moralische, auch nicht das juristische) Recht, anderen ihr Leben, ihre Existenz zu nehmen. Das wäre in der Tat anmaßend (@nightnurse). ;)
Aber ich habe das (moralische) Recht, über mein Leben, meine Existenz zu bestimmen - eigentlich - nach meiner Auffassung. Ich sollte es also haben - faktisch habe ich es in unserer Zeit und Gesellschaft (noch immer) nicht.


Zitat
Wie "sinnfrei" ist es aber, selber das Fenster aufzumachen bzw. den Ventilator anzuschmeißen?

Das Bewusstsein, dass es jederzeit zuendegehen kann, hindert mich persönlich nicht daran, mein Leben zu gestalten – ganz ohne mir Gedanken über einen selbstbestimmten Abgang zu machen. Ich "gestalte" im Bewusstsein, dass ich möglicherweise morgen oder in einigen Minuten nicht mehr weitermachen kann.


Simia - wie "sinnfrei" ist es genau so zu leben!?!???? - DAS IST DAS ABSURDE! DAS ist Sisyphos, der den Stein unaufhörlich nach oben rollt - obwohl er immer und immer wieder herunterrollt und all seine Anstrenung vergeblich ist und bleiben wird!!! Es ist für nichts nütze - egal was er tut, egal wie sehr er sich anstrengt - es führt nirgendwohin: ins Nichts. Es macht/hat keinen Sinn, den Stein unaufhörlich zu rollen. Selbst wenn er "Gestaltungsmöglichkeiten" hätte (Sisyphos) - und den Stein mal mit der einen, mal mit der anderen Hand, dann auch mal mit den Füßen oder dem Kopf hochrollt oder mit dem Rücken (rüchwärts laufend) - er rollt doch immer den Stein nach oben und der Stein wird genauso sicher wieder hinabrollen und das geht so lange, bis Sisyphos übern Jordan hüpft, das Zeitliche segnet, den Löffel abgibt, jenseits von Gut und Böse ... -> hinüber ist. Dann ist game over. Und wozu war es gut? Welchen Sinn hatte es, welche Bedeutung?
Es ist lächerlich, absurd!


Was mein persönliches "Problem" auch noch ist: nicht die Angst, sondern der Ekel und die Empörung/das Empörtsein über/von dem Alter, dem Verfall - optisch-ästhetisch (äußerlich), aber auch von der gesamten Körperlichkeit her - der körperliche und "geistige" Verfall. - Und seien wir doch ehrlich: die Wenigsten von uns werden/sind im Alter "weise" (geworden/sein).  ;) Also kann man sich darauf auch nicht berufen oder freuen. Wir machen unsere Erfahrungen - wir haben vlt. einen gewissen Einflussradius und "hinterlassen" den Ein oder Anderen das Ein oder Andere (auch Nicht-Materielles, klar). Aber letztlich: wozu das Ganze? Was hat es für einen Sinn (gehabt)? - Es hätte genauso gut nicht sein können/müssen (unsere Existenz und die so vieler anderer Menschen - seit erdenklichen Zeiten). Es löst sich alles auf - es ist alles "weg" - so als wäre es nie gewesen - alle Erfahrungen, Anstrengungen, Freuden, Leiden, alle Bemühungen, alle Hoffnungen, Ideen, Taten, Gefüle, Gedanken, Eigenheiten, Unmöglichkeiten, Besonderheiten, Gewöhnlichkeiten, auch alle "Gestaltungen" (Simia ;) ) - vom Tod her gesehen, bzw. in Anbetracht der Vergänglichkeit erscheint es bloß noch: absurd.


Ich möchte an dieser Stelle dann doch mal Camus (aus dem "Mythos des Sisyphos") zitieren  :) :


"Für einen bewussten Menschen sind das Alter und die Dinge, die es ankündigen, keine Überraschungen. Bewusst ist er nur in genau dem Maße, wie er sich das daran Erschreckende nicht verschleiert."
 
:)

oder auch:

" 'Mein Acker', sagt Goethe, 'ist die Zeit.' Da haben wird das absurde Wort. Denn was ist der absurde Mensch wirklich? Derjenige, der nichts für die Ewigkeit tut und es nicht leugnet. Nicht, dass die Sehnsucht ihm fremd wäre. Aber er zieht ihr seinen Mut und seine Urteilskraft vor. Ersterer lehrt ihn, ohne Widerruf zu leben und sich mit dem zu begnügen, was er hat; letztere unterrichtet ihn über seine Grenzen. Seiner Freiheit auf Zeit ebenso sicher wie seiner Auflehnung ohne Zukunft und seines vergänglichen Bewusstseins, verfolgt er sein Abenteuer in der Zeit seines Lebens. Dort liegt sein Acker, dort sein Handeln, das er jedem Urteil entzieht, nur seinem eigenen nicht. (...)"

(Albert Camus aus dem "Sisyphos")


oder auch:

"Der Mensch hat nicht die Wahl. Das Absurde und der Zuwachs an Leben, den es mit sich bringt, hängen also nicht vom Willen des Menschen ab, sondern von seinem Gegenteil, vom Tod. Wenn ich die Worte richtig bedenke, ist alles einzig und allein eine Sache des Glücks."
(Camus)


oder auch:

"Bevor er dem Absurden begegnet, lebt der Alltagsmensch mit Zielen, mit einer Sorge um die Zukunft oder um Rechtfertigung (es geht hier nicht darum, wer oder was ihr Gegenstand ist). Er wägt seine Chancen, er rechnet mit später, mit seiner Pensionierung oder mit der Arbeit seiner Söhne. Er glaubt noch, das irgend etwas in seinem Leben gelenkt werden könne. Tatsächlich handelt er, als wäre er frei, wenn auch alle Tatsachen gegen diese Freiheit sprechen. Nach der Begegnung mit dem Absurden ist alles erschüttert. Diese Vorstellung 'ich bin', meine Art zu handeln, als hätte alles einen Sinn (selbst wenn ich gelegentlich sage, das nichts Sinn habe), all das wird durch die Absurdität eines möglichen Todes auf eine schwindelerregende Weise Lügen gestraft."
(CAMUS)

"(...) Der Tod ist da, als die einzige Realität. Nach ihm ist das Spiel aus."

"Um es deutlich auszusprechen: je mehr ich hoffe, je mehr ich besorgt bin um eine mir eigene Wahrheit, um eine Art, zu sein oder zu schaffen, je mehr ich schließlich mein Leben ordne und dadurch beweise, dass ich ihm einen Sinn unterstelle, um so mehr Schranken schaffe ich mir, zwischen denen ich mein Leben einzwänge. Ich mache es wie so viele Beamte des Geistes und des Herzens, die mir nur Abscheu einflößen und die, ich erkenne es jetzt genau, nichts anderes tun, als die Freiheit des Menschen ernst zu nehmen.
Das Absurde klärt mich über diesen Punkt auf: es gibt kein Morgen."
(Camus)


noch kurz darauf:

"So erahnt der absurde Mensch ein glühendheißes und eiskaltes, duchrsichtiges und begrenztes Universum, in dem nichts möglich, aber alles gegeben ist, und jenseits ist nur noch Niedergang und Nichts."
(Camus)


außerdem:

"Der Geist, der an die äußersten Grenzen vorgedrungen ist, muss ein Urteil fällen und seine Schlüsse ziehen. Hierher gehören der Selbstmord und die Antwort." (Camus)

Ganz deutlich auch diese Sätze:

"Aber in einem Universum, das plötzlich der Illusion und des Lichts beraubt ist, fühlt der Mensch sich fremd. Aus diesem Exil gibt es keine Rückkehr, da es der Erinnerungen an eine verlorene Heimat oder der Hoffnung auf ein gelobtes Land beraubt ist. Diese Entzweiung zwischen dem Menschen und seinem Leben, zwischen dem Handelnden und seinem Rahmen, genau das ist das Gefühl der Absurdität. Da alle gesunden Menschen an Selbstmord gedacht haben, wird man ohne weitere Erklärungen erkennen können, dass zwischen diesem Gefühl und dem Streben dach dem Nichts eine direkte Beziehung besteht."
(Camus)
(Hervorhebung von mir)


dann auch:

"Wir müssen jene berücksichtigen, die fortgesetzt Fragen stellen und keine Schlüsse ziehen. Ich sage das fast ohne Ironie: es handelt sich um die Mehrheit." (Camus)



                                                                                                                                  C A M U S !    :)












« Letzte Änderung: 18 August 2011, 01:47:24 von Kallisti »
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Eisbär

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Re: wann sterben?
« Antwort #122 am: 18 August 2011, 09:21:36 »

Eisbär

... also du hältst jedes Menschenleben grundsätzlich und per se für "unglaublich wertvoll"?  :o  So zumindest ist die Aussage deiner letzten Sätze.
Ja, das tue ich.
Und nein, mir geht es nicht nur um Quantität. Aber auch.
Der einzige Grund, seinem Leben ein vorzeitiges Ende zu setzen, wäre in meinen Augen eine Krankheit, die jegliche Qualität verhindert. Das entscheidende ist eben das Produkt aus Quantität und Qualität.
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Re: wann sterben?
« Antwort #123 am: 18 August 2011, 09:39:19 »

Eisbär

... also du hältst jedes Menschenleben grundsätzlich und per se für "unglaublich wertvoll"?  :o  So zumindest ist die Aussage deiner letzten Sätze.
Ja, das tue ich.
Und nein, mir geht es nicht nur um Quantität. Aber auch.
Der einzige Grund, seinem Leben ein vorzeitiges Ende zu setzen, wäre in meinen Augen eine Krankheit, die jegliche Qualität verhindert. Das entscheidende ist eben das Produkt aus Quantität und Qualität.
Der Meinung vom Eisbären in diesem Punkt kann ich mich in vollem Umfang anschließen. :)
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Re: wann sterben?
« Antwort #124 am: 18 August 2011, 10:08:29 »

Eisbär

... also du hältst jedes Menschenleben grundsätzlich und per se für "unglaublich wertvoll"?  :o  So zumindest ist die Aussage deiner letzten Sätze.
Ja, das tue ich.
Und nein, mir geht es nicht nur um Quantität. Aber auch.
Der einzige Grund, seinem Leben ein vorzeitiges Ende zu setzen, wäre in meinen Augen eine Krankheit, die jegliche Qualität verhindert. Das entscheidende ist eben das Produkt aus Quantität und Qualität.
Der Meinung vom Eisbären in diesem Punkt kann ich mich in vollem Umfang anschließen. :)
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Multivac

  • Gast
Re: wann sterben?
« Antwort #125 am: 18 August 2011, 10:14:28 »

wobei das mit der krankheit sehr subjektiv ist. was manche noch zumutbar finden, weil andere menschen angeblich glücklich mit irgendwas leben (müssen), muß man selbst so noch lang nicht leben wollen.
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Kallisti

  • Gast
Re: wann sterben?
« Antwort #126 am: 18 August 2011, 13:43:32 »

Ich empfehle des Weiteren und vor allen Dingen (immer noch - immer wieder - nach wie vor):

Jean Améry - Hand an sich legen

Ein großartiges Buch!


Hier ein paar Auszüge:

Zitat
Ich räume alles ein. Und vor allem dies: Dass Seins-Ekel und Todesneigung in deren voller niederdrückender, depressiver Gestalt nur eine verschwindend geringe Anzahl von Menschen zu spüren bekommen, den anderen darf ihr ebenso illusionäres wie biologisch vorgscheschriebenes Kleben an Sein und Existieren nicht verbittert werden durch bittere Rede. Niemals lebten sie wie Götter , und nie bedurfte es mehr. Sie haben affirmiert und negiert in einem Gleichgewicht, das die je anderen als "Welt" für sie einwogen, und wo es kein Äquililbrium war, fälschten sie besten sozialen und biologischen Gewissens das Gewicht. Demütigung und échec wurden im Handumdrehen ihnen zu Überwindung: die ist manchmal nichts als reines Zeitigen der Zeit.  Da sagt sich denn der arme Teufel: So habe ich das alles hinter mich gebracht. Und war ich nicht allein darum schon tapfer und aller Ehren wert? Er nimmt das Dasein mit all dessen Misere an, das Zeitvergehen, Vergehenlassen hilft ihm. Und geht´s zu Ende, meint er - soferne er noch einen Gedanken fassen kann, denn die Endzeit, hammerschlagende, betäubt seinen kopf - er habe seine Pflicht erfüllt. Hier wird mit ihm nicht gerechtet: Wie wäre das auch möglich? Denn er ist ja, er, der Lebenspflichtentreue, der Mensch schlechthin, konstituiert in dieser Eigenschaft durch Biologie und Gesellschaft. Seine Sache, die immens majoritäre und darum normale, raubt erst der Tod ihm, dem er sich stellt, in Furcht und Zittern, die mögen aber Tapferkeit heißen.

und

Zitat
Die "Proportionen" werden von der Gesellschaft gemessen. Aber außerdem hat noch jeder sein eigenes Maß zur Hand. Mein Urteil, soferne es nicht das Total aller Erfahrung in Frage stellt, muss schließlich als das gültige anerkannt werden. Ich bin befugt zu sagen: Der Zwischenfall, der euch belanglos erscheint, mag es ja für euch sein, das leugne ich nicht; für mich aber ist er ein entscheidendes Lebensereignis, entscheidend genug, dass ich mir seinetwegen den Tod gebe.
Den natürlichen Tod. Dieser ist mir natürlich nicht nur, weil ich den umgangssprachlich als natürlichen Tod bezeichneten geistig nicht verarbeiten kann, sondern auch, weil ich mich einem gesellschaftlichen Urteil über mein Sein und Tun zu unterwerfen nicht gesonnen bin. Es ist dieses ja wesentlich durch Funktionalität bestimmt.
Wer als Melancholiker seiner Berufstätigkeit nur mit Widerwillen und darum unzulänglich, schließlich gar nicht mehr nachgeht, nur am Bette kauert und die Dinge an sich herankommen lässt, ist für die Gesellschaft nicht brauchbar, funktioniert nicht. Die Sozietät muss also danach sehen, dass man ihn "heile", durch psychotherapeutisches Herumgerede, durch Elektroschocks, durch chemotherapeutische Behandlung, und wenn all dies nicht hilft, ihn aus- und einsperren. Erst einmal im Narrenturm, ist er unsichtbar, stört nicht, ist außerdem so gut bewacht, dass der Freitod ihm nicht gelingen kann: so hat die Gemeinschaft der Tätigen ein gutes Gewissen. Einspruch. Ich stehe nicht an zu sagen, dass hier die soziale Justiz nicht nur einen Irrtum begeht, der noch verzeihlich wäre, sondern eine Untat, deren sie sich vage bewusst sein muss. Herumgerede und Schocks und Präparate stehen hier im Begriff einen, der anders war, von sich heraus, zum Noch-Anderen zu machen. Ein Ich, einem Menschen oktroyiert, welches nur das fragwürdige Produkt äußerer Eingriffe ist, die ihm seinen Eigen-Interessen entfremden.

und

Zitat
Nun ist der Suizid so wenig Schande mehr wie Armut und Krankheit. Er ist nicht mehr die Un-Tat eines verdüsterten (im Mittelalter hätte man gesagt, eines von Dämonen besessenen) Gemüts, sondern Antwort auf die drangvollen Herausforderungen des Daseins und namentlich des Zeitvergehens, in dessen Strom wir mitschwimmen und uns selber ertrinken zusehen; Stück um Stück unseres Ich wird schon weggeschwemmt, wenn die Erinnerungen verblassen und die Realität unserer Person schließlich in einen Strudel gerät, der sie in die Untiefen reißt. Was ist der Suizid als natürlicher Tod? Das schmetternde Nein zum schmetternden, zerschmetternden échec des Daseins.
(...)
Zitat
"Man muss schließlich leben", sagen die Leute in ihrer Leuteweisheit. Man muss nicht, muss dies um so weniger, als ohnehin alles darauf hinausläuft, dass wir irgendeines mit Sicherheit heraufkommenden Tages nicht mehr leben müssen, sondern nicht leben dürfen. Ist ein Schnitter, der heißt Tod.

Schließlich

Zitat
Geschichte: Sinngebung des Sinnlosen, soferne man mit dem Sinngeben sich abmühen will, was man aber vermeiden wird, wenn erst die Sinnlosigkeit erkannt ist. Theodor Lessing war nicht so querulantisch-verquert, wie man es behauptet, und Hegel vielleicht weniger groß, als die Tagesmeinung es fast terroristisch uns einbleut. Die Erkenntnis der Absurdität des Lebens, das auch dort échec ist, wo ein Lebensträger im Lorbeer prangt und sich spreizt, führt auf geradem Wege zum Gedanken an den Freitod, da muss nicht erst eine spezifische Konfliktsituation sich herstellen. Fügt sie sich aber der halb und halb gelebten, halb und halb aus dem BEwusstsein gedrängten absurden Grundkondition hinzu, verdeutlicht sie diese auf schreckhafte Weise. Dann wird die Last, die wir herumzutragen haben, un-er-träglich, tritt die Existenz uns als eine Prüfung entgegen, die zu bestehen unmöglich ist. So wird der Weg ins Freie gesucht, (...)
Anmerkung noch, was Jean Améry hier mit Freiheit meint:

Zitat
Nicht etwa, dass die Erkenntnis sich betröge. Sie vermittelt stets in wohlgegliederter und logisch-syntaktisch einwandfreier Sprache oder auch nur in trübe-vorbewusster Halbdeutlichkeit dass hier das Freie ein Leeres ist. Kein Garten Eden mit prangenden Früchten, kein Ausruhen im Moos unter schattenspendendem Baum winkt, nichts ist da (...)
Das Freie ist kein Freies, aber der Weg ist Weg ins Freie, gleichwohl.

(Alle fett Markierungen von mir.)
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Re: wann sterben?
« Antwort #127 am: 18 August 2011, 15:27:24 »

Ich hab mir jetzt nicht alle Postings durchgelesen, aber wo liegt eigentlich das Problem?
Geht es wieder um irgendwelche moralischen Grundsatzfragen? Ich meine, wenn jemand aus dem Fenster springen will, kann er das doch jeder Zeit machen. Wenn er aber dafür mein Einverständnis braucht, tut es mir leid, das wird niemand bekommen. Aber das muss ja niemanden abhalten. Wenn jemand schon so rumdruckst wegen dem "Ende", ist er denke ich auch nicht wirklich entschlossen.
Ausnahme sind natürlich diejenigen, die aus z.B. krankheitlichen Gründen nicht mehr dazu in der Lage sind, selbst Hand an sich zu legen. In dem Fall und nur in dem Fall, kann man denke ich über eine aktive Sterbehilfe reden.
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Multivac

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Re: wann sterben?
« Antwort #128 am: 18 August 2011, 15:35:09 »

Ich hab mir jetzt nicht alle Postings durchgelesen, aber wo liegt eigentlich das Problem?
frag ich mich von anfang an...
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l3xi

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Re: wann sterben?
« Antwort #129 am: 19 August 2011, 08:21:53 »

wobei das mit der krankheit sehr subjektiv ist. was manche noch zumutbar finden, weil andere menschen angeblich glücklich mit irgendwas leben (müssen), muß man selbst so noch lang nicht leben wollen.
Dieses Thema kann man mmn nur subjektiv betrachten; wie so vieles im Grunde.

Ich hab mir jetzt nicht alle Postings durchgelesen, aber wo liegt eigentlich das Problem?
Ich glaube ganz am Anfang - so auf der ersten Seite - ging es noch um einen simplen Meinungsaustausch, der dann irgendwann umgeschlagen ist. ^^"
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Kallisti

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Re: wann sterben?
« Antwort #130 am: 19 August 2011, 13:01:00 »

Zitat
Ich glaube ganz am Anfang - so auf der ersten Seite - ging es noch um einen simplen Meinungsaustausch, der dann irgendwann umgeschlagen ist. ^^"
(l3xi)

Wodurch soll das an welcher Stelle "umgeschlagen" sein??



Ich hab mir jetzt nicht alle Postings durchgelesen, aber wo liegt eigentlich das Problem?
Geht es wieder um irgendwelche moralischen Grundsatzfragen? Ich meine, wenn jemand aus dem Fenster springen will, kann er das doch jeder Zeit machen. Wenn er aber dafür mein Einverständnis braucht, tut es mir leid, das wird niemand bekommen. Aber das muss ja niemanden abhalten. Wenn jemand schon so rumdruckst wegen dem "Ende", ist er denke ich auch nicht wirklich entschlossen.
Ausnahme sind natürlich diejenigen, die aus z.B. krankheitlichen Gründen nicht mehr dazu in der Lage sind, selbst Hand an sich zu legen. In dem Fall und nur in dem Fall, kann man denke ich über eine aktive Sterbehilfe reden.


Ich spreche von dem Recht auf selbstbestimmten, würdevollen, humanen Tod - das bedeutet - wie oben mehrmals geschrieben - dass mein Tod nicht mit (zumindestens körperlichen) Schmerzen einhergeht, nicht mit Gewaltanwendung bzw - einwirkung und nicht mit der Ungewissheit, Unsicherheit, ob die Selbsttötung gelingt.

Nenne mir bitte eine der bisher gebräuchlichen und einem normalen Menschen zugänglichen Methoden, auf die das zutrifft?

Es gibt nur eine Methode, bei der die oben von mir genannten Aspekte gegeben/eingehalten sind: bei sogen. aktiver Sterbehilfe (durch spezielles Präparat). Nur das ist ein würdevoller, humaner Tod - der eben auch garantiert sicher ist/gelingt.


Mir geht es also - wie oben schon geschrieben - um freien Zugang zu einem solchen Tod - nicht abhängig von den eigenen finanziellen Möglichkeiten, nicht abhängig von "Sterbe-Tourismus", nicht abhängig vom Vorhandensein einer unheilbaren Krankheit.

Wenn ich schon sterben muss, dann möchte ich das selbstbestimmt/selbstentschieden tun und frei von Gewalt, Schmerzen oder Entstellungen sowie Unsicherheiten (ob mir die Selbsttötung auch wirklich gelingt) - außerdem auch ohne Einbeziehen anderer, die damit nichts zu tun haben wollen.


Ich dachte eigentlich, das verstehe und erkläre sich von selbst.

Derzeit ist ein solcher Freitod nicht möglich.

Die üblichen Methoden sind:

- Anwendung von bspw. Rasierklingen -> Pulsadern aufschneiden - schlechte Methode, gelingt selten, dauert sehr lange, ist auch nicht so "angenehm" wie viele glauben

- Schlaftabletten oder andere chemische Substanzen bzw. oral eingenommene Gifte - schlechte Methode, da den Leuten oft die Dosis, Wechselwirkung ... nicht bekannt ist, gelingt oft nicht, weil die Leute das Falsche oder zu wenig davon einnehmen oder "gefunden" werden oder einfach Erbrechen ... - wenn es ganz dumm läuft, wacht man mit körperlichen und/oder Hirnschäden in einer Klinik auf - und ist dann u.U. lebenslang geschädigt (körperlich und/oder geistig).

Das sind die sogenannten weichen Methoden.

- Ertränken/Ersticken, Erhängen, aus großer Höhe springen, sich vom Zug überrollen lassen, Erschießen sind die sogenannten harten Methoden.
Diese sind (fast) alle mit Gewaltanwendung/-einwirkung sich selbst gegenüber verbunden - die Gefahr, dass etwas schiefgeht, ist hier zwar geringer (bei der Zugmethode sollte man nur den Kopf auf die Gleise legen - Tod durch Enthauptung - das erfordert aber viel "Mut" ... ... ...), dennoch nicht ausgeschlossen, was bei diesen Methoden dann mit extremen körperlichen Schmerzen und zumeist mit gravierenden bleibenden Schäden einhergeht.
Gerade Ersticken/Ertränken oder auch Verbrennen sind äußerst qualvolle Methoden.
Mit dem Auto einen tödlichen Unfall verursachen kann auch schiefgehen - ist also auch eine unsichere und/oder schmerzhafte/qualvolle Methode (je nachdem, welche Verletzungen es gibt und wie lange es dauert, bis der Tod eintritt - wenn überhaupt ...)

Und eine Schusswaffe ist auch nicht dem überwiegenden Teil der Menschen (vor allem in Deutschland) zugänglich/verfügbar.

Der Suizident ist also bisher gezwungen, einen schmerzhaften, qualvollen, langsamen und/oder unsicheren Suizid vollziehen zu müssen. Bei mancher Methode (von hohem Gebäude springen oder Zugmethode) sind außerdem andere miteinbezogen, die damit nichts zu tun haben soll(t)en.

Der Suizident soll also leiden (müssen) oder/und gerade keinen gewissen, schmerzfreien, humanen, würdevollen Tod haben (dürfen). Wenn er dazu "bereit" ist - einen solchen "zweifelhaften", schweren, schmerzhaften, ungewissen ... Tod auf sich zu nehmen, kann er eine der genannten Methoden wählen. Wenn er Glück hat, stirbt er (relativ schnell), wenn er Pech hat, ist er für sein weiteres Existieren oftmals stark geschädigt - also noch zusätzlich gestraft. Wenn es ganz dumm kommt, sogar so stark, dass er dann auch nicht mehr, nie mehr in der Lage sein wird, sich selbst (ohne fremde Hilfe) zu töten.


Das Problem, Designer, liegt also darin, dass Menschen mit Sterbewillen bzw. Selbsttötungsabsicht nur ein solch schwerer, also: gewaltsamer, schmerzhafter, qualvoller, ungewisser, inhumaner, nicht würdevoller ... Tod möglich ist, der dann oft aber nicht gelingt (mit negativen Folgen). - Dann aber kann ich auch gleich auf den "natürlichen" Tod wieder "warten" (der ist auch ungewiss, manchmal auch schmerzhaft oder gewaltsam ... ... ...).

Genau das ist dann aber eben (auch) kein selbstbestimmter Tod. - Denn wer will schon freiwillig (Qualen) leiden (müssen) - im Leben und/oder im Sterben? Wer wünschte sich nicht einen humanen, würdevollen, schmerzfreien Tod (der eventuell auch noch Zeit lässt für "Abschied" vom eigenen Leben, von bestimmten Menschen ...) ? - So also auch und gerade (!) der Suizident - nur möchte er also auch den Zeitpunkt (und die Umstände) wirklich selbst bestimmen (dürfen, können).

Warum sollte ein Mensch darauf kein Recht haben? - Steht das Menschen nicht viel mehr zu - eben weil sie sich ihrer Existenz und ihrer Sterblichkeit bewusst sind und eben weil sie wählen könn(t)en?!? Und die dafür geeignete Methode gibt es ja auch (siehe bei aktiver Sterbehilfe).

Es fehlt nur an der moralischen/gesellschaftlichen/kulturellen Legitimantion, die dann dazu führen würde (wenn sie bestünde), dass ein solcher Tod auch tatsächlich "frei zugänglich" wäre - praktisch.


Wer dann letztlich ernsthaften und wirklichen (nicht bloß spontanen, "vorübergehenden") Sterbewillen hat und wer eher nur zeitweise "lebensmüde" ist bzw. verzweifelt oder "psychisch krank" (wobei das schon wieder grenzwertig ist ...), wer also wieder ins Leben zurück möchte/wollen würde (wenn er könnte ...) und wer das nicht möchte -> dafür müsste - wie ich oben schon schrieb - noch etwas "ausgetüftelt" werden - vielleicht so ähnlich wie bei Abtreibungsberatung ...

Es ist allerdings eine Sache, die sorgfältig durchdacht und behandelt werden muss, da die Gefahr groß ist, dass andere letztlich doch entscheiden, ob/wer sterben darf und wer nicht. - Wäre im Grunde vor allem wieder eine Sache für Philosophen (-> Ethik, "Sterbe-Ethik", "Freitod-Ethik").  ;)

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l3xi

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Re: wann sterben?
« Antwort #131 am: 19 August 2011, 17:41:30 »

Zitat
Ich glaube ganz am Anfang - so auf der ersten Seite - ging es noch um einen simplen Meinungsaustausch, der dann irgendwann umgeschlagen ist. ^^"
(l3xi)

Wodurch soll das an welcher Stelle "umgeschlagen" sein??
Als Religionen mit in den Ring geworfen wurden. Die waren nämlich nicht von Anfang an dabei. :)
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Kallisti

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Re: wann sterben?
« Antwort #132 am: 19 August 2011, 17:53:45 »

l3xi

... ja, naja - da ich selber einfach nicht so eine Affinität zu Religion(en) habe, hab ich das halt nicht selbst eingebracht - aber dass es sich bei dem Thema nicht vermeiden lässt, ist ja dann doch "wahrscheinlich".  ;)

Ich habe aber bisher nicht den Eindruck, dass das dem thread zum Nachteil gereicht(e).  ?
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SoylentHolger

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Re: wann sterben?
« Antwort #133 am: 19 August 2011, 17:54:37 »

Zum Freitod mit Medikamenten: Ein mir befreundeter habilitierender Pharmazeut hat mich am Wochenende belehrt, dass es quasi unmöglich ist, mit handelsüblichen Medikamenten alleine, also Benzoediazepame etc. Selbstmord zu begehen. Man schläft einfach sehr sehr lang und tief.
Die müssen entweder mit anderen Mitteln wie Alkohol oder mit anderen Umständen (Wasser) kombiniert werden um zu sterben.

Nur mal so am Rande.

Selbstbestimmtes Sterben finde ich sehr gut. Leider zur Zeit nur in der Schweiz möglich. Eine schwer krebskranke Kollegin hats dann leider nicht mehr in die Schweiz geschafft und musste im Hospiz verrecken. :-/
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Kallisti

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Re: wann sterben?
« Antwort #134 am: 19 August 2011, 17:55:39 »

Zum Freitod mit Medikamenten: Ein mir befreundeter habilitierender Pharmazeut hat mich am Wochenende belehrt, dass es quasi unmöglich ist, mit handelsüblichen Medikamenten alleine, also Benzoediazepame etc. Selbstmord zu begehen. Man schläft einfach sehr sehr lang und tief.
Die müssen entweder mit anderen Mitteln wie Alkohol oder mit anderen Umständen (Wasser) kombiniert werden um zu sterben.




So ist es.  - Hatte ich ja oben auch angemerkt - leider wissen das viele immer noch nicht. Wenn du allerdings einen Cocktail aus diversen Medikamenten kombiniert dann noch mit Alkohol oder anderen Drogen einnimmst, kann es schon eher gelingen - vlt. nicht das Sterben, aber bleibende Schäden davonzutragen oder im Koma zu verharren.

Man schläft allerdings dann auch nicht einfach bloß ein, sondern hat (je nach Präparaten) mit Bauchkrämpfen, Erbrechen/Würgeanfällen, Schweißausbrüchen, Schwindel/Benommenheit, Schwäche usw. zu kämpfen (Vergiftungserscheinungen/-reaktionen halt - je nach Präparaten, Dosis und Wechselwirkung unterschiedlich intensiv, "unangenehm" oder auch schädlich: dauerhaft).

Also bevor man sowas macht, sollte man schon ziemlich gut Bescheid wissen, über die Substanzen, die man sich (in welcher Dosis und Kombination ...) einverleibt. Nur - wer weiß das schon so genau?

Einfacher ist es da doch, ein spezielles, dafür geeignetes Präparat einzunehmen, das garantiert und schmerzfrei zum Tode führt (u.U. nimmt man auch zwei oder drei Sachen - also  ggf. eines, damit man nicht erbricht, eins, damit man einschläft und eines, das letztlich letale Wirkung hat - so in der Art läuft das meines Wissens ab?).

Was man auch einfach mal sagen muss:

Wenn es diese Möglichkeit (zu solcher selbstbestimmten, (mit Einschränkungen) frei zugänglichen Selbsttötung) gäbe, würden davon deshalb nicht auch alle letztlich tatsächlich Gebrauch machen.
Eine Hilfe ist es aber dennoch schon, zu wissen, dass man "im Ernstfall" kann, wenn man will. Dass man immerhin die Möglichkeit dazu hat.



Zitat
Selbstbestimmtes Sterben finde ich sehr gut.
(SoylentHolger)

:)  !
« Letzte Änderung: 19 August 2011, 18:10:03 von Kallisti »
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