Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Alter; Versagen  (Gelesen 13231 mal)

Kallisti

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Alter; Versagen
« am: 05 August 2010, 11:38:29 »

Gleich vorweg: Die beiden Begriffe meine ich nicht in einem Zusammenhang.

Möchte eigentlich zwei verschiedene Fragen stellen, aber hierfür nicht extra zwei neue Themen starten.

Zum Alter:

Ab wann ist jemand nach eurem Verständnis alt? Kann man wirklich sagen, das hängt vom Einzelnen ab: ob er selbst sich alt fühlt oder sich "alt" verhält? Was bedeutet es, sich "alt" zu verhalten? Und woran kann es liegen, wenn jemand sich alt "fühlt" - warum fühlen sich Menschen alt (aus welchen Gründen, aufgrund welcher Umstände etc.)?

Oder ist Alter doch auch an ein gewisses Lebensalter geknüpft - ab dem man eben als "alt" oder "älterer Mensch" gilt? Wann ist dieses Lebensalter oder Lebensjahr für euch (mit 50, 60, 70 oder 80)?

Ist man alt, wenn/weil man nicht mehr (so) aktiv ist/sein kann - z.B. aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen, Erkrankungen, Schwäche...? Oder ist man alt, wenn man nicht mehr neugierig, nicht mehr offen, nicht mehr an der Welt und den Menschen interessiert ist (dann gibt es aber auch sehr viele "junge Alte"!)? Oder ist man alt, wenn sicht- und fühlbare körperliche Veränderungen eintreten, sich verstärken (Zipperlein, Falten, körperlicher "Abbau"...)?


Also was alles müsste nach eurem Dafürhalten gegeben sein, um zu sagen: Dieser Mensch ist alt. ?

Und würdet ihr in "Alterungsstufen" unterteilen - so nach dem Motto: älter geworden, alt geworden, sehr alt. - Ich denke aber, dass das Alter schon vor dem Vergreisen beginnt. ;) Also Greisentum würde ich gerne außen vor lassen.

(Gibt ja bspw. von Simone de Beauvoir auch ein Buch zum Thema.)


Zum Versagen:

Das richtet sich an die etwas Älteren (lol) unter uns. - Was würdet ihr als (Lebens-)Versagen definieren - also wann hat jemand in seinem Leben (grundsätzlich) versagt - unter welchen Bedingungen, welche (Lebens-) Umstände kennzeichnen das Versagen bzw. Versagthaben?

Oder ist auch dies eine Sache der persönlichen Auffassung? Hat jemand nur dann versagt, wenn er selbst es so empfindet? Oder hat jemand versagt, wenn er bestimmte Dinge in seinem Leben nicht erreicht hat, nicht verwirklich hat - welche z.B.?
Oder ist Versagthaben nur daran geknüpft, dass man die sich selbst gesteckten Ziele nicht erreicht hat?


Im Grunde will ich bei beiden Fragen eher auf die "objektive" Interpretation hinaus - also was sozusagen allgemein als "Alter"/"alter Mensch" gilt und was als "Versagen" gesehen wird - und worauf sich diese Sichtweisen gründen?

Zum Versagen noch eine Frage: Ab welchem Alter, glaubt ihr, ziehen Menschen ("allgemein"/die Mehrheit) das erste Mal in ihrem Leben eine Art Bilanz (über ihr Leben)? Passiert das (mehrheitlich) mit 30, 40 oder 50? Dabei meine ich gar nicht nur die sogen. midlife crisis (denn auch hier stellt sich die Frage: wann hat "man" die denn heutzutage so "im Durchschnitt"?), sondern eben ein "simples" (kann das so simpel wirklich sein ;) ) Bilanzziehen - das kann auch schon weit vor dieser midlife crisis passieren. Oder?

Und warum ziehen manche Menschen so viel früher bereits solche Bilanz als andere - woran könnte das eurer Meinung nach liegen?


Wer möchte, kann gerne auch schreiben, wie es sich bei ihr/ihm selbst verhält. ?
 



« Letzte Änderung: 05 August 2010, 11:44:27 von Kallisti »
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messie

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Re: Alter; Versagen
« Antwort #1 am: 05 August 2010, 11:48:39 »

Langes Thema, kurze Antwort:

Alt ist man dort, wo das Gros der Menschen, die einen umgeben, deutlich jünger ist - und umgekehrt.
Insofern wäre ich als Zuschauer bei einem Pur-Konzert mit meinen knapp 40 wohl Durchschnitt, bei einem Konzert von Udo Jürgens blutjung, und bei einem Konzert von Justin Bieber (16) steinalt.  8)

Versagt habe ich dann, wenn ich ein mir gestecktes, aber erreichbares, Ziel nicht erreicht habe.
Das ist in meinem Leben schon das eine oder andere Mal vorgekommen ;)
Allerdings gleicht sich manch Versagen durch anschließendes Erreichen eines vergleichbaren Ziels ja dann wiederum aus.

Bilanzziehen tut jeder unabhängig vom Alter, wobei ich das weniger "Bilanzziehen", sondern "Standortbestimmung" nenne. Am sinnvollsten ist die, wenn man ein großes Ziel erreicht hat, um sich neue Ziele zu setzen und setzen zu können. Tja, und je realistischer die Ziele sind, die man sich setzt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eigenes Versagen nur selten im Leben auftritt.

That's just my 2 Cent.  8)

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Kallisti

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Re: Alter; Versagen
« Antwort #2 am: 05 August 2010, 13:52:23 »

messie - ... ja, sicher - eine Sache der Perspektive - wie immer. ;)

Vielleicht sollte ich statt "Versagen" besser "im (am?) Leben gescheitert" schreiben. ? - Ich meine etwas "über die kleinen Versagereien" hinaus.


Und mit dem Alter ist es sicher auch abhängig vom Alter des Beurteilenden, das ist richtig. Aber verlagert sich das "objektive Alter" also mit dem Älterwerden des Beurteilenden, des Gefragten weiter nach hinten? So ungefähr: Für einen 20 jährigen Menschen sind Vierzigjährige vlt. schon alt, für einen Vierzigjährigen ist "man" erst ab 60 oder 70 alt?

Ich wüsste eben gerne, ob bzw. wie sich das Alter unabhängig von diesen subjektiven Empfindungen und vom eigenen Alter allgemein definieren lässt - was/wer ist also heute (in unserer Zeit) alt? Und wodurch wird das begründet, anhand welcher "Kriterien", Umstände, Gegebenheiten?
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sober

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Re: Alter; Versagen
« Antwort #3 am: 05 August 2010, 17:00:47 »

Alter ist die Summe der Gelebten Tage/Monate/Jahre. Nichts, was irgendwie Diskussionsfläche bietet.
Am wann man alt ist? Ich denke, auch das kann, man nicht definieren. Alt ist IMMER eine Frage des Blickwinkels. Ist man mit 10 im Kindergarten ist man alt. Ist man mit 10 im Altersheim ist man Jung. Als Jungspund fand ich meine Eltern alt. Heute bin ich älter als sie damals waren. Menschen werden dann Alt bezeichnet, wenn sie Altersschwächen aufweisen, daher denke ich wird Alt oft gar nicht als Zeitlicher Begriff benutzt, sondern als einer, der aussagt, dass jemand aus dem optimum der Gesellschaft herausgewachsen ist.

Im Leben versagt zu haben? Puh, der einzige Zustand, wo ich das von mir geben würde, wär jemand, der es nicht mehr ausgehalten hat und sich selbst umgebracht hat. Ansonsten ist auch das im Grunde Ansichtssache, denn es hat viel mit dem Sinn des Lebens zu tun. Versagt im Leben habt man dann, wenn man den Sinn seiner Existenz nicht erreicht hat? Der eine sieht hier das massive ansammeln von Geld. Der andere in der Familie. Wieder ein andere lebt abgeschieden um sich selbst zu finden. Jeder hat da eine andere Philosophie. Ich denke für jede Person gibt es genau eine einzige Person, die entscheiden kann, ob man im Leben versagt hat oder nicht. Das ist man selber. Ich hoffe, dass ich, wenn ich mal von dieser Welt gehe sagen kann: "Ansich wars doch super!" ;)


Zitat
So ungefähr: Für einen 20 jährigen Menschen sind Vierzigjährige vlt. schon alt, für einen Vierzigjährigen ist "man" erst ab 60 oder 70 alt?
Nee, ich denke nicht. Als ich aufs Gymnasium kam, fand ich schon die 11t-Klässler alt. Zumal man Leute auch als Alt empfinden kann, deren Alter man garnicht kennt. Das liegt dann an Erscheinung, also wie man Aussieht und wie man sich gibt.
« Letzte Änderung: 05 August 2010, 17:02:36 von sober »
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Leider kann man Gehirn nicht bei Ebay kaufen...

käx

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Re: Alter; Versagen
« Antwort #4 am: 05 August 2010, 17:07:33 »

spontan fällt mir ein:

alt bist du, wenn du abends angst hast u-bahn zu fahren , du der meinung bist alles sei so unsicher
geworden und darüber nachdenkst solche cretins wie herrn schill zu wählen.

Zitat
und darüber nachdenkst solche cretins wie herrn schill zu wählen.
und daraus ergibt sich dann auch eine art "versagen"  ;D

« Letzte Änderung: 05 August 2010, 17:10:17 von käx »
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nach wie vor wichtig:

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Simia

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Re: Alter; Versagen
« Antwort #5 am: 05 August 2010, 17:22:03 »

Im Leben versagt zu haben? Puh, der einzige Zustand, wo ich das von mir geben würde, wär jemand, der es nicht mehr ausgehalten hat und sich selbst umgebracht hat.

Stimmt schon, das wäre dann "objektives Versagen" (mein Verständnis für sowas schwand in den letzten Jahren auf einen niedrigen einstelligen Prozentwert und diesen Platz belegen einzig Gründe, die eine Lebensqualität wirklich zu sehr erschweren bis unmöglich machen). Allerdings beginnt sowas schon vorher. Du sprichst ja selber vom individuellen Sinn der Existenz. Da kann Versagen schon anfangen. Wie viele Menschen leben an sich selber vorbei und glauben nur, sich selber zu kennen und können das warnend-signalhafte Hintergrundleuchten ihres Unterbewusstseins gekonnt ignorieren. Es ist gar nicht so einfach, herauszufinden, was man wirklich will und das dann für sich auch noch als Ziel bzw. Maßstab zu formulieren. Und dann danach zu leben steht auch noch mal auf nem anderen Blatt.

Zitat
Ich hoffe, dass ich, wenn ich mal von dieser Welt gehe sagen kann: "Ansich wars doch super!" ;)

/signed

So, und zum Alter vielleicht später mehr. Hab gerade keinen Bock und keine Zeit. ;)
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Re: Alter; Versagen
« Antwort #6 am: 05 August 2010, 17:36:40 »

"Am Leben gescheitert" ist derjenige, der es so sieht (bzw. der allen anderen die Schuld gibt, dass er am Leben gescheitert wäre, selbst gibt das ja eh niemand zu, dass man's selbst verbockt hat  :D). Aber sonst? Man kann Pech im Leben haben, aber daran scheitern? Da sehe ich es wie sober, dran endgültig gescheitert ist erst derjenige, der sich dann auch wirklich umgebracht hat oder gestorben ist aufgrund widriger Lebensumstände.
Selbst hochgradig Drogenabhängige können noch ihr Leben als vollen Erfolg werten, wenn es ihnen später gelingt, von ihren Drogen wegzukommen.

Was das Alter angeht ... da fallen mir zwei gerne gesagte Sätze zu ein:

"Mann, bin ich alt geworden."
"Dafür bin ich zu alt".

Beide Sätze prägen die Erkenntnis, dass man alt geworden ist, bzw. für etwas zu alt ist. Da kann es dann schon passieren, dass man sich auch objektiv zu alt fühlt - aber eben auch nur für die passende Situation.
Wie individuell aber auch das ist, zeigt ein kleines Beispiel aus meinem Umfeld: Eine Bekannte sagte mir, dass sie den Eindruck hätte, sie wäre "für Gesellschaftsspiele irgendwie zu alt" geworden. Eine andere wiederum erzählte mir, dass sie erst seit zwei Jahren ihre Liebe dafür entdeckt hätte, zuvor fühlte sie sich "zu jung dafür".
Altersmäßig sind beide nahezu gleich alt. Also kann man selbst bei derselben Aktion nicht einmal sagen, dass es dort ein objektives Alt sein gäbe, nicht einmal dafür objektiv zu alt sein. Es hängt immer von der eigenen Vorgeschichte ab, aus welcher Perspektive man draufsieht. Für die einen sind Gesellschaftsspiele zu langweilig und nur was für nichtjunge Leute, die nicht mehr so Party machen können und so, für die anderen steckt da zu viel Spieltrieb drin, für die sie sich zu alt fühlen würden.

Im Übrigen werde ich, je nachdem in welchem Umfeld ich mich bewege, für alt oder für jung gehalten: Wenn ich auf Return & Co. rumkrebse, bekomme ich gerne mal den Satz "oh, du bist ja wirklich alt" um die Ohren, wenn ich mein echtes Alter sage, während ich, wenn ich im Anzug ausgehe mir unterwegs auch gerne mal fünf Jahre mehr unterstellt werden. Tja, so kann's gehen.  8)
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Re: Alter; Versagen
« Antwort #7 am: 05 August 2010, 17:49:18 »

Es hat aber schon was von Scheitern, wenn man dann auf besagtem Sterbebett liegt und sinngemäß denkt:"Scheiße, wäre ich bloß mal Gärtner geworden und hätte nicht auf meine Eltern gehört. Außerdem fand ich diese Stadt eigentlich schon immer ätzend. Und das mit der Hochzeit ging auch viel zu schnell und meine schöne Motorradtour durch Nordafrika kann ich auch aufs nächste Leben verlegen." ;)

Es ist eben die Frage, wie sehr man seine Ansprüche an sich runterfahren oder ausleben sollte.
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Kallisti

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Re: Alter; Versagen
« Antwort #8 am: 05 August 2010, 19:41:20 »

... Zusammenfassend würdet ihr also sagen, Alt-Sein ist letztlich immer an bestimmte äußere Umstände, Verhältnisse, Tätigkeiten und subjektives Empfinden, aber auch an das äußere Erscheinungsbild geknüpft. (?) Also ist man nur da alt, wo man ein "für sein Alter" (Reife, Entwicklungsstand) nicht angemessenes Verhalten an den Tag legt (wobei dann wieder die Frage ist, wer was warum als "angemessen/passend" festlegt -> "die" Gesellschaft?) und/oder, wenn man selbst sich (für oder bei einer Tätigkeit, in einer bestimmten Umgebung, in Gesellschaft Jüngerer) alt fühlt. ?
Und (käx), wenn man ängstlich(er) wird, evlt. besorgter - auch: vorsichtiger? Ist es nicht ganz natürlich und gut, dass man mit dem Älterwerden vorsichtiger vlt. auch umsichtiger wird - einfach, aufgrund der gemachten Erfahrungen - man also negative Situationen, Erfahrungen nicht unnötig wiederholen will? Ist das nicht gerade positiv am "Älterwerden" bzw. Altern. Aber das dann eben also ein typisches "Kennzeichen" für das Älterwerden (also: eine gewisse Besorgtheit, Vorsicht)?


sober

Zitat
Menschen werden dann Alt bezeichnet, wenn sie Altersschwächen aufweisen, daher denke ich wird Alt oft gar nicht als Zeitlicher Begriff benutzt, sondern als einer, der aussagt, dass jemand aus dem optimum der Gesellschaft herausgewachsen ist.

Hm - also was meint "die Gesellschaft" denn aber dann mit einem solchen "Optimum"??



Und gescheitert ist man also immer nur dann, wenn man das selbst für sich, sein Leben so interpretiert/bilanziert?

Was meinen andere dann aber mit der Floskel "... ein im Leben Gescheiterter" (wie man das doch immer wieder mal hört - bspw. auch bei Buchkritiken...)? Offensichtlich gibt es also doch auch hier von "der" Gesellschaft (was auch immer diese genau und eigentlich ausmacht?) festgelegte Kriterien, Bedingungen, Umstände, Gegebenheiten, unter denen Menschen als "Gescheiterte" gelten, als solche bezeichnet werden. ?


Und verstehe ich es richtig: Wer sein Leben selbst beendet, ist also (allgemeinhin) ein solcher "Versager"/im und am Leben Gescheiterter? (Auweia, dieses Fass sollten wir an dieser Stelle lieber nicht aufmachen - gibt es doch gerade dazu von mir einen gaaanz alten thread... ... ... ! ;) )

« Letzte Änderung: 05 August 2010, 19:44:40 von Kallisti »
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Simia

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Re: Alter; Versagen
« Antwort #9 am: 05 August 2010, 21:14:17 »

Und gescheitert ist man also immer nur dann, wenn man das selbst für sich, sein Leben so interpretiert/bilanziert?

Was meinen andere dann aber mit der Floskel "... ein im Leben Gescheiterter" (wie man das doch immer wieder mal hört - bspw. auch bei Buchkritiken...)? Offensichtlich gibt es also doch auch hier von "der" Gesellschaft (was auch immer diese genau und eigentlich ausmacht?) festgelegte Kriterien, Bedingungen, Umstände, Gegebenheiten, unter denen Menschen als "Gescheiterte" gelten, als solche bezeichnet werden. ?

Wer will sowas beurteilen? Das wäre doch Anmaßung. Wobei ich einräumen muss, dass sich einige Leute als Gescheiterte bezeichnen müssten, es aber vielleicht selber nicht checken. Aber auch hier ist es mir nicht möglich, ins Detail zu gehen, da das eben in einer Art Kriterienkatalog enden könnte. Und das wäre wieder Anmaßung. Denn wer z.B. buchstäblich im Dreck lebt, dem kann die Kraft fehlen, sich da rauszuziehen, oder er hat es selbst so gewählt. Das weiß man ja so nicht immer.

Was die "Gescheiterten" in Buchbesprechungen etc. angeht, damit werden doch oft diejenigen bezeichnet, die aufgrund großer persönlicher Probleme oder schlimmer Ereignisse/-verkettungen oder was auch immer "abgestürzt" sind, also weniger ein klar definierbarer fester Status als vielmehr ein "Wechsel" in der Lebensqualität bzw. der Selbstbestimmung bzw. ein ganz offensichtliches Nichterreichen eines Ziels. Aber dieses Wort "gescheitert" ist allzu schnell zur Hand und wahrlich einfach eine Floskel.

Und verstehe ich es richtig: Wer sein Leben selbst beendet, ist also (allgemeinhin) ein solcher "Versager"/im und am Leben Gescheiterter? (Auweia, dieses Fass sollten wir an dieser Stelle lieber nicht aufmachen - gibt es doch gerade dazu von mir einen gaaanz alten thread... ... ... ! ;) )

OK, ich mach's kurz: Ja! ;) 

Nein, so einfach ist das natürlich nicht. Sagen wir so, Leben will leben. Da bilden auch Menschen keine Ausnahme. Und der Wunsch, aus dem Leben zu scheiden, kommt nicht einfach so, sondern hat Gründe, eine Geschichte. Man muss für sich selber entscheiden, wo die Grenze ist. Wenn Dauerschmerzpatienten nicht mehr wollen, ist das total nachvollziehbar. Wenn sich jemand aber nach einer Trennung das Leben nehmen will, dann muss man der Person aus dem Loch raushelfen.

Schwierig wird die Sache dann zu bewerten beim Suizid als Akt der Selbstbestimmung. Darauf können wir gern ein anderes Mal bzw. an anderer Stelle einsteigen.
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Re: Alter; Versagen
« Antwort #10 am: 05 August 2010, 21:59:04 »

Zitat
Und verstehe ich es richtig: Wer sein Leben selbst beendet, ist also (allgemeinhin) ein solcher "Versager"/im und am Leben Gescheiterter?

Da du ja immer gerne Objektivität hast: Nein, objektiv kannst du das so nicht sagen. Subjektiv aber stimmt diese Aussage, weil jemand, der sich selbst umbringt, davon ausgeht, dass sein Leben keinen Sinn mehr macht, die Person für sich zum Entschluss gekommen ist, dass sie am Leben gescheitert ist.
Und selbst dass muss noch lange nicht heißen, dass die Person sich sagt, dass sie versagt hätte. Es kann auch einfach nur der Eindruck sein, dass es nur noch schlimmer kommen kann, und diese Person das nicht mehr miterleben will, weil sie davon ausgeht, dass sie dies nicht mehr ertragen kann.

Mit Vorsicht hat Älterwerden m.E. überhaupt nichts zu tun. Vorstellbar ist für mich, dass die Leute mit steigendem Alter rein biologisch nicht mehr hormonell so vollgepumpt sind, dass sie im Vergleich zu jüngeren Jahren mehr die Ruhe weg haben, gelassener werden.
Und auch da lassen sich kaum Quervergleiche anstellen, da jeder ja z.B. unterschiedlich viel Aggressionspotenzial in sich trägt. Und so kann ein John McEnroe heute immer noch mit seinen 51 Jahren aufbrausender sein als z.B. ein Justin Bieber (16jähriger Popstar).
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Kallisti

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Re: Alter; Versagen
« Antwort #11 am: 05 August 2010, 23:12:51 »

simia

Zitat
(...) wer z.B. buchstäblich im Dreck lebt, dem kann die Kraft fehlen, sich da rauszuziehen, (...)

... also ist "so jemand" ;) nun ein Gescheiterter oder nicht? Wenn also jemandem die Kraft (oder der Wille, die Disziplin, die Mittel, der Verstand, die Gesundheit ... ... ...) fehlt, ein "normales" (= bürgerliches?) Leben zu leben oder überhaupt aus eigener Kraft zu (über-)leben - ohne regelmäßige Hilfe Anderer in Anspruch nehmen zu müssen? ?? (Da kommen wir mal an einen sehr interessanten Punkt. ;) )


Zitat
Was die "Gescheiterten" in Buchbesprechungen etc. angeht, damit werden doch oft diejenigen bezeichnet, die aufgrund großer persönlicher Probleme oder schlimmer Ereignisse/-verkettungen oder was auch immer "abgestürzt" sind, also weniger ein klar definierbarer fester Status als vielmehr ein "Wechsel" in der Lebensqualität bzw. der Selbstbestimmung (...)
Damit hast du vollkommen recht - sowas ist da meistens gemeint. - Ist doch interessant, dass eben dies also doch "allgemeinhin" (in der Gesellschaft) wohl als Scheitern bezeichnet und gesehen wird! ?!

Also die (mehrfach oder "großflächig") Abgestürzten, die vom Schicksal Gef...ten - sind das (auch) "die gängigen Gescheiterten"? - Solche Menschen also, die nicht einfach nur mal oder nur in einem Lebensbereich (Beruf, Familie ...) ihr(e) Ziel(e) nicht erreicht haben (genau - müsste man wieder mal nach den Gründen fragen ;) ), sondern die so "rundum" platt am Boden liegen - und eben nicht mehr hochkommen.

Oder ist es dann eher wieder so, dass es doch mehr um den Lebenssinn geht, der ja auch für solche Menschen in etwas ganz anderem (als gutbürgerlichem Leben) liegen kann - z.B. einfach darin, überhaupt noch zu existieren? (Ich mein ja nur - weil doch der Sinn des Lebens schon angesprochen wurde...) - Naja ok, das führt jetzt zu weit ab, geb ich zu.


Im Grunde ist es sicher ein erheblicher Unterschied, ob Andere jemanden als Gescheiterten bezeichnen, einem dieses Etikett anheften oder ob man selbst es so sieht - wobei man ja nun mal nicht unbeeinflusst ist und sich selbst als gescheitert eben meistens im Vergleich mit anderen (nicht Gescheiterten) dann so sieht (gescheitert) - somit spielen also die anderen ("die Gesellschaft" oder das persönliche Umfeld, die Menschen, mit denen man mehr und regelmäßigen und privaten Kontakt hat) und deren Bewertung, Beurteilung, deren Interpretation, deren Meinung - wie immer - doch eine große Rolle. (Man ist ja halt doch nicht Robinson Crusoe.)


Hmpf. Jez weiß ich eigentlich noch weniger als vorher.  :-\

Aber hierzu:

Zitat
Schwierig wird die Sache dann zu bewerten beim Suizid als Akt der Selbstbestimmung. Darauf können wir gern ein anderes Mal bzw. an anderer Stelle einsteigen.

.... AU JA AU JA!!! UNBEDINGT!!!   :D   (Mein ich ernst! Aber hallo!)


messie

Zitat
Mit Vorsicht hat Älterwerden m.E. überhaupt nichts zu tun.

Wie - du findest, ältere Menschen sind nicht eher vorsichtiger, bedachter ("so allgemein" ;) ) als (sehr) junge Menschen? ??
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Re: Alter; Versagen
« Antwort #12 am: 05 August 2010, 23:23:36 »

Nun, wenn jemandem von außen die Kraft entzogen wurde, dem kann man ja nicht sofort persönliches Versagen unterstellen, sondern ... ähhhh ... ich nenne es mal "vom Leben gefickt" worden sein. ;)

Mal ein nettes Gegenbeispiel: Vater Säufer und Schläger das das Kind seit es vier ist vergewaltigt, Mutter hat sich erhängt, Kind war dabei. Kind verstört, abgeschoben in Hauptschule, schlechte Noten, Schulabbrecher, schnell gewalttätig (kennt ja auch nix anderes), mit 12 bereits im Jugendknast oder auch auf Heroinentzug.
DAS Leben ist ja wohl wirklich voll fürn Arsch.
Aber hat das Kind da nun versagt, oder hatte es da einfach nur keine Chance?
Du wirst dir denken können, was ich da annehme. ;)

Anderes Beispiel: Selbstbewusste Frau heiratet toll wirkenden Mann, der sich ab Tag 1 nach der Hochzeit als kompletter Psycho outet und sie täglich nach Strich und Faden vermöbelt, sie einschüchtert ("wenn du auch nur irgendwem etwas sagst, bringe ich dich um! Und deine kleine Tochter auch - nachdem ich sie vergewaltigt habe!") und ihr ehemaliges Selbstbewusstsein in Stücke haut. Sie verliert ihren Job (weil ER nicht will dass sie arbeiten geht), alle Sozialkontakte (weil SIE nie wieder aus dem Haus kommt). Sie lebt im Dreck, verwahrlost, entwickelt sich zu einem sozialen Embryo.
Wer nun behauptet, sie hätte versagt, der werfe jetzt den ersten Stein. ;)

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Re: Alter; Versagen
« Antwort #13 am: 05 August 2010, 23:51:06 »

messie -  :o  Was sind das denn für (Extrem-) Beispiele?! ;)


Ja nu - sowas mein ich nicht - eher so die banaleren "Scheiterhäuflein". ;)

Außerdem sind deine Beispiele viel zu offensichtlich. ;)
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Re: Alter; Versagen
« Antwort #14 am: 06 August 2010, 00:14:25 »

Theoretisch kann man auch jeder noch beschissenen Startbedingung "etwas machen", sein kleines Quentchen Glück bzw. Zufriedenheit verwirklichen, ohne eine kriminelle Karriere zu beginnen und diesen ganzen Kram bzw. den Absprung daraus schaffen (dass manch einer bestimmt auch sein Quentchen Glück gerade im behüteten Knast findet, würde jetzt zu weit führen ...). Praktisch sieht das natürlich sehr oft anders aus. Aber nichtsdestotrotz: Ob Mensch versagt hat, zeigt sich also nicht darin, was ihm passiert ist, sondern erst darin, was er daraus macht.

Zitat
wobei man ja nun mal nicht unbeeinflusst ist und sich selbst als gescheitert eben meistens im Vergleich mit anderen (nicht Gescheiterten) dann so sieht (gescheitert) - somit spielen also die anderen ("die Gesellschaft" oder das persönliche Umfeld, die Menschen, mit denen man mehr und regelmäßigen und privaten Kontakt hat) und deren Bewertung, Beurteilung, deren Interpretation, deren Meinung - wie immer - doch eine große Rolle. (Man ist ja halt doch nicht Robinson Crusoe.)

Das ja, aber man sieht sich nicht unbedingt im Vergleich mit anderen als gescheitert an. Wenn ich als Asselpunk im Park rumlungere, mir die Sonne auf den Bauch scheinen lasse und meine paar Bier zische und die "nicht Gescheiterten" in Form von Badminton spielenden schnöseligen Jurastudenten beobachte, die meiner Ansicht nach nicht wissen, wie es im Leben abgeht, dann differieren die Ansichten von "gescheitert" und "nicht gescheitert" doch immens.

Andersrum kann ich mich (jetzt mal als der nicht weniger klischeebeladene erfolgreiche Geschäftsmann) persönlich auch als gescheitert betrachten, wenn ich das permanente Gefühl habe, an mir vorbeizuleben und diese Leere nicht füllen kann, obwohl mein ebenso wohlhabender Freundeskreis mir immer zu verstehen gibt, dass ich doch einen beneidenswerten Lebensstandard mein eigen nenne.
« Letzte Änderung: 06 August 2010, 00:23:05 von Simia »
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