Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit  (Gelesen 91701 mal)

messie

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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #150 am: 10 September 2011, 20:22:17 »

Da kann man sich wirklich nur an den Kopf fassen. Mehrfach:
1) Da hat ja eindeutig die Versicherung geschlampt, wenn sie es als Lebensversicherung anlegt. Komplett gepennt oder Absicht, damit sie niemals auszahlen muss? Ein Schelm der Böses dabei denkt ...
2) Eine Umschreibung von Versicherung 1 (Lebensversicherung) auf Versicherung 2 (z.B. Altersvorsorge) war laut Amt nicht möglich? Das ist m.E. der eigentliche Skandal, denn meines Wissens ist neben der Altersvorsorge auch Geld, das man fürs Begräbnis weglegt, nicht anrechenbar. Eine Lebensversicherung ja, aber dass da jemand so bürokratisch vorgeht ... unfassbar.

Einer von vielen Fällen, die in den Medien wunderbar aufgehoben sind und wären.
Gut, du hast es ja von irgendwo her erfahren. Quelle, wenn man fragen darf ...? Immerhin etwas, dass irgendwer von so einer Sauerei erfährt.

Im Zuge der Erhöhung von ALG II Anfang des Jahres um 5€ wurden übrigens Bewerbungskostenzuschüsse (die es eh nur für schriftliche Bewerbungen gibt) von 5 auf 4€ gesenkt und die Erstattung der Kosten von polizeilichen Führungszeugnissen für Neuanstellungen (13€) gestrichen, neben garantiert noch so einigen anderen Dingen die man nur erfährt, wenn jemand davon betroffen ist. In die Medien gelangen solche Sparmaßnahmen selbstverständlich nicht. Wieso auch, Frau von der Leyen wird's garantiert nicht erwähnen. ;)
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CubistVowel

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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #151 am: 11 September 2011, 08:27:59 »

Einer von vielen Fällen, die in den Medien wunderbar aufgehoben sind und wären.
Gut, du hast es ja von irgendwo her erfahren. Quelle, wenn man fragen darf ...?
Aus erster Hand, die Dame gehört zu meiner Verwandtschaft. Gerade gestern kam der Bescheid vom Sozialamt.

Messie, ich habe ihr auch geraten, die Versicherung umzuwandeln, wenn die Versicherungsfirma es mitmacht. Oder das Geld direkt beim Beerdigungsunternehmen anzulegen, das geht auch. Aber ob Rentenversicherung bei Rentnern noch als unantastbar funktioniert? Naja, vielleicht kann ein Anruf bei der Versicherung ihr was bringen.

Die Logik dahinter ist echt unfassbar. Wem es tatsächlich gelingt, von den sowieso schon äußerst knappen Bezügen etwas zurück- bzw. anzulegen, dem wird es wieder weggenommen. Und dann einfach die Bezüge ganz zu streichen... :-\

Edit: Es handelt sich tatsächlich auch offiziell um eine Sterbegeldversicherung. Laut Wiki könnte ihr theoretisch sogar ein Mehrbedarf für die Beiträge zustehen.
« Letzte Änderung: 11 September 2011, 17:02:10 von CubistVowel »
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l3xi

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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #152 am: 12 September 2011, 10:14:04 »

Wer weiß, ob die Rückforderug vor dem Sozialgericht überhaupt Bestand hätte. Nicht umsonst sind die Klagen seit H4 sprunghaft angestiegen und in dem Zusammenhang auch die Urteile zugunsten der Leistungsempfänger...

Müsste man nur noch nen Anwalt finden, der sich den Fall anschaut und ggf. auch über PKH (sofern man das überhaupt bewilligt bekommt) dann aktiv wird. :/
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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #153 am: 12 September 2011, 16:54:08 »

Und nun will das Sozialamt genau diesen Betrag von 1300 Euro "zurück" haben, weil es anrechenbares Vermögen über dem Freibetrag von 2600 Euro ist.

Mal so aus Neugier: In welcher Anlageform liegen denn die 2600 Euro des Freibetrags vor?
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CubistVowel

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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #154 am: 12 September 2011, 19:10:48 »

Und nun will das Sozialamt genau diesen Betrag von 1300 Euro "zurück" haben, weil es anrechenbares Vermögen über dem Freibetrag von 2600 Euro ist.

Mal so aus Neugier: In welcher Anlageform liegen denn die 2600 Euro des Freibetrags vor?

Vor allem Sparbuch, so weit ich weiß. Ca. 1000 Euro davon waren aber eigentlich schon für neue Brillengläser eingeplant, die sind leider so teuer. :-\
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messie

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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #155 am: 12 September 2011, 19:18:52 »

Und nun will das Sozialamt genau diesen Betrag von 1300 Euro "zurück" haben, weil es anrechenbares Vermögen über dem Freibetrag von 2600 Euro ist.

Mal so aus Neugier: In welcher Anlageform liegen denn die 2600 Euro des Freibetrags vor?

Vor allem Sparbuch, so weit ich weiß. Ca. 1000 Euro davon waren aber eigentlich schon für neue Brillengläser eingeplant, die sind leider so teuer. :-\

Hmm, da sagst du was ...
Ich frage mich gerade, inwieweit da von Gesetzes wegen solche Dinge berücksichtigt werden, oder ob der Gesetzgeber diese Dinge schlicht "vergessen" hat.

Es ist ja beispielsweise im ALGII-Warenkorb ein monatlicher Satz von 27,41€ für Haushaltsgeräte angesetzt worden.
Nun geht natürlich nicht grade jeden Monat irgend n Haushaltsgerät kaputt.
Ok, dann mal weiter nachgedacht: Man spart das Geld also tatsächlich, für den Fall dass eins kaputt geht und mehrt so, Monat für Monat, das Geld auf dem Sparbuch an.
Nun ist es ja so, dass es Freibeträge für Altersvorsorge gibt. Die greifen hier aber ja nicht, da es hier gar nicht um Altersvorsorge geht, sondern schlicht um Erspartes, um sich z.B. irgendwann wieder eine neue Waschmaschine kaufen zu können, falls die alte kaputt geht.

Weiß das jemand? Gibt es hier auch Freibeträge? Oder sagt das Amt in diesen Fällen dann auch schnell mal "moment, Frau/Herr xy, wir sehen dass 1000€ auf Ihrem Sparbuch liegen, verbrauchen Sie die erstmal! Solange das nicht geschehen ist, behalten wir Ihr Sozialgeld ein!" ?

Mir schwant ja, dass es genau so sein dürfte. Da ich es aber nicht weiß frage ich lieber nochmal, bevor ich anfange zu mosern, dass so etwas ja voll Panne wäre. ;)
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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #156 am: 02 November 2011, 17:09:32 »

Und wieder ein aktuelles Beispiel, wie der Staat (die ARGEn) die Leistungsempfänger aus der Statistik und in prekäre, vom Steuerzahler subventionierte Arbeitsverhältnisse zwingt: Amazon sucht 2000 "saisonale" Aushilfskräfte für das kommende Weihnachtsgeschäft. Die umliegenden Argen liefern 700 Arbeiter. Was ja nicht schlecht ist, viele nehmen lieber einen befristeten Job an als gar keinen.

Aber: Die ersten 2 Wochen dieser anspruchslosen und sowieso kurzfristigen Tätigkeit sollen alle ALG-Empfänger als unbezahltes Praktikum absolvieren. Nicht-ALG-Empfänger dagegen werden vom ersten Tag an normal bezahlt. Wer sich ob dieser Ungleichbehandlung weigert und sich wehrt, muss - natürlich - mit Sanktionen rechnen.

Warum lässt man die Sträflinge aus dem offenen Hartz-VI-Vollzug denn nicht gleich die ganzen 2 bis 3 Monate unbezahlt durcharbeiten? Aber das traut man sich wohl (noch) nicht so ganz... ::)

Quelle: http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-ohne-lohn-bei-amazon-1618811.php
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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #157 am: 02 November 2011, 17:49:45 »

Und wieder ein aktuelles Beispiel, wie der Staat (die ARGEn) die Leistungsempfänger aus der Statistik und in prekäre, vom Steuerzahler subventionierte Arbeitsverhältnisse zwingt: Amazon sucht 2000 "saisonale" Aushilfskräfte für das kommende Weihnachtsgeschäft. Die umliegenden Argen liefern 700 Arbeiter. Was ja nicht schlecht ist, viele nehmen lieber einen befristeten Job an als gar keinen.

Aber: Die ersten 2 Wochen dieser anspruchslosen und sowieso kurzfristigen Tätigkeit sollen alle ALG-Empfänger als unbezahltes Praktikum absolvieren. Nicht-ALG-Empfänger dagegen werden vom ersten Tag an normal bezahlt. Wer sich ob dieser Ungleichbehandlung weigert und sich wehrt, muss - natürlich - mit Sanktionen rechnen.

Warum lässt man die Sträflinge aus dem offenen Hartz-VI-Vollzug denn nicht gleich die ganzen 2 bis 3 Monate unbezahlt durcharbeiten? Aber das traut man sich wohl (noch) nicht so ganz... ::)

Quelle: http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-ohne-lohn-bei-amazon-1618811.php
Hab ich heut auch gelesen.

Im Grunde kann man dem Amazon-Konzern noch nicht mal einen Vorwurf machen. Die nutzen ja nur die rechtlichen Rahmenbedingungen voll und ganz aus. Die können ja nix dafür, dass die deutsche Regierung das Arbeitslosenheer zur Ausbeutung feil bietet. :/
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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #158 am: 02 November 2011, 18:02:09 »

Warum lässt man die Sträflinge aus dem offenen Hartz-VI-Vollzug denn nicht gleich die ganzen 2 bis 3 Monate unbezahlt durcharbeiten? Aber das traut man sich wohl (noch) nicht so ganz... ::)
hmm... Ich seh das etwas zwiespältig.

Für die "Sträflinge" ist es nicht wirklich unbezahlt. Sie bekommen zwar kein Geld von Amazon, aber dafür ja Geld von der Arge.
Würden sie das gleiche Geld wie nicht ALG-Empfänger bekommen, würde dass ja wieder von ihrer Regelleistung abgezogen werden

Das ist wie bei den 1Euro Jobs. Viele sagen sich "für 1Euro die Stunde geh ich nicht arbeiten", wobei man als Hartz IVler ja im Grunde gar nicht nur 1Euro die Stunde bekommt. Ich war selbst schon "Hartzer" und bin auch einen 1Euro Job angetreten. Ich habe 5Tage die Woche täglich 4 Stunden gearbeitet und habe dafür jeden Monat im Endeffekt inkl. Hartz4 über 800Euro ausgezahlt bekommen.
Klar, jetzt kann man sagen "Den Regelsatz bekommst du auch wenn du gar nciht arbeitest, also hast du doch für 1Euro/Stunde gearbeitet" allerdings sollte man dann auch so fair sein und den Regelsatz erstmal von seinem "normalen" Einkommen abziehen und dann mal gucken für wieviel man nach der Logik als nicht Harzt-IVler pro Stunde bekommt. ;)

Allerdings müsste man mal ausrechnen wie unfair das Amazon "Angebot" letzten Endes wirklich ist. Hat man rein rechnerisch als Hartzler das gleiche raus wie ein Nicht ALG-Empfänger?

Aber: Im Grunde bekommt man also für seine Arbeit Geld. Nur eben von der Arge/dem Steuerzahler und nicht von Amazon. Mir als Arbeitnehmer kann es doch im Grunde egal sein ob die X Euro/Monat von Amazon kommen, von der Arge oder aus Timbuktu. Ich arbeite n-Stunden und bekomme die Summe X.

Allerdings sehe ich hier ein anderes Problem: Was zahlt Amazon der Arge? Nichts? Dann "bereichert" sich Amazon also einfach auf Kosten des Steuerzahlers. DAS fände ich extrem daneben. Das hat allerdings eher etwas mit "Betrug am Steuerzahler" zu tun als mit "der arme ALG-Empfänger arbeitet für lau"
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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #159 am: 02 November 2011, 18:37:24 »

Die Hauptmeldung sehe ich nun auch nicht gerade als dramatisch an. Es könnte hier nämlich durchaus sein, dass die "normalen Saisonarbeiter" eine höhere Hürde für die Einstellung nehmen müssen, jene der Berufserfahrung in der Branche, während die ALGI und II-Empfänger sich diese mittels des Praktikums aneignen. Dass Fahrtkosten übernommen werden (die normalerweise jeder HartzIV-Empfänger selbst tragen muss) zeigt, dass diese zwei Wochen Praktikum quasi als eine Art Mini-Bildungsgutschein angesehen werden: Die Berufschancen von Langzeitarbeitslosen steigen, durch den Fahrtkostenzuschuss ist das Praktikum auch nicht komplett unvergütet.

Die eigentliche Skandalnachricht verbirgt sich weiter unten:

Zitat
Selbst wenn jemand nach dem „Praktikum“ eingestellt und auch nach dem Weihnachtsgeschäft weiterbeschäftigt wird, muss dieser weiterhin von aufstockenden Hartz IV-Leistungen leben.

Da liegt doch der Hase im Pfeffer!
Man stellt also Menschen Vollzeit für ein Gehalt ein, von dem sie dennoch nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten können und lässt seitens des Arbeitgebers den Staat den Rest blechen. Und das auch noch von einem Konzern, das Milliardengewinne macht. Äh, hallooo? Geht's noch?
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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #160 am: 02 November 2011, 18:41:37 »

...
ALG II-Empfänger werden in der Öffentlichkeit direkt und indirekt dargestellt als schwarzarbeitende Sozialschmarotzer, die gerne und mit voller Absicht arbeitslos sind, die ihre Kinder, die sie nur wegen des Kindergeldes produzieren, vernachlässigen, um sich lieber Alkohol und Zigaretten zu kaufen, die unmäßig und verantwortungslos Mietnebenkosten verursachen, den ganzen Tag dumm, fett und faul vor dem Fernseher hocken und auf Staatskosten in Saus und Braus (in sogen. "spätrömischer Dekadenz") leben. Sie gelten als verachtenswerte, lebensunfähige Loser, die quasi ganz allein die Schuld am desolaten Staatshaushalt tragen.

...

Da muss ich mich mal einmischen.Ich war selbst eine Zeitlang arbeitslos (und nein ich hab es mir nicht ausgesucht) und das was ich mitbekommen habe war nicht gerade toll.Meiner einer hat sich mehr oder weniger den Arsch aufgerissen um wieder in Arbeit zu bekommen und ich wurde regelrecht mit Füßen getreten und ich kenne durchaus Leute die arbeitslos sind,kein Bock zum Arbeiten haben aber Jobs hinterher geschmissen bekommen.Meiner einer wollte sogar an einem Kurs teilnehm wo man Spanisch lernt und dann für ein bis drei Monate nach Spanien fliegt um dort zu arbeiten durfte aber nicht weil das ein Kurs für Hartz 4 Empfänger ist und ich aber kein Hartz 4 vom Amt bekomme bzw die es mir verweigert haben.So und nun zeig mir mal die Gerechtigkeit bei der ganzen Sache ;).Sicher sind arbeitslose auch nur Menschen die vielleicht nichts für ihre Situation können,aber ich war wie gesagt selber in der Situation und ich find das nicht gerade toll wie das ganze geregelt is
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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #161 am: 02 November 2011, 22:43:13 »

Allerdings sehe ich hier ein anderes Problem: Was zahlt Amazon der Arge? Nichts? Dann "bereichert" sich Amazon also einfach auf Kosten des Steuerzahlers. DAS fände ich extrem daneben. Das hat allerdings eher etwas mit "Betrug am Steuerzahler" zu tun als mit "der arme ALG-Empfänger arbeitet für lau"

Ja, es kam wohl oben nicht so raus, dass ich mich darüber ebenfalls am meisten geärgert habe. Ich finde es nämlich durchaus nicht egal, wer die Arbeit bezahlt: der Steuerzahler via ALG oder die Firma, die von der Arbeit profitiert.

BTW sind un-/schlechtbezahlte "Praktika" nicht nur ein Problem der ALG-Empfänger...


Messie: Ich weiß nicht, einen unbezahlten Packerjob ernsthaft als "Weiterbildung" oder "Praktikum" zu bezeichnen... ???

Man stellt also Menschen Vollzeit für ein Gehalt ein, von dem sie dennoch nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten können und lässt seitens des Arbeitgebers den Staat den Rest blechen.

Gas-Gerd Schröder hatte im Januar 2005 in Davos stolz angekündigt, einen der "besten Niedriglohnsektoren" Europas aufbauen zu wollen, und das ist ihm mit der Einführung der Hartz-Gesetze ja auch wunderbar gelungen. Die Argen haben und nutzen die Macht, Leistungsempfänger in immer niedriger bezahlte Arbeit zu pressen, und aus Angst vor dem Jobverlust sind viele Arbeitnehmer zu immer mehr Konzessionen bereit. Außerdem werden nach wie vor echte Jobs gestrichen, nur um sie kurz danach wieder mit einem Hartzer zu besetzen, für den der Staat sogar noch obendrauf zuzahlt. Die Arbeitgeber freuen sich, wenn der Staat ihre Arbeitnehmer ganz oder teilweise bezahlt.

(Zum Glück gibt es neuere Urteile, nach denen Ein-Euro-Jobbern, die auf regulären Stellen eingesetzt wurden, Nachzahlungen in tariflicher Höhe zustehen.)

Das momentane Jobwunder geht einher mit einer riesenhaften Zunahme prekärer Stellen; Leiharbeit, Befristung, Niedriglöhne, Teilzeit... Bestimmt kein Zufall.


Meiner einer wollte sogar an einem Kurs teilnehm wo man Spanisch lernt und dann für ein bis drei Monate nach Spanien fliegt um dort zu arbeiten durfte aber nicht weil das ein Kurs für Hartz 4 Empfänger ist und ich aber kein Hartz 4 vom Amt bekomme bzw die es mir verweigert haben.So und nun zeig mir mal die Gerechtigkeit bei der ganzen Sache ;)

Wie tief muss man sinken, um einen arbeitslosen Hartz-IV-Empfänger zu beneiden... ::)
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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #162 am: 02 November 2011, 23:16:51 »

Zitat
Messie: Ich weiß nicht, einen unbezahlten Packerjob ernsthaft als "Weiterbildung" oder "Praktikum" zu bezeichnen... ???

Nicht alles ist unlogisch im Hartzer-System: Lass mal jemanden mehrere Jahre lang arbeitslos sein und rein gar nichts gemacht/gekriegt haben. So bescheuert das klingen mag, aber da ist selbst das früh Aufstehen schon etwas das wieder "erlernt" gehört, weil sicher nur wenige Leute nach so vielen Jahren immer noch früh aufstehen, um nicht aus dem Rhythmus zu sein. Jene sind aus allem 'raus - oft genug auch sozial gesehen, der Umgang mit Menschen am Arbeitsplatz ist für so manchen auch noch stark gewöhnungsbedürftig.
Da es bei einem grade mal dreimonatigen Job überhaupt keinen Sinn macht eine Probezeit einzurichten, haben sie offensichtlich das Problem so gelöst: Zweiwöchige Probezeit (= Chance für den Arbeitnehmer) mit anschließender Einstellung und entsprechender Vergütung desselben für drei Monate. Das Praktikum wird als berufsvorbereitendes eingestuft, sodass die Fahrtkosten übernommen werden: Wäre es Hamburg, erhielte der Mensch dann vermutlich den Gegenwert zweier Wochenkarten für den Großbereich Hamburg vergütet. Der Arbeitslose erhält also für diese zwei Wochen bereits mehr Geld als er zuvor hatte.

Dazu sollte man wissen, dass die jobcenter bei unbezahlten Praktikas die länger als zwei Wochen dauern nicht mehr mitspielt, um eben genau diese "Generation Praktikum" abgeschafft zu bekommen.

Echte Ausbeutung wäre dieser Deal in meinen Augen dann, wenn amazon alle ALGII-Empfänger unisono oder auch nur zu einem großen Teil nach dem Praktikum nicht einstellt! Denn dann kann man ihnen schon mal unterstellen, dass die Einstellung nie ihr Ziel war, sie wirklich nur kostenlose Arbeitskräfte haben wollten, ohne ihren Teil des Deals einzuhalten.
Für solche Fälle wäre ich stark dafür, eine Regelung dafür einzuführen, dass das Praktikum dann rückwirkend vergütet wird für die geleistete Arbeitszeit, basierend auf den tatsächlich geleisteten Stunden (um so diverse tatsächlich faule Hartzer, die nach dem zweiten Tag einfach nicht mehr kommen und nach einer Woche deswegen entlassen werden, nicht noch nachträglich dafür zu belohnen dass sie es nicht durchgezogen haben).

Aber wie gesagt, der eigentliche Skandal ist, dass amazon ganz offensichtlich Geld spart auf dem Rücken der Steuerzahler bei Menschen, die dem Konzern ihre volle Arbeitsleistung Vollzeit zur Verfügung stellen.

Auch hier wäre ich für eine Neuregelung: Dass die Aufstocker in die Arbeitslosenstatistik mit aufgenommen werden.
Meines Wissens werden sie das nämlich nicht! Weswegen jene für die Spitzenpolitik unsichtbar und damit uninteressant geworden sind: Man kennt das ja, nur was die Statistik verdirbt, nur daran arbeiten die Politiker von heute.
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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #163 am: 03 November 2011, 09:29:33 »

Echte Ausbeutung wäre dieser Deal in meinen Augen dann, wenn amazon alle ALGII-Empfänger unisono oder auch nur zu einem großen Teil nach dem Praktikum nicht einstellt! Denn dann kann man ihnen schon mal unterstellen, dass die Einstellung nie ihr Ziel war, sie wirklich nur kostenlose Arbeitskräfte haben wollten, ohne ihren Teil des Deals einzuhalten.
So habe ich das verstanden. Es werden für das Weihnachtsgeschäft Saisonarbeitskräfte gebraucht, die nach der Saison natürlich überflüssig sind (dann muß man sie nicht behalten (= bezahlen)).

Saisongeschäft ist nichts unübliches, früher wurden dafür Leute über eine Zeitarbeitsfirma eingestellt. Und auch das ist für den Arbeitnehmer letztendlich scheiße: wo man früher zum festanstellten Mitarbeiterpool gehörte, wird heute nur für den Einsatz eingestellt und danach entlassen.

Was die Statistiken betrifft: soweit ich weiß, taucht man darin auch nicht auf, wenn man an einer Maßnahme wie PC-Kurs etc. teilnimmt.
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CubistVowel

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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #164 am: 03 November 2011, 09:50:45 »

Was die Statistiken betrifft: soweit ich weiß, taucht man darin auch nicht auf, wenn man an einer Maßnahme wie PC-Kurs etc. teilnimmt.

Das stimmt, "Maßnahmen"-Teilnehmer tauchen in der Statistik nicht auf. Deswegen werden Arbeitslose unter Androhung von Sanktionen oft von Maßnahme zu Maßnahme geschickt, manche haben schon 10 Mal Bewerbungstraining, PC-Anfängerkurse u. Ä. hinter sich. Ein-Euro-Jobber/"Bürgerarbeiter" und "Praktikanten" sind ebenfalls aus der Statistik raus - genau wie Kranke und (ich glaube) über 55jährige.

So ist rings um die Arbeitslosen eine Art Maßnahmen-Industrie entstanden, die diese Menschen von einer nutzlosen Maßnahme zur nächsten schickt und damit auf Kosten der Allgemeinheit einen Mordsumsatz macht.
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