Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Freitod  (Gelesen 13861 mal)

Huehne

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Freitod
« Antwort #45 am: 14 Dezember 2004, 19:56:37 »

kallisti schrieb:
Zitat
Sterbehilfe und Suizid berühren beide eine wichtige Frage:

Wem gehört der Mensch? Oder anders formuliert:
Hat der/ein Mensch absolut freie Verfügungsberechtigung über sein Leben?
Wenn ja: warum?
Wenn nein: warum nicht?

Wenn bedingt: welche Bedingungen/Einschränkungen gelten und: warum / mit welcher Begründung???

Ich bin eben der Meinung: wenn ein Mensch über irgendetwas absolut frei und selbstbestimmt entscheiden darf/ entscheiden können sollte - dann: über sein eigenes Leben: im Sinne von: dessen Erhalt oder Beendigung (denn: bei der Gestaltung sind definitiv Grenzen gesetzt, Einschränkungen gegeben



Meiner Meinung nach hat jeder Mensch absolut freie Verfügungsberechtigung über sein Leben. Aber (die Einschränkung) er muss sie grundlegend treffen. Also nicht erst, wenn es Ihm schlecht geht. Sondern gerade dann, wenn er noch "normal" ist, es ihm gut geht. Bei mir zum Beispiel habe ich eine Art "amtliche Verfügung" verfassen lassen, dass bei mir nach 90 Tagen ohne Bewusstsein / Koma alle lebensrettenden und/oder lebensverlängernden Massnahmen eingestellt werden müssen. Mit der Einschränkung, dass man den Verwandten und Freunden es ermöglichen sollte, sofern sie es denn wollen, an meinem Krankenbett sich von mir zu verabschieden. Hierfür sind max. weitere 10 Tage geduldet - danach ist Schluss. Und sollte ich dann noch Leben - so muss ich es alleine schaffen, lediglich Nahrung darf mir künstlich zugeführt werden.

Aber auch hier hab ich noch einen gewissen Zweifel. Denn der Mensch ist ja nicht nur allein für sein Leben verantwortlich. Jeder Mensch nimmt automatisch Einfluss auf das Leben anderer Menschen und trägt somit auch etwas Verantwortung für das Leben Anderer.

Vor Jahren wurde ich mal von einer (Frauen)Zeitschrift gefragt:
Was wünschen Sie ihrem ärgsten Feind?

Damals habe ich geantwortet: Das er niemals seine eigenen Kinder beerdigen muss. Egal was mir ein anderer Mensch angetan hat, dieses Gräul wünsche ich keinem.
Und daraus ergibt sich dann halt auch die Verantwortung für das Leben Anderer: Mein eigener Tod ist nur dann für mich vertretbar, wenn kein Elternteil mehr lebt. Ich bin mir aber auch bewusst, dass mein Tod für meine Brüder und deren Kinder, für meine Freunde und Bekannten kein leicht zu ertragender Schmerz ist. Aber in gewisser Weiser, ist für diese Menschen Das so oder so der Lauf des Lebens. Man lebt ja zum Glück nicht ewig.
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Zitat:
Streitende sollten wissen, daß nie einer ganz recht hat und der andere ganz unrecht.

Kurt Tucholsky (1890-1935), dt. Schriftsteller

Drachenkind

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Freitod
« Antwort #46 am: 14 Dezember 2004, 22:40:47 »

Ich glaub schon wieder steht alles was ich dazu denke im Hagakure  :roll:
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egliche Rechtschreibfehler sind Ausdruck meiner Rebellion gegen die Regeln des Esteblishment.

Kallisti

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Freitod
« Antwort #47 am: 15 Dezember 2004, 11:56:32 »

@Eisbär

...ja eben: deshalb stelle ich ja so viele Fragen! Sehe das genauso wie du!! Aber: das wird halt offenbar sehr unterschiedlich ausgelegt/aufgenommen (denn: ich habe mit meinen Fragen auch niemanden "zu schwächen" versucht/beabsichtigt).



@Huehne



Ja, auf sowas spielte ich an: Angehörige - auch der umgekehrte Fall: wenn Eltern ihre Kinder "verlassen" (weil: sich suizidiert habend).

Meine Frage ist/war deshalb auch: wenn Bedingungen - warum bzwl wie/womit begründet, gerechtfertigt. Denn: wie weit geht das: für andere zu leben/am Leben bleiben zu sollen?!? Wieviel Leid ist zumutbar (wie lange und intensiv muss, kann, darf, soll ein Mensch für andere leben und: leiden: wenn er sein Leben eben als Leid und sinnlos und unerträglich erlebt!:???)
Wie weit muss, kann, darf, soll die "Verantwortung" für andere (nahestehende Menschen, eigene Kinder...) gehen??? Und: mit welcher Begründung (egal wie die Antwort ausfällt: Begründung interessiert mich immer!!) ?



Das mit der Vorabbestimmung sehe ich anders; denn: das ist genau das Problem: du hast ein Recht, deine Meinung zu verändern, du bist Mensch, du veränderst dich... und: nur weil du heute etwas festgelegt hast, von dem du absolut überzeugt warst/bist, heißt das eben noch lange nicht, dass du das dann in der konkreten Situation noch genauso siehst/empfindest...!!!
Man kann einfach nicht sicher wissen, was man dann ... denkt/fühlt/will... man kann es nur vermuten.

Und es ist einfach nicht ausgeschlossen - und kommt auch immer wieder vor, dass Menschen in der konkreten Situation ganz anders denken, fühlen, urteilen!
(Klar ist dabei zu berücksichtigen, dass bzw. ob Menschen unter Einfluss von Medikamenten stehen, die auf das Denken und Fühlen Auswirkungen haben... aber wie dem auch sei: gilt nicht eben das, was der Mensch in dem Moment dann denkt/will: also in einer solchen Situation wo er eben über sein Leben oder seinen Tod zu entscheiden hat - davon abgesehen, dass das bei uns in Deutschland mit den Patientenverfügungen gar nicht gut klappt, weil die Ärzte -weit mehr übrigens als das andere medizinische (Pflege-)Personal- sich einfach zu dieser Verantwortung nicht durchringen können: trotz Patientenverfügung!!! Und auch: weil darin nie der absolut ganz konkrete Fall bis ins Detail aufgeführt werden kann - und genau durch dieses Schlupfloch flüchten sich die Ärzte: siehe  derzeitige Praxis!)
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Huehne

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Freitod
« Antwort #48 am: 19 Dezember 2004, 00:54:24 »

Zitat von: "Kallisti"

Ja, auf sowas spielte ich an: Angehörige - auch der umgekehrte Fall: wenn Eltern ihre Kinder "verlassen" (weil: sich suizidiert habend).

Meine Frage ist/war deshalb auch: wenn Bedingungen - warum bzwl wie/womit begründet, gerechtfertigt. Denn: wie weit geht das: für andere zu leben/am Leben bleiben zu sollen?!? Wieviel Leid ist zumutbar (wie lange und intensiv muss, kann, darf, soll ein Mensch für andere leben und: leiden: wenn er sein Leben eben als Leid und sinnlos und unerträglich erlebt!:???)


Zu Deiner Frage: Wieviel Leid ist zumutbar?
Also generell ist es einem Menschen nicht zumutbar, wenn er nicht heilbar ist und auch den Lebenswillen aufgegeben hat noch länger am Leben gehalten zu werden. Sofern ein solcher Mensch sterben will - so sollte man es respektieren.
Ein Mensch, der nur unter starken Schmerzmitteln überhaupt noch lebensfähig ist und dahinvegetiert, dem sollte man es auch ermöglichen, sterben zu dürfen.
Jedoch ein Mensch, der selbst unter Schmerzen und ohne Aussicht auf Heilung um sein Leben kämpft, sollte nicht aufgegeben werden.

Oder um es etwas konkreter zu machen zwei Berichte aus meiner Familie:

Mein Vater hatte einen Gehirntumor und Lungenkrebs. Ihm wurde zweimal der Kopf aufgebohrt und der Tumor entfernt. Nur leider ist der Tumor immer wieder nachgewachsen. Zudem hat der Lungenkrebs meinem Vater das amten immer mehr erschwert. Nach der 2. OP kam mein Vater nach Hause und wurde dort gepflegt. Die Ärzte gaben Ihm maximal 18 Monate. Zuhause hat mein Vater immer mehr abgebaut. Stell dir einfach mal vor, du sitzt neben deinem kranken Vater, der schaut dich eine halbe Stunde lang an und fragt dich dann, wer du bist. Du antwortest ihm, dass du sein 21 jähriger Sohn/Tochter bist. Daraufhin siehst du regelrecht die Verzweiflung in seinem Gesicht - die Frage in seinem Kopf - Das ist mein Sohn, warum hab ich das nicht gewusst? Ich habe nie einen verzweifelteren Gesichtsausdruck gesehen. Mein Vater hing die letzten Tage seines Lebens an der Sauerstoffflasche und hat mehrere Spritzen Morphium am Tag bekommen. Er hat die letzten Stunden in seinem Leben noch gekämpft - und verloren. Er starb an einem 22. Dezember - an 24. Dezember morgens haben wir Ihn beerdigt - und Abends Heilig Abend gefeiert.
Mein Vater hat zum Schluss nur noch Schmerzen gehabt und konnte seine eigene Familie kaum noch erkennen. Wir hätten Ihm gerne ein paar  Wochen erspart - aber wir durften nicht.

Ein Onkel von mir hat MS und sitzt seit knapp 15 Jahren im Rollstuhl. Er verbringt in diesem Rollstuhl mehr als 20 Stunden am Tag. Er kann kaum noch selber Essen und Trinken. Aber er kämpft um sein Leben. Er fährt mit seinem Rollstuhl zum Bahnhof und macht mal so eben einen Ausflug zu nahen Verwandten - sofern die Bahnhöfe Rollstuhl gerecht sind. Die Ärzte meinten schon vor 7 Jahren, er müssen in ein Pflegeheim. Doch seine Familie unterstützt ihn in seinem Lebenskampf. Vor gut einem halben Jahr hat man bei Ihm noch zusätzlich Krebs festgestellt. Er leidet darunter - aber er kämpft und macht gerade eine Chemo. Mein Onkel hat einen unbändigen Lebenswillen, wie ich noch nie wo anders so erlebt habe. Und wenn man mit Ihm redet, dann macht ER einem Mut, das Leben zu genießen und nicht aufzugeben. Ich hoffe, dass er den Krebs besiegt und uns noch lange erhalten bleibt.

Mein Vater hatte sieben Geschwister - zusammen mit meinem Vater sind jetzt schon 4 gestorben - 2 davon in den letzten 4 Jahren. Zwei von 4 noch lebenden Geschwistern haben MS, die anderen beiden sind kerngesund.
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Huehne

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Freitod
« Antwort #49 am: 19 Dezember 2004, 01:11:15 »

Zitat von: "Kallisti"

Das mit der Vorabbestimmung sehe ich anders; denn: das ist genau das Problem: du hast ein Recht, deine Meinung zu verändern, du bist Mensch, du veränderst dich... und: nur weil du heute etwas festgelegt hast, von dem du absolut überzeugt warst/bist, heißt das eben noch lange nicht, dass du das dann in der konkreten Situation noch genauso siehst/empfindest......Und es ist einfach nicht ausgeschlossen - und kommt auch immer wieder vor, dass Menschen in der konkreten Situation ganz anders denken, fühlen, urteilen!


Also, nur weil ich heute eine Verfügung verfasst habe, heisst es nicht, dass man sowas nicht mehr ändern kann. Wenn sich die Lebenssituation verändert - werde ich diese Verfügung sicher auch abändern. Und wenn ich im Krankenhaus bin und noch in der Lage bin, selbständige Entscheidungen zu treffen, so hat man diese zu respektieren. Nur für den Fall - dass ich selber nicht mehr entscheiden kann, soll man sich an meine Verfügung halten. Die Verfügung soll ja gerade meinen Mitmenschen die Verantwortung für eine solchen Entscheidung abnehmen und die Ärzte rechtlich absichern.

Ich denke mal, hier muss auch der Gesetzgeber noch nachbessern. Er muss die Sterbe-/Lebensrechte der Patienten stärker schützen und somit auch den Ärzten mehr Rechtsicherheit gewähren. Ich bin generell der Auffassung - nur ein Arzt sollte wenn überhaupt Sterbehilfe leisten dürfen. So eine Verfügung sollte meiner Meinung nach auf der Krankenkassenkarte hinterlegt werden - so ist sie immer abrufbar.


By the way - ich war gerade mal 14 Jahre alt, als sich mein bester Freund erhängt hat. Ich hab ihn schon vom Wickeltisch an gekannt. Warum er das getan hat, weiss ich nicht. Ich habe aber seit damals das Gefühl, als wäre er als mein Zwillingsbruder gestorben.
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Streitende sollten wissen, daß nie einer ganz recht hat und der andere ganz unrecht.

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Kallisti

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Freitod
« Antwort #50 am: 22 Dezember 2004, 14:40:55 »

@Huehne


Das mit deinem Vater und deinem Onkel tut mir sehr leid.

Auch das mit deinem Freund.



Aber:

Worauf ich hinaus wollte, ist eben, dass es gerade nicht darum geht, das als unerträgliches/unzumutbares Leid anzuerkennen, was einzelne Menschen für sich/von sich selbst aus nachvollziehen können oder wie sie es für sich persönlich definieren, sondern:

dass das nur jeder einzelne Mensch für sich selbst festlegen kann!!! Und dass da niemand anderes ankommen und drüber urteilen kann/darf/sollte, da dieser Mensch eben ein anderer ist, mit einem anderen Körper, anderen Leben, anderen Erfahrungen, anderen Einstellungen, anderer Körperchemie etc.!!!


Deshalb kann also unerträgliches Leid für Menschen auch ganz anderes sein als tödliche, unheilbare Krankheit oder extreme körperliche Schmerzen ... ... ... !!
Es geht mir darum, dass das akzeptiert wird - mit entsprechenden Folgen... !



Und zu deiner Verfügung: ja klar: sie soll für den Fall sein, da du selbst dich nicht mehr mitteilen  kannst, aber: genau darin liegt doch eben das Problem: man hält sich dann vlt. an (d)eine Verfügung, die deinem aktuellen Willen aber u. U. gar nicht mehr entspricht: und du kannst das nicht mehr äußern/mitteilen... !!


Es ist einfach eine sehr prekäre Sache mit der sogen. Patientenverfügung - wie auch mit dem (freien) Willen...
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biserka

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Freitod
« Antwort #51 am: 05 Januar 2005, 14:19:37 »


Hoy hoy...  so, jetzt kommt noch mein Senf dazu =)

Auch ich glaube an die Wiedergeburt (siehe Pegasus Beitrag).
Allerdings wurde ich christlich erzogen und somit war Selbstmord immer schlecht, weil nur Gott alleine Menschen das Leben nehmen darf *zwinker*

Leider hatte ich  bzw. habe ich noch zum teil Selbstmordgedanken. Doch mittlerweile würde ich mich nicht mehr vors Auto werfen oder mich aufschlitzen....
Ja, ich wurde als Kind zu Hause misshandelt, gedemütigt, beschämt usw. Doch das war einmal und ist nicht mehr.

Ich bin in Therapie, habe den Glauben gewechselt und  gelernt mit der Vergangenheit, mit den Selbstmordgedanken  umzugehen. Ich trage jetzt für mich und mein Leben  die Verantwortung.
Viele Selbstmörder konnten das nicht, sondern gaben dem Umfeld immer die Schuld. Doch ich scheiße jetzt einfach auf das schlechte Umfeld. Das musste ich lernen.  Ich bin nicht immer nur das Opfer, dem schlechtes wiederfährt, sodass ichs nicht mehr ertrug und Selbstmordgedanken hatte.
Nur man selbst kann was verändern, finde ich. Und wer dit nicht tut und sich lieber umbringt, der soll es machen. Man kann Menschen nicht zum Leben zwingen, wenn sie nicht wollen!
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