Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?  (Gelesen 73789 mal)

Kallisti

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #300 am: 10 Juni 2011, 18:53:51 »

Interessieren diese Fragen (siehe mein vorheriger/letzter Beitrag) hier nicht - oder ist es doch ein zu heißes Eisen, an dem sich niemand die Finger verbrennen will?
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messie

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #301 am: 10 Juni 2011, 23:47:43 »

Mag vielleicht daran liegen, dass das Thema doch n bisschen exotisch ist, im Sinne "so weit weg vom Alltag, dass man dazu eh nix sagen kann".

Zum Zweiten: Ob es für diese Personen "lebenswert" ist, werden eh nur die Personen die davon betroffen sind beurteilen können (sofern sie es überhaupt noch mitteilen können), insofern ist die einzige Antwort darauf "suche nach Quellen, in denen eine Person die davon betroffen ist dazu in irgend einer Form geäußert hat, dann weißt du's".

Sich selbst in diese Situation hineinzuversetzen halte ich für außerordentlich schwierig. Ob ich jenes Leben noch als lebenswert für mich erachten würde? Ganz ehrlich: Keine Ahnung.
Die Wahrnehmung verschiebt sich sicher, und der eigene Geist wird umso wertvoller. Dann hängt es sicher noch von den technischen Möglichkeiten ab, inwieweit diese Kommunikation erlauben. Wenn ich als Schachliebhaber z.B. per Bildschirm und Augenbewegungen mit jemand anderem Schach spielen kann, wäre das ja z.B. schon etwas, das Glücksmomente besorgen kann, oder wenn man mit technischen Hilfsmitteln vielleicht sogar in der Lage ist, ein Buch zu schreiben.

Zum Thema "Volllähmung und Lebenswert" gibt es auch einen sehr guten Film: "Ist das nicht mein Leben?" mit Richard Dreyfuss.
Darin wird ein Mann vom Hals an gelähmt durch einen Unfall. Er kämpft dafür, dass man ihn sterben lässt und versucht es auch gerichtlich durchzusetzen.
Der Film ist trotz des ernsten Themas mit viel Humor gespickt und wirklich sehenswert!
Aber auch hier betrifft es lediglich einen Einzelfall: Die Hauptfigur war vor dem Unfall Maler. Er argumentiert im Film damit, dass das, was ihn als Person ausmacht, für ihn nicht mehr möglich ist, eben das Malen, und damit sein Leben, so wie es jetzt ist, keinen Sinn mehr macht.
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Kallisti

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #302 am: 11 Juni 2011, 02:22:05 »

Zitat
Zum Thema "Volllähmung und Lebenswert" gibt es auch einen sehr guten Film: "Ist das nicht mein Leben?" mit Richard Dreyfuss.
Darin wird ein Mann vom Hals an gelähmt durch einen Unfall. Er kämpft dafür, dass man ihn sterben lässt und versucht es auch gerichtlich durchzusetzen.
Der Film ist trotz des ernsten Themas mit viel Humor gespickt und wirklich sehenswert!
Aber auch hier betrifft es lediglich einen Einzelfall: Die Hauptfigur war vor dem Unfall Maler. Er argumentiert im Film damit, dass das, was ihn als Person ausmacht, für ihn nicht mehr möglich ist, eben das Malen, und damit sein Leben, so wie es jetzt ist, keinen Sinn mehr macht.


messie - das ist ja genau das, worum es mir geht/wonach ich fragte! - Und es ist in etwa inhaltlich/Aussage wohl ziemlich gleich (kenne den von dir genannten Film nicht) mit den Aussagen der Filme "Schmetterling und Taucherglocke" und "Das Meer in mir".

Sicher sind diese Filme nicht "repräsentativ", aber ich denke, man kann die Situation der betroffenen Menschen in beiden (von mir genannten) Filmen doch sehr gut nachvollziehen - übrigens beruhen auch hier beide Filme auf "wahren Begebenheiten".

Für mich sind "solche Themen" nicht "zu weit weg".  - Ich finde, man sollte sich darüber klar sein, wie "störanfällig" ein Menschenleben ist - in vielerlei Hinsicht und auf vielerlei Ebenen sowie auf vielerlei Arten - gerade aber eben auch durch massive Beeinträchtigungen, Widerfahrnisse - und nicht zuletzt durch den Tod - wie schnell das einem selbst oder Menschen, die einem nahe stehen "passieren" kann (bzw. passiert) und wie wenig man dem oft "vorbeugen" und noch weniger man dagegen "unternehmen" kann ...

Ja, ich gehöre zu der "Fraktion", die sich vergegenwärtigt, dass die (eigene) Vergänglichkeit, Endlichkeit, Sterblichkeit auch in der Gegenwart "mehr oder weniger" bzw. letztlich immer "präsent" ist (die Möglichkeit) ...

Wobei bei diesem Thema es mir gar nicht um das "Problem" der Endlichkeit des Menschen geht, sondern um die Lebensqualität unter bestimmten Bedingungen, wenn Menschen "Dinge" widerfahren ...


Ich weiß nicht, ob man so sagen kann: Keine Ahnung, wie ich dann denken, was ich in einer solchen (Lebens-) Situation wollen würde ... - ja, das sagt man so und versucht im Grunde damit: auszuweichen.  ;)  Ich auch (mehr oder weniger - s.o.).

Aber letztlich stellt es sich für mich dar, wie oben schon gesagt:

Wenn alles, das mich, mein (bisheriges) Leben ausgemacht hat - meine Person bzw. Persönlichkeit und die Ausdrucksweise derselben im Leben, wenn mir fast alle Möglichkeiten, ein selbstbestimmtes und auch "sinnliches", "körperliches" Leben zu führen, genommen sind und das nicht mehr umkehrbar und kaum "verbesserbar" ist (dauerhaft) - dann denke ich durchaus, auch jetzt sagen zu können, dass es für mich unter solchen Umständen/Bedingungen kein lebenswertes Leben mehr wäre bzw.: ist.


Und das führt dann konsequenterweise zu der Frage nach der Sterbehilfe bzw. dem Recht auf selbstbestimmten Tod - mit der Problematik, dass in gerade einer solchen Situation (locked in-syndrom) man ja notwendigerweise auf die Hilfe anderer angewiesen ist.

Nein, an dieser Stelle will ich keine Diskussion über Sterbehilfe führen - ich hab´s jetzt nicht rausgesucht, aber es gibt dazu bereits einen (alten) thread (Suizid bzw. "Freitod" genannt, wenn ich mich recht erinnere ;) ).

Ich wollte tatsächlich viel eher wissen, wie andere Menschen darüber denken: was sie darüber denken, wie sie sich in einer solchen Situation "fühlten" bzw. ob sie diese noch für ein "lebenswertes" Leben für sich hielten oder nicht und (wie immer:) warum jeweils (ja oder nein).
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messie

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #303 am: 11 Juni 2011, 02:31:31 »

Zitat
Für mich sind "solche Themen" nicht "zu weit weg".  - Ich finde, man sollte sich darüber klar sein, wie "störanfällig" ein Menschenleben ist (...)

Sicher ist es das.
Was aber recht seltene Phänomene angeht, handle und denke ich jedenfalls nach dem Prinzip "warum sich über ungelegte Eier Sorgen machen?".
Da ist es doch eher förderlich sich mit jenen zu beschäftigen die etwas sicherer auftreten als gleich eine Volllähmung ;)

Ein Thema zum Altwerden etwa: Alt werden wir alle mal, und körperlich nachlassen werden wir auch alle zwangsläufig. Das ist etwas das alle etwas angeht, und wozu dann auch alle etwas sagen können, weil jeder die Möglichkeit hat, darüber nachzudenken ganz speziell sich selbst zu betreffend und die Wahrscheinlichkeit auch gegeben ist, dass sich einige dazu schon einmal ihre Gedanken gemacht haben.
Auch wird jeder von uns alte Personen kennen und ahnen können, was "alt sein" bedeutet.
Logisch, dass dazu dann auch mehr dazu etwas zu sagen haben.

Im Gegensatz dazu: Wie viele Personen kennen jemanden, der von einer Volllähmung betroffen ist? - Also, ich jedenfalls niemanden.
Logisch, dass man dazu dann aus seiner persönlichen Perspektive her nichts Konkretes sagen kann.

Genausogut hättest du fragen können "was denkt ihr darüber, wenn ihr jemandem begegnet, dessen Eltern Geschwister waren? Oder wie wäre es, wenn Eure Eltern Geschwister wären?"
Dürfte ungefähr genauso oft vorkommen. ;)
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Kallisti

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #304 am: 11 Juni 2011, 02:49:19 »

Naja messie - das Eltern/Geschwister - Ding is dann doch mit einem locked in-syndrom eher nicht zu vergleichen.  ???


Nein, es geht doch um etwas anderes: Es geht nicht um ein sehr unwahrscheinliches Ereignis - also: ungelegte Eier, über die man sich unnötig das Hirn zermürbt, sondern es macht einen deshalb "betroffen" und "sensibel" ..., weil es so extrem ist und weil es eben wirklich durch ganz dumme und zufällige Umstände (bspw. eben Schlaganfall oder Unfall!) tatsächlich im Grunde dann doch "jedem" passieren könnte bzw. kann.

Um das Altwerden kommen wir alle nicht herum - dieser Vergleich hinkt doch aber auch: Altern und dann aufgrund dessen irgendwann Sterben sind natürliche Prozesse, "Vorkommnisse", die nicht unbedingt (mehrheitlich) auf extreme Art oder sehr dramatisch verlafuen müssen und die man teilweise auch steuern/selbst beeinflussen kann, die außerdem das Leben nicht per se "nicht (mehr) lebenswert" machen.

Wenn man aber z.B. als noch "junger" Mensch von einem solchen "Schicksalsschlag", Widerfahrnis getroffen wird - völlig unvorbereitet, überraschend, unvermittelt, unerwartet und nicht vermeidbar oder kontrollierbar ... - dann ist es doch eine ganz andere Sache.


Mich haben beide Filme jedenfalls emotional "mitgenommen" und bei mir wieder Fragen aufgeworfen bzw. Gedanken "gefestigt" --- was sicher auch daran liegt, dass "Freitod" und "Sterbehilfe" bzw.: das Recht auf selbstbestimmten Tod (unabhängig von Alter und/oder (tödlicher) Krankheit) schon seit vielen Jahren "meine" Themen sind.    
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messie

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #305 am: 11 Juni 2011, 03:02:25 »

Zitat
Um das Altwerden kommen wir alle nicht herum - dieser Vergleich hinkt doch aber auch: Altern und dann aufgrund dessen irgendwann Sterben sind natürliche Prozesse, "Vorkommnisse", die nicht unbedingt (mehrheitlich) auf extreme Art oder sehr dramatisch verlafuen müssen und die man teilweise auch steuern/selbst beeinflussen kann, die außerdem das Leben nicht per se "nicht (mehr) lebenswert" machen.

Nee, da hinkt mal so garnix  :P

Das Problem des Alterns ist, dass es oft in Schüben geschieht.
Die Gebrechlichkeit entsteht oftmals nicht langsam, sondern aufgrund konkreter Ereignisse, die den eigenen Zustand rapide verschlechtern. Ein Sturz etwa, ein Schlaganfall, ein Schicksalsschlag (Verwandter stirbt z.B.) ... alles Dinge, die auf einmal eine eigentlich zuvor rüstige Person in die Pflegestufen treiben.

Um mal beim Thema zu bleiben: "Lebenswert" empfindet im Alter dann jeder etwas Anderes. Jemand der auf seine geistigen Leistungen sehr stolz war wird es schrecklich finden wenn sein Hirn in Mitleidenschaft gezogen wurde, jemand der immer körperlich seine Erfüllung fand (z.B. das Malen) wird bei z.B. gelähmten Armen eine erhebliche Einbuße an Lebensqualität haben usw.
Ab wann sich ein Mensch dann nicht mehr als Mensch fühlt, ist demzufolge extrem individuell.

Die Volllähmung mag ein Extrem sein, im Prinzip stellen sich hier aber dieselben Fragen: Was war der Person vorher am Wichtigsten, kann sie dies auch heute noch in irgend einer Form wahrnehmen?
Wenn jemand "nur" eine Hand nicht mehr bewegen kann, aber sein Leben lang seine Erfüllung im Golfen hatte, der wird auch mit diesem bisschen Gicht in der Hand möglicherweise schon sagen, dass sein Leben keinen Sinn mehr macht, während ein Vollgelähmter z.B. es anders sehen kann, weil er z.B. noch mit Augenbewegungen ein Buch schreiben kann - etwas ,wofür diese Person zuvor vielleicht nie Zeit hatte.

"Hier bin ich Mensch, hier darf ich es sein." ist halt für jeden etwas anderes. :)
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Kallisti

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #306 am: 11 Juni 2011, 03:08:54 »

Zitat
Die Volllähmung mag ein Extrem sein, im Prinzip stellen sich hier aber dieselben Fragen: Was war der Person vorher am Wichtigsten, kann sie dies auch heute noch in irgend einer Form wahrnehmen?


messie - ich glaube, du hast nicht so ganz verstanden - es ist eine Sache, ob man durch das Alter mal schubweise oder allmählich eingeschränkter wird ... - eine ganz andere Sache ist es, wenn ein wacher Geist (Verstand, Bewusstsein) in einem nicht (so gut wie gar nicht - oft nur die Augen und Ohren) "benutzbaren" Körper gefangen ist.

Was sollen Menschen mit locked in syndrom bitte "noch in irgendeiner Form wahrnehmen" - von den Dingen, die "der Person vorher am wichtigsten waren"???

Um es auf den Punkt zurückzubringen, frage ich dich nochmal:

Willst du also das ("normale", natürliche) Altern von Menschen mit einem locked in syndrom (diese beiden Zustände) vergleichen bzw. gleichsetzen? ??

« Letzte Änderung: 11 Juni 2011, 03:10:31 von Kallisti »
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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #307 am: 11 Juni 2011, 10:24:58 »

Ich kenne die Filme nicht, und habe mich auch noch nicht mit dem locked-in-syndrom beschäftigt.

Von daher kann ich mir keine Vorstellung machen, ob und was ein Patient von seiner Umwelt mitbekommt. Für MICH ist die Vorstellung schrecklich, reglos in meine Hülle gefesselt zu sein.

Aber der Vergleich mit dem Alterungsprozess hinkt doch ziemlich. Der betrifft uns alle irgendwann einmal (es sei denn, das Leben ist vorher zu Ende), von daher ist man an den Gedanken "gewöhnt", nicht jedoch an den eines plötzlichen Schicksalsschlags.
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messie

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #308 am: 11 Juni 2011, 14:04:50 »

Zitat
Willst du also das ("normale", natürliche) Altern von Menschen mit einem locked in syndrom (diese beiden Zustände) vergleichen bzw. gleichsetzen? ??

Nein. Im Gegenteil, ich meine dass das locked-in-Syndrom dermaßen exotisch ist, dass sich dazu schlicht keine Meinung bilden lässt. Es ist eine ebenso hypothetische Frage wie "was würdest du machen, wenn du eine Milliarde Euro gewinnen würdest?" - etwas, das so weit weg vom Jetzt ist, dass es schwerlich gelingen wird, sich in diese Situation wirklich hineinzuversetzen.

Mal ein anderes Beispiel: Wenn ich jetzt die Frage stellen würde "was würdest du tun, wenn du nicht mehr hören könntest?"
Für viele hier wird es ganz, ganz schrecklich sein, weil Musik für sie alles ist (immerhin identifiziert sich diese "schwarze Szene" ja zu einem guten Teil über die Musik).
Dennoch wird niemand sagen können wie es dann wirklich wäre, wenn es so weit wäre. Einfach, weil sich gewisse Umstände erst in der Situation selbst ergeben und Fragen erst dann beantwortet können.

Ich selbst jedenfalls wüsste nicht, wie schrecklich es für mich wäre, wenn mir das "locked-in-Syndrom" widerfahren würde. Erstens wüsste ich ja nicht was ich noch wirklich machen kann (Augenbewegungen doch noch möglich oder nicht?) und zweitens nicht was für technische Hilfsmittel mir zur Verfügung stehen. Das Schachbeispiel hatte ich ja schon genannt, als leidenschaftlicher Schachspieler würde mir dieses Hobby, wenn ich es in jener Situation weiter ausüben könnte, sicher sehr viel geben.

Aber, wie gesagt, ich kann schlicht nicht wissen wie es dann wäre. "Oh, ganz ganz schrecklich" kann ich sicher sagen, aber wie schrecklich es dann in Echt für mich wäre - ganz ehrlich - keine Ahnung.
Denn schließlich lebe ich nach dem Motto "was man nicht ändern kann, darüber braucht man sich dann auch nicht lange zu ärgern", ich nehme es als gegeben hin und mache das Beste draus.
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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #309 am: 11 Juni 2011, 14:47:03 »

Es ist eine ebenso hypothetische Frage wie "was würdest du machen, wenn du eine Milliarde Euro gewinnen würdest?" - etwas, das so weit weg vom Jetzt ist, dass es schwerlich gelingen wird, sich in diese Situation wirklich hineinzuversetzen.
Da würde mir einiges einfallen!  :D

Kann man auch nicht vergleichen, weil so ein fetter Geldgewinn ja was nettes ist, eine Behinderung allerdings eins der letzten Dinge, die man sich wünscht.  ;)
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messie

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #310 am: 11 Juni 2011, 15:00:07 »

Es ist eine ebenso hypothetische Frage wie "was würdest du machen, wenn du eine Milliarde Euro gewinnen würdest?" - etwas, das so weit weg vom Jetzt ist, dass es schwerlich gelingen wird, sich in diese Situation wirklich hineinzuversetzen.
Da würde mir einiges einfallen!  :D

Kann man auch nicht vergleichen, weil so ein fetter Geldgewinn ja was nettes ist, eine Behinderung allerdings eins der letzten Dinge, die man sich wünscht.  ;)

Klar, der Vergleich hinkt ein wenig.
Aber nur ein wenig. Beides ist so extrem, dass ein wirkliches Hineinversetzen darin quasi nicht möglich ist.

Beim Gewinnbeispiel etwa: Was würde dir einfallen? Ok, ein schönes Haus mit Garten. 1 Million weg. Ne Weltreise 1 Jahr lang, tolle Möbel, n fettes Auto. Noch ne Million weg. Angestellte zum Putzen, die super-duper-seltene Plattensammlung ergattern, sich nen Rembrandt ins Haus holen. Ok, sagen wir 50 Millionen.
Dann sind aber immer noch 948 Millionen da. Angelegt bei 2% jährlich kommen jedes Jahr knapp 19 Millionen dazu. Huch ...
Das ist schlicht ein Reichtum, der das Vorstellungsvermögen jedes "Normalsterblichen" sprengt. Wie es wirklich ist, superreich zu sein, kann jeder erst sagen, wenn er es ist.
Woher wollen wir wissen, dass dieser Reichtum nicht auch erdrücken kann? (Weil man z.B. nicht mehr sicher sein kann ob die Freunde Freunde sind weil man so reich ist, oder weil sie einen persönlich mögen etc.)

Ebenso beim locked-in-syndrom: Wie es wirklich ist, ob es wirklich so schrecklich ist wie sich das alle vorstellen mögen, kann niemand zuvor sagen.
Mehr als die Platitüde "o wie schrecklich, das muss bestimmt ganz schlimm sein" kommt dabei letztlich nicht heraus.
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Kallisti

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #311 am: 11 Juni 2011, 15:17:03 »

messie

der Unterschied zu deinen Vergleichen mit "Geldgewinn" oder Taubheit oder Altern oder ... ist (zum locked in syndrom) der, den ich oben als ausschlaggebend mehrmals bereits erwähnt hatte:

Meiner Auffassung nach ist ein Mensch mit locked in syndrom im Grunde (fast) allem vollständig und dauerhaft (bis zum Ableben) beraubt, das Menschsein aber (allgemein, nicht nur für diese eine Person) ausmacht.

Man kann sich nicht mehr selbst bewegen - nichts außer ggf. die Augen.
Man kann seine Körperhygiene nicht mehr alleine durchführen.
Man kann oft auch nicht mehr schlucken, also auch nicht mehr essen.
Man kann sich nicht mehr sportlich betätigen, nicht mehr "musizieren", sich nicht mehr selbständig und selbstbestimmt fortbewegen.
Man kann nichts mehr mit seinen Händen machen.

usw.

Wie gesagt: man hat nur noch seinen "Verstand" - aber im Grunde keinen Körper MEHR.

Man hat nicht teilweise oder vorübergehende oder allmähliche Einschränkungen oder Veränderungen oder Einbußen in der Selbständigkeit, Selbstbestimmtheit und damit auch Lebensqualität (da Selbstbestimmtheit, Selbstwirksamkeit, sinnliches/körperliches Erleben, Empfinden und auch Bewegung sowie Einsetzen der Hände ... entscheidend sind, wenn es um Lebensqualität bzw. um eigene Lebenszufriedenheit geht), sondern: plötzlich vollständige und: dauerhaft/unabänderlich, nicht "heilbar", "verbesserbar".


Daher sehe ich alle deine Vergleiche als hinkend an, da sie den Punkt nicht treffen - nicht umsonst habe ich das in diesen thread gestellt (mit dem Titel/der Frage: Ab wann ist der Mensch ein Mensch? bzw.: Was macht den Menschen zum Menschen, was macht ihn als Mensch und noch mehr: als PERSON aus ...).


Bei all deinen Vergleichen ist der Mensch kaum bis gar nicht derart gravierend, so allumfassend und weitreichend "verändert" (pötzlich, nicht langsam/allmählich), "versehrt" und in seinem Mensch- bzw. Personsein so stark "in Frage gestellt" - ja, so sehe ich das.


messie - es mag ja sein, dass es dich auch noch über Jahre oder vlt. Jahrzehnte (kenne die durchschnittliche Lebenserwartung bei locked in syndrom nicht) "beglücken" würde/könnte, wenn du in dieser "Lage" noch wenigstens Schach spielen könntest - ich wage das aber durchaus zu bezweifeln und behaupte, die meisten Menschen werden auf Dauer mit einem solchen Lebenszustand ... nicht (dauerhaft/langfristig) "glücklich" im Sinne von zufrieden und lebensfroh sein.

VORSICHT - bevor mir hier wieder Worte in den Mund gelegt werden:

Ich behaupte nicht, das zu wissen, aber ich vermute es. Ich fordere auch keine "Euthanasie" (wie im Dritten Reich). - Ich spreche aber: vom Recht auf selbstbestimmten Tod (siehe unten).



Zitat
Denn schließlich lebe ich nach dem Motto "was man nicht ändern kann, darüber braucht man sich dann auch nicht lange zu ärgern", ich nehme es als gegeben hin und mache das Beste draus.
(messie)


DAS ist übrigens ein entscheidender Punkt! -> Ich möchte mich  (im Gegensatz zu dir) nicht in meine "Kreatürlichkeit" fügen (sollen, müssen) wie ein (nicht vernunftbehaftetes) Tier - ich möchte, da ich (bzw. der Mensch) das Bewusstsein sowohl über meine Existenz als auch über meinen Tod/meine Endlichkeit/Sterblichkeit habe (und noch über ein paar kleine andere "Dinge" mehr ;) ) bzw. haben muss und somit die Möglichkeit zu (gewisser) Freiheit, Selbstbestimmtheit und auch Selbstverantwortung - sowohl die Freiheit als auch die Pflicht! habe: als Mensch - darüber selbst entscheiden können (dürfen), ob, wann, unter welchen Umständen ich mein (mein eigenes kleines) Leben noch als lebenswert erachte oder bzw. wann nicht - und möchte in Folge also auch das Recht auf einen "selbstbestimmten Tod" haben - die Freiheit dazu, aber auch: die Möglichkeit zu einem selbstbestimmten würdevollen Tod.

Ich möchte also gerade nicht wie (andere) Tiere auf den Tod "warten müssen" bzw. mich dem Leben und dem Sterben unterwerfen, wie es mich eben "ereilt", mir widerfährt.

Der Mensch möchte zu Lebzeiten so oft so viel "Selbstbestimmung", Selbständigkeit haben - da finde ich es nur logisch, dass man das auch "für" seinen Tod bzw. sein Sterben möchte.

Wenn ich schon nicht entscheiden kann (als Mensch, als Tier ...) ob und wie ich wo geboren worden bin/werde, so möchte ich wenigstens über das - mein! - Leben so weit als möglich entscheiden/verfügen dürfen - also auch über meinen Tod, der zum Leben so selbstverständlich und (bisher ;) ) unabänderlich dazu gehört wie die (unfreiwillige, nicht selbst beabsichtigte) Geburt.



« Letzte Änderung: 11 Juni 2011, 15:33:33 von Kallisti »
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messie

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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #312 am: 11 Juni 2011, 16:52:57 »

Zitat
DAS ist übrigens ein entscheidender Punkt! -> Ich möchte mich  (im Gegensatz zu dir) nicht in meine "Kreatürlichkeit" fügen (sollen, müssen) (...)

Ich fand den Satz jetzt mal echt schwer zu kapieren, irgendwie hatte der n paar viele Klammern drin.  :D
Ich vermute mal dass du sagen wolltest dass du selbstbestimmt leben und auch selbstbestimmt sterben möchtest?
Nun, das möchte ich auch.
Wenn es allerdings Schicksalsschläge gibt an denen ich nichts ändern kann, dann hadere ich nicht mit meinem schlimmen Schicksal, sondern mache das Beste draus.
Ok, sicher gibt es dann immer wieder diese "warum ich?"-Verzweiflungen, aber unterm Strich gehören manche Dinge hingenommen, weil man an ihnen eh nix mehr ändern kann.

Die Kunst ist herauszufinden, ob man noch etwas ändern kann.
Wenn einem der Arzt sagt "Sie werden nie wieder laufen können", dann heißt das ja noch lange nicht, dass das dann auch wirklich so ist ;)
Wenn man aber totalgelähmt ist und man feststellt dass auch unter Anstrengung sich keine Besserung ergibt, muss man das dann ja doch irgendwann akzeptieren, dass es so bleiben wird.

Tja, und genau kommt dann ins Spiel, ob man sich noch als Mensch fühlt oder man sich als nicht mehr würdevoll erachtet und man dem Leben nichts mehr abgewinnen kann.
Das wird dann jeder für sich entscheiden müssen. Jeder hat andere Schmerzgrenzen, psychisch wie körperlich.

Zitat
messie - es mag ja sein, dass es dich auch noch über Jahre oder vlt. Jahrzehnte (kenne die durchschnittliche Lebenserwartung bei locked in syndrom nicht) "beglücken" würde/könnte, wenn du in dieser "Lage" noch wenigstens Schach spielen könntest - ich wage das aber durchaus zu bezweifeln und behaupte, die meisten Menschen werden auf Dauer mit einem solchen Lebenszustand ... nicht (dauerhaft/langfristig) "glücklich" im Sinne von zufrieden und lebensfroh sein.

Tja, da ist sie wieder, die Frage nach dem Glück.
Ab wann ist man glücklich genug, um weiterleben zu wollen? Auch das lässt sich nicht gut beantworten, weil jeden etwas anderes glücklich macht und niemand exakt gleich viel Glück braucht, um sich glücklich zu fühlen.
So wie ich das mit dem Syndrom verstehe, ist eine Kommunikation über die Augen durchaus noch möglich. Insofern wird sicher viel davon abhängig, was man daraus machen kann. Wie gesagt, man stelle sich vor man kann mit technischen Hilfsmitteln Bücher schreiben. Wieso sollte es jemanden nicht auch dauerhaft ausfüllen, wenn er schreibt und damit eine Aufgabe hat, die ihm unglaublich viel gibt? Wenn die Bücher dann auch noch prompt ein Erfolg werden und derjenige das positive Feedback brühwarm auf seinen Bildschirm vor sich präsentiert bekommt, in dem die ganzen Dankesschreiben eintrudeln, dann kann da schon mal ne Wagenladung an Glücksmomenten warten.

Tja, kann, kann, kann. Ob es dann wirklich so sein würde, weiß man einfach nicht.
Hmmm - wenn ich mir das aber so mal ansehe was ich hier geschrieben habe, kann ich wiederum doch eines sagen: Dass ein Mensch dann Mensch ist, wenn er Glück empfindet (dauerhaft immer wieder, nicht nur kurzzeitig). Dann lohnt es sich Mensch zu sein und eben nicht das eigene Leben zu beenden.
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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #313 am: 11 Juni 2011, 17:20:58 »

Dann lohnt es sich Mensch zu sein und eben nicht das eigene Leben zu beenden.
Und selbst das könnte man ja bei einem total gelähmten Körper nicht...   ;)
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Re: Ab wann ist der Mensch ein Mensch?
« Antwort #314 am: 11 Juni 2011, 17:33:44 »

Dann lohnt es sich Mensch zu sein und eben nicht das eigene Leben zu beenden.
Und selbst das könnte man ja bei einem total gelähmten Körper nicht...   ;)

Nicht, wenn man per Augenbewegung kommunizieren kann.

Die eigentliche Arschkarte hat deswegen für mich derjenige der sterben möchte, es nicht selbst erledigen kann und nicht mehr in der Lage dazu ist, es irgendwem sagen zu können.  :(
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