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Vertrag zwischen der Stadt Hamburg und muslimischen Vertretern
colourize:
Was für Werte sollen das denn sein, die "hierzulande" alle "Blutsdeutschen" miteinander teilen? Diese Werte müsste man ja mal definieren, damit man als Mensch mit "Migrationshintergrund" auch weiß, wie man werden muss...
...ich glaube ja, dass es diesen gemeinsamen Wertekanon nicht gibt, der "uns" eint und von "den anderen" unterscheidet.
messie:
Och, ich denke schon, dass es Werte oder zumindest Eigenschaften sind, die "uns Deutsche" auszeichnet und im Ausland dann auch so wahrgenommen werden.
Diese "typisch deutsche" Pünktlichkeit beispielsweise.
Sicher gibt es viele deutsche Menschen, die es nicht sind. Aber im Mittel, behaupte ich, sind "die Deutschen" pünktlicher als jedes andere Volk auf diesem Globus. Einfach, weil man hierzulande dazu erzogen wird! Unpünktlichkeit gilt nirgends so tadelungswürdig wie hierzulande.
Wie so vieles, hat auch diese Eigenschaft ein Janus-Gesicht: Im Ausland reagiert man einerseits bewundernd, andererseits belustigt drauf. Sie ist Symbol für "deutsche" Zuverlässigkeit, aber auch "deutschen" Pedantismus. Und so weiter, und so fort ...
Eine Freundin von mir, in Vietnam geboren, sagte mir erst kürzlich dass sie bei einem Besuch ihrer Verwandten in ihrem Heimatland vor allem in diesem einen, so scheinbar harmlosen, Punkt erst gemerkt hat, wie sehr sie deutsche Werte bereits verinnerlicht hat - und das auch erst dann, als andere sie mit einem Augenzwinkern drauf hinwiesen, dass sie so, in deren Augen, "überpünktlich" inzwischen wäre ... ;)
Genau dieses Beispiel zeigt aber auch sehr schön, worin der Denkfehler bei diversen rechten Gruppierungen ist: Deutsche Werte leben nämlich keineswegs nur "Blutsdeutsche". Es gibt viele nicht hier geborene Menschen die inzwischen so "deutsch" sind wie man nur sein kann - und das teils ohne es zu merken ...
--- Zitat ---Diese Werte müsste man ja mal definieren, damit man als Mensch mit "Migrationshintergrund" auch weiß, wie man werden muss...
--- Ende Zitat ---
Wie eben gesehen: Wozu definieren? Wer sich hier wohl fühlt, der übernimmt die Werte nahezu automatisch. Eine Anpassung geschieht nur dann nicht, wenn man sich gegen diese mit Händen und Füßen wehrt.
Ist wie mit Sprachen: Wer einen Dialekt in Hamburg nicht ablegt, der will ihn nicht ablegen. Ganz bewusst.
Das bedeutet dann aber auch, dass sich derjenige hier offensichtlich nicht wohlfühlt. Oder auch mit Absicht nicht wohlfühlen möchte.
Der zweite Punkt, warum sich jemand nicht wohlfühlen möchte, passt dann wieder zum Thema: Ich behaupte, dass dies ebenfalls aus Vorurteilen geschieht. Und da glaube ich nun einmal dran, dass diese abgebaut werden, sobald sich niemand mehr über seine eigene Sprache oder ein Exklusivwissen der eigenen Kultur verstecken kann.
colourize:
Hm... also ich halte mich nicht für sonderlich pedantisch, obwohl ich - soweit ich weiß - ausschließlich Vorfahren habe die aus dem Gebiet kommen, das man heute "Deutschland" nennt.
Pünktlich bin ich aber definitiv nicht.
messie:
--- Zitat von: colourize am 30 Dezember 2012, 02:36:53 ---Hm... also ich halte mich nicht für sonderlich pedantisch, obwohl ich - soweit ich weiß - ausschließlich Vorfahren habe die aus dem Gebiet kommen, das man heute "Deutschland" nennt.
Pünktlich bin ich aber definitiv nicht.
--- Ende Zitat ---
Wer weiß, wer weiß ... ;)
Meine Schwester (nun in Australien lebend) besichtigte mit ihrem Mann einige Häuser, die sie kaufen wollten. Jedes Mal dasselbe Spiel, die Verkäufer kamen ne Ecke später, sich völlig aufgelöst entschuldigend dass sie vergessen hätten dass sie ja Deutsche wären die tatsächlich immer pünktlich wären ... ;D
In anderen Ländern sind nicht einmal, hierzulande angeblich, unerlässliche Termine in Sachen Pünktlichkeit wichtig. Nicht einmal Vorstellungsgespräche gehören andernorts in diese Kategorie!
Das habe ich aber auch erst von jenen erfahren die hier nicht mehr wohnen ... ;)
Das Pünktlichkeitsbeispiel eignet sich aber vor allem deswegen so gut, weil es überwiegend unbewusst geschieht. Man ist hierzulande pünktlicher als zuvor ohne es wirklich vorgehabt zu haben. Und das hat mir nicht nur eine Person bestätigt! Sie ist eine jener kulturellen Merkmale "der Deutschen", gegen die nicht offen opponiert wird, weil es vielen schlicht nicht einmal bewusst ist, dass sie sich in dieser Hinsicht anpassen! Pünktlich am Arbeitsplatz, hier völlilg normal. Frag mal Afrikaner dazu aus. Dürfte spannend werden. ;) (Und auch hier: Nur im Mittel, nicht generell. Es gibt nicht den Kongolesen oder Eriträer, im Mittel kommt's dann meinungsmäßig aber doch wieder hin.)
Eisbär:
To messie:
gegen Schweizer und Japaner stinkt die deutsche Pünktlichkeit echt ab.
To Black Russian:
Was die Sache mit der Assimilation angeht:
Wie schon geschrieben sind Millionen polnischstämmige inzwischen in Deutschland assimiliert (das geht über Integration weit hinaus): sie leben nicht nur hier und sprechen Deutsch, interagieren hier normal, nein, sie nehmen sich ganz selbstverständlich selbst als Deutsche war. Das geht u.a. deswegen, weil sich die erste Generation bereits integrierte, bei der zweiten gab es mindestens bereits die Inklusion und die dritte war bereits völlig assimiliert.
Bei den hier lebenden Türken hat sich selbst in der dritten Generation ein Großteil noch nicht mal integriert, versucht es nicht mal. Da kann der Pass schon in dritter Generation ein Deutscher sein, wenn man sie fragt, was für Landsleute sie sind, kommt als Antwort "Türke", bei Länderspielen wird die Türkei angefeuert etc.
Wer den Unterschied zwischen Integration, Inklusion und Assimilation nicht kennt: Wikipedia! (bei Assimilation färben sich die andersfarbigen Punkte eben auch nach und nach rot)
To Mishima:
Die von außen manchmal übertrieben wirkende politische Korrektheit, ist in Deutschland in der Vergangenheit verwurzelt. Noch 3-4 Generation nach der kurzen Epoche des Nationalsozialismus' werden wir Deutschen gerne mit eben jener in Verbindung gebracht. Um eben nicht zu nah in die politische Richtung dieses Regimes gerückt zu werden, als ausländerfeindlich oder antisemitisch dahingestellt zu werden und so gänzlich ohne echte Argumentation aus einer Diskussion gedrängt zu werden, muss man sich dieser politischen Korrektheit bedienen.
Bestes Beispiel: Günter Grass. Wage es als Deutscher mal die Außenpolitiks Israels laut und öffentlich zu kritisieren (zu recht oder zu unrecht, ist da erstmal völlig egal), Du siehst in welche Ecke selbst jemand, der bis dahin völlig unverdächtig in Bezug auf Antisemitismus oder anderes rechtes Gedankengut war, gerückt wird.
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