Schwarzes Hamburg

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Ich fühle mich mehr als Deutscher als als Europäer.
- 1 (10%)
Ich fühle mich als Deutscher und ebenso als Europäer.
- 5 (50%)
Ich fühle mich mehr als Europäer als als Deutscher.
- 1 (10%)
Ich fühle mich als Europäer.
- 1 (10%)

Stimmen insgesamt: 7


Autor Thema: Ich fühle mich als Europäer.  (Gelesen 31133 mal)

Graf Edward Zahl

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Re: Ich fühle mich als Europäer.
« Antwort #45 am: 07 April 2012, 12:36:52 »

Also ohne viel zu lesen erdreisse ich mir mal,  eure geäusserte Aussagen und Meinungen zu lesen und frage mich einfach, was ist das für ein besonderes Gefühl sich als Europäer zu fühlen.
Und woher will ich wissen, dass ich mich doch afrikanisch fühle oder asiatisch? Oder sollte ich einen sich asiatisch fühlenden Asiaten fragen (nur mal so als Beispiel) fragen, wie so sein asiatisches Gefühl ist - um einen Vergleich zu haben, wie den europäisch ist... oder ob mein europäisch doch eher asiatisch ist.

Kurzum die Aussage "Ich fühle mich als Europäer" ist für mich komplett sinnlos. Mögen einige von euch anders sehen... oder auch nicht.


Ich glaube kaum dass du dich wie ein Afrikaner oder Asiat fühlen (können) wirst - es sei denn, du hättest dort doch einige Zeit deines Lebens verbracht: gelebt (nicht nur als Tourist Urlaubserfahrungen gesammelt ;) ). Oder du hast dort (Afrika, Asien, um beim Beispiel zu bleiben) sogar einige Zeit deiner Kindheit verbracht.

Denn - wie Kenaz schon schrieb - hat es genau damit zu tun: Was man kennt, womit man aufgewachsen ist, wodurch man geprägt wurde - das begründet "das Gefühl" - das man später im Leben dann durchaus sich bewusst machen, es reflektieren und analysieren kann - und dann annehmen oder ablehnen, jedenfalls auch hinterfragen.

Dennoch bist du gefühlsmäßig und sozialisiert in eben der Mentalität, in/mit der du vor allem aufgewachsen bist.

Der entscheidende Begriff ist hier wahrscheinlich: Vertrautheit. Du kennst es so, du bist damit vertraut, du bist daran gewöhnt - und das lange Zeit erst mal ganz selbstverständlich und ohne es zu hinterfragen (nämlich in deiner Kindheit).

Anders verhält es sich bei Menschen, die ihre Kindheit in verschiedenen Kulturen verbracht haben, die mit verschiedenen Kulturen aufwuchsen, vor allem auch, wenn sie also auch ihr Lebensumfeld (die "Region", also u.U. auch den Erdteil ...) "wechseln mussten" - vielleicht sogar mehrmals.

Und so ähnlich verstehe ich auch EL - sie scheint einfach durch ihr physisches (!) Sich-Bewegen in verschiedenen europäischen Ländern (oft, mehrmals, immer wieder über längere Zeit) in eben Kontakt mit unterschiedlichen (europäischen) Mentalitäten gekommen zu sein/zu kommen (also auch mit unterschiedlichen Sprachen, Denkweisen, Gebräuchen etc.: physisch (!!!) in Kontakt gekommen zu sein - Alltag erlebt, verbracht zu haben).

Wenn man das nicht ablehnt, wenn es einen nicht sehr befremdet, wenn man es stattdessen neugierig auf- und annehmen, also in sein bisheriges "Geprägtsein", Gewöhntsein integrieren kann und will - dann kann ich nachvollziehen, dass man sich als Europäer eben fühlt.

Ja, sogar vielleicht auch als "Weltbürger" - wenn man in seinem Leben also viel Zeit auch in anderen, fremden Kulturen verbracht hat - kontinenteübergreifend.

Es muss nicht zwangsläufig so sein - das hängt von dem Menschen selbst ab, nicht nur seiner Erziehung alleine, sondern auch, was er selbst "für ein Typ" ist, sein Wesen.

Es kann Menschen auch massiv überfordern, keine Frage. Auch hier spielt natürlich wiederum eine Rolle, ob es trotz aller Veränderungen, trotz allen Wechsels, allem Neuen, Fremden, Ungewohnten ... auch feste, beständige "Bezüge" gibt (vor allem: Beziehungen, insbesondere also bei Kindern) - die das mittragen, die Sicherheit, Verlässlichkeit geben. Und die vermitteln, dass es "nichts Schlimmes ist", nichts "Gefahrvolles", Bedrohliches ...

Dann vor allem auch die Erfahrungen, die man jeweils wo macht! Und die lassen sich nicht unbedingt zuvor oder zu großen Teilen selbst lenken, kontrollieren, vorbestimmen, beeinflussen. Auch, aber überwiegend: nicht.

Eben: da ist ganz viel Ins-kalte-Wasser-Springen dabei. ;)


Jedenfalls ja, doch, ich kann durchaus nachvollziehen, dass man sich als Europäerin fühlen kann. Ich selbst habe mir darüber noch nicht wirklich Gedanken gemacht.

Aufgrund meiner eben getätigten Ausführungen, gehe ich aber davon aus, dass ich mich "zwangsläufig", also "automatisch" als Deutsche fühle.
Was einfach daran liegt, dass ich, wenn/weil ich Anderes nicht kenne, nicht erlebt habe (also: nicht "anderswo" längere Zeit gelebt habe oder in anderem Land auch nicht aufgewachsen bin ... siehe oben), mich also auch nicht als "Afrikanerin" fühlen kann - weil ich absolut nichts weiß von afrikanischer Kultur (jedenfalls nur sehr wenig). Und dann immer die jeweils einzelne Region auch noch eine Rolle spielt, is ja klar.
Nun du gehst von gewissen Grundannahmen aus:
1. Das Gefühl der Nationalität existiert
2. Das Gefühl der Nationalität ist durch Herkunft und Sozialisierung geprägt.

Ich verneine die erste Grundannahme, ergo kann es kein Nationalgefühl im Sinne von Europa, Asien oder so geben.
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Kallisti

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Re: Ich fühle mich als Europäer.
« Antwort #46 am: 07 April 2012, 12:39:24 »

Aber es geht hier um die Frage, ob ich mich als Deutscher oder Europäer fühle, und insofern lässt sich meine (zeitweise recht intensive) Begeisterung für andere identitätsstiftende, irgendwie rebellisch geprägte Einflussfaktoren auch so interpretieren: Ich fühle mich überhaupt nicht als dem Werte- und Kulturkanon zugehörig, den man als Deutscher so mit sich trägt.

Ahhh - und was beinhaltet dieser - deiner Meinung nach: Welche Werte? Welche Kultur, auf welche Weise drückt diese sich worin bzw. wodurch aus - deiner Meinung nach?

Doch, ich finde, das zu klären, muss an erster Stelle stehen - bevor man nicht weiß, worüber man spricht, worauf man sich eigentlich bezieht - wie kann man es da diskutieren oder gar ablehnen?


Zitat
Natürlich schätze und achte ich das positive an unserer Kultur,
RaoulDuke

Achso? Wo du dich diesem "Kultur- und Wertekanon" doch nach eigenem Bekunden "überhaupt nicht zugehörig" fühlst?  8) Was nun? Überhaupt nicht oder doch ... "ein bisschen" ... ?  ;D

Haben wir es auch an dieser Stelle mit einem Widerspruch zu tun? Neeeeiiiiin!^^  :P


Zitat
aber mit anderen Dingen wie Obrigkeitsdenken, Autoritätshörigkeit, Zucht und Ordnung und diesem ganzen teilweise religiös verbrämten Pseudogutmenschentum, das sich bei genauerer Betrachtung auch als Freibrief für Moralterror gegenüber seinen Mitmenschen entpuppen kann (wobei Wasser predigen auch Weinbrand trinken bedeuten kann) habe ich ein ernsthaften Problem.
RaoulDuke

 :o  Und das ist - deiner Auffassung nach - also "typisch deutsch"?

Meinst du nicht, dass sich das kulturübergreifend findet - nicht selten sogar! Dass das eher was mit (fehlendem) Charakter zu tun hat, auch wiederum mit individuell erfahrener Prägung/Erziehung und dass es generell in menschlicher "Fehleranfälligkeit" ;) begründet ist?

Ich sehe eigentlich nicht, dass die Mehrheit deutscher Bürger unserer Generation (und der unserer Eltern und auch der uns nachfolgenden) Wert auf "Zucht und Ordnung" legt. Wie kommst du darauf??

Und worin äußert sich in Deutschland "Obrigkeitsdenken" - was ist das - deiner Meinung nach, wo findet sich das, worin zeigt es sich: bei "den" Deutschen: mehr, stärker - im Unterschied zu welchen bzw. als in anderen Kulturen? ?

Und auch "religiös verbrämtes Gutmenschentum" findet sich ganz gewiss auch in anderen Ländern und Kulturen nicht zu knapp, wenn nicht noch mehr als hier.

Vor allem sollte man zwischen religiös fundierter Krämermoral und ethisch begründetem "Gutmenschentum" doch unterscheiden - können.

Ich zumindest kann mir Schlimmeres vorstellen, als als "Gutmensch" bezeichnet zu werden (wenn) oder auch: als ein Gutmensch zu sein (so überhaupt möglich, was wieder ein eigenes Thema ist) - das sehe ich eher als Kompliment denn als Beleidigung.  :)


Ja ... mit der Differenzierung hapert es noch ein wenig. Aber das kriegen wir noch hin.  ;)


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Kallisti

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Re: Ich fühle mich als Europäer.
« Antwort #47 am: 07 April 2012, 12:46:55 »

Graf Zahl

Was meinst du mit "Gefühl von Nationalität"? - Was bedeutet das, was ist das für dich?

... Eh nein - ich meine ein Gefühl, das einfach durch Prägung, Sozialisation, vor allem Gewöhnung, Vertrautheit, Bekanntheit entsteht - ganz von selbst, ohne dass man das in der entscheidenden Phase (nämlich vor allem der Kinheit) selbst bewusst beeinflussen könnte (je jünger desto weniger).

Man kann sich erst später (reflektierend ...) dazu positionieren, damit auseinandersetzen.

Ich entscheide aber nicht: das ist meine "Nationalität", von dieser bin ich "überzeugt". Es passiert einfach, dass ich geprägt werde: weil ich dort lebe, aufwachse - dem kann ich mich allgemeinhin gar nicht entziehen: in der entscheidenden Zeit: der Kindheit!

Und auch später wird es schwer sein, sich dem zu entziehen: der Prägung, die besteht, die vorhanden ist. Man kann dann wie gesagt nur neue Erfahrungen hinzunehmen, integrieren, damit die eigene "Basis" erweitern, ausbauen.

Aber wie Kenaz auch bereits schrieb: hat es auch sehr viel mit Sprache (die also auch zur Prägung gehört, zur "Sozialisierung"), somit also dem Denken (nicht nur Fühlen!), der Art zu denken ... zu tun.

Und wieder muss ich Wittgenstein zitieren, der das ganz wunderbar komprimiert hat: "Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt."


Die Nationalitätengeschichte wird doch als Stempel, als Etikett erst später (bewusst) aufgedrückt, erkannt oder auch abgelehnt - das ändert aber an der bestehenden/vorhandenen Prägung bzw. dem Geprägtsein nichts.
« Letzte Änderung: 07 April 2012, 12:49:17 von Kallisti »
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Kallisti

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Re: Ich fühle mich als Europäer.
« Antwort #48 am: 07 April 2012, 12:53:48 »

... Im Grunde kann ich nur einmal mehr sagen:

Erst wenn man mehrfach und längerfristig anderswo (andere Kultur(en) wirklich gelebt hat (nicht nur mal kurz besuchsweise), wird man feststellen (können), ob, dass und warum man wie in der "eigenen" ursprünglichen Kultur verwurzelt ist (in der, die man also von klein auf kennt, kennengelernt hat).

Erst in der Fremde wird einem das wirklich bewusst.

Und ja: Fremde ist nicht gleich Fremde! Je verschiedener von "eigener Kultur", desto stärker natürlich (meistens) der Fremdeindruck!

Und wiederum kommt es hier entscheidend darauf an: welche Erfahrungen man wo macht, welche Erlebnisse man hat, was einem "widerfährt", mit welchen Menschen man in Kontakt kommt ... (nicht zuletzt natürlich, mit welcher eigenen Einstellung man wohin geht - auch: ob freiwillig oder gezwungenermaßen).

Is ja klar.
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RaoulDuke

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Re: Ich fühle mich als Europäer.
« Antwort #49 am: 07 April 2012, 13:16:49 »



Zitat
Natürlich schätze und achte ich das positive an unserer Kultur,
RaoulDuke

Achso? Wo du dich diesem "Kultur- und Wertekanon" doch nach eigenem Bekunden "überhaupt nicht zugehörig" fühlst?  8) Was nun? Überhaupt nicht oder doch ... "ein bisschen" ... ?  ;D

Haben wir es auch an dieser Stelle mit einem Widerspruch zu tun? Neeeeiiiiin!^^  :P

Das ist kein Widerspruch. Eine vollständige und vollkommene Ablehnung würde nicht nur nicht funktionieren, es wäre auch Unsinn. Ich mag vieles an der deutschen Kultur. Wie sollte man das auch nicht, es sind großartige Dinge in Deutschland gedacht und getan worden.

Das stellt aus meiner Sicht allerdings keinen Widerspruch dazu dar, das Gesamtpaket dennoch abzulehnen. Wenn Du eine Pizza mit 5 Zutaten bestellst, davon sind 4 lecker, aber die fünfte löst stundenlangen Brechreiz aus, handelt sich immer noch nicht um eine leckere Pizza.

Zitat
aber mit anderen Dingen wie Obrigkeitsdenken, Autoritätshörigkeit, Zucht und Ordnung und diesem ganzen teilweise religiös verbrämten Pseudogutmenschentum, das sich bei genauerer Betrachtung auch als Freibrief für Moralterror gegenüber seinen Mitmenschen entpuppen kann (wobei Wasser predigen auch Weinbrand trinken bedeuten kann) habe ich ein ernsthaften Problem.
RaoulDuke

 :o  Und das ist - deiner Auffassung nach - also "typisch deutsch"?

Was nun eigentlich nach objektiven Kriterien typisch deutsch ist, das maße ich mir nich an, definieren zu wollen.

Einen Teil der typisch deutschen Eigenschaften habe ich aber genannt. Natürlich gelten sie nicht überall und für jeden, aber:

- Autoritätspersonen werden hier respektiert und man hört auf sie, und zwar oft ohne Hinterfragen. Wenn der Lehrer sagt, das sei so und so, dann hat er Recht. Wenn der Polizist sagt, das sei so und so, dann hat er Recht. Wobei fast egal ist, was die beiden sagen. Jedenfalls gegenüber manchen Menschen alter Schule - und wenn es der größte Bullshit ist, der da gesagt wird.

- Passe Dich an, gehorche, sonst fällst Du durchs Raster. Nur x% der Grundschüler kommen aufs Gymnasium, dort schaffen es nur y%, z% schaffen nachher ein Studium. Wer irgendwas nicht schafft, ist halt ein Versager und hätte sich mehr anstrengen oder anpassen müssen. Das hat mit der Realität nicht viel zu tun, aber es steckt in unserer Kultur. Gesellschaftliche Anerkennung gibt es für das, was auf Deiner Visitenkarte steht. Steht da genug, kann man sie dann auch als Freibrief verwenden.

- Überall wird propagiert, dass Demokratie und Gemeinschaft wichtig sind, dass die Menschen zusammenhalten müssen, dass Friede und ein gutes Miteinander bedeutsam sind, und jeder Mensch wichtig ist und man ihm mit Toleranz begegnen muss. Alle nicken verständig und anschließend gibt es für irgendwen Klassenkeile und der Lehrer lacht sich eins drüber - "lern Dich doch zu wehren!". In leichter Variation mehr als einmal gesehen.
 

Meinst du nicht, dass sich das kulturübergreifend findet - nicht selten sogar! Dass das eher was mit (fehlendem) Charakter zu tun hat, auch wiederum mit individuell erfahrener Prägung/Erziehung und dass es generell in menschlicher "Fehleranfälligkeit" ;) begründet ist?

Doch, das findet alles mit Sicherheit kulturübergreifend statt - doch selten mit so einer Verlogenheit wie in Deutschland, zumindest in dem Umfeld, das mir in meiner Jugend und teilweise auch im späteren Dasein begegnete. Im deutschen Charakter findet sich, und ich spreche hier nur über meinen eigenen Erfahrungshorizont, wieder ohne verallgemeinern zu wollen, so sehr die ekelhafte Lust daran, nach oben zu buckeln und alles mit sich machen zu lassen, damit man später dann endlich auch mal nach unten treten darf. Und um die Perversion komplett zu machen, behauptet man, seit 68 sei ja alles anders.

Ähm, Pfui?


Ich sehe eigentlich nicht, dass die Mehrheit deutscher Bürger unserer Generation (und der unserer Eltern und auch der uns nachfolgenden) Wert auf "Zucht und Ordnung" legt. Wie kommst du darauf??

Ich sprach gar nicht von der Mehrheit. Vielleicht sieht die das ja anders und alles ist in Wahrheit ganz toll. Ich sprach von meinem Gefühl Deutschland gegenüber.


[...]
Vor allem sollte man zwischen religiös fundierter Krämermoral und ethisch begründetem "Gutmenschentum" doch unterscheiden - können.

Ich mag die Begriffe mißverständlich verwendet haben, ich meinte damit Menschen, die nach ihrer eigenen Aussage und aus Sicht der Gesellschaft das Gute und Richtige tun und predigen, aber dann eigentlich nur gefeit sind vor Kritik und damit einen Freibrief haben. Gutmenschen tun ja nichts schlechtes, oder?


Ich zumindest kann mir Schlimmeres vorstellen, als als "Gutmensch" bezeichnet zu werden (wenn) oder auch: als ein Gutmensch zu sein (so überhaupt möglich, was wieder ein eigenes Thema ist) - das sehe ich eher als Kompliment denn als Beleidigung.  :)
Ja ... mit der Differenzierung hapert es noch ein wenig. Aber das kriegen wir noch hin.  ;)

Ach die Differenzierung, als ob ich je etwas auf so etwas gäbe :)

Du wärest auch ein anderer Gutmensch als einer von der oben genannten bzw. um der Differenzierung willen nachträglich definierten Sorte, jedenfalls hoffe ich das.
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Graf Edward Zahl

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Re: Ich fühle mich als Europäer.
« Antwort #50 am: 07 April 2012, 13:58:55 »

Graf Zahl

Was meinst du mit "Gefühl von Nationalität"? - Was bedeutet das, was ist das für dich?

... Eh nein - ich meine ein Gefühl, das einfach durch Prägung, Sozialisation, vor allem Gewöhnung, Vertrautheit, Bekanntheit entsteht - ganz von selbst, ohne dass man das in der entscheidenden Phase (nämlich vor allem der Kinheit) selbst bewusst beeinflussen könnte (je jünger desto weniger).

Man kann sich erst später (reflektierend ...) dazu positionieren, damit auseinandersetzen.

Ich entscheide aber nicht: das ist meine "Nationalität", von dieser bin ich "überzeugt". Es passiert einfach, dass ich geprägt werde: weil ich dort lebe, aufwachse - dem kann ich mich allgemeinhin gar nicht entziehen: in der entscheidenden Zeit: der Kindheit!

Und auch später wird es schwer sein, sich dem zu entziehen: der Prägung, die besteht, die vorhanden ist. Man kann dann wie gesagt nur neue Erfahrungen hinzunehmen, integrieren, damit die eigene "Basis" erweitern, ausbauen.

Aber wie Kenaz auch bereits schrieb: hat es auch sehr viel mit Sprache (die also auch zur Prägung gehört, zur "Sozialisierung"), somit also dem Denken (nicht nur Fühlen!), der Art zu denken ... zu tun.

Und wieder muss ich Wittgenstein zitieren, der das ganz wunderbar komprimiert hat: "Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt."


Die Nationalitätengeschichte wird doch als Stempel, als Etikett erst später (bewusst) aufgedrückt, erkannt oder auch abgelehnt - das ändert aber an der bestehenden/vorhandenen Prägung bzw. dem Geprägtsein nichts.
Wenn du ernsthaft darüber diskutierst, ob Menschen die unterschiedlichen Umständen aufwachsen unterschiedliche Verbundenheit zu ihrem sozio-wirtschaftlichen System haben. Dann ist die Antwort trivial und logisch. Ja. Aber das ist nicht diskussionswert, weil unterschiedliche Grundzustände immer zu unterschiedlichen Endzuständen führen.
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Simia

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Re: Ich fühle mich als Europäer.
« Antwort #51 am: 07 April 2012, 14:05:44 »

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« Letzte Änderung: 07 April 2012, 14:11:49 von Simia »
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Re: Ich fühle mich als Europäer.
« Antwort #52 am: 07 April 2012, 14:06:13 »

Dennoch bist du gefühlsmäßig und sozialisiert in eben der Mentalität, in/mit der du vor allem aufgewachsen bist.

Ja, aber was ist denn DIE Mentalität. Es ist doch Quatsch, dass eine Nation oder ein Volk so oder so ist. Wer kennt nicht stinkfaule und unpünktliche Deutsche, wogegen viele Asiaten unbestreitbar Paradebeispiele an Tüchtigkeit und Pflichtbewusstsein sind und auch nicht alle Spanier Siesta halten. Die Forderung an ein solches Verhalten ist immer menschengemacht und entbehrt mal mehr, mal weniger jeglicher Grundlage. Ich weigere mich, die "preußischen Tugenden" zu erfüllen, nur damit irgendwelche Nationalromantiker ruhig schlafen können, weil alles seinen Platz in ihrer kleinen Welt hat. Die Realität ist komplexer.
 
Ich fühle (in Kenaz' Verständnis von fühlen) mich als Europäer, das scheint mir ein - wenn auch nur relativ, weil ebenfalls nicht trennscharfer - sinnvoller (mal rationalisiert gesprochen ;) ) Fokus zu sein und damit identifiziere ich mich zwangsläufig, wenn ich - da hast Du recht - mich mit der deutschen Kultur und Geschichte identifiziere (Kenaz: Warum fällt der Europäer in Dir weniger ins Gewicht als der Deutsche?). Aber die nationale Ebene ist zu beliebig und zu kleinteilig und aufgrund historischer Entwicklungen nicht immer leicht greifbar. Zumal man sich sowieso fragen sollte, was so etwas wie kulturelle Identität im Alltag für eine Rolle spielt, wie es sich äußert.

Und "soziale Experimente" wie BRD vs. DDR zeigen, dass es möglich ist, innerhalb weniger Jahrzehnte in theoretisch jedem Gebiet eine Mentalität zu etablieren und das Ost-West-Ding wird sich spätestens in den nächsten 2 Generationen auch wieder erledigt haben. Es ist alles im Fluss und realen Entwicklungen unterworfen, da gibt es keine in Stein gemeißelten Unterschiede im Denken und Fühlen, kein "kosmisches Gesetz".

Und wenn eine konkretere Ebene als der Kontinent/Kulturraum, dann das direkte Umfeld. Genau, Sozialisation im Nahbereich, Schwarzes Hamburg und nicht Schwarzes Melbourne. Aber noch weniger "Schwarzes Deutschland". Ich war noch nie in Garmisch-Partenkirchen, Celle oder Trier. Mich hat die Landschaft, die kulturellen Eigenheiten und "die Mentalität" der Unterelberegion sozialisiert. Da muss ich dann auch colourize zustimmen mit der Identität anhand nationalstaatlicher Grenzen. Und ich bin aufgewachsen mit kultureller Vielfalt, mit skandinavischen Kinderserien, mit US-amerikanischen Actionfilmen und Komödien, japanischen Comics und sicherlich auch mit deutschen Sendungen (jetzt mal vom TV-Gerät als Inbegriff der Sozialisation aus gesehen 8) - davon unabhängig sind meine Einflüsse so vielfältig, dass ich sie wahrscheinlich nicht mehr konkret benennen kann). Von wo bis wo geht "deutsche Sozialisation"?


Zitat von: Kallisti
Erst wenn man mehrfach und längerfristig anderswo (andere Kultur(en) wirklich gelebt hat (nicht nur mal kurz besuchsweise), wird man feststellen (können), ob, dass und warum man wie in der "eigenen" ursprünglichen Kultur verwurzelt ist (in der, die man also von klein auf kennt, kennengelernt hat).

Das mag sein. Nur wie gesagt, diese Erfahrung ist etwas Unmittelbares, das geht nicht unbedingt mehrere 100 km weit von Grenze zu Grenze.

Das Thema allerdings beschäftigt mich schon. Für die Auseinandersetzung damit, wie deutsch ich bin und sein darf, war auch eine gewisse Überwindung nötig, da ich lange Jahre "linke (bzw. radikale) Klischees" erfüllt habe, am Beckenrand der (nationalen) Identitätsfindung zu stehen und diejenigen, die sich trauen, ins Wasser zu steigen, mit faulen Eiern zu bewerfen, auch wenn deren "Ergebnis" noch gar nicht feststand. Ich habe es mir selber verboten (klassisches angelerntes und übernommenes Nachkriegs-Trauma und natürlich gefährlich, weil es schon was von Verdrängung hat). Es war dann befreiend, sagen zu können, dass ich Deutscher bin, gerne hier lebe und dass Deutschland schöne Landschaften hat und deutsche Geister einen großen Beitrag zur europäischen Kultur geleistet haben. Aber unterm Strich war da jetzt auch nicht viel mehr.

Und was heißt das v.a. in nächster Konsequenz, dass man sich so oder so fühlt? Wem bringt es was? Was soll daraus entstehen?

Und dann immer die jeweils einzelne Region auch noch eine Rolle spielt, is ja klar.

Eben.

Edit: Sorry für Wiederholungen anderer ggf. zwischenzeitlich geposteter Erkenntnisse, dieser Post brauchte ein wenig Zeit. ;)
« Letzte Änderung: 07 April 2012, 14:30:22 von Simia »
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Re: Ich fühle mich als Europäer.
« Antwort #53 am: 07 April 2012, 14:19:43 »

Und wieder muss ich Wittgenstein zitieren, der das ganz wunderbar komprimiert hat: "Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt."

Sollte man hier nicht aber etwas weiter gefasst von generellem Ausdrucks- und Benennungsvermögen (vielleicht sogar nonverbal) sprechen und nicht von einem konkreten Vokabular und Grammatik-Schema?
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Re: Ich fühle mich als Europäer.
« Antwort #54 am: 07 April 2012, 17:41:01 »

Und ich bin ein Riesenfan der Idee eines vereinten Europas. Dieses sollte aber auch als Vorbild für andere dienen.Wir brauchen ein friedlich und demokratisch einiges Europa genauso wie ein friedlich und demokratisch einiges Afrika, Asien. Ozeanien, Süd- und Nordamerika. Das sind ZwischenSchritte zu einer einigen Welt.

- Eventuell ein bisschen zu viel "Star Trek" geguckt?  ::)
Vielleicht! Oder zu viel Perry Rhodan gelesen. Und vor allen Dingen die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass Menschen lernfähig sind und ein dauerhaftes friedliches Miteinander möglich ist.
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Re: Ich fühle mich als Europäer.
« Antwort #55 am: 08 April 2012, 09:42:35 »

Und ich bin ein Riesenfan der Idee eines vereinten Europas. Dieses sollte aber auch als Vorbild für andere dienen.Wir brauchen ein friedlich und demokratisch einiges Europa genauso wie ein friedlich und demokratisch einiges Afrika, Asien. Ozeanien, Süd- und Nordamerika. Das sind ZwischenSchritte zu einer einigen Welt.

- Eventuell ein bisschen zu viel "Star Trek" geguckt?  ::)
Vielleicht! Oder zu viel Perry Rhodan gelesen. Und vor allen Dingen die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass Menschen lernfähig sind und ein dauerhaftes friedliches Miteinander möglich ist.

Ich glaube, für die Menschheit als Ganzes wäre es wirklich sehr hilfreich, wenn wir mal ein bischen Stress mit den Arkoniden bekämen. :)

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Re: Ich fühle mich als Europäer.
« Antwort #56 am: 08 April 2012, 09:43:31 »

Und ich bin ein Riesenfan der Idee eines vereinten Europas. Dieses sollte aber auch als Vorbild für andere dienen.Wir brauchen ein friedlich und demokratisch einiges Europa genauso wie ein friedlich und demokratisch einiges Afrika, Asien. Ozeanien, Süd- und Nordamerika. Das sind ZwischenSchritte zu einer einigen Welt.

- Eventuell ein bisschen zu viel "Star Trek" geguckt?  ::)
Vielleicht! Oder zu viel Perry Rhodan gelesen. Und vor allen Dingen die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass Menschen lernfähig sind und ein dauerhaftes friedliches Miteinander möglich ist.

Ich glaube, für die Menschheit als Ganzes wäre es wirklich sehr hilfreich, wenn wir mal ein bischen Stress mit den Arkoniden bekämen. :)

Oder Mondnazis  ;D (Stichwort "Iron Sky"  8) )
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Re: Ich fühle mich als Europäer.
« Antwort #57 am: 08 April 2012, 10:41:28 »

Zitat
Das stellt aus meiner Sicht allerdings keinen Widerspruch dazu dar, das Gesamtpaket dennoch abzulehnen. Wenn Du eine Pizza mit 5 Zutaten bestellst, davon sind 4 lecker, aber die fünfte löst stundenlangen Brechreiz aus, handelt sich immer noch nicht um eine leckere Pizza.
RoaulDuke


Ja und was ist "das Gesamtpaket"? Was macht es aus (wenn nicht viele Einzelkomponenten, die zusammenkommen)?

Du hast ein paar einzelne Komponenten angesprochen, aber das waren nur wenige, die ich außerdem in unserer Generation, schon der unserer Eltern und in den uns nachfolgenden  nicht (mehr) finden kann - so dass schon die Frage ist, warum du mit Auswüchsen aus der Generation unserer Großeltern anrückst, die doch aktuell so gar nicht mehr bzw. kaum noch zu finden sind: in den also nachfolgenden Generationen (von einigen stupiden Gruppierungen abgesehen, die aber nicht die Mehrheit bilden).

Und diese wenigen Komponenten, Manifestationen machen auch immer noch nicht "das Gesamtpaket". Daher nochmal die Frage: was meint "Gesamtpaket"? Welchen Inhalt hat es??

Was die Pizza betrifft - nun, da ist es das Gleiche:
Nur weil ich ein paar Zutaten nicht mag, heißt das nicht, dass ich Pizza grundsätzlich nicht mag - im Gegenteil: die "Ur-Pizza" (napoli - Tomate, Mozzarella, Basilikum und Teig) mag ich durchaus sehr gerne und dann kann ich ja sehn, welche Zutaten ich noch beigeben möchte und welche ich weglasse - aber: das kann ich doch selbst entscheiden!!? Und mag Pizza als solche doch durchaus! ;)


Zitat
Autoritätspersonen werden hier respektiert und man hört auf sie, und zwar oft ohne Hinterfragen. Wenn der Lehrer sagt, das sei so und so, dann hat er Recht. Wenn der Polizist sagt, das sei so und so, dann hat er Recht. Wobei fast egal ist, was die beiden sagen. Jedenfalls gegenüber manchen Menschen alter Schule - und wenn es der größte Bullshit ist, der da gesagt wird.

- Passe Dich an, gehorche, sonst fällst Du durchs Raster. Nur x% der Grundschüler kommen aufs Gymnasium, dort schaffen es nur y%, z% schaffen nachher ein Studium. Wer irgendwas nicht schafft, ist halt ein Versager und hätte sich mehr anstrengen oder anpassen müssen. Das hat mit der Realität nicht viel zu tun, aber es steckt in unserer Kultur. Gesellschaftliche Anerkennung gibt es für das, was auf Deiner Visitenkarte steht. Steht da genug, kann man sie dann auch als Freibrief verwenden.

- Überall wird propagiert, dass Demokratie und Gemeinschaft wichtig sind, dass die Menschen zusammenhalten müssen, dass Friede und ein gutes Miteinander bedeutsam sind, und jeder Mensch wichtig ist und man ihm mit Toleranz begegnen muss. Alle nicken verständig und anschließend gibt es für irgendwen Klassenkeile und der Lehrer lacht sich eins drüber - "lern Dich doch zu wehren!". In leichter Variation mehr als einmal gesehen.
 
RaoulDuke


Tja, da stehen dann wieder jeweils inidividuell gemachte Erfahrungen gegeneinander - ich kann das so nicht bestätigen. Im Gegenteil. Schon bei meinem Sohn habe ich mitbekommen, wie Eltern sich gegen Schulempfehlungen wehren, auch (so gesetzlich möglich) widersetzen, dagegen angehen, ihr Kind z.B. auch ohne Gymnasialempfehlung auf´s Gymnasium lassen und das Kind hat dort Erfolg (gute Noten, Freude und: Freunde gefunden ...).

Ja, "Menschen alter Schule" - aber das sind wie gesagt dann eher unsere Groß- und Ugroßeltern ... Und dann hat es sicher auch was mit Bildung zu tun - je gebildeter, desto weniger "obrigkeitshörig", wie ich meine und sich beobachten lässt - nicht nur in Deutschland! ;)


Genau gleich verhält es sich mit dem "Anpassen" - siehe, was ich gerade schrieb. ;) Wie sehr Menschen sich "anpassen" bzw. unterdrücken lassen oder auch wie ängstlich sie sind, hängt meiner Ansicht nach weniger davon ab, ob sie Deutsche sind als viel mehr davon, welche Erfahrungen sie in ihrem Leben (vor allem in der Kindheit - wie immer, genau) gemacht haben (also auch wieder: von der jeweils individuell erlebten Erziehung, Sozialisation, Prägung) - und dann eben von ihrem Charakter, ihrer Persönlichkeit, weniger von ihrer Nationalität.


Und ebenfalls gleich verhält es sich mit Schadenfreude und Intoleranz (siehe dein dritter Punkt) - das sind Sachen, die vom Charakter, der Persönlichkeit eines Menschen abhängen. Aus deinen Sätzen müsste man dann ja in Konsequenz schließen, Deutsche hätten mehrheitlich einen miserablen Charakter. Sollte dem tatsächlich so sein (was noch zu beweisen wäre ;) ), so wäre dann die Frage berechtigt, wie es dazu kommt, woran das liegt. Ich meine aber, diesen Beweis wird man nicht führen können. ? ;)


Zitat
Ich sprach gar nicht von der Mehrheit. Vielleicht sieht die das ja anders und alles ist in Wahrheit ganz toll. Ich sprach von meinem Gefühl Deutschland gegenüber.
RaoulDuke


Das stimmt nicht ganz - du schreibst zwar zwischendurch, du wollest nicht verallgemeinern und das seien deine subjektiven Erfahrungen, Bewertung, Gefühl, aber das widerspricht wiederum solchen dann doch verallgemeinernden Sätzen:

Zitat
Einen Teil der typisch deutschen Eigenschaften habe ich aber genannt. Natürlich gelten sie nicht überall und für jeden, aber:
RaoulDuke

"typisch deutsch" verallgemeinert nicht? ;)


und auch das

Zitat
Passe Dich an, gehorche, sonst fällst Du durchs Raster. Nur x% der Grundschüler kommen aufs Gymnasium, dort schaffen es nur y%, z% schaffen nachher ein Studium. Wer irgendwas nicht schafft, ist halt ein Versager und hätte sich mehr anstrengen oder anpassen müssen. Das hat mit der Realität nicht viel zu tun, aber es steckt in unserer Kultur.
RaoulDuke


Und auch schon aus einem Beitrag davor:

Zitat
Ich fühle mich überhaupt nicht als dem Werte- und Kulturkanon zugehörig, den man als Deutscher so mit sich trägt.
RaoulDuke


Naja - ich frag nur ...  ::)   :P



Zitat
Wenn du ernsthaft darüber diskutierst, ob Menschen die unterschiedlichen Umständen aufwachsen unterschiedliche Verbundenheit zu ihrem sozio-wirtschaftlichen System haben. Dann ist die Antwort trivial und logisch. Ja. Aber das ist nicht diskussionswert, weil unterschiedliche Grundzustände immer zu unterschiedlichen Endzuständen führen.

GrafEdwardZahl

Und worauf beziehst du dich dann, Graf Zahl? Du hast auf diese Frage nicht geantwortet, du widersprichst zwar, teilst aber nicht mit, was du denn dann eigentlich meinst mit "Nationalität", von der du sprachst. ?

Was ist denn dann deiner Ansicht nach "diskussionswert"?

Siehe nochmals meine bereits oben gestellte Frage:

Zitat
Was meinst du mit "Gefühl von Nationalität"? - Was bedeutet das, was ist das für dich?



Und wieder muss ich Wittgenstein zitieren, der das ganz wunderbar komprimiert hat: "Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt."

Sollte man hier nicht aber etwas weiter gefasst von generellem Ausdrucks- und Benennungsvermögen (vielleicht sogar nonverbal) sprechen und nicht von einem konkreten Vokabular und Grammatik-Schema?


Das hat Wittgenstein zweifelsohne genau so gemeint. ;) Allerdings nicht "nonverbal", denn "Benennen" geschieht nun mal durch Sprache, Begriffe!

Aber nicht nur - denn: auch die Art zu Denken wird durch die Art zu Sprechen geprägt - somit also durch die jeweils einzelne (erlernte, beherrschte, gesprochene, also: angewandte) Sprache!


Zitat
Bereits Ende der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts stellte der Sprachwissenschaftler Benjamin Lee Whorf die Theorie auf, dass die erlernte Sprache einen extrem starken Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen hat. Bestimmte Denkkonzepte, so seine These, sind demnach überhaupt nicht zugänglich, wenn die Sprache dafür keinen Ausdruck kennt.

http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/244069.html



Zitat
Ja, aber was ist denn DIE Mentalität. Es ist doch Quatsch, dass eine Nation oder ein Volk so oder so ist. Wer kennt nicht stinkfaule und unpünktliche Deutsche, wogegen viele Asiaten unbestreitbar Paradebeispiele an Tüchtigkeit und Pflichtbewusstsein sind und auch nicht alle Spanier Siesta halten. Die Forderung an ein solches Verhalten ist immer menschengemacht und entbehrt mal mehr, mal weniger jeglicher Grundlage. Ich weigere mich, die "preußischen Tugenden" zu erfüllen, nur damit irgendwelche Nationalromantiker ruhig schlafen können, weil alles seinen Platz in ihrer kleinen Welt hat. Die Realität ist komplexer.
Simia


Ja, da ist die Frage, wer welches Verständnis des Begriffes "Mentalität" hat. Ich interpretiere ihn als "Geisteshaltung", als "grundsätzliches Eingestelltsein" - das zusätzlich bzw. unterschwellig besteht zum jeweils individuellen/persönlichen. Diese "Grund-Mentalität" wiederum basiert meiner Auffassung nach zu großen Teilen wieder auf der widerfahrenen Prägung, Erziehung, Sozialisation (wo man also wie aufgewachsen ist, in welchen kulturellen, sprachlichen Kontexten, mit Vermittlung welcher Werte auf welche Art etc.). Lässt sich aber durchaus durch Erfahrungen, Erlebnisse verändern und erweitern, wie ich meine.

Ich denke, man sollte Mentalität nicht mit "Vorurteil(en)" oder "Klischee" gleichsetzen. Es gibt Klischees, aber die machen nicht Mentalität aus, begründen sie nicht, der Begriff "Mentalität" lässt sich nicht auf solche Klischees (und Vorurteile) reduzieren, weil nicht einzelne Klischees eine ganze Mentalität sind/ausmachen (wie schon gesagt ;) ).


Somit, ja, ist es immer eine "regionale Mentalität" - bezogen also auf eine Region bzw. ein Umfeld, in welchem man sich bewegt. Je größer/weiter, desto weitgefasster die Mentalität.

Wie auch schon gesagt, wird man das so wirklich erst feststellen bzw.: erleben (!), wenn Abgrenzung stattfindet - wenn man also etwas ganz Anderes, Fremdartiges, Ungewohntes, Unbekanntes erlebt, damit konfrontiert wird, dem ausgesetzt ist, damit umgehen muss (z.B. durch längeren Aufenthalt in anderen Ländern oder auch auf anderen Kontinenten - in anderen Kulturen also) - dann erkennt man, dass man durchaus starke Bezüge zu also seiner "Region" hat und dass Teil davon die Mentalität ist (also die erlebte, verinnerlichte Kultur, Werte, Sprache, Sichverhalten - "Sitten", Konventionen ...).


Zweifelsohne kann aber schon innerhalb eines Landes es ja verschiedene "Unter-Mentalitäten" im Sinne von "Unter-Rubrik" geben - man denke bspw. an das klassische (auch: klischeehafte ;) ) "Nord-Süd-Gefälle/-Dichotomie", das es so offensichtlich nicht nur in Deutschland gibt. ;)

Auch hier verläuft es genau gleich: durch die Unterschiede, durch das Fremde, Andersartige wird man seiner eigenen Bezüge, Mentalität erst wirklich gewahr.
Und je fremder, andersartiger, unbekannter ... es wird, um so mehr - und umso mehr relativieren sich dann kleiner-regionale Unterschiede (also die der "Unter-Mentalitäten", die der einzelnen innerstaatlichen Regionen).


« Letzte Änderung: 08 April 2012, 10:49:57 von Kallisti »
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Re: Ich fühle mich als Europäer.
« Antwort #58 am: 08 April 2012, 11:48:56 »

Hmm - ich sehe mich als Deutscher und als Europäer, mehr als Deutscher als ein Europäer.

Das leite ich schlicht davon ab, was ich an kulturellen Eigenheiten in mir trage, die man so gerne als "typisch deutsch" oder auch als "typisch europäisch" abtut...
...Sehr deutsch ist beispielsweise die Pünktlichkeit, das Reinheitsgebot des Bieres, die hohe Qualität und Vielfalt von Backwaren. ..

It is difficult to tell, a punctuality and responsibility are the german quality only ( It's the national prejudices ) for example British, Swedes, Dutches, the Austrians and others are a punctually too and, I think, no less hard-working. A Beer? In Belgium from more than 500 kind of beer you could to choose some kind for you!  ;) 
   I see, there is more difference in mentality between the northern and southern nations, the climatic conditions have formed a different behavioral stereotype.
Nevertheless you can't deny the importance of the influence of culture, formed at different times on the Iberian, Apennine and Balkan peninsulas.
The spread of the Christian religion and the formation of empires in Europe promoted the penetration of these cultural values ​​to the north. And now we are going to the south, not  for the sun only, but to meet up with a wonderful.  :)

Kenaz

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Re: Ich fühle mich als Europäer.
« Antwort #59 am: 08 April 2012, 11:49:23 »

Es ist doch Quatsch, dass eine Nation oder ein Volk so oder so ist.

- Finde ich keineswegs. Jeder, der schon mal eine Fernreise getätigt hat, wird intuitiv Mentalitätsunterschiede zwischen der Bevölkerung seiner Heimat und der des Reiselandes bemerkt haben. Und freilich, geschenkt: Klar sind die "Grenzen", auf denen der Eindruck jener Unterschiedlichkeit basiert, fließend - und in allerletzter Konsequenz, im absoluten Sinne nicht vorhanden. Wir bewegen uns auf einem Kontinuum und insofern löst sich jede Differenzierung auf, je nachdem, wie genau wir hinschauen. Die alte Geschichte: "Wo fängt der Strand an?" ... - Ich bin mit Dekonstruktionsstrategieen durchaus vertraut und mir insofern bewusst, dass man alles so weit in seine Bestandteile auflösen kann, bis am Ende nichts mehr übrig ist. Die Frage ist bloß: Warum sollte ich das tun? Was bringt mir das?

Nehme ich eine gewisse Pauschalisierung und Verallgemeinerung vor - und das tue ich immer, wenn ich Dinge benenne und über sie spreche - dann zeigen sich durchaus Unterschiede in der Mentalität verschiedener Völker und Nationen. Wie Kallisti bereits andeutete, wird man sich der fraglichen Unterschiede und Gemeinsamkeiten umso besser bewusst, je weiter man sich von der Heimat weg bewegt. Und demgemäß wird der reisende Nordfriese seine relative Verbundenheit mit einem Oberbayern spätestens dann bemerken, wenn er ihm just in dem Moment über den Weg läuft, in dem er irgendwo in Mexiko seinen Bus verpasst und komplett die Orientierung verloren hat. Da stellt er dann nämlich ganz flott fest, dass seine kleine Seele neben der Bestimmung "Mensch" oder "Europäer" noch ein paar engmaschigere Identitätsstrukturen aufweist, die für das Gefühl von Zusammengehörigkeit nicht ganz unwesentlich sind.

Wer kennt nicht stinkfaule und unpünktliche Deutsche, wogegen viele Asiaten unbestreitbar Paradebeispiele an Tüchtigkeit und Pflichtbewusstsein sind und auch nicht alle Spanier Siesta halten.

- Keine Frage. Doch die Ausnahme bestätigt bekanntlich die Regel. Und wie gesagt: Freilich handelt es sich bei einer solchen "Mentalitäts"-Bestimmung um eine Vereinfachung, die nie & nimmer allen gerecht wird. Sie vermittelt eine erste, oberflächliche Charakterisierung, die die Orientierung erleichtern kann. Und das funktioniert durchaus: Die zweifelsohne zutreffende Feststellung, nicht alle Spanier hielten Siesta, ändert nämlich rein gar nichts an der relativen Schwierigkeit/Unmöglichkeit, mit der man sich konfrontiert sieht, wenn es einem einfällt, in irgendeinem kleinen andalusischen Kaff nachmittags um vier einkaufen zu wollen. Insofern erfüllt das "Klischee" des nachmittäglich in der Sonne vor sich hindösenden Iberers eine sinnvolle pragmatische Funktion: Es vermittelt Orientierung und erspart überflüssige Anstrengung.

Die Realität ist komplexer.

- Die Realität ist sogar dermaßen verflixt komplex, dass wir immer & notwendigerweise vereinfachen müssen, wollen wir über sie sprechen. Und eben das tun wir auch, wenn wir unterschiedlichen Völkern unterschiedliche Mentalitäten zusprechen. Ich sehe da nicht das geringste Problem. Immer, wenn wir über Menschen sprechen, vereinfachen, verkürzen und reduzieren wir sie - das ist unvermeidlich. So gesehen ist jede sprachliche Äußerung notwendiger- und unumgänglicherweise immer auch ein Vorurteil. Doch mehr als uns dessen bewusst zu sein, können wir nicht leisten. Die einzige konsequente Alternative wäre - Schweigen.
 
Kenaz: Warum fällt der Europäer in Dir weniger ins Gewicht als der Deutsche?

- Um es in Anlehnung an colourize's Ausführung zu formulieren: Ich empfinde aufgrund der genannten Faktoren eine stärker ausgeprägte "Mentalitätsgemeinsamkeit" mit dem Geisteswissenschaftler aus Emden, Karlsruhe oder Passau als mit dem aus Lissabon, Turin oder Bukarest. Dass ich dessen ungeachtet höchstwahrscheinlich immer noch mehr "Mentalitätsgemeinsamkeiten" mit dem Geisteswissenschaftler aus Bukarest als mit dem St. Pauli-Ultra von gegenüber teile, hat, wie weiter oben bereits ausgeführt, nichts mit jener Frage nach Mentalität zu tun, um die es hier geht: Arschlochtum ist ein internationales Phänomen und tritt unabhängig von irgendeiner nationalen Mentalität auf.


Es ist alles im Fluss und realen Entwicklungen unterworfen, da gibt es keine in Stein gemeißelten Unterschiede im Denken und Fühlen, kein "kosmisches Gesetz".

- Eben. Und weil alles im Fluss ist, wir aber trotzdem gern darüber sprechen wollen, müssen wir pauschalisieren und vereinfachen. Am Ende steht dann so ein Konzept wie die deutsche, spanische oder serbokroatische "Mentalität": Und das ist keineswegs ein "kosmisches Gesetz", hilft bisweilen aber ungemein bei der Einschätzung von Personen, Situationen und Sachverhalten.

Und wenn eine konkretere Ebene als der Kontinent/Kulturraum, dann das direkte Umfeld. Genau, Sozialisation im Nahbereich, Schwarzes Hamburg und nicht Schwarzes Melbourne. Aber noch weniger "Schwarzes Deutschland".

- Ändert aber nichts daran, das diese kleinteiligeren Strukturen ihrerseits wieder größere Einheiten bilden und diese größeren Einheiten ihrerseits durch gewisse Gemeinsamkeiten wie eben Sprache verbunden sind. Und über diese Gemeinsamkeiten kann man sprechen - wenn man man sich nicht unter dem Eindruck zeitgeistbedingter Tabuisierung dazu entschließt, all diese Unterschiede in Bausch und Bogen zu bestreiten. Diese Tendenz ist bedauerlicherweise in vollem Gange.

Und vor allen Dingen die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass Menschen lernfähig sind und ein dauerhaftes friedliches Miteinander möglich ist.

- Ich werde zwar niemalsnicht verstehen, wie sich ein Mensch bis ins Erwachsenenalter hinein einen solch grundstürzenden Optimismus bewahren kann, doch werde ich einen Teufel tun, ihn Dir madig zu machen (wenngleich es mich auch in den Fingern juckt ...  ;) ) ...
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