Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Identität - Vergangenheit - Persönlichkeit  (Gelesen 11144 mal)

CubistVowel

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Re: Identität - Vergangenheit - Persönlichkeit
« Antwort #30 am: 10 September 2011, 13:31:24 »

nun, wo endlich alle puzzleteile vollständig sind, bin in ich an dem punkt, wo ich sagen kann: ok, "ich bin halt so"

Ich schließe mich da mal Kallisti an und frage: Meinst du damit, tatsächlich alle "Puzzleteile" deiner Persönlichkeit beisammen zu haben? Vielleicht ist dieses Gefühl, dich selbst jetzt von Grund auf zu kennen, auch nur eine deiner Antworten, die "sich dann jahre später dennoch als ungenügend bzw. ausbaufähig in völlig ungeahnte richtungen" erweisen? Alle Teilchen fertig zu haben schlösse doch eine weitere Entwicklung aus, und das kann ich mir nur schwer vorstellen... Für mich jedenfalls...

Aber das Bild des Puzzles finde ich sehr gut gewählt! Um mal bei dem Bild zu bleiben: Ich selbst würde nie behaupten, alle Teilchen meiner Persönlichkeit zu besitzen oder auch nur zu kennen. Ich weiß nicht einmal, wie groß dieses Puzzle überhaupt ist; an einige feste Grenzen bin ich schon gestoßen, einige habe ich auch überschritten oder ausgeweitet, andere noch nicht ausgenutzt. Auch tausche ich hin und wieder Teilchen aus oder zumindest deren Farbe. Einige wachsen auf Kosten anderer oder schrumpfen; so entstehen neue Lücken, die ausgefüllt werden wollen.

Mein eigenes Puzzle ist stets im Wandel - zwar wesentlich klarer erkennbar als früher, aber immer noch im Ganzen gesehen merkwürdig ungreifbar. Ich meine damit, dass die Einzelteile, die meinen Charakter, meine Person ausmachen, für mich wesentlich einfacher zu erkennen sind als das Gesamtbild. Da ich aber stets von klein auf das Gefühl hatte, mich im Wandel zu befinden, ist das weder neu noch befremdlich für mich. Ich habe noch niemals geglaubt, als Person irgendwann mal "fertig" oder vollständig zu sein.

Zum Teil habe ich diesen Wandel auch bewusst herbei geführt; beispielsweise während einer langen analytischen Psychotherapie (siehe auch Kallistis Thread über Krisen und seelische Erschütterungen.) Nach vielen Jahren Depressionen war irgendwann der Leidensdruck hoch genug, mich jahrelanger, oft schmerzlicher Selbsterkenntnis und -reflexion auszusetzen. Letzteres hatte vorher natürlich auch schon stattgefunden, aber von außen gestellte Fragen statt grübelndes Schmoren im eigenen Saft brachten mich viel weiter.

Obwohl ich in meinem Leben schon sehr viele Veränderungen durchgemacht habe, bin ich doch noch derselbe Mensch wie als Kind. Also dasselbe Puzzle, aber mit mehr, neuen und auch – wie ich es empfinde - besseren Teilen. Nicht, wie Kallisti schrieb, wie eine Perlenkette, deren einzelne Perlen nichts mehr miteinander zu tun haben, sondern immerzu wachsend und wandelbar.

Was mich heutzutage vor Allem von dem Menschen von damals unterscheidet, ist der Umgang mit meiner eigenen Person. Ich möchte hier im Moment nicht weiter ins Detail gehen; aber seit ich mir selbst mit mehr Toleranz, Geduld und Rücksicht begegne (begegnen kann), seit ich mich selbst in den Mittelpunkt meines Lebens, in dem bisher andere standen, gestellt habe, nicht mehr bereit bin, immer alle Schuld auf mich zu nehmen und gelernt habe zu schauen, was ich wirklich will, was/wer mir gut tut und was/wer nicht – seitdem habe ich das Gefühl, nicht nur mit mir, sondern auch mit Anderen besser klarzukommen.

Ich weiß oder hoffe jedenfalls, dass ich nie aufhören werde, mich zu verändern. So blöd es klingt, aber: Es geht immer noch ein Stückchen besser.
« Letzte Änderung: 10 September 2011, 14:09:33 von CubistVowel »
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Multivac

  • Gast
Re: Identität - Vergangenheit - Persönlichkeit
« Antwort #31 am: 10 September 2011, 13:59:50 »

...Meinst du damit, tatsächlich alle "Puzzleteile" deiner Persönlichkeit beisammen zu haben?
nein, von persönlichkeit war keine rede. ich meinte damit die vergangenheit.
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Kallisti

  • Gast
Re: Identität - Vergangenheit - Persönlichkeit
« Antwort #32 am: 15 September 2011, 12:30:09 »

Zitat
Mein eigenes Puzzle ist stets im Wandel - zwar wesentlich klarer erkennbar als früher, aber immer noch im Ganzen gesehen merkwürdig ungreifbar.
(CubistVowel)


... und ich glaube ja, dass das eigentlich allen Menschen so geht (die sich selbst die Identitätsfrage stell(t)en, die bewusst sind - über sich selbst reflektieren ...)!  ;)

Die Frage ist nur: warum ist das so bzw. muss das so sein oder hat doch die personale Identität so extrem viel mit der sozialen zu tun (dass also doch fast nur die Zeit, Gesellschaft, Kultur, in der man lebt, durch die man geprägt ist, bestimmt, ob man den Eindruck hat, sich seiner selbst "gewiss" zu sein, sich "zu kennen", zu wissen "wer man ist", "wo man hingehört", "warum" man ist ...)?

Es wird ja immer wieder rauf und runter gebetet, dass es in unserer heutigen Zeit schwerer sei, weil es eben eine zuvor nie gekannte lebbare Individualität, Individualisierung und Freiheit(en) gibt - so dass man also heute viel mehr oder überhaupt erst selbst "gezwungen" ist, sich zu bestimmen, sich zu definieren, sich zu "positionieren", sich "einzugliedern", einzufinden usw.

(Ich glaube, seit dem Existentialismus ist das so deutlich und öffentlich geworden? Man denke an Sartre und seinen "Freiheitsbegriff" ... ^^  =/  - den er in späteren Jahren dann ja - glücklicherweise! - doch etwas abgemildert hat!)


Oder hat es doch auch viel mit Freud zu tun und Nachfolgern - also mit Psychoanalyse bzw. Psychologie?

Und dann vor allem auch damit wie sich das Kindsein/die Kindheit verändert hat und wie Kinder heute aufwachsen, erzogen werden (dass sie viel mehr auch im Mittelpunkt stehen, dass ihre Bedürfnisse anders gesehen, erkannt, verstanden werden - also nicht individuell in den Familien, sondern so "gesamtgesellschaftlich" - die Entwicklung dahin - seit - ja wann eigentlich? Seit Pestalozzi, Montessori und Piaget? Oder doch erst wesentlich später bzw. dann nochmal ganz umwälzend seit den 60ern/70ern (Antiautoritäre "Erziehung" ...)?)?


Früher musste der Mensch sich ja nicht so "selbst konstruieren" wie heute - da vieles ja vorgegeben und "ganz selbstverständlich" so war und für viele galt und es auch nicht so gute Möglichkeiten gab, daran etwas zu ändern (dazu hätte man ja auch erst mal "informiert", "wissend" ... sein müssen und mutig), da gar auszubrechen und "ganz anders" zu leben (wo, wie und wovon denn?!).


Kann es zu viel "Freiheit" geben - oder ist es gar nicht "Freiheit", sondern eher Verirrung oder einfach ein "Zuviel" und "Zuschnell" - so dass unser "Steinzeitgehirn" wieder nicht hinterherkommt?   ;D


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