Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: wann sterben?  (Gelesen 90282 mal)

Sapor Vitae

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  • Winterkind
Re: wann sterben?
« Antwort #240 am: 06 Oktober 2011, 19:34:15 »

Wie man auch weiß: kann niemand, der wirklich "unbedingt" seine Existenz beenden will, davon abgehalten werden - letztlich nehmen sich auch in der geschlossenen Psychiatrie Menschen das Leben (allerdings müssen sie das dann dort leider unter sehr erschwerten Bedingungen - da sind wir wieder beim dann also leidvollen, nicht "würdevollen, humanen" (Frei-) Tod!!!).

Und offensichtlich gibt es auch nicht wenige Menschen, die trotz (sogar mehrmaliger bzw. jahrelanger) Therapien dennoch sterben "wollen" bzw. ihre Existenz beenden wollen.

"Krankheit" hin oder her - es geht hierbei entscheidend um die Frage nach dem Recht auf Selbstbestimmung - und GERADE auch um: Selbstbestimmung bei/TROTZ (vermeintlicher!!!) "Krankheit" (bpsw. also: Depression)!!!

Die Leute werden einfach mal für "nicht urteilsfähig" erklärt: sie sind ja (seelisch oder "geistig") "krank" ... Daher können sie ANGEBLICH nicht in vollem Umfang urteilsfähig ... (und entscheidungsfähig) sein. Und damit hat man einen geschlossenen Kreis - aus dem es kein Entweichen geben kann, soll, darf!
Das ist ein schwieriger Punkt. Zum Einen kann ich mir vorstellen, dass ebenso wie der Körper auch der Geist unheilbar krank sein kann, also keine Therapie zu einer Besserung führen wird, sondern das Leiden dadurch nur verlängert wird. Andererseits glaube ich auch, dass gerade bei einem depressiven Menschen die Urteilsfähigkeit womöglich wirklich eingeschränkt, "negativ verfärbt" ist und da ein Aussenstehender vielleicht eben doch anders beurteilen kann. Dass da eben Hilfe möglich ist.

Aber wo zieht man die Linie?

Hier noch ein Spiegelbericht einer Schülerin: Sonja will nicht mehr Leben
Da kommt das Fremdbestimmungs- / Selbstbestimmungsthema auch zur Sprache.
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Es ist nicht notwendig, verrückt zu sein,
aber es hilft.

messie

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Re: wann sterben?
« Antwort #241 am: 06 Oktober 2011, 21:21:43 »

Zitat
Aber wo zieht man die Linie?

Auch anders gefragt: Wo fängt eine Depression an, wo hört sie auf?

Kallistis Meinung ist ja: Nur weil jemand einen Todeswunsch hat, kann man ihn nicht zu einem Depressiven erklären.
Recht hat sie! Haben wir hier ja bereits geklärt. :)

Aber was ist denn mit jenen nun die eine Depression haben? Oder, noch konkreter, manisch-depressiv sind?
Da kann's dann schließlich schon mal vorkommen, dass jemand mit voller Inbrunst seiner Überzeugung sterben will und dies auch sehr glaubhaft rüberbringt, weil sein Leben nur noch farblos wäre, er todunglücklich ist, ihn nichts mehr auf dieser Welt hält etc. pp.
Dummerweise kann's ne Stunde später, wenn dann die manische Phase die depressive ablöst, genau andersherum aussehen: Da ist dann alles großartig, die Welt ist schön, sterben? Iiiich? Wieso das denn?

Insofern ist das bei Depressiven und manisch-depressiven so eine Sache: Da noch von selbstbestimmten Entscheidungen zu reden fällt zumindest mir schwer in dem Fall. Die Krankheit gibt diverse Verhaltensmuster, inklusive des Sterbewunsches, vor, die aber nicht da sind, wenn man die Menschen aus der Krankheit rauszuholen vermag.

Just hier wird's dann aber kompliziert: Es kann ja auch sein, dass der depressive Mensch auch diesen Sterbewunsch hat völlig unabhängig von seiner Krankheit, diesen in seiner "normalen" Phase äußert.
Dummerweise lässt sich das Eine schlecht vom Anderen unterscheiden: Wann jemand, der depressiv ist, es aus seiner Krankheit heraus sagt und wann in seinen "gesunden" Phasen, ist unerhört schwierig herauszufinden.
Man kann eben nicht in die Köpfe der Menschen hineinsehen.
Ich würde als Arzt dann auch lieber "im Zweifel will er es nicht" urteilen, denn ich könnte es mir nicht verzeihen, jemandem Sterbehilfe zu leisten, der im gesunden Zustand aber doch gar nicht sterben will.
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Multivac

  • Gast
Re: wann sterben?
« Antwort #242 am: 06 Oktober 2011, 22:39:37 »

na das ist ja eine logik. wenn du danach gehst, dürftest du auch keinem physisch kranken sterbehilfe leisten. angenommen, jemand ist querschnittsgelähmt und möchte sterben. da könnte der arzt doch auch schlußfolgern: hey, die physische beeinträchtigung schlägt sich auf seine psyche, wenn er jetzt einen sterbewunsch äußert, tut er es unter psychisch unnormalem zustand, also verweigere ich es ihm.

hmhmm ??!!!  ???
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Kaffeebohne

  • Gast
Re: wann sterben?
« Antwort #243 am: 06 Oktober 2011, 22:40:31 »

In einer depressiven Phase kann der Antrieb zum Suizid fehlen, in der manischen Phase ist dieser dann da. Manisch bedeutet nicht, daß der Mensch sich "gut" fühlt. *anmerk*
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Kallisti

  • Gast
Re: wann sterben?
« Antwort #244 am: 06 Oktober 2011, 23:02:34 »

Und soweit ich weiß (ich weiß es allerdings nicht genau), wechseln die Phasen (bei bi-polarer "Störung") auch nicht unbedingt stündlich @messie.


Außerdem weiß ein Mensch, der gerade nicht in einer akut-depressiven Phase ist, dass die nächste sehr wahrscheinlich kommt - er weiß also auch, dass ihn der Sterbewunsch sehr wahrscheinlich "noch öfter" bzw. immer wieder "ereilen" wird - und wenn er dann in einer nicht-akuten Phase "ein Resumee" zieht, kann er also durchaus gerade dann zu dem Schluss kommen, dass er so nicht mehr weiterleben will - eben vlt. auch nicht mit (jahrelanger oder immer wieder notwendiger) Therapie!

Und wie gesagt: Ich finde, es ist eine ganz heikle Sache, jemandem sein Selbstbestimmungsrecht abzusprechen oder auch nur soweit zu beschränken, dass andere darüber entscheiden (dürfen!), was für diesen Menschen nun gut ist und was nicht.

Man darf auch nicht depressive Verstimmungen mit Depression verwechseln (aber das machen wir ja auch nicht) - nur so nebenbei.

Und wie Kaffeebohne schon schrieb: in einer "akut" depressiven Phase (der "Krankheit Depression") sind die Leute zumeist zu sehr wenig "Aktivität" und "Initiative" ... fähig (da oft ja geprägt von starker Erschöpfung/Schwäche - körperlich!).

Und doch, man kann eine Depression ja schon einigermaßen symptomatisch erkennen und von einer depressiven Verstimmung unterscheiden, messie (das zu deiner Frage, wo Depression "anfängt" ...).

Zitat
Andererseits glaube ich auch, dass gerade bei einem depressiven Menschen die Urteilsfähigkeit womöglich wirklich eingeschränkt, "negativ verfärbt" ist und da ein Aussenstehender vielleicht eben doch anders beurteilen kann. Dass da eben Hilfe möglich ist.

Aber wo zieht man die Linie?
(Sapor Vitae)


Naja, eben darum geht es ja: Dass also - meinem Wunsch und meiner "Vorstellung" und Überzeugung nach - nicht andere die letzte Entscheidung zu treffen haben (sollten, dürften), sondern der "Betroffene" selbst.

Wenn jemand das erste Mal eine Depression hat, mag das mit der Therapie noch eine Option sein, aber spätestens, wenn sich das wiederholt (mehrmals), ist die Frage nach der Sinnhaftigkeit und Angemessenheit von Therapie doch berechtigt - insbesondere also dann, wenn der Betroffene selbst keine weitere Therapien (mehr) wünscht!!

Daher hat mich der Satz des Psychiaters in der 3sat-Debatte auch so geärgert: dass man niemals sagen könne, jemand sei "austherapiert". Klar, als Arzt kann/darf (will?) bzw. soll er einen Patienten ja nicht abschreiben, aufgeben ..., aber als Mensch (!) könnte er durchaus (auch seinem Patienten!!) zugestehen, dass dieser selbst (der "Patient") zu entscheiden hat, ob er "austherapiert" ist oder nicht.


Ich finde einfach, in letzter Konsequenz gehört ein Mensch (und also sein Leben, seine Existenz) doch einzig sich selbst - also darf auch nur er selbst in letzter Konsequenz darüber bestimmen (so lange er andere damit nicht bewusst, absichtlich bzw. aus niederen Absichten/Antrieb/Gründen schädigt oder schädigen will).


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Ansichtssache

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Re: wann sterben?
« Antwort #245 am: 06 Oktober 2011, 23:13:05 »

Ich kann Messies Einwand verstehen. Wie schwer es ist, die Urteilsfähigkeit eines Menschen oder seinen psychischen Zustand überhaupt zu beurteilen, zeigt sich immer wieder. Und um jemandem das Recht auf Selbstbestimmung (Freitod) zugestehen zu können, muss man sich sicher sein, dass dieser urteilsfähig ist.
Dies ist auch bei Sterbehilfe ein Problem, u.a. muss der Betroffene zweifelsfrei über ein gesundes Urteilsvermögen verfügen, was sehr genau geprüft werden muss. Ich kann mir vorstellen, dass dies zu einer Belastung werden kann für denjenigen, überhaupt das Anzweifeln des "gesunden Menschenverstandes". Aber anders ist eine irreversible Handlung wie Sterbehilfe nicht möglich.
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Kallisti

  • Gast
Re: wann sterben?
« Antwort #246 am: 06 Oktober 2011, 23:18:59 »

... Ich würde mir überhaupt wünschen (nee, würde ich nich nur, wünsche ich tatsächlich *g*), dass all diese Psychotherapeuten und Psychiater in ihrem Beruf viel mehr sich selbst als Menschen, als Persönlichkeiten einbringen bzw. das "transparenter"  ;)  lol  durchscheinen lassen!

Daher steh ich ja so auf die Serie "In Treatment" (3sat mit Gabriel Byrne :) ). Weil bei ihm einfach immer seine Persönlichkeit ganz deutlich miteinfließt - nicht "unprofessionell", sondern eher bewusst so - das wird ja in seiner Supervision (mit "Gina") immer wieder thematisiert ...

Und am Ende der ersten Staffel sagte er ja auch zu ihr, er sei nicht sicher, ob das, was seinen Patienten geholfen hat, wirklich die Therapie war, sondern eher seine Beziehung zu diesen Menschen als Mensch (als "er")!
Dieser Satz war wie ein kleiner Triumph für mich - denn genau so sehe ich das ja schon seit langem (dass es um Beziehung(en) geht - und dafür zumeist bzw. eigentlich nicht immer oder unbedingt ein Therapeut nötig ist bzw. wäre, sondern eigentlich andere Menschen ... !).

Es werden ja viele Themen und Problematiken in der Serie thematisiert und einmal war sie auch Gesprächsgegenstand bei scobel. :)


Ich warte aber noch auf Folgen zur Sterbehilfe bzw. viel mehr noch: zu Suizid!!  - Und bin schon sehr gespannt, wie das da behandelt wird ... (man dar ja nicht vergessen, dass es eine us-amerikanische Serie ist - ich sollte meine Erwartungen also doch vlt. nicht allzu hoch ansiedeln).



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*Alex*

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Re: wann sterben?
« Antwort #247 am: 07 Oktober 2011, 00:09:11 »

Du hast das aber selbst schon sehr richtig gesehen.... es ist eben nur eine Serie nicht mehr. In wie weit da jetzt auch Fachpersonal am Drehbuch mitschreibt vermag ich nun nicht zu sagen. Aber was mir ´so auffällt, dass gerade der Beruf eine wichtige Rolle im Leben eines jeden spielt und sich nicht mehr vom Menschen an sich trennen lässt. Ich weiß das aus eigener Erfahrung, dass ich wenn ich mir Menschen "in freier Wildbahn" ansehe immer wieder auf Haltungsauffälligkeiten, Ausweichbewegungen, etc. achte. Meinst du nicht, dass ein Psychiater auch wenn er als Persönlichkeit in den Vordergrund gestellt wird (nehmen wir jetzt mal diese Fiktive Person) auch von seinem Beruf geprägt ist und somit, wenn auch unbewusst eine Art Therapie ausgeübt haben könnte?
"Schlimmer" verhält es sich dann doch bei denen, die sich zu dieser Aufgabe berufen fühlen. Ich glaube kaum, dass die einen Patienten aufgeben würden, geschweigedenn entlassen würden, wenn dieser suizidale Absichten äußert. Dieser Mensch stellt somit eine Gefahr für sich und evt. auch andere dar. Soweit ich weiß dürfen die Ärzte einen solchen Patienten nicht einfach so entlassen.
Was die Selbstbestimmung betrifft, so hast du recht, jeder entscheidet über sein Leben, sobald aber weitere Personen involviert sind, gerade Fachpersonal, wird die Sachlage und auch die rechtslage etwas komplizierter. Wenn sich jemand umbringen möchte, dann soll und wird er das auch schaffen. Egoistisch ist es meiner Meinung nach trotzdem. Dass bestimmte Krankheiten nicht heilbar sind, dass sehe ich auch so und ich habe mir nicht nur einmal für einen Patienten gewünscht er würde endlich entschlafen, damit er ruhe hat, keine Schmerzen mehr... Gerade bei Palliatvbehandlungen. Aber sobald jeman etwas in der Art äußert wie "ich bringe mich bald um" kann ich nicht anders, als ihn weiterzureichen (ich weiß, blödes Wort) um ihn zu schützen, gerade wenn er in einer bestimmten Situation keinen Ausweg mehr sehen kann, wo andere denken "hey, so wild ist das nicht, das wird shon". Ich kann es nicht für mich rechtfertigen und vor dem Kader schon mal überhaupt nicht.
Da prägt mich wohl auch mein Beruf (meine Berufung) ich motiviere, ich zeige neue Wege, andere möglichkeiten... warum soll ein Psychologe das nicht auch können.... zur Not gibt es dann ja noch die Psychiater.
Ich glaube jeder wollte schonmal einfach verschwinden, ausgelöscht sein, sterben.... spätestens beim Verlust der ersten großen Liebe. Aber jeder, der diesen Schmerz überlebt hat, hat auch gemerkt das leben geht weiter, auch ohne diese Person. Sollte man da nicht intervenieren, auch wenn der Todeswunsch der sehnlichste im Moment für den Teenager scheint? Wann welche Trennlinie gezogen werden muss, dass überlasse ich alleine dem Fachpersonal, da maße ich mir nicht an darüber zu entscheiden. Dass jeder seine Erfahrungen hat, sein Leben, seine Laster ist wohl jedem klar, aber warum will sich ein sonst vollkommen gesunder Mensch das Leben nehmen, das will sich mir einfach nicht erschließen... 
 
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"Ich glaube nicht an Zufälle. Ich glaube vielmehr, das es für alles, was scheinbar zufällig passiert, es einen Plan gibt."

messie

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Re: wann sterben?
« Antwort #248 am: 07 Oktober 2011, 00:28:18 »

Zitat
Und doch, man kann eine Depression ja schon einigermaßen symptomatisch erkennen und von einer depressiven Verstimmung unterscheiden, messie (das zu deiner Frage, wo Depression "anfängt" ...).

Ich meine es anders.
Gerade weil eine Depression keine "depressive Verstimmung" ist sondern etwas Tiefergehendes, gerade weil auch Glücksmomente existieren können, gerade weil sich nicht klar eingrenzen lässt ob die Depression in Augenblick x gerade in dem Menschen "aktiv" ist oder nicht, ist es so schwierig zu entscheiden, inwieweit ein Sterbewunsch Substanz hat oder nicht, also wo die Krankheit hier das Sagen hat und wo nicht. Eine Begleiterscheinung einer Depression können auch heftige Hormonschübe sein die für unerwartete Stimmungsschwankungen in beide (aktive wie passive) Richtungen ausschlagen können.

Wer mag da denn dann von außen zuverlässig beurteilen, ob da nun etwas "nur" aufgrund solch eines Schubes gelebt und gesagt wird, oder ob es unabhängig davon geschieht?

Kaffeebohne hat recht, ich hab's n bisschen arg vereinfacht dargestellt. Auch hier gibt es in alle möglichen Richtungen Verhaltensmuster. Darum ist eben auch hier das Problem: Ist der Todeswunsch etwas Akutes das wieder weggehen wird weil nur gerade ein akuter Schub stattfindet, oder ist es ein in diesem Menschen wirklich sitzender Wunsch?

Willst du wirklich die Verantwortung tragen wollen, Kallisti, das zu entscheiden ob jemand nur affektiv, krankheitsbedingt diesen Wunsch äußert, dann die Giftspritze zu setzen und mit dem Zweifel leben wollen, ob der Sterbewunsch vielleicht doch gar nicht vorhanden war, es am nächsten Morgen diesem Menschen selbst so weit weg erscheint, als hätte es ihn nie gegeben?

Ich beschäftige mich seit kurzem intensiver mit dem Phänomen Demenz.
Da kann es auch vorkommen, dass Menschen einen Sterbewunsch äußern und ihn in diesem Moment absolut ernst meinen. Teils auch mit der Begründung, dass sie diese Krankheit nicht mehr ertragen können.
Dummerweise ist Demenz keine geradlinige, sich zwingend stetig verschlechternde Krankheit (wie deren Untergruppe Alzheimer). Es kann also passieren, dass der Grund für den Sterbewunsch ein paar Tage später komplett wegfällt, weil sich der Zustand so sehr gebessert hat, dass die Person selbst es dann wieder als erträglich empfindet.

Nur - und da liegt das Problem - man weiß es nicht! Man weiß nicht ob sich der Zustand bessert.
Wäre es in dem Fall dann besser dem Sterbewunsch (da selbstbestimmt) nachzukommen? Aber was, wenn dieser wie beschrieben nur kurzfristig vorhanden sein könnte? Man hat damit einem Menschen möglicherweise noch Jahre guten Lebens verwehrt, den Kindern die Mutter, den Enkeln die Oma vorzeitig gestohlen, denen sie noch wertvolle Lebenshilfe hätte geben können.

Es ist wirklich nicht einfach. Ich beneide jene Menschen, die das zu entscheiden haben, nicht um ihre Aufgabe.




*edit* Schlechtschreibfehler behoben ...
« Letzte Änderung: 07 Oktober 2011, 00:38:24 von messie »
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Kallisti

  • Gast
Re: wann sterben?
« Antwort #249 am: 07 Oktober 2011, 12:47:39 »

Alex

nachdem ich grade nochmal auf alles eingegangen bin und es dann versehentlich selbst grad gelöscht habe (ja, so blöd muss man erst mal sein!  >:( ), hier nur in Kürze:

Sehr wahrscheinlich hast du meine Beiträge weiter vorne nicht gelesen - denn da habe ich alles, das du jetzt anführst, bereits thematisiert und beantwortet.

Die Sache mit der "Krankheit" ist ein Zirkelschluss:

Jemand, der nicht tödlich bzw. unheilbar physisch krank und/oder sehr alt (und krank) ist (und nur noch durch Apparatemedizin am "Leben" erhalten wird), der aber dennoch einen Sterbewillen hat (bzw. äußert bzw. also "suizidal" ist), wird (medizinisch und in Folge juristisch) für "nicht urteilsfähig" erklärt, weil: psychisch "krank"!

Und sobald jemand also für nicht urteilsfähig erklärt wird (aufgrund von Kriterien, die Menschen zu bestimmter Zeit halt mal so festgelegt haben, die aber - wie in jeder Wissenschaft - falsifizierbar, erweiterbar, veränderbar, also: nicht endgültig und ewig sind!), wird er zwangstherapiert, wird ihm sein Selbstbestimmungsrecht abgesprochen bzw. beschnitten, muss er "vor sich selbst" (seinen Wünschen, seinem Willen, seinen Entscheidungen und Handlungen) "geschützt" werden - denn:

"normal" und "gesund" ist nur, WER NICHT SUIZIDAL IST (mit o.gen. Ausnahmen)!

Da also alle (anderen) suizidalen Menschen als psychisch "krank" gelten bzw. erklärt werden (KÖNNEN; DÜRFEN!), darf man ganz legitim ihren Willen übergehen, über sie hinweggehen, ihr Selbstbestimmungsrecht beschneiden, sie zwangstherapieren - gegen ihren Willen!

Ich betrachte es aber nicht aus medizinischer und/oder juristischer Perspektive, sondern aus "menschlicher", aus ethisch-moralischer - der (dann, später) die juristische und "praktische" (also auch: medizinische) folgen sollte.


Und aus dieser ethisch-moralischen Sicht ist es meiner Ansicht nach ein unhaltbarer, unzumutbarer Zustand - wie aktuell mit suizidalen Menschen verfahren (!) wird.

Denn: Es gibt auch andere Betrachtungsweisen, Herangehensweisen: philosophische bspw. - philosophische Gründe für Suizid oder auch Bilanzsuizid ... - das alles wie gesagt: vorne schon ausführlich thematisiert, erläutert, diskutiert - bitte dort einfach doch mal lesen, Danke!
Ich möchte mich auch nicht endlos wiederholen (müssen) - steht vorne alles schon da.


Diese anderen Gründe, Möglichkeiten, Umstände, Perspektiven werden aber - aktuell - absolut gar nicht zugelassen, anerkannt, in Betracht gezogen!


--> Wer suizidal ist, muss "folglich" (!) psychisch krank sein, wird ihm so attestiert (so nicht eine der o.gen. Ausnahmen auf ihn zutrifft) - ist "also/demzufolge/daher" nicht urteilsfähig (kann so ganz legitim als nicht urteilsfähig erklärt werden), muss also zum Weiterleben (wollen, sollen!) bewegt werden (mittels Therapie ...)!

Ja, so ist man (juristisch) selbst fein raus - aber man handelt und "behandelt" (!) NICHT im Sinne es suizidalen (sterbewilligen) Menschen! ! ! - Im Gegenteil: sein Wille, sein Wunsch, seine Entscheidung wird mit Füßen getreten und ihm wird Gewalt angetan.

Denn er soll/muss ja mittels Therapie zum (wieder) Weiterleben "wollen" bzw. sollen "bewegt" werden - und das geschieht (in Therapie) meiner Ansicht (und Erfahrung) nach: durch Manipulation, durch Suggestion ... !


Es wird sein Sterbewunsch nicht anerkannt, nicht RESPEKTIERT, nicht zugelassen - dieser Sterbewille muss ausgemerzt werden - medizinisch und psychologisch nennt man das natürlich euphemistisch eher "Befreiung" oder eben "Therapie", "Heilung" ... ... ... is klar ...


So kann, so darf es meiner Ansicht nach aber nicht bleiben, so ist es nicht richtig (ethisch-moralisch und "humanistisch" gesehen).



Zitat
Ich glaube jeder wollte schonmal einfach verschwinden, ausgelöscht sein, sterben.... spätestens beim Verlust der ersten großen Liebe. Aber jeder, der diesen Schmerz überlebt hat, hat auch gemerkt das leben geht weiter, auch ohne diese Person. Sollte man da nicht intervenieren, auch wenn der Todeswunsch der sehnlichste im Moment für den Teenager scheint? Wann welche Trennlinie gezogen werden muss, dass überlasse ich alleine dem Fachpersonal, da maße ich mir nicht an darüber zu entscheiden. Dass jeder seine Erfahrungen hat, sein Leben, seine Laster ist wohl jedem klar, aber warum will sich ein sonst vollkommen gesunder Mensch das Leben nehmen, das will sich mir einfach nicht erschließen... 
(Alex)

Wie gesagt: du hast offenbar die Beiträge vorne nicht gelesen - da sind (mehrere) Gründe, warum das wer "trotzdem" will (wollen kann) und "macht" schon ausführlich genannt.



Zitat
Ich weiß das aus eigener Erfahrung, dass ich wenn ich mir Menschen "in freier Wildbahn" ansehe immer wieder auf Haltungsauffälligkeiten, Ausweichbewegungen, etc. achte. Meinst du nicht, dass ein Psychiater auch wenn er als Persönlichkeit in den Vordergrund gestellt wird (nehmen wir jetzt mal diese Fiktive Person) auch von seinem Beruf geprägt ist und somit, wenn auch unbewusst eine Art Therapie ausgeübt haben könnte?

(Alex)


Ganz ehrlich: Das sind mir die Schlimmsten! - Das halte ich für absolut unprofessionell: wenn gerade Psychologen bzw. Psychotherapeuten und Psychiater Beruf und Privatleben nicht trennen können, wenn sie bei ihren Mitmenschen (den fremden und/oder den bekannten - Partner, Freunde, Familie ...) unterschwellig oder auch absichtlich/bewusst "Störungen" oder "Auffälligkeiten" ... zu sehen meinen, sehen wollen, "diagnostizieren" ... ... ...

Ich gehe aber noch davon aus (und hoffe!), dass die Mehrzahl der Psychiater und Psychologen sich so nicht verhält, sondern da sehr wohl trennt und "abschalten", unterscheiden kann!


Es besteht meiner Meinung nach aber auch ein nicht zu vernachlässigender Unterschied zwischen einem Physiotherapeuten und einem Psychotherapeut oder Psychiater - denn: psychisch-geistige und physischer Erkrankungen können nicht in denselben Topf geworfen werden (wenngleich sie zumeist ja verbunden sind, zusammenhängen ...) - warum: habe ich auch vorne bereits erläutert!  :)


So, jez isses natürlich doch wieder länger geworden ...  :D


Übrigens Alex - erschließt sich mir nicht, weshalb suizidale Menschen "eine Gefahr für andere darstellen", wie du schriebst? ??

Suizidale Menschen sind für gewöhnlich keine "Gefahr" für andere, da sie niemand Anderen an Leib und Leben gefährden oder schädigen und auch niemanden aus niederen Antrieben/Beweggründen/Motiven oder "bösen Absichten" oder auch überhaupt bewusst/absichtlich "schädigen" (wollen).


Warum also sollen sie für andere "eine Gefahr" sein ? ? ?
« Letzte Änderung: 07 Oktober 2011, 12:56:49 von Kallisti »
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Multivac

  • Gast
Re: wann sterben?
« Antwort #250 am: 07 Oktober 2011, 12:58:14 »

paßt vielleicht nicht so 100%ig, aber doch ein bischen rein und beschäftigt mich grad:

ne freundin hat erzählt, sie hatte ne frau zur organentnahme bei sich liegen. die frau war im dritten monat schwanger, als sie erfuhr, daß sie brustkrebs hat. man sagte, man könne sie heilen, aber das kind müßte man wegmachen. sie entschied sich, das kind auszutragen, aber keine therapie gegen den krebs zu machen. der krebs schritt voran, die schwangerschaft auch. sie gebar eine gesundes kind, nun, nach 4 monaten, lag sie im sterben. sie sagte noch, was sie alles an organen hergibt für ne transplanatation, verabschiedete sich von ihrem mann und den 3 kindern. sie war bei vollem bewußtsein, sie war klar und gefaßt und nicht traurig. dann waren die schmerzen zu stark, sie wurde weggeschläfert und starb.

das sieht im prinzip auch nach einer entscheidung fürs sterben aus.

hier würde ich denken, daß eine frau, die schwanger ist, unter ner menge hormone bzw. neutrotransmitter steht, die sie auch etwas neben sich stehen läßt. zum wohle des kindes, den rest der welt ausgeblendet, zum selbstmord bereit. kann man so eine entscheidung gutheißen ?
« Letzte Änderung: 07 Oktober 2011, 12:59:52 von Multivac »
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Kallisti

  • Gast
Re: wann sterben?
« Antwort #251 am: 07 Oktober 2011, 13:07:01 »

Multivac

... ja - sehr schön!   ;)


Genau dieses Beispiel bzw. deine Ansicht dazu:

Zitat
hier würde ich denken, daß eine frau, die schwanger ist, unter ner menge hormone bzw. neutrotransmitter steht, die sie auch etwas neben sich stehen läßt. zum wohle des kindes, den rest der welt ausgeblendet, zum selbstmord bereit. kann man so eine entscheidung gutheißen ?
(Multivac)


bringt auf den Punkt, das ich kritisiere:

Dass ALLES permanent und grundsätzlich pathologisiert wird! - Ja, dann ist die Frau halt vielleicht in ihrem Denken und Fühlen durch Hormone ... beeinflusst - aber das sind wir alle: PERMANENT; TÄGLICH!!! - Wir sind alle permanent durch unsere Hirnchemie, unsere Erfahrungen, Erinnerungen, Prägungen, körperlichen Befindlichkeiten und Lebensumstände ... beeinflusst: in unserem Denken, Tun/Handeln, Verhalten - es wechselwirkt, genau!

Und nun?  Was folgern wir daraus - für unsere Entscheidungen und unser Handeln, für die Rechtfertigung dessen, für unsere Verantwortung? ??

Ja, wir sind einfach: Menschen - und die funktionieren so - da läuft körperlich so einiges ab: ständig - und das beeinflusst und beeinträchtigt uns - und ja, die Basis der "psychisch-geistigen" Vorgänge, Abläufe ist materiell (nämlich im Gehirn und im ganzen Körper verortet - durch Nervensystem, Hormonsystem, Stoffwechsel ... ... ...).

Und jetzt? Was folgt daraus für unser Denken, Fühlen, Handeln?  ?!?   ;)


messie - auf deinen Beitrag möchte ich auch noch antworten, kann aber aus zeitlichen Gründen jetzt nicht.

Aber noch ein Wort an Multivac:

Nur weil man seine Krebserkrankung nicht (per Chemotherapie bspw.) behandeln lässt, lassen will - ist man deshalb "sterbewillig"? ? ?

(Ich sage: nein! - Wenn gewünscht und ich mehr Zeit, begründe ich das auch gerne noch.)



Ach und Alex: Warum ist ein Mensch, der sich das Leben nimmt, "egoistisch" (dazu hatte ich mich übrigens vorne auch schon geäußert) ?
« Letzte Änderung: 07 Oktober 2011, 13:11:19 von Kallisti »
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Kaffeebohne

  • Gast
Re: wann sterben?
« Antwort #252 am: 07 Oktober 2011, 14:11:33 »

Übrigens Alex - erschließt sich mir nicht, weshalb suizidale Menschen "eine Gefahr für andere darstellen", wie du schriebst? ??
Je nach gewählter Selbsttötungsmethode kann durchaus eine (gesundheitliche) Gefahr für andere auftreten. Die Menschen, die einen Suizid miterleben und die Hinterbliebenen, denen ein nahestehender Mensch so genommen wird, müssen dieses Erlebnis auch erstmal verarbeiten.
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Multivac

  • Gast
Re: wann sterben?
« Antwort #253 am: 07 Oktober 2011, 14:22:22 »

jetzt *schnüff*  :'(
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Eisbär

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Re: wann sterben?
« Antwort #254 am: 07 Oktober 2011, 16:49:40 »

Kallisti: ich werde nicht, weil es besser in Deine "Argumentation" oder Dein Weltbild paßt, Euphemismen verwenden. Selbstmord hat sehr wohl etwas mit Mord zu tun: ein Mensch wird von einem Menschen vorsätzlich umgebracht.

Nur weil Du das anders siehst und anders bewertest, muß ich das nicht tun.
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2024- No F*cking Bands Festival XIII

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