Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Links und Rechts  (Gelesen 19206 mal)

Spambot

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Re: Links und Rechts
« Antwort #60 am: 31 Oktober 2010, 13:00:04 »

Ich finde solche Anwendungen im Rahmen der politischen Bildung grundsätzlich sehr nützlich. Das ZDF-Parlameter zeigt sehr anschaulich, dass Entscheidungen im Parlament fast ausschließlich durch die Parlamentsmehrheit getroffen werden und dass sich die große Mehrheit der Abgeordneten nach der Fraktionsdisziplin richtet. Schlecht ist allerdings, dass das Tool den Eindruck erweckt, dass nur wenige Entscheidungen getroffen werden. Tatsächlich wurde letzte Woche wesentlich mehr beschlossen.
Vor Bundestagswahlen gibt es auch den Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für Politische Bildung. Das Tool hat allerdings den großen Nachteil, dass man die Aussagen im Wahlkampf nutzen muß, obwohl klar ist, dass manche Aussagen Wahlkampftaktik sind. Ein "objektiver" Wahl-O-Mat ist daher leider utopisch.
Eigentlich gibt es eine Vielzahl an Bildungsangeboten in der politischen Bidlung. Die Bundeszentrale und Landeszentralen für politische Bildung verschenken Informationsmaterial, das sich allerdings eher an Schulklassen und sehr interessierte Bürger richtet. Angebote zur schnellen Orientierung vermisse ich da. Ganz düster wird es bei den Stiftungen der großen Parteien und der Gewerkschaften, die angeblich auch politische Bildung betreiben. Leider müssen (oder wollen) sich die Sozialwissenschaftler in diesen Stiftungen prostituieren, um mit wissenschaftlichen Methoden Argumente für die politische Diskussion zu generieren. Ich würde deren Arbeit eher als politische Manipulation, denn als politische Bildung bezeichnen. Abgesehen von den einseitigen Studien bieten viele dieser Stiftungen aber auch durchaus interessante Exkursionen im Rahmen der politischen Bildung.
Im Sinne einer Förderung des politisch mündigen Bürgers würde ich mir mehr sachliche und leicht verständliche Angebote wünschen. Man muß einfach akzeptieren, dass die Mehrheit der Bürger keine 500-Seiten Bücher zu einem Themenkomplex lesen möchte. Diese neuen Angebote müßten natürlich auch so platziert werden, dass eine große Anzahl an Rezipienten erreicht wird. So ein Projekt würde aber vemutlich an der angestrebten "Sachlichkeit" scheitern, da es immer eine politische Gruppierung gibt, die einen Ansatz als parteiisch oder manipulativ bewertet.
« Letzte Änderung: 31 Oktober 2010, 13:02:14 von Spambot »
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Simia

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Re: Links und Rechts
« Antwort #61 am: 02 November 2010, 12:34:52 »

Zitat von: Spambot
Natürlich hat auch dieses Vereinfachungsmodell Schwächen. Es impliziert die Existenz einer politische Mitte und setzt tendenziell alle Extremisten, vom Stalinisten über den Neonazi bis hin zum Islamisten, auf eine grundsätzliche Stufe. Alle Parteien, die für eine freiheitlich demokratische Grundordnung stehen, gehören zu dieser großen "Mitte".

"Die Mitte" ist eben auch nur ein Konstrukt und eine logische Konsequenz der Definition von Extremen (Mir scheint, in den letzten Jahren wurde auf dem Thema "politische Mitte" mehr als früher herumgeritten). Aber wie brauchbar ist eine Abgrenzung von Aspekten eines Modells, das selber nicht viel taugt? Der rote Faden ist hier allein das Bekenntnis zur Demokratie, und selbst das zieht sich noch ein wenig zu beiden Seiten hin (oder wie viele es nun auch immer sind), bis die Extreme beginnen. Wo ist die Grenze, wenn nur Teilaspekte der "freiheitlich demokratischen Grundordnung" oder in unterschiedlicher Gewichtung akzeptiert oder interpretiert werden (z.B. repräsentative Demokratie vs. direkte Demokratie)?

Ich sehe ebenfalls die Gefahr, dass mit diesem Modell die gängige Praxis zementiert wird und wichtige Impulse "von außen" ignoriert und verteufelt werden. Davon abgesehen, wie gesagt, lässt sich jede Position radikalisieren und spätestens hier hakt die Behauptung, es wäre in Wirklichkeit nur eine einzige Suppe (es sei denn, die Methoden werden so dominant und sich immer ähnlicher, dass das Ideal verschwimmt).

Zitat von: Spambot
Die Grünen in der Opposition haben beispielsweise nicht viel mit den Grünen auf der Regierungsbank gemeinsam.

Wie sagt die Bibel so schön: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. ;)

Der Piraten-Vorschlag ist schon einen deutlichen Schritt weiter, aber eben auch nur ein Versuch und - ganz nebenbei - natürlich zwangsläufig subjektiv eingefärbt. Ganz genau, die CDU wird sich z.B. wohl auch als progressiv bezeichnen (schließlich sind die Arbeitslosenzahlen ganz ohne verblendendes Herumgerechne und -geschiebe auf einem Rekordtief, wenn das mal nicht ganz unbestreitbar das Resultat schwarz-gelber Fortschrittspolitik im Sinne des Menschen ist ... ::)).

Zitat von: Spambot
Vielleicht sollte man sich einfach damit abfinden, dass bipolare Achsen ungeeignet zur vereinfachten Darstellung des politischen Spektrums sind.

Genau. Also genauer hinschauen, wie wir ja bereits herausgestellt haben. Aber schön und gut, wenn man eine komplexe politische Position in ihre Bestandteile zerlegt. Leider liegt die Schwierigkeit noch eine Ebene tiefer, nämlich bei der Bedeutung. Denn viele bringen ihre eigene Deutung auch gleich mit. Man denke z.B. an den Westerwelle-Slogan "Sozial ist, was Arbeit schafft". Also ist die FDP in der Lesart sozial. Oder die Vertreter von besagtem Ethnopluralismus (zu dem sich auch die NPD offen bekennt), die sagen "Wiiir sind doch keine Rassisten. Wir treten ein für eine Welt, in der alle Völker gleichberechtigt und in Harmonie koexistieren [aber: jedes an seinem "angestammten" Platz, mit Identität überladen und so homogen wie möglich]. Dieser (natürlich oftmals forcierte) "Relativismus" erschwert die Orientierung immens.

Zitat von: Spambot
So ein Projekt würde aber vemutlich an der angestrebten "Sachlichkeit" scheitern, da es immer eine politische Gruppierung gibt, die einen Ansatz als parteiisch oder manipulativ bewertet.

Einmal das. Und weiter ist der "mündige Bürger" in erster Linie eine Hol- und keine Bringschuld. Es hilft nicht viel, die Informationen mundgerechter zu verpacken, wenn das Interesse generell fehlt. Mag sein, dass man Leute so leichter an Themen ranführt, aber den Großteil muss der Einzelne selber leisten. Und so lange Wahlkampfgeschwurbel und realpolitische Praxis so weit auseinandergehen, sehe ich da in vielen Fällen schwarz (nicht politisch gemeint ...).

Wobei mir das Parlameter irgendwie gefällt. Das wäre ein guter Ansatz (wenigstens für mehr Transparenz für die, die es interessiert).
« Letzte Änderung: 02 November 2010, 12:57:50 von Simia »
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(Seneca) 8)