Natürlich hat auch dieses Vereinfachungsmodell Schwächen. Es impliziert die Existenz einer politische Mitte und setzt tendenziell alle Extremisten, vom Stalinisten über den Neonazi bis hin zum Islamisten, auf eine grundsätzliche Stufe. Alle Parteien, die für eine freiheitlich demokratische Grundordnung stehen, gehören zu dieser großen "Mitte".
"Die Mitte" ist eben auch nur ein Konstrukt und eine logische Konsequenz der Definition von Extremen (Mir scheint, in den letzten Jahren wurde auf dem Thema "politische Mitte" mehr als früher herumgeritten). Aber wie brauchbar ist eine Abgrenzung von Aspekten eines Modells, das selber nicht viel taugt? Der rote Faden ist hier allein das Bekenntnis zur Demokratie, und selbst das zieht sich noch ein wenig zu beiden Seiten hin (oder wie viele es nun auch immer sind), bis die Extreme beginnen. Wo ist die Grenze, wenn nur Teilaspekte der "freiheitlich demokratischen Grundordnung" oder in unterschiedlicher Gewichtung akzeptiert oder interpretiert werden (z.B. repräsentative Demokratie vs. direkte Demokratie)?
Ich sehe ebenfalls die Gefahr, dass mit diesem Modell die gängige Praxis zementiert wird und wichtige Impulse "von außen" ignoriert und verteufelt werden. Davon abgesehen, wie gesagt, lässt sich jede Position radikalisieren und spätestens hier hakt die Behauptung, es wäre in Wirklichkeit nur eine einzige Suppe (es sei denn, die Methoden werden so dominant und sich immer ähnlicher, dass das Ideal verschwimmt).
Die Grünen in der Opposition haben beispielsweise nicht viel mit den Grünen auf der Regierungsbank gemeinsam.
Wie sagt die Bibel so schön: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.
Der Piraten-Vorschlag ist schon einen deutlichen Schritt weiter, aber eben auch nur ein Versuch und - ganz nebenbei - natürlich zwangsläufig subjektiv eingefärbt. Ganz genau, die CDU wird sich z.B. wohl auch als progressiv bezeichnen (schließlich sind die Arbeitslosenzahlen ganz ohne verblendendes Herumgerechne und -geschiebe auf einem Rekordtief, wenn das mal nicht ganz unbestreitbar das Resultat schwarz-gelber Fortschrittspolitik im Sinne des Menschen ist ...
).
Vielleicht sollte man sich einfach damit abfinden, dass bipolare Achsen ungeeignet zur vereinfachten Darstellung des politischen Spektrums sind.
Genau. Also genauer hinschauen, wie wir ja bereits herausgestellt haben. Aber schön und gut, wenn man eine komplexe politische Position in ihre Bestandteile zerlegt. Leider liegt die Schwierigkeit noch eine Ebene tiefer, nämlich bei der Bedeutung. Denn viele bringen ihre eigene Deutung auch gleich mit. Man denke z.B. an den Westerwelle-Slogan "Sozial ist, was Arbeit schafft". Also ist die FDP in der Lesart sozial. Oder die Vertreter von besagtem Ethnopluralismus (zu dem sich auch die NPD offen bekennt), die sagen "Wiiir sind doch keine Rassisten. Wir treten ein für eine Welt, in der alle Völker gleichberechtigt und in Harmonie koexistieren [aber: jedes an seinem "angestammten" Platz, mit Identität überladen und so homogen wie möglich]. Dieser (natürlich oftmals forcierte) "Relativismus" erschwert die Orientierung immens.
So ein Projekt würde aber vemutlich an der angestrebten "Sachlichkeit" scheitern, da es immer eine politische Gruppierung gibt, die einen Ansatz als parteiisch oder manipulativ bewertet.
Einmal das. Und weiter ist der "mündige Bürger" in erster Linie eine Hol- und keine Bringschuld. Es hilft nicht viel, die Informationen mundgerechter zu verpacken, wenn das Interesse generell fehlt. Mag sein, dass man Leute so leichter an Themen ranführt, aber den Großteil muss der Einzelne selber leisten. Und so lange Wahlkampfgeschwurbel und realpolitische Praxis so weit auseinandergehen, sehe ich da in vielen Fällen schwarz (nicht politisch gemeint ...).
Wobei mir das Parlameter irgendwie gefällt. Das wäre ein guter Ansatz (wenigstens für mehr Transparenz für die, die es interessiert).