Schwarzes Hamburg

Schwarzes Hamburg => Archiv => Politik & Gesellschaft -Archiv- => Thema gestartet von: Kallisti am 28 Februar 2011, 00:41:52

Titel: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Kallisti am 28 Februar 2011, 00:41:52
... So der Titel einer arte-Dokumentation:

http://videos.arte.tv/de/videos/geschlossene_gesellschaft-3716424.html

Hat das jemand auch gesehen?

Was mich dabei nur verwundert, ist, dass es mehrmals heißt, es käme - zukünftig - eventuell wieder zu einer (Zwei-)Klassengesellschaft ... - als sei das nicht längst der Fall.

Die Sache mit den Privatschulen ist eine Geschichte (auch eine doch sehr alte), eine andere ist es, dass ganze Stadtviertel sich abgrenzen, einzäunen, einmauern, abschließen (wie etwa in Nantes und Berlin) - das war mir bisher nicht bekannt und hat mich doch einigermaßen vom Sitz rutschen lassen ...

Wohin wird das führen? Wie wird sich das zukünftig entwickeln? Wer könnte einer solchen Entwicklung Einhalt gebieten bzw. sie aufhalten - und auf welche Weise? Wer hätte daran ein Interesse, das auch politisch unterstützt wird (oder ist das anzunehmen illusorisch)?
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Chaingangdesigner am 02 März 2011, 11:07:48
Wenn sich Leute für so toll halten, dass sie ihr Stadtviertel einzäunen lassen, um nicht mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen, sollte die übrige Gesellschaft sie darin unterstützen und sie in ihrem selbstgemachten Ghetto im wahrsten Sinne des Wortes verhungern lassen....
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Spambot am 02 März 2011, 13:20:41
Ich habe mir die ersten 20 Minuten vom Fernsehbeitrag mal angesehen. Die seriöse Aufmachung des Films lässt vielleicht nicht sofort erkennen, dass es sich um einen äußerst einseitigen Bericht mit klarer ideologischer Ausrichtung handelt. Fragen im Interview werden suggestiv gestellt, die Interviewpartner scheinen sehr selektiv ausgewählt und die Vergleiche sind völlig absurd. Wenn man eine Privatschule in einem reichen Stadtviertel mit einer öffentlichen Schule im Ghetto vergleicht, kommen natürlich die von den Autoren offensichtlich erwünschten anti-egalitären Eigenschaften der Privatschule besonders gut zur Geltung.   
Der Film bedient eine Reihe von Vorurteilen und ist insgesamt sehr manipulativ. Nunja, zumindest die ersten 20 Minuten.

Ob soetwas wie eine Klassengesellschaft überhaupt existiert hängt von der jeweiligen Definition ab. Der Begriff Klassengesellschaft wird immer wieder bemüht, um Neid zu rechtfertigen und Chancengerechtigekeit einzufordern. Diese Worthülse "Chancegerechtigkeit" kann man dann nach belieben mit egalitären Forderungen befüllen. Das reicht von steuerfinanzierter Schulbildung für jeden Bürger über gratis Hochschulbildung bis hin zu massiven Umverteilungsforderungen, um schlechte Startchancen im Leben auszugleichen. Je nach Perspektive, "Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied" oder "Der Staat muß die Unterschiede zwischen Menschen abbauen", wird entweder die individuelle Freiheit oder die Gleichheit eingefordert. Diese Diskussion ist schon sehr abgenutzt und endet oft bei der Frage nach dem Menschen- und Gesellschaftsbild.
 
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: colourize am 02 März 2011, 14:40:06
Spambot, nur um Missverständnissen vorzubeugen: Du bist der Meinung, dass steuerfinanzierte Schulbildung für alle schulpflichtigen Kinder sowie ein gebührenfreier Zugang zu Hochschulbildung falsch ist?
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: -Lethos- am 02 März 2011, 15:48:02
oohhmmann!!

Nichts für Ungut, Spambot, aber mir fällt auf, dass du mit deinen Ansichten sehr klar eine kategorisierende (und damit meiner Ansicht nach einseitig schwarz-weiß polarisierenden) Logik für die Deutung von Anschauungen (Gesellschaftlich, Menschlich) heranziehst, die sowohl der faktischen Ambivalenz des Seins ( Es gibt halt mehrere Aspekte hierzu) als auch des moralisch (vollkommen legitimen) Anspruchs nach Gerechtigkeit keinen reelen Platz mehr in deinen Betrachtungen und damit im Diskus billigst!

Vielleicht irre ich mich, aber diesen Eindruck nehm ich jeden Falls aus deinem jetzigen Beitrag mit.

Zum Thema an sich werde ich mich aufgrund der Wirren zur Bildungspolitik vorerst lieber zurück halten.
Hab keine Zeit jetzt ^^

*PN wird beantwortet*
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Takara am 02 März 2011, 16:26:55
im Diskus billigst!
Im...waaaas?!
Diskus
-Fisch
-Sportgerät
-Lat. für Kreis
Häh?
Erleuchte mich mal...
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: colourize am 02 März 2011, 16:38:36
ist wohl ein Tippfehler und meint "Diskurs". An dieser Stelle zu ersetzen durch "allgemeines Gelaber", klingt aber weniger schlau. 8)
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Ookami am 02 März 2011, 16:45:12
Diskus
Erleuchte mich mal...

Wahrscheinlich ein Schreibfehler und er meinte Diskurs. (http://de.wikipedia.org/wiki/Diskurs)

p.s. colourize war schneller :D
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: -Lethos- am 02 März 2011, 16:50:01
(http://files.sharenator.com/266485575_GrammarNazi_Random_Pics_P-s343x467-60519.jpg)
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: -Lethos- am 02 März 2011, 16:51:47
ist wohl ein Tippfehler und meint "Diskurs". An dieser Stelle zu ersetzen durch "allgemeines Gelaber", klingt aber weniger schlau. 8)
Du hast Recht... Das Niveau eines "Disku(r)ses" lässt sich hier nicht ernsthaft vorfinden.
Glaub, einen solchen würd ich womöglich aus langerweile auch torpedieren  ;D
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Spambot am 02 März 2011, 19:16:13
Spambot, nur um Missverständnissen vorzubeugen: Du bist der Meinung, dass steuerfinanzierte Schulbildung für alle schulpflichtigen Kinder sowie ein gebührenfreier Zugang zu Hochschulbildung falsch ist?
Ähm, nein. Ich habe lediglich mögliche Positionen innerhalb des Spektrums "Chancengleichheit" beispielhaft genannt ohne dabei meine eigene Position zu offenbaren. Das diente nur zur Veranschaulichung.

@ Lethos: Den Begriff "Gerechtigkeit" nutze ich tatsächlich äußerst ungern in Diskussionen, da er erstens aus der Sicht des Verwendenen ein äußerst selbstgefälliger Begriff ist und zweitens immer eine vorherige Definition erfordert. Was soll denn die Ambivalenz des Seins sein?
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Kallisti am 02 März 2011, 22:57:58
@Spambot

Zitat
Ob soetwas wie eine Klassengesellschaft überhaupt existiert hängt von der jeweiligen Definition ab.

Ja, so verhält sich das mit so ziemlich jedem Begriff (es braucht eine Definition dafür).

Zitat
Diese Worthülse "Chancegerechtigkeit" kann man dann nach belieben mit egalitären Forderungen befüllen.
(Spambot)

Klar, das haben Worthülsen so an sich - dass man sie "befüllen" kann. Zum Glück ging es in der TV-Sendung nicht um Worthülsen, sondern um bestehende gesellschaftliche Verhältnisse, die - klar - aus verschiedenen Perspektiven unterschiedlich dargestellt und interpretiert werden können. Wie das nun mal immer so ist, nicht wahr?

Zitat
Diese Diskussion ist schon sehr abgenutzt und endet oft bei der Frage nach dem Menschen- und Gesellschaftsbild.
(Spambot)

Genau darum ging es - und dessen Entwicklung, Veränderung mit welchen (jeweiligen eventuellen) Folgen - sowohl für "die" Gesellschaft als auch für einzelne Teilbereiche bzw. Mitglieder (oder Nicht-"Mitglieder"). Schön, dass du das zwar erfasst (?) und (mehr oder weniger) wiederholt, aber nicht weiter ausgeführt hast (deine Ansichten hierzu bzw. dein "Menschen- und Gesellschaftsbild", sondern dich da doch lieber in Schweigen hüllst und Vermutungen in eine Richtung (...) als falsch(e) bezeichnest.

Insbesondere war mein Erschrecken weniger auf die Bildungsdiskussion als viel mehr auf die Wohnverhältnisse ... bezogen. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, es nicht bei den nur 20 Minuten reingucken zu belassen ... ?
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Spambot am 03 März 2011, 00:37:47
Wohnviertel für reiche Menschen und Privatschulen sind keine neuen Phänomene und sie sind auch nicht der Kern der von dir angesprochenen gesellschaftlichen Probleme. Wesentlich ist hingegen die problematische Situation in bestimmten Wohnvierteln und Schulen.
Derartige Wohnviertel kann man eventuell durch Bebauungspläne oder gezielte Stadteilsanierungen (was zur Gentrifizierung führen kann) etwas verändern. Beispielsweise hat man Berlin Friedrichshain durch Sanierungen stark aufwerten können. Dafür sind benachbarte Stadtteile wie Lichtenberg oder Marzahn weiterhin fiese Ghettos. Die politischen Gestaltungsmöglichkeiten halte ich in einer bereits bebauten Stadt für stark begrenzt.
Bei der Schulproblematik kenne ich keine überzeugende Lösung. Mehr Geld und mehr Lehrer werden wahrscheinlich nur einen begrenzten Erfolg zeigen, da nicht alle sozialen Faktoren in der Entwicklung eines Jugendlichen durch schulische Interventionen gesteuert werden können.
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Kallisti am 03 März 2011, 11:16:19
Zitat
Wohnviertel für reiche Menschen und Privatschulen sind keine neuen Phänomene und sie sind auch nicht der Kern der von dir angesprochenen gesellschaftlichen Probleme.
(Spambot)

Doch, genau das ist der Punkt (meiner): Dass es kein "neues Phänomen" ist, sondern ein uraltes und - wie ich naiverweise dachte/hoffte: ein überholtes. Dass Menschen sich u.a. durch ihre Art zu Wohnen abgrenzen oder Menschen eben aufgrund unterschiedlicher (persönlicher) Voraussetzungen und Umstände verschiedene Möglichkeiten haben (oder nicht haben) zu wohnen, wohnen zu können wie sie möchten etc., darum geht es mir nicht, sondern darum, dass es meiner Auffassung nach eine überzogene und bedenkliche Situation ist, dass Menschen meinen, sich,d.h. eben nicht nur ihre Häuser, Grundstücke, sondern: ganze Stadtteile (!) überdeutlich sichtbar/demonstrativ auch noch mit Zäunen, Mauern und abschließbaren Toren umgeben zu müssen. Aus Angst, aus dem Glauben, sich und ihren Besitz schützen zu müssen und als Demonstration dessen, dass sie sich auch aus bestimmten (Prestige-) Gründen deutlich abgrenzen wollen - und anderen,  nicht Dazugehörenden damit überdeutlich vor Augen halten, dass sie (diese Anderen) ausgegrenzt, draußen gehalten werden müssen - weil sie zu arm, ungehobelt, ungebildet, unansehnlich, ungepflegt, nicht "eingeweiht", nicht privilegiert - kurz: weil sie einfach "aussätzig" sind und "man" mit Aussätzigen nun mal nicht in Berührung - bestenfalls nicht mal in Sichtweite - geraten will.

Nein, so sagt das (in der Sendung) natürlich niemand, aber genau so wirkt es auf mich.

Und dass solche Verhältnisse aktuell in europäischen demokratischen Ländern (Frankreich, Deutschland) vorzufinden sind und geduldet, ja sogar gefördert und ausgebaut (im wahrsten Wortsinn) werden - das lässt mich einfach wieder ein Mal mehr vom (idealistsichen) Glauben abfallen.

Herren und Knechte. Feudalgesellschaftliche Verhältnisse. -> Derart offensichtlich und unverblümt, unkaschiert - bewusst demonstrativ!

Was wird das langfristig (für wen) zur Folge haben ... ... ... ? - Alles ewige Wiederholung des Gleichen?


Die Bildungs"problematik" (was Chancengleichheit und Gerechtigkeit ! betrifft), ist nochmal ein ganz eigenes Thema.

Zitat
Mehr Geld und mehr Lehrer werden wahrscheinlich nur einen begrenzten Erfolg zeigen, da nicht alle sozialen Faktoren in der Entwicklung eines Jugendlichen durch schulische Interventionen gesteuert werden können.
(Spambot)

Natürlich nicht "alle" - aber es geht niemals irgendwo im Leben "alles". Das zu erwähnen, als Einwand vorzubringen, ist doch überflüssig!
Es könnte aber eine ganze Menge verändert werden, in Bewegung kommen - durch bessere und gleichmäßiger verteilte Chancen, Möglichkeiten für Schüler (auch, vor allem staatlicher Schulen, logisch). Hierfür bedarf es (finanzieller) Investitionen, aber auch politisch veränderter, angemessener Bemühungen, Einsichten, Bereitschaft und Wegbereitungen.  
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Eisbär am 03 März 2011, 11:41:20
Ähm... der reiche Mann baut nicht deswegen einen hohen Zaun und eine Alarmanlage, weil er sich abgrenzen will, sondern weil er mit Raub, Diebstahl und Entführungen rechnen muß.

Wenn ich ein entsprechendes Vermögen hätte, würde ich mich auch vor Kriminalität schützen. Der Staat bekämpft Kriminalität ja nur ungern an den Wurzeln (Stichwort Sozialabbau). Und selbst der sozialste Oberschichtler, der große Teile seines Vermögens für soziale Projekte stiftet, ist vor entsprechender Kriminalität nicht sicher.
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Spambot am 03 März 2011, 12:09:42
Ich sehe für mich keine Notwendigkeit die Motive reicher Leute zu hinterfragen, wenn die sich freiwillig selbst einsperren. So lange die ihre Steuern zahlen und sich mit Hilfe ihres Vermögens nicht über die Regeln der Gemeinschaft hinwegsetzen, haben die nicht weniger Freiheiten als jeder andere Bürger auch. Wenn ich an die alten Villen an der Elbchaussee mit ihren großen Grundstücken denke, drängt sich mir der Verdacht auf, dass die einfach nur in Ruhe gelassen werden wollen.
Wie ich bereits vorher schrieb, bin ich der Meinung, dass die Klassenkampf- und Neidperspektive von den eigentlichen sozialen Problemen und deren Lösung ablenkt.
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Eisbär am 03 März 2011, 12:11:01
dass die einfach nur in Ruhe gelassen werden wollen.
Und zumindest das kann man ihnen kaum verübeln.
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: l3xi am 03 März 2011, 15:54:40
Ein Interview mit Matt Damon - u.a. über das amerikanische Schulsystem:
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/35343/2/1

Zitat
Vor Kurzem sind Sie von Miami nach Manhattan gezogen.
Im September.

Wegen der besseren Schulen?
Die Schulen waren ein Grund, Florida zu verlassen, aber noch wichtiger ist der Alltag außerhalb der Schulen. In Miami oder Los Angeles führen Leute wie ich ein trostloses Leben in abgeschotteten Siedlungen. Man steigt zu Hause ins Auto, und irgendwo anders steigt man wieder aus und verschanzt sich hinter Mauern. Ich will meine Kinder nicht vom echten Leben isolieren, nur weil ich prominent bin. In New York können wir auf der Straße spazieren und sind Teil unseres Viertels. Meine Kinder können ja nichts dafür, dass ich ihr Vater bin, also möchte ich ihnen ermöglichen, jeden Tag Menschen aller Rassen und Klassen zu treffen.

Sicher, es ist jedem selbst überlassen, ob er sich einbunkern will oder nicht. Dabei sollte man aber nicht die negativen Auswirkungen vergessen, die automatisch mit von der Partie sind, wenn man sich nur noch unter seinesgleichen befindet. Wenn man das alltägliche Elend nicht mehr sehen muss, nimmt man es irgendwann einfach nicht mehr wahr und hält es vllt. gar für einen Mythos.

Anderes Zitat dazu:
http://www.spiegelfechter.com/wordpress/5261/tv-kochshows-und-hartz-iv#comment-104778
Zitat
[...]
Man verdrängt unweigerlich das Schicksal der Hartz-IV-Empfänger, wenn man nicht täglich Bezugspunkte zu diesem Thema hat. Und der alte Brecht hatte Recht: “Man sieht nur die im Licht, die im Dunkeln sieht man nicht”.

Das fängt ja schon dabei an, dass heutzutage die Öffentlichkeit de facto getrennt wird: Ich kaufe im Supermarkt um die Ecke ein, der allerdings auch ein wenig teurer ist und daher kaum von “Armen” frequentiert wird. Ich wohne in einem Viertel mit mittleren Mietpreisen, die allerdings von der örtlichen ARGE nur in Ausnahmefällen getragen werden, weshalb hier vor Ort die “Armen” in bestimmte Stadtteile “vertrieben” werden, so dass die “Mittelschicht” die “Armen” im Regelfall auch beim täglichen Spaziergang nicht mehr sieht. Kino, Restaurants und “normale” Kneipen sind eh schon länger in der Hand der “Mittelschicht”.[...]
Der Blog-Artikel bezieht sich zwar nicht direkt aufs "Einmauern" - aber indirekt auf das vorherrschende Problem: http://www.spiegelfechter.com/wordpress/5261/tv-kochshows-und-hartz-iv

Nüchtern betrachtet ist es für das gesellschaftliche "Zusammenleben" eher schädlich bzw. gar tötlich, wenn man die einzelnen "Bevölkerungsschichten" von einander übermäßig stark trennt.
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Kallisti am 04 März 2011, 23:37:09
@Eisbär

... ich bitte dich - du glaubst doch nicht ernsthaft, dass Leute sich nur aus Angst vor Übergriffen/Einbrüchen abschotten, einzäunen ... ?


@Spambot

Zitat
Wenn ich an die alten Villen an der Elbchaussee mit ihren großen Grundstücken denke, drängt sich mir der Verdacht auf, dass die einfach nur in Ruhe gelassen werden wollen.
Wie ich bereits vorher schrieb, bin ich der Meinung, dass die Klassenkampf- und Neidperspektive von den eigentlichen sozialen Problemen und deren Lösung ablenkt.

... "in Ruhe gelassen werden" - wovon, wovor, weswegen??

Es geht nicht um Neid, es geht um Arroganz, Ignoranz und auf der anderen Seite um nachvollziehbaren Zorn darüber eben in der Tat als Zweiterklasse-Mensch behandelt zu werden - mit entsprechend negativen und weitreichenden Folgen.
Es geht auch darum, dass die "Erste Klasse", die upperclass, sich absichtlich abgrenzen will und (ihrem Verständnis nach) muss - andernfalls gäbe es ja "Gleichmacherei" ... und eben das will "man" gerade ja nicht. (Chancengleichheit oder -gerechtigkeit)


@l3xi

Danke für den Beitrag. Sehe das auch so. :)
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: messie am 04 März 2011, 23:55:22
Hö? Was hat denn die räumliche Abschottung reicher Leute mit Chancengleichheit zu tun? Da komme ich nicht mit ...
Dieses "gleich und gleich gesellt sich gern" kam und kommt doch schon immer massiv bei unterschiedlichen Einkommens- und vor allem Kulturschichten vor.

Mal ganz salopp gesagt: Der Adlige will nicht nur mit dem Penner umme Ecke wenig zu tun haben, sondern der Penner ebensowenig mit dem Adligen. Sie sprechen schlicht nicht die gleiche Sprache, sind soweit voneinander entfernt, dass sie sich gegenseitig befremden.

Konkret schlimm und gefährlich wird's, wenn die einzelnen Gruppen sich für die bessere Gruppe halten im Vergleich zur anderen! Ein nebeneinander herleben wird schon noch funktionieren -irgendwie- aber ein nebeneinander sich gegenseitig hassen geht garantiert irgendwann schief.
Just das ist dann auch die Gefahr des sich-gegenseitig-Abschottens: Gibt es nicht einmal im Kindergarten oder der Schule Berührungspunkte der verschiedenen Gruppen, ist das Verständnis für die andere Gruppe auch sofort tot. Man kennt sie schließlich nicht, kannte sie nie, und was man nicht kennt, das kann man auch ohne große Bauchschmerzen verachten.
Zwar funktioniert's auch mitunter, wenn man sich kennt ("der Ali da umme Ecke ist voll ok, aber der ist ne Ausnahme, Ausländer sind trotzdem alle scheiße und müssen weg"), diese Abneigung und der Hass, aber es geschieht doch -zum Glück- deutlich seltener.

Was ist eigentlich das Antonym zu Gentrifizierung? Das bräuchten wir mal wieder.
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Eisbär am 05 März 2011, 00:49:25
@Eisbär

... ich bitte dich - du glaubst doch nicht ernsthaft, dass Leute sich nur aus Angst vor Übergriffen/Einbrüchen abschotten, einzäunen ... ?

Nicht nur, aber vorwiegend.
Und das diese Angst zum Teil sogar gerechtfertigt ist, zeigen zahlreiche Beispiele.
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Spambot am 05 März 2011, 12:05:54
Ich kann, da Messie nur zustimmen. Das Phänomen der Abschottung findet sich bei vielen sozialen, ethnischen oder religiösen Minderheiten und hat primär eigentlich nichts mit der gesellschaftlichen Benachteiligung anderer Gruppen zu tun. In einer freien Gesellschaft lassen sich solche Abschottungstendenzen mit ihren potenziell negativen Auswirkungen aber nur schwer verhindern. In Berlin hat man beispielsweise Viertel für Hartz-4 Empfänger (z.B. Marzahn), für Neonazis (Lichtenhagen) oder junge Familien (Prenzlauer Berg). Diese Trennung der Bevölkerungsgruppen ist von den Betroffenen teilweise durchaus erwünscht. Manche Leute wollen nicht mit mit den Yuppies, Asozialen, Nazis, Drogensüchtigen, Spießern, ...(Schubladenbegriff deiner Wahl) zusammen in einem Viertel wohnen.

Ob reiche Menschen andere als Menschen zweiter Klasse sehen und sich ihnen gegenüber arrogant und ignorant verhalten oder sich gegen die Aufhebung von sozialer Benachteiligung wenden, weiß ich nicht. Ich kenne keine Personen dieser gesellschaftlichen Minderheit und versuche auf pauschale Vorverurteilungen zu verzichten. Leben und leben lassen.
Wenn man entlang der Alster spaziert (z.B. Schöne Aussicht in Uhlenhorst) sollte man mal einen Blick auf die Klingelschilder an den Villen mit Alsterblick werfen. Dort liest man oft nur die Initialen der Namen, was wohl eher Sicherheitsbedenken und nicht Angeberei impliziert.

Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Kaffeebohne am 05 März 2011, 14:46:14
Lichtenhagen ist aber Rostock.  ;)

Ich hab meine Wohnungstür auch gern geschlossen. Nicht, weil ich meine Nachbarn nicht mag, sondern, weil ich einfach gern meine Privatsphäre habe, in die andere nicht einfach so reinspazieren können. Ich umgebe mich auch gern mit Menschen, die mir ähnlich sind. Und zwar nicht, um bewußt andere auszugrenzen, sondern um für mich selbst das Umfeld zu haben, in dem ich mich wohl (und "ungestört") fühle.
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Spambot am 05 März 2011, 15:18:06
Ups, Lichtenberg meinte ich :)
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: l3xi am 07 März 2011, 16:03:52
Ich hab meine Wohnungstür auch gern geschlossen. Nicht, weil ich meine Nachbarn nicht mag, sondern, weil ich einfach gern meine Privatsphäre habe, in die andere nicht einfach so reinspazieren können. Ich umgebe mich auch gern mit Menschen, die mir ähnlich sind. Und zwar nicht, um bewußt andere auszugrenzen, sondern um für mich selbst das Umfeld zu haben, in dem ich mich wohl (und "ungestört") fühle.
Unabhängig davon ist es aber idR so, dass der soziale Friede dort wesentlich stabiler ist, wo die Einwohner eines Stadtteils bzw. einer Stadt im Hinblick auf ihre Einkommensverhältnisse / ihres unterschiedlichen Wohlstands stärker vermischt und weniger getrennt von einander sind.

Umgekehrt kommt es doch gerade in den Gegenden, wo überwiegend oder ausschließlich sozial schwache Familien / Haushalte eher zu Zwischenfällen. Das ganze schlägt dann ggf. auf die Stadtteile durch, wo sich die sogenannte "Mittelschicht" konzentriert. Was dann wiederum die "Reichen" dazu bewegt, sich noch stärker einzuigeln. Es ist ein Teufelskreis.

Ob reiche Menschen andere als Menschen zweiter Klasse sehen und sich ihnen gegenüber arrogant und ignorant verhalten oder sich gegen die Aufhebung von sozialer Benachteiligung wenden, weiß ich nicht.
Den Rummel um den Umbau des hamburger Schulsystems etwa schon wieder vergessen? Oder die ständig wiederkehrende Hartz4-Hetze? Die arrogante Art eines Freiherrn, der sich selbstherrlich über wissenschaftliche Standards hinweg gesetzt hat und nicht mal öffentlich seine Schuld eingesteht und lieber die Familie vorschiebt?

Der Mist geht doch schon los, wenn du dich nur mit Leuten aus der sogenannten Mittelschicht unterhälst dich nichts besseres zu tun haben, als sich darüber zu freuen, raus aus dem sozialen paritätischen Absicherungssystem zu kommen. Es wurden Gesetze geschrieben, die es ermöglichen, dass sich Menschen mit einem guten/sehr guten Einkommen billiger versichern dürfen als jene unteren Einkommensbereich; und dann besitzen sie auch noch die Dreistigkeit, darüber zu schimpfen, wie kaputt das gesetzliche Absicherungssystem doch ist.

Gemeinwohl ist was für Leute, die sich was anderes nicht leisten können und selbst das haben sie offenbar nicht verdient. Am besten für nen Hungerlohn malochen lassen bis sie tot umfallen. Gibt doch noch Millionen andere, die auch auf Arbeit warten und zu denen wollen die fleißigen Arbeiter ja alle nicht gehören. Ach, lässt sich mit so ner Reserve-Armee doch herrlich erpressen. Hat ja früher auch gut funktioniert.  ::)

Just das ist dann auch die Gefahr des sich-gegenseitig-Abschottens: Gibt es nicht einmal im Kindergarten oder der Schule Berührungspunkte der verschiedenen Gruppen, ist das Verständnis für die andere Gruppe auch sofort tot. Man kennt sie schließlich nicht, kannte sie nie, und was man nicht kennt, das kann man auch ohne große Bauchschmerzen verachten.
Zwar funktioniert's auch mitunter, wenn man sich kennt ("der Ali da umme Ecke ist voll ok, aber der ist ne Ausnahme, Ausländer sind trotzdem alle scheiße und müssen weg"), diese Abneigung und der Hass, aber es geschieht doch -zum Glück- deutlich seltener.
Seh ich genauso.

Auf die Frage zum Antonym zu Gentrification; das wäre offenbar Abandonment.
Zitat
baulicher Verfall und allgemeine Qualitätsverschlechterung eines Wohnumfeldes (Verwahrlosung) in innerstädtischen Mietsquartieren sowie in Minderheitenvierteln am Stadtrand durch Abwanderung wohlhabender Bevölkerungsschichten bzw. den Rückzug von Investoren
http://www.wissenschaft-online.de/abo/lexikon/geogr/2
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Spambot am 07 März 2011, 18:11:09
Unabhängig davon ist es aber idR so, dass der soziale Friede dort wesentlich stabiler ist, wo die Einwohner eines Stadtteils bzw. einer Stadt im Hinblick auf ihre Einkommensverhältnisse / ihres unterschiedlichen Wohlstands stärker vermischt und weniger getrennt von einander sind.

Gibt es dafür Beispiele? Ich kenne nur ein aktuelles Gegenbeispiel. In Berlin Friedrichshain (ein Musterbeispiel für Gentrifizierung) gibt es noch ein paar alternative Wohnprojekte und nicht sanierte Häuser in einem ansonsten weitgehend sanierten Viertel. Politisch motivierte Sachbeschädigungen an Autos, Geschäften oder Cafes gibt es dort fast jede Woche. In den Supermärkten läuft Security rum. Sozialen Frieden stelle ich mir anders vor. Im Gegensatz dazu ist der soziale Frieden in Blankenese sehr wahrscheinlich deutlich stabiler.

Meinst du wirklich, man sollte von Einzelpersonen, Einzelmeinungen oder einzelnen Ereignissen pauschal auf die Eigenschaften und Einstellungen ganzer Bevölkerungsgruppen (hier: die Reichen oder die Mittelschicht) schließen? Mit der Einstellung wirst du aber nicht in Frieden mit andersartigen Nachbarn in einem durchmischten Stadtteil leben können.


Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: messie am 07 März 2011, 20:08:51
Zitat
Politisch motivierte Sachbeschädigungen an Autos, Geschäften oder Cafes gibt es dort fast jede Woche.

Du hast dir deine Frage damit im Prinzip bereits beantwortet: Der soziale Unfrieden ist politisch motiviert und nicht sozial, er ist eine unmittelbare Folge der Gentrifizierung, weil die Ansässigen nicht so Betuchten, die vertrieben werden sollen, sich das nicht so einfach gefallen lassen und lieber Radau machen als alles sttill hinzunehmen, was dort geschieht.
Eine Freundin von mir ebendort bekommt das derzeit brühwarm mit, da stehen einem die Haare zu Berge, was da gerade abgeht.

Ein sozial motivierter Unfrieden wäre eher einer der Sorte, dass Personen einer anderen Schicht ohne politische "Nachhilfe" hinzuzieht und diese gemobbt wird, weil sie nicht zu den anderen gehört.
Diese Gewalt läuft aber häufig deutlich subtiler ab: An den Kindergärten und Grundschulen werden die "Andersartigen" ausgegrenzt, unter Nachbarn wird abfällig getratscht, die Neuen totgeschwiegen und damit wie Aussätzige behandelt.
Wenn dann noch körperliche Gewalt hinzukommt (z.B. Angriffe gegen die "Neuen" mit dem Ziel, sie wieder zu vertreiben), ist das Kind, fürchte ich, längst schon in den Brunnen gefallen und eh nix mehr zu retten.
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: l3xi am 07 März 2011, 20:30:23
Meinst du wirklich, man sollte von Einzelpersonen, Einzelmeinungen oder einzelnen Ereignissen pauschal auf die Eigenschaften und Einstellungen ganzer Bevölkerungsgruppen (hier: die Reichen oder die Mittelschicht) schließen?
Viele Einzelfälle ergeben zwangsläufig ein Bild, das den Rest beginnt zu überlagern. Je nach Häufigkeit dieser "Einzelfälle".

Mit der Einstellung wirst du aber nicht in Frieden mit andersartigen Nachbarn in einem durchmischten Stadtteil leben können.
Selbstverständlich geht das. Es kommt mir manchmal so vor, als wirfst du mir/anderen Schwarz-Weiß-Denken vor und bist aber selbst nicht in der Lage, Grau-Stufen wahrzunehmen. Nichts für ungut.

Der soziale Unfrieden ist politisch motiviert und nicht sozial, er ist eine unmittelbare Folge der Gentrifizierung, weil die Ansässigen nicht so Betuchten, die vertrieben werden sollen, sich das nicht so einfach gefallen lassen und lieber Radau machen als alles sttill hinzunehmen, was dort geschieht.
Eine Freundin von mir ebendort bekommt das derzeit brühwarm mit, da stehen einem die Haare zu Berge, was da gerade abgeht.
So schaut's aus. Ein sich freiwillig entwickelndes Stadtviertel mit verschiedensten Bevölkerungsschichten kann viel mehr abfedern. Die Wahrscheinlichkeit, dass es Menschen dieser unterschiedlichen "Schichten" verbindet ist idR viel größer. Was anderes habe ich auch gar nichts behauptet. Ich sprach beim "Optimalfall" immer von einer breit gefächerten Mischung. Selbstverständlich auch vorausgesetzt, dass die überwiegende Masse an "Beteiligten" eben nicht zum "sozialen Unfrieden" neigt. Dann hat man nämlich das von messi angesprochene Problem.

Ein sozial motivierter Unfrieden wäre eher einer der Sorte, dass Personen einer anderen Schicht ohne politische "Nachhilfe" hinzuzieht und diese gemobbt wird, weil sie nicht zu den anderen gehört.
Diese Gewalt läuft aber häufig deutlich subtiler ab: An den Kindergärten und Grundschulen werden die "Andersartigen" ausgegrenzt, unter Nachbarn wird abfällig getratscht, die Neuen totgeschwiegen und damit wie Aussätzige behandelt.
Wenn dann noch körperliche Gewalt hinzukommt (z.B. Angriffe gegen die "Neuen" mit dem Ziel, sie wieder zu vertreiben), ist das Kind, fürchte ich, längst schon in den Brunnen gefallen und eh nix mehr zu retten.
Zumal das sehr viel stärker unterschwellig und indirekt ausgelebt wird.
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Spambot am 07 März 2011, 23:19:06
Du hast dir deine Frage damit im Prinzip bereits beantwortet: Der soziale Unfrieden ist politisch motiviert und nicht sozial, er ist eine unmittelbare Folge der Gentrifizierung, weil die Ansässigen nicht so Betuchten, die vertrieben werden sollen, sich das nicht so einfach gefallen lassen und lieber Radau machen als alles sttill hinzunehmen, was dort geschieht.
Eine Freundin von mir ebendort bekommt das derzeit brühwarm mit, da stehen einem die Haare zu Berge, was da gerade abgeht.

Die drastische Gentrifizierung in B-Friedrichshain hat zu der ungewöhnlichen Mischung verschiedener Bevölkerungsschichten geführt, wie man sie sonst kaum in Großstädten vorfindet. Normalerweise ist das ein schleichender Prozess (wie in Ottensen oder der Schanze). Die Sache hat sich in ein paar Jahren auch erledigt, wenn alle Häuser saniert worden sind. Für mich ist das ein klassischer sozialer Konflikt zwischen den gegensätzlichen Interessen bestimmter Bevölkerungsgruppen. Neue zahlungskräftigere Mieter ziehen in ein ehemals vergammeltes Viertel und einige der verbliebenen Einwohner mit geringem Einkommen lassen ihre Wut an diesen neuen Nachbarn aus, weil sie keinen wirklich Schuldigen finden können. Die eine Gruppe fürchtet durch die schnell steigenden Mieten vertrieben zu werden und die neuen Einwohner wollen nur in Ruhe gelassen werden. Man kann den neuen Mietern schlecht die Schuld dafür geben, dass in das Viertel investiert wurde. Da die alten Gebäude in diesem besonderen Fall oft in einem extrem schlechten Zustand (Ofenheizung, teilweise Klo im Hausflur, etc.) waren, wird wohl auch niemand ernsthaft die Notwendigkeit einer Sanierung bei einem derart zentralen Stadtteil in Frage stellen. Die Politik hatte da sicherlich keine große Wahl. Nunja, bessere Wohnqualität und Investitionen lassen sich Vermieter natürlich auch bezahlen.
Ob diese Entwicklung tatsächlich zu regelmäßigem Abschottungsverhalten führt, bezweifel ich. So ein Stadtteil ist nicht isoliert. Arbeitsplätze, Vereine und Schulen (etc.) verzahnen benachbarte Stadtteile, wenn die Unterschiede nicht zu groß sind. Bei großen Unterschieden zwischen Wohngebieten ist die Angst vor sozialem Abstieg natürlich nicht zu unterschätzen und dürfte insbesondere bei der Auswahl von Schulen eine wichtige Rolle spielen.

@l3xi: Ich hab dir nicht schwarz-weiß Denken, sondern Vorurteile vorgeworfen. Kennst du eigentlich ein Beispiel für deinen Musterstadtteil, oder ist das eher eine Utopie von der du glaubst, dass sie besser als der status quo ist?

Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Eisbär am 08 März 2011, 12:40:19
Musterstadtteile fallen mir da nicht ein. Aber Dörfer haben oft noch die totale Durchmischung.
Allerdings haben die meist auch ein völlig anderes soziales zusammenleben
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: l3xi am 09 März 2011, 11:42:32
@l3xi: Ich hab dir nicht schwarz-weiß Denken, sondern Vorurteile vorgeworfen. Kennst du eigentlich ein Beispiel für deinen Musterstadtteil, oder ist das eher eine Utopie von der du glaubst, dass sie besser als der status quo ist?
Du bist lustig. Glaubst du, die zuständigen Behörden für Stadtentwicklung bundesweit stellen ihre Programme zur Stadtentwicklung aktuell vermehrt anhand des Leitfadens "Soziale Stadt" (http://www.sozialestadt.de/veroeffentlichungen/arbeitspapiere/band3/3_argebau.shtml) aus Langeweile um?

Ein Auszug:
Zitat
3.1 Bürgermitwirkung, Stadtteilleben

Ziele:

    * Aktivierung örtlicher Potenziale, Hilfe zur Selbsthilfe
    * Entwicklung von Bürgerbewusstsein für den Stadtteil,
    * Schaffung selbsttragender Bewohnerorganisationen und stabiler nachbarschaftlicher sozialer Netze

Das sowas nicht von heute auf morgen umgesetzt ist, sollte selbst dir klar sein. Das solche Stadtentwicklungsprogramme nicht abends an der bar erstellt werden, auch.

Auf der HP "Soziale Stadt NRW (http://www.soziale-stadt.nrw.de/stadtteile_projekte/profil.php?st=eschweiler-ost)" liest man folgendes:

Zitat
olgende Merkmale belegten eindeutig die soziale und räumliche Benachteiligung:

    * überdurchschnittlicher Anteil an
      
          o sozial schwächeren Bevölkerungsschichten
          o Arbeitslosen und arbeitslosen Jugendlichen
          o Kindern und Jugendlichen
          o Senioren
          o Migranten
    * einseitige Sozialstruktur
    * unterdurchschnittliche Haushaltseinkommen
    * soziale Spannungen
    * Vandalismus
    * starke räumliche Konzentration öffentlich geförderter Wohnungen
    * schlechte Bausubstanz
    * ungepflegte Außenanlagen ohne Gebrauchs- und Erlebniswert
    * schlechter Straßenzustand
    * fehlende Gestaltungs- und Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum
    * fehlende geeignete Aufenthaltsflächen für Kinder und Jugendliche
    * fehlende Treffpunkte für Jung und Alt

Die Historie über den Verlauf des Testprojektes findest du ebenfalls auf der verlinkten Seite - ganz unten.

In Braunschweig gibt es etwas ähnliches. Hier habe ich u.a. ein PDF von einem Referenten gefunden, was nähere Informationen bietet:
http://www-public.tu-bs.de:8080/~skoehne/ws2004/Empirie/Stadtentwicklung_und_das_Programm_Soziale_Stadt_Referat.pdf

Blende es aus, so viel du willst; aber wenn selbst die oftmals recht langsamen Behörden erkannt haben, wie wichtig ausgeglichene Bevölkerungsstrukturen in Stadtteilen sind - eben weil der status quo viel zu oft nicht zufriedenstellend ist, dann ist das nicht mal eben mit der Worthülse Utopie von der Hand zu weisen.
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Spambot am 09 März 2011, 14:11:51
Ich hab mal die Lektüre überflogen. Dort wurde festgestellt, dass "sozial schwächere" Stadtteile besonders viele Probleme haben und daher auch besonders gefördert werden sollten. Dem wird hier wohl niemand widersprechen.
Man versucht diese Stadtteile durch zahlreiche Maßnahmen aufzuwerten, was aber im schlimmsten Fall zur Gentrifizierung führen kann. "Gemischte" Stadtteile in Metropolen, wie du sie vorgeschlagen hast, scheinen nicht zu den Zielen der Regierung zu gehören und dürften wohl auch unrealistisch sein.
Ich befürchte, dass es für dieses komplexe Problem keine einfache Lösung gibt.
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: l3xi am 09 März 2011, 15:29:56
Ich hab mal die Lektüre überflogen. Dort wurde festgestellt, dass "sozial schwächere" Stadtteile besonders viele Probleme haben und daher auch besonders gefördert werden sollten. Dem wird hier wohl niemand widersprechen.
Man versucht diese Stadtteile durch zahlreiche Maßnahmen aufzuwerten, was aber im schlimmsten Fall zur Gentrifizierung führen kann.
Zu dieser Folge kann es aber nur dann kommen, wenn irgendwo in der Kette der Stadtplanung/-entwicklung ein Schlüsselglied schläft oder gemeinwohlschädigend handelt. Die Mittel und Wege sind ja da, Stadtteile strukturmäßig ausgeglichen zu halten.

"Gemischte" Stadtteile in Metropolen, wie du sie vorgeschlagen hast, scheinen nicht zu den Zielen der Regierung zu gehören und dürften wohl auch unrealistisch sein.
Unrealistisch - Hm, soweit würde ich da nicht gehen wollen, denn...

Ich befürchte, dass es für dieses komplexe Problem keine einfache Lösung gibt.
...da dürfte der Hund begraben liegen.

Dumm nur, das ständig das Totschlagargument "ist viel zu teuer" angeführt wird. Dieses komplexe Problem lässt sich nunmal schwer in die enge betriebswirtschaftliche Sicht zwängen, welche derzeit viel zu oft das Denken und Handeln von "Entscheidungsträgern" einengt bzw. verkümmern lässt.

Ich gehe sogar soweit zu sagen, Stadtentwicklung wird immernoch viel zu stark auf die Finanzierung runter gebrochen. An anderer Stelle werden Milliarden mal eben locker gemacht, aber da, wo das Gemeinwohl entschieden betroffen ist, da wird der Cent 5x gewendet unter dem Kredo "Kosten/Nutzenmaximierung"- als ob sämtliche (öffentliche) Lebensbereiche des Menschen strickt und ausschließlich nach diesem beurteilt werden dürfen. Leider nur ein Beispiel von vielen diese ja fast schon pervertierte Sicht der Dinge. :/
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Spambot am 10 März 2011, 09:17:31
Ich bin mir jetzt immer noch nicht sicher, wie du dein Konzept des sozial friedlichen Stadtteils (durch die Mischung verschiedener Einkommensgruppen) umsetzen willst. Mir fallen da nur relativ wenige und gar nicht so gute Ideen ein:
1. Sozialer Wohnungsbau in den vorwiegend von reichen Menschen bewohnten Vierteln (z.B. Hochhäuser in denen man nur mit §5 Schein wohnen darf). Folge: Abandonment.
2. Hochwertigen Wohnraum in armen Vierteln schaffen. Folge: Gentrifizierung.
3. Schüler aus armen Vierteln in reichen Vierteln zur Schule schicken und vice versa. Folge: Aufstand der Eltern.
Vielleicht gibt es Ansätze die ich übersehen habe. Falls es die gibt, bleibt immer noch die Frage, ob das Ergebnis wirklich einen Vorteil für den sozialen Frieden bringt. Wenn die Maßnahmen nicht auf Freiwilligkeit beruhen, ist der Konflikt schon vorprogrammiert.
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: l3xi am 10 März 2011, 14:49:44
Ich bin mir jetzt immer noch nicht sicher, wie du dein Konzept des sozial friedlichen Stadtteils (durch die Mischung verschiedener Einkommensgruppen) umsetzen willst. Mir fallen da nur relativ wenige und gar nicht so gute Ideen ein:
1. Sozialer Wohnungsbau in den vorwiegend von reichen Menschen bewohnten Vierteln (z.B. Hochhäuser in denen man nur mit §5 Schein wohnen darf). Folge: Abandonment.
2. Hochwertigen Wohnraum in armen Vierteln schaffen. Folge: Gentrifizierung.
3. Schüler aus armen Vierteln in reichen Vierteln zur Schule schicken und vice versa. Folge: Aufstand der Eltern.
Vielleicht gibt es Ansätze die ich übersehen habe. Falls es die gibt, bleibt immer noch die Frage, ob das Ergebnis wirklich einen Vorteil für den sozialen Frieden bringt. Wenn die Maßnahmen nicht auf Freiwilligkeit beruhen, ist der Konflikt schon vorprogrammiert.
MMn machst du den Fehler, das du immer nur vom schlimmsten ausgehst bzw. die Stellschrauben eher als Schraubzwinge siehst, die bitte mit nem übergroßen Hammer betägigt werden.

Stadtentwicklung/Planung hört zudem nicht auf dem Reisbrett auf. Ich gehe sogar soweit und behaupte, als einziges Mittel kann sie das Problem gar nicht lösen. Folgende Bereiche müssten da auf jeden Fall noch hinzugezogen werden:

Kinder/Jungendbildung und Erwachsenenbildung
Kultur (entsprechend der Interessengruppen natürlich) / Integration statt Assimilation
Infrastruktur

Ich würde z.B. nie auf die Idee kommen, in einen Wohnblock / Hauseingang nur und ausschließlich §5-Wohnräume zu schaffen. Das gleiche gilt für dein Beispiel mit dem tollen Wohnraum im Armenviertel. Auch arme Kinder in Schulen von reichen Vierteln schicken ist eine Idee, die völlig am Ziel vorbei geht. Die gesunde Mischung macht es. War schon immer so und wird immer so bleiben.
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Simia am 10 März 2011, 15:10:20
auf dem Reisbrett auf.

Sorry, aber der ist niedlich. ;)

So, und jetzt weiterdiskutiert. Wenn mir was Schlaues einfällt, bin ich auch dabei.
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: messie am 10 März 2011, 15:48:19
Wär mal interessant, ein Statement eines Städteplaners dazu zu hören ... denn in der Theorie mag sicher vieles ganz toll klingen, in der Praxis treten aber bestimmt Probleme auf, an die man vorher gar nicht dachte oder sie hätte ahnen können.

Mir als Laie würde jedenfalls einfallen, die "schlechten" Viertel durch entsprechendes Umgestalten attraktiver zu machen und die "guten" durch moderaten bezahlbaren Wohnraum etwas zu durchmischen.
Dass man mitten in Blankenese keinen HartzIV-Wohnsilo hinbauen kann, dürfte ja klar sein, ebenso wie der Bau von Luxusvillen mitten in Mümmelmannsberg sicher auch keine gute Idee wäre. Es hilft aber doch wohl schon, wenn man statt neuen Villen ein paar Reihenhäuser hinstellt, "schlechten" Gegenden einen U-Bahn-Anschluss spendiert wie neue Spielplätze, ein Jugendzentrum, etc. pp. ...

Was hier in Hamburg, ich finde: Zu Recht, negativ auffällt, ist das Ungleichverhältnis der Geldsummen, die für Prestigeobjekte ausgegeben wird, und sozialen Gegenden.
Was alleine die U4 mit ihren paar Haltestellen für Geld kostet ist kaum zu fassen ... und in Billstedt gibt's dann Rückmeldung seitens der Behörden, dass für einen neuen Spielplatz kein Geld da wäre. Da kann man dann auch nur fassungslos danebenstehen angesichts dieses monetären Missverhältnisses.
Solange in die "guten" Gegenden fast 100% des verfügbaren stadtplanerischen Geldes gepumpt werden, kann's ja auch kaum besser werden.
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: schwarze Katze am 10 März 2011, 16:29:26
hendes Umgestalten attraktiver zu machen und die "guten" durch moderaten bezahlbaren Wohnraum etwas zu durchmischen.
Dass man mitten in Blankenese keinen HartzIV-Wohnsilo hinbauen kann, dürfte ja klar sein, ebenso wie der Bau von Luxusvillen mitten in Mümmelmannsberg sicher auch keine gute Idee wäre. Es hilft aber doch wohl schon, wenn man statt neuen Villen ein paar Reihenhäuser hinstellt, "schlechten" Gegenden einen U-Bahn-Anschluss spendiert wie neue Spielplätze, ein Jugendzentrum, etc. pp.

Obwohl in die Nähe von Mümmelamannberg ist ein Neubaugebiet entstanden, der aus netten Einfamilienhäuser besteht. Keine Villen, aber familienfreundlich und gutbürgerlich.
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Spambot am 10 März 2011, 16:50:32
@l3xi:
Kurze Zusammenfassung:
Das Ausgangsproblem war doch, dass es in Großstädten einen sozioökonomischen Differenzierungsprozess gibt, der zu einer Entfremdung zwischen Bevölkerungsgruppen führen kann. Mietpreise und sozioökonomischer Status scheinen eng miteinander verflochten zu sein. Ein besonderes Augenmerk hier im Thread war auf die reiche Bevölkerung und vermeintliche Abschottungstendenzen gerichtet. Dies war neu (zumindest für mich), da gewöhnlich nicht die reiche Bevölkerung, sondern die arme Bevölkerung im Schwerpunkt des Interesses liegt. Klassische Ziele der Stadtentwicklung in Bezug auf soziale Konflikte und Probleme sind daher nicht Interventionen in Stadtvierteln mit wohlhabenden Bürgern, sondern in sozioökonomisch schwachen Stadtteilen. Ich habe die klassische Sichtweise vertreten und den Sinn der neuen Perspektive und damit verbundene Schuldzuweisungen in Frage gestellt.
Hinzu kam deine revolutionäre neue Lösung: Der sozioökonomisch gemischte Stadtteil als Ziel der Stadtentwicklung. Diese Überwindung des sozioökonomischen Differenzierungsprozesses würde dann für sozialen Frieden sorgen und Abschottungsprozesse verhindern. Klingt eigentlich ganz gut. Auch revolutionäre Ideen müssen natürlich realisierbar sein, um nicht als Utopien in der Schublade zu verschwinden. Dieser Realitätscheck ist aus meiner Sicht noch nicht erfolgreich bestanden. Welche Mittel der Stadtentwicklung sind geeignet den soziökonomischen Differenzierungsprozess in einer Großstadt zu stoppen? Außerdem ist immernoch unklar, ob ein Stoppen dieses Prozesses tatsächlich den propagierten sozialen Frieden bringt. Bisher ist das nur eine Vermutung.
Meine Überlegungen zu Maßnahmen der Stadtentwicklung, die eine Überwindung des Differenzierungsprozesses ermöglichen würden, führten in eine Sackgasse. Dir gefallen diese Maßnahmen auch nicht, daher spendierst du ein paar klassische Interventionen, wie man sie heute in vielen ärmeren Stadtvierteln verschiedener Großstädte findet. Plötzlich sprechen wir über gewöhnliche Förderprogramme für sozial Benachteiligte und die Integration von Migranten (das war bisher nie Thema). Somit sind wir von der anfänglichen Schuldzuweisungsdebatte über eine utopische Idee bei der gegenwärtigen Realpolitik mit konventionellen Förderprogrammen für sozial schwache Stadtteile angekommen. Bravo.

@ Messie:
Das Problem ist, dass eine spürbare Aufwertung von "schlechten" Wohngegenden zur Gentrifizierung führt. Am Ende sammeln sich (zumindest tendenziell) die sozioökonomisch Schwachen wieder in den Stadtteilen mit dem niedrigsten Mietniveau und der schlechtesten Infrastruktur. Hinzu kommt das Problem, dass niemand in eine Sanierung investiert, wenn es nicht eine Aussicht auf höhere Mieteinnahmen gibt. Ein paar Reihenhäuser im Villenviertel lösen kein Problem, da die Mittelschicht (also typische Bewohner von Reihenhäusern) auch ohne staatliche Interventionen ganz gut klar kommt. Somit bleiben nur klassische Instrumente, wie Jugendzentren, Sozialarbeiter oder Ganztagsschulen als Interventionsmöglichkeiten mit beschränkter Effektivität übrig. Bei der teilweise sehr fraglichen Verteilung von finanziellen Mitteln zur Stadtentwicklung in Hamburg kann ich dir nur zustimmen.
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: messie am 10 März 2011, 18:01:35
Zitat
Das Problem ist, dass eine spürbare Aufwertung von "schlechten" Wohngegenden zur Gentrifizierung führt.

Nein, das Problem ist, dass die momentane "Aufwertung" ausschließlich in Modernisierungen von Gebäuden besteht, die dann zu deutlich höheren Mieten führt und die Ansässigen sich diese nicht mehr leisten können. Diese Art der Aufwertung ist Vertreibungspolitik und keineswegs eine harmonische Zusammenführung verschiedener Bevölkerungsschichten.
Einen Spielplatz, eine Kita, Fläche für kleine Läden erstellen, das wäre ja mal was. Aber dafür ist dann plötzlich kein Geld mehr da. Das gibt's nur für Luxus-Kaufwohnungen oder Luxusmodernisierungen von Häusern.
Koomisch. ;)
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: Spambot am 10 März 2011, 18:29:01
Naja, die Gebäude werden gewöhnlich von privaten Investoren saniert. Und die investieren erst, wenn sich die Investition lohnt. Das ist eher eine wirtschaftlich und weniger eine politische Entscheidung. Ähnlich sieht es mit Ladenflächen aus. Kleine Ladenflächen verschwinden fast überall, weil man offensichtlich mehr Geld mit großen Ladenflächen verdienen kann. So ein Kik braucht nunmal eine gewisse Mindestfläche. Eine gute Infrastruktur (Kita, Spielplatz, Kino, Supermarkt, Kneipen, Verkehrsanbindung) könnte einen Stadtteil attraktiver machen, was dann langfristig aber auch die Modernisierung von Gebäuden attraktiver macht, da man eine Aussicht auf höhere Mieten hat. Diese Zusammenhänge sollten aber den Staat bzw. die Stadt nicht davon abhalten, eine förderliche Infrastruktur auch in Stadtteilen mit geringem Steueraufkommen zur Verfügung zu stellen.
Titel: Re: Geschlossene Gesellschaft
Beitrag von: l3xi am 10 März 2011, 19:34:36
auf dem Reisbrett auf.
Sorry, aber der ist niedlich. ;)
Muss auch mal sein. ;)

Zitat
Das Problem ist, dass eine spürbare Aufwertung von "schlechten" Wohngegenden zur Gentrifizierung führt.
Nein, das Problem ist, dass die momentane "Aufwertung" ausschließlich in Modernisierungen von Gebäuden besteht, die dann zu deutlich höheren Mieten führt und die Ansässigen sich diese nicht mehr leisten können. Diese Art der Aufwertung ist Vertreibungspolitik und keineswegs eine harmonische Zusammenführung verschiedener Bevölkerungsschichten.
Danke messie. ^^

Sehr gute Beispiele wären da denke ich der Wandel von Eimsbüttel und immo die Schanze.

Das Ausgangsproblem war doch, dass es in Großstädten einen sozioökonomischen Differenzierungsprozess gibt, der zu einer Entfremdung zwischen Bevölkerungsgruppen führen kann. Mietpreise und sozioökonomischer Status scheinen eng miteinander verflochten zu sein. Ein besonderes Augenmerk hier im Thread war auf die reiche Bevölkerung und vermeintliche Abschottungstendenzen gerichtet. Dies war neu (zumindest für mich), da gewöhnlich nicht die reiche Bevölkerung, sondern die arme Bevölkerung im Schwerpunkt des Interesses liegt.
Diese Wandlung kam auch eher schleichend in den letzten Jahren. Zumindest kam mir das so vor.

Der sozioökonomisch gemischte Stadtteil als Ziel der Stadtentwicklung. Diese Überwindung des sozioökonomischen Differenzierungsprozesses würde dann für sozialen Frieden sorgen und Abschottungsprozesse verhindern.
Ob diese Variante Abschottungsprozesse verhindern kann? Mit Sicherheit nicht immer. Aber ich bin der Ansicht, es ist eine Möglichkeit, am ehesten jenen negativen Prozess zumindest zu behindern. Aber ich stimme mit dir dahingehend überein, dass diese Art der Entwicklung/Planung einen äußerst schmalen Grad entlang gehen würde.

Es scheint aber weitaus sinniger den Versuch zu wagen, als Milliarden in irgendwelchen Prestige-Objekten zu versenken, von denen ein großer Teil der Einwohner wenig bis gar nichts haben.


Klingt eigentlich ganz gut. Auch revolutionäre Ideen müssen natürlich realisierbar sein, um nicht als Utopien in der Schublade zu verschwinden.
Da gehe ich uneingeschränkt mit. :) Dies beinhaltet aber auch eine objektive Analyse im Falle des Scheiterns. Ich denke, da sind wir uns einig. :)


Somit sind wir von der anfänglichen Schuldzuweisungsdebatte über eine utopische Idee bei der gegenwärtigen Realpolitik mit konventionellen Förderprogrammen für sozial schwache Stadtteile angekommen. Bravo.
Och, so ist das nun mal bei Diskussionen. Kann immer wieder passieren, das man völlig unbeachtete Aspekte plötzlich im Mittelpunkt hat. :)


Das Problem ist, dass eine spürbare Aufwertung von "schlechten" Wohngegenden zur Gentrifizierung führt. Am Ende sammeln sich (zumindest tendenziell) die sozioökonomisch Schwachen wieder in den Stadtteilen mit dem niedrigsten Mietniveau und der schlechtesten Infrastruktur. Hinzu kommt das Problem, dass niemand in eine Sanierung investiert, wenn es nicht eine Aussicht auf höhere Mieteinnahmen gibt.
Das Tolle daran ist, wenn man wollte, könnte man die Gentrifizierung verhindern. Wenn man aber lieber öffentliche Immobilien an private Investoren verschenkt, dann muss man sich auch nicht wundern, wenn so etwas passiert.

Ein paar Reihenhäuser im Villenviertel lösen kein Problem
Sowas hat doch auch niemand behauptet.  ::)


Somit bleiben nur klassische Instrumente, wie Jugendzentren, Sozialarbeiter oder Ganztagsschulen als Interventionsmöglichkeiten mit beschränkter Effektivität übrig. Bei der teilweise sehr fraglichen Verteilung von finanziellen Mitteln zur Stadtentwicklung in Hamburg kann ich dir nur zustimmen.
Hm...wie war das denn im Gängeviertel? Das konnte auch vor dem Abriss bewahrt werden. Dafür bedurfte es allerdings eines Zusammenschlusses der Anwohner vor Ort und weiterer Unterstützer. Für mich ist das allerdings ein Zeichen, dass es Möglich ist, einer Gentrifizierung erfolgreich entgegen zu wirken. :)

Wär mal interessant, ein Statement eines Städteplaners dazu zu hören ... denn in der Theorie mag sicher vieles ganz toll klingen, in der Praxis treten aber bestimmt Probleme auf, an die man vorher gar nicht dachte oder sie hätte ahnen können.
Ja, das wäre wirklich mal interessant. :/