Schwarzes Hamburg

Schwarzes Hamburg => Gedankenaustausch => Thema gestartet von: RaoulDuke am 26 November 2012, 10:47:32

Titel: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: RaoulDuke am 26 November 2012, 10:47:32
Hm, einfach mal laut gedacht: Ich habe vor kurzem über ein Buch mit dem Titel "The Singularity Is Near" (http://en.wikipedia.org/wiki/The_Singularity_Is_Near) von Ray Kurzweil gelesen, der die interessante These "we can live long enough to live forever" aufgestellt hat - dass wir nämlich, wenn wir lang genug leben, praktisch ein Backup unseres Gehirninhalts in einen Computer durchführen können und damit ewiges Leben erreichen könnten, also zumindest so lange der entsprechende Computer funktioniert.

Das menschliche Wesen als einen downloadbaren Datensatz zu begreifen, impliziert jedoch, daß es eben nichts mehr gibt als Software in einer Art biologischem Computer, und dass das alles ist, was uns ausmacht. Klingt ja alles irgendwie verlockend, aber so richtig überzeugt bin ich noch nicht. Wenn das alles einfach ein Software-Thema ist, wieso haben wir dann bisher offensichtlich nur sehr geringen Einblick in die Funktionsweise bekommen? Warum konnten wir bisher nur mit Riesenaufwand Programme entwickeln, die beim Turing Test (http://de.wikipedia.org/wiki/Turing_Test) auch nur ansatzweise gut abschneiden?

So unwahrscheinlich, wie die ganze Welt und alles auf ihr erscheint (ich muss da wohl kaum ins Detail gehen, nüchtern betrachtet ist die Existenz des Universums so wie es ist unbestreitbar ein Sachverhalt zum die Augenbraue hochziehen), erscheint es mir nicht als abwegig, anzunehmen, die menschliche Natur sei nicht simulierbar, weil es Komponenten gibt, die sich mit schlichter Software nicht abbilden lassen: So gibt es nicht den geringsten Hinweis, daß Software entwickelbar ist, die ein eigenes Bewußtsein entwickeln kann (piece of cake für Skynet, das geistige Zuhause des Terminators, aber so im wirklichen Leben?)...

Zudem gibt es so viele konkurrierende Erklärungsmodelle, die auch einiges Beharrungsvermögen an den Tag gelegt haben, beispielsweise zahllose theistische Ansätze oder Ansätze, die hinterfragen, ob die wahrgenommene Realität auch die tatsächliche Realität ist und daher ggf. aus diesem Grund bereits nicht erklärbar oder erklärungswürdig. Einen der interessantesten Ansätze habe ich zu meinen eigenen Erstaunen hier im Forum gelesen, von einem gewissen Herrn Kenaz, der die folgende abgefahrene These aufwarf: "Wir spielen alle genau das Spiel, das wir verdienen, denn wir haben es uns ausgesucht. Jeder einzelne von uns. Und zwar schon immer, zu jeder Zeit der Geschichte und auf jedem geographisch möglichen Punkt." (http://www.schwarzes-hamburg.com/index.php/topic,109.msg584568.html#msg584568) Hier wird gewissermaßen Ursache und Wirkung vertauscht, so daß wir der Welt nicht nur begegnen, sondern sie letztlich sogar erschaffen haben. Weiter weg von Software geht nicht - so richtig plausibel kam es mir jedoch nicht vor (mich würden übrigens immer noch weitere Ausführungen interessieren! :-] )...

Ich gebe es zu: Ich bin, was die Thematik angeht, einigermaßen verwirrt - aber die Frage, ob wir denn nun eine Seele haben, das heisst etwas besitzen oder gar sind, das sich nicht in Materie (oder elektrischen Ladungszuständen) widerspiegelt, hochinteressant. Hätte ja auch ganz klare Folgen:

a) Das Wesen ist Software: Ab morgen nur noch Trennkost und Vitamindiät. Hoffentlich lebt man dann lang genug bis zum Download-Szenario.

b) Wir haben eine Seele: Dreh' den Gashahn auf und genieß das Leben! Ist alles schon richtig so, und wenn man bald ins Gras beißt, ist's ja nur der Körper. :)

(am Montag morgen eine Stunde Leerlauf auf Arbeit scheint mich auf merkwürdige Gedanken zu bringen *g*)
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: sYntiq am 26 November 2012, 11:16:05
Wenn das alles einfach ein Software-Thema ist, wieso haben wir dann bisher offensichtlich nur sehr geringen Einblick in die Funktionsweise bekommen? Warum konnten wir bisher nur mit Riesenaufwand Programme entwickeln, die beim Turing Test (http://de.wikipedia.org/wiki/Turing_Test) auch nur ansatzweise gut abschneiden?
Nur mal so als wertungsfreier Einwurf: Weil wir intelligenztechnisch evtl. noch nicht so weit sind entsprechende Software, oder auch die dafür leistungsfähige Hardware zu schaffen? Nur weil wir etwas sind, bzw. angeblich sein sollen, heisst das ja nicht dass wir uns automatisch auch genau damit gut auskennen müssen.
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: nightnurse am 26 November 2012, 15:41:48
...ein Backup unseres Gehirninhalts in einen Computer durchführen können und damit ewiges Leben erreichen könnten, also zumindest so lange der entsprechende Computer funktioniert.

Ehm...ja, und dann? Klingt für mich ungefähr so verlockend wie locked-in-syndrom (http://en.wikipedia.org/wiki/Locked-in_syndrome), nur, daß es ohne sensorischen Input (oder wird man das Problem dann automatisch mitgelöst haben?) länger zu dauern, äh, "verspricht".

Was die Seele angeht, ist Dein Punkt a vielleicht nur ein Unterpunkt unter der Überschrift "wenn wir sterben, sind wir ganz tot". Vielleicht ist schon "Software" zu hoch gegriffen und wir sind nur elektrochemische Maschinen ( kein schöner Gedanke, ne).

Womöglich wird die Wissenschaft eines Tages die Existenz einer Software oder einer unsterblichen Seele nachweisen können.
Bis dahin...ist mir das eigentlich gar nicht wichtig, ich finde Raouls Folgerung aus Punkt a) (der, wenn ich nichts übersehen habe, dem momentanen Stand des Wissens entspricht) gar nicht so klar: Ich bleibe bei Alkohol, Pommes und Schokolade, weil ich nur von diesem Leben sicher bin, es zu haben (bitte fügen Sie hier Matrix- oder sonstige Illusionsanmerkungen Ihrer Präferenz ein) und bislang auch noch kein Interesse an ewigem Leben entwickeln konnte.
Punkt b) hat ja bekanntlich auch noch einen ganzen hypothetischen Rattenschwanz: Was passiert denn nach dem Tod mit der Seele? Und haben wir Einfluss darauf? Ist es möglich, daß irgendeine der bislang zu diesem Thema angestellten Überlegungen zutrifft? Ist vielleicht gar nicht so einfach mit dem Genießen?

Ich bleibe auf meinem einfach gezimmerten, Sicherheit vermittelnden materialistischen Stühlchen  :), freue mich aber auf und über eventuell angebotene "abgefahrene" Ansätze.




P.S., zu meiner Zeit™ war "den Gashahn aufdrehen" noch synonym mit "das Leben beenden" ;)
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: nightnurse am 26 November 2012, 17:14:19
(Mit dem Locked-In-Syndrom-Vergleich setze ich allerdings schon völlig grundlos voraus, daß die Persönlichkeitssoftware nicht nur irgendwie gespeichert ist, sondern auch in einer Form zum Laufen gebracht wird, die als "Leben" bezeichnet werden könnte)
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: DarkDevil am 26 November 2012, 18:39:13
Da kommt in mir doch wieder eine etwas ältere, immer noch unbeantwortete Frage zum Vorschein. Was bezeichnet man denn als 'ich'? Ist es nur das Bewußtsein, also die Summe aller Ströme im Gehirn, oder gehört auch etwas Materielles dazu, sprich der Körper?
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: DunkelBunt am 26 November 2012, 19:39:45
OMG mir dröhnt der Schädel!  ;D

Da kommt in mir doch wieder eine etwas ältere, immer noch unbeantwortete Frage zum Vorschein. Was bezeichnet man denn als 'ich'? Ist es nur das Bewußtsein, also die Summe aller Ströme im Gehirn, oder gehört auch etwas Materielles dazu, sprich der Körper?
Ich denke, es gehört alles zusammen, damit man von einem "Ich" sprechen kann.

Wenn ich mir die letzten Beiträge so durchlese, finde ich, fehlt da etwas. Nämlich die Klärung wo die Seele und/oder das Wesen überhaupt her kommen? Die Persönlichkeit eines Menschen entwickelt sich im laufe des Lebens (bei dem Einen früher, bei den Anderen später) den Körper hat man, aber der Rest, wo kommt der her?

Genau das gleiche mit der Wahrnehmung; Wie kann es sein, dass Menschen eine Situation unterschiedlich wahrnehmen, denn es gibt doch nur eine Realität?

(Ja, ich weiß, ich schweife mal wieder vom Thema ab, aber das sind Dinge, um die ich mir vorher Gedanken machen würde, bevor ich mir irgendwleche "Wesens-Software" zusammen tüddeln würde ^^ (Und es kommt nur noch sehr selten vor, dass ich mir wirklich ernsthafte Gedanken drum mache, denn ich werde NIE eine Antwort darauf finden! ;)))
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: DarkDevil am 26 November 2012, 19:48:44
OMG mir dröhnt der Schädel!  ;D

Da kommt in mir doch wieder eine etwas ältere, immer noch unbeantwortete Frage zum Vorschein. Was bezeichnet man denn als 'ich'? Ist es nur das Bewußtsein, also die Summe aller Ströme im Gehirn, oder gehört auch etwas Materielles dazu, sprich der Körper?
Ich denke, es gehört alles zusammen, damit man von einem "Ich" sprechen kann.
Wie sieht es denn aus, wenn du ein Spender-Organ bekommst, dann bist du ja nicht mehr komplett 'du'? Also ich würde mich dann immer noch als mich selbst fühlen, glaube ich.
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: nightnurse am 26 November 2012, 19:55:42
Wenn ich mir die letzten Beiträge so durchlese, finde ich, fehlt da etwas. Nämlich die Klärung wo die Seele und/oder das Wesen überhaupt her kommen? Die Persönlichkeit eines Menschen entwickelt sich im laufe des Lebens (bei dem Einen früher, bei den Anderen später) den Körper hat man, aber der Rest, wo kommt der her?

Mhm.
Es wird ja gerne zwischen "Seele" und "Geist" unterschieden, da fange ich dann schon an, nicht mehr mitzukommen, aber wenn man annimmt, daß die Seele vom Körper unabhängig sei, muss sie auch irgendwo herkommen. Erben wir die? Bekommt jeder eine eigene? Haben wir alle dieselbe? Und anyway, woher also kommt sie?

Genau das gleiche mit der Wahrnehmung; Wie kann es sein, dass Menschen eine Situation unterschiedlich wahrnehmen, denn es gibt doch nur eine Realität?

Es gibt ja Leute, die genau das abstreiten  :), aber daß wir jeder die Dinge aus anderen Perspektiven wahrnehmen, finde ich noch einigermaßen nachvollziehbar.

 
(Und es kommt nur noch sehr selten vor, dass ich mir wirklich ernsthafte Gedanken drum mache, denn ich werde NIE eine Antwort darauf finden! ;))

Ich auch \o/
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Sapphia am 26 November 2012, 20:39:42
Ich glaube sehr wohl, dass lebende Wesen eine Seele haben, also nicht nur der heutige Mensch, sondern auch Tiere, ja sogar Pflanzen und "primitive" Lebensformen.

Der Mensch hat lediglich eine höher entwickelte Form der Seele, da er sich darüber Fragen stellen kann.

Ich glaube, die Seele kommt dadurch ins Spiel, dass es mehr als eines Haufens Atome und Moleküle bedarf, um ein lebendes Wesen zu formen. Das Lebende ist mehr als die Summe seiner Bestandteile.

Mit einem konkreten Lebensfaden, der Trajektorie durch Raum und Zeit, bekomme ein Lebewesen seine Identität und Individualität. Aus dem beseelten Leben entwickelt sich das "Ich".

Ich glaube ferner, dass ein System - also auch der Mensch - weder sich selbst erfassen noch erklären kann.

Die Möglichkeit, Persönlichkeit abzuspeichern, halte ich für unsinnig. Das ist eher Fiction als Science. Heutige Computer sind stupide Rechenmaschinen, die nur das abarbeiten, was ihnen der Programmierer eintippt. Da hilft auch kein Pseudo-Zufallsprozess weiter, der eine der vorgekauten Alternativen wählt. Das ist also Kritik an der "künstlichen Intelligenz".

Bis heute gibt es keinen Algorithmus, um "Liebe" zu programmieren.

Nehmen wir aber einmal an, es gäbe doch eine Speicher- und Abfrage-Möglichkeit. Mein "Ich" wäre also zu einem bestimmten Zeitpunkt archiviert. Im Falle einer Abfrage würde also meine Zukunft zurückgesetzt auf den Speicherzeitpunkt, sprich mein aktuelleres "Ich" würde ausgelöscht. Das widerspräche der Absicht, mein "Ich" zu speichern.

Nun folgere ich weiter, ich würde n-mal "wiederhergestellt". Es laufen also lauter Ichs herum. Ich hasse Menschenmengen. Folglich werde ich mich von mir fern halten und eigene Wege gehen - die Grundlage, dass es mich nicht mehr n-fach gibt.

Noch schlimmer: Ich beobachte mich, wie ich mich wieder herstelle. Sollte ich mich ansprechen, da ich erfahrener bin?

Deshalb öffne ich jetzt lieber eine Flasche Rotwein.

p.s.:  Was passiert, wenn "Ich" eine multiple Persönlichkeit bin? Mir wird schwindelig, aber nicht nur von Wein.
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: EL am 28 November 2012, 16:00:22
Because of you mentioned name of Ray Kurzweil... (Doesn't he suffers by the Cassandra's complex by the way?   ;D )
I suspect, Raoul, you was a little bit cunning, when you asked about existence of the soul.  ;)
Did you want to talk about something like THIS (http://www.bbc.co.uk/news/technology-18017745) maybe? Then it begins to be clear.. :D

The "soul" or "spirit" is the a characteristic unique human trait ( but maybe not only human ( for example -  a suffering dog on the grave of late owner),  nevertheless it's a "singular" line reflecting capacity for the emotional experiencing of one or another events. This line based not just on a "mechanical"(genetic) level, but it's formed with the process of development of man. This is a complex of "integral" reactions of organism to every moment of events, places, time and circumstances which continuously affect everybody, requiring him to the permanent psycho-emotional reaction. 

In theory it's possible to create the prototype of brain, even to teach him to some reactions in reply to auditory, visual, olfactory etc.  irritants or ... to create the robot, which would copy reactions from one or another man. But just a man with his unique occurring every minute experiences is a carrier his personal riches only - his soul.  And every information like books, films, articles, events, what he choose for himself during his life or didn't choose, but it was happened with him by chance, independently from his wishes - this all forms the "soul" experiences of man.

If we suppose the robot starts independently emotionally to respond to some phenomena, events, etc,....even if he will full of his(its) memory with huge information, it would difficult to teach him to think as a man...
What kind of experiences the robot should have, to develop as a person then?
He would should live among the people, to move as they, to analyze, to feel everything from the pain to joy as people feel.. 

Is it possible?   Does not exist technology yet that would form an appropriate bio-robot...
Maybe someday in the future ... Ooooooo!!

But I don't believe to a reasonableness and foresight of humanity.  ??? :-\
Until now people even can't make the necessary production of spare organs, to eliminate a donorship for example.
Unfortunately human innovative technologies rather are used for military purposes, not for the good of humanity.
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Graf Edward Zahl am 30 November 2012, 06:57:57
Hm, einfach mal laut gedacht: Ich habe vor kurzem über ein Buch mit dem Titel "The Singularity Is Near" (http://en.wikipedia.org/wiki/The_Singularity_Is_Near) von Ray Kurzweil gelesen, der die interessante These "we can live long enough to live forever" aufgestellt hat - dass wir nämlich, wenn wir lang genug leben, praktisch ein Backup unseres Gehirninhalts in einen Computer durchführen können und damit ewiges Leben erreichen könnten, also zumindest so lange der entsprechende Computer funktioniert.

Das menschliche Wesen als einen downloadbaren Datensatz zu begreifen, impliziert jedoch, daß es eben nichts mehr gibt als Software in einer Art biologischem Computer, und dass das alles ist, was uns ausmacht. Klingt ja alles irgendwie verlockend, aber so richtig überzeugt bin ich noch nicht. Wenn das alles einfach ein Software-Thema ist, wieso haben wir dann bisher offensichtlich nur sehr geringen Einblick in die Funktionsweise bekommen? Warum konnten wir bisher nur mit Riesenaufwand Programme entwickeln, die beim Turing Test (http://de.wikipedia.org/wiki/Turing_Test) auch nur ansatzweise gut abschneiden?

So unwahrscheinlich, wie die ganze Welt und alles auf ihr erscheint (ich muss da wohl kaum ins Detail gehen, nüchtern betrachtet ist die Existenz des Universums so wie es ist unbestreitbar ein Sachverhalt zum die Augenbraue hochziehen), erscheint es mir nicht als abwegig, anzunehmen, die menschliche Natur sei nicht simulierbar, weil es Komponenten gibt, die sich mit schlichter Software nicht abbilden lassen: So gibt es nicht den geringsten Hinweis, daß Software entwickelbar ist, die ein eigenes Bewußtsein entwickeln kann (piece of cake für Skynet, das geistige Zuhause des Terminators, aber so im wirklichen Leben?)...

Zudem gibt es so viele konkurrierende Erklärungsmodelle, die auch einiges Beharrungsvermögen an den Tag gelegt haben, beispielsweise zahllose theistische Ansätze oder Ansätze, die hinterfragen, ob die wahrgenommene Realität auch die tatsächliche Realität ist und daher ggf. aus diesem Grund bereits nicht erklärbar oder erklärungswürdig. Einen der interessantesten Ansätze habe ich zu meinen eigenen Erstaunen hier im Forum gelesen, von einem gewissen Herrn Kenaz, der die folgende abgefahrene These aufwarf: "Wir spielen alle genau das Spiel, das wir verdienen, denn wir haben es uns ausgesucht. Jeder einzelne von uns. Und zwar schon immer, zu jeder Zeit der Geschichte und auf jedem geographisch möglichen Punkt." (http://www.schwarzes-hamburg.com/index.php/topic,109.msg584568.html#msg584568) Hier wird gewissermaßen Ursache und Wirkung vertauscht, so daß wir der Welt nicht nur begegnen, sondern sie letztlich sogar erschaffen haben. Weiter weg von Software geht nicht - so richtig plausibel kam es mir jedoch nicht vor (mich würden übrigens immer noch weitere Ausführungen interessieren! :-] )...

Ich gebe es zu: Ich bin, was die Thematik angeht, einigermaßen verwirrt - aber die Frage, ob wir denn nun eine Seele haben, das heisst etwas besitzen oder gar sind, das sich nicht in Materie (oder elektrischen Ladungszuständen) widerspiegelt, hochinteressant. Hätte ja auch ganz klare Folgen:

a) Das Wesen ist Software: Ab morgen nur noch Trennkost und Vitamindiät. Hoffentlich lebt man dann lang genug bis zum Download-Szenario.

b) Wir haben eine Seele: Dreh' den Gashahn auf und genieß das Leben! Ist alles schon richtig so, und wenn man bald ins Gras beißt, ist's ja nur der Körper. :)

(am Montag morgen eine Stunde Leerlauf auf Arbeit scheint mich auf merkwürdige Gedanken zu bringen *g*)
(Grundansatz: Backup des Gehirninhalts)
Ich denke der Grundansatz ist zum Teil falsch. Es ist eine naive Annahme, dass Erinnerungen zentral im menschlichen Körper abgespeichert sind. Selbst, wenn wir davon ausgehen, dass Erinnerungen im Gehirn abgespeicher sind, ist man derzeit nicht in der Lage zu sagen wo. Es ist ein bisschen wie die Heisenbergsche Unschärferelation... aber irgendwie nur ein bisschen.
Das nächste Problem ist einen Datensatz als Datensatz im Gehirn zu erkennen. Derzeit ist man, meiner Meinung nach, nur in der Lage das Vorhandensein eines Gedankens zu erkennen.

Aber ein Gedanke ist keine Erinnerung. Verglichen mit einem PC ist es so, das man nur weiß, dass er was "rechnet", nicht aber was er "rechnet".

Nehmen wir nun einfach mal an, dass die oben genannten Probleme gelöst sind, dann muss man nur noch schaffen - Informationen ins Gehirn einzuspielen. Ich glaube persönlich, dass dies ohne Austausch des Gehirns nicht möglich ist, ausserdem führen gleiche Erinnerungen in unterschiedlichen Gehirnen zu unterschiedlichen Gedanken - rein aufgrund der Unperfektheit der Natur...

Nun geht aber der Ansatz ja noch weiter, dass man das menschliche, individuelle Wesen runterlädt als Datensatz.

Wenn man eine gewisse Anzahl komplett auf atomarer und biologischer Ebene identische Gehirne hätten, dann wäre es eventuell möglich diesen Informationen einzuspielen, die immer auf die gleiche Art interpretiert werden. Nun müssten diese identischen Gehirn identisch zu dem ehemaligen Träger der Erinnerungen sein - wahrscheinlich sogar identisch zu dem Zeitpunkt des Trägers der Informationen als er diese Erfahrungen gemacht hat. Denn nur dann kann man davon ausgehen, dass die eingelesenen Daten richtig interpretiert werden. Zudem müsste der Mensch der beschrieben wird, in einem Zustand des Dämmerschlafes befinden... Dass seinem Gehirn die Möglichkeit gegeben ist die eingespielten Informationen zu interpretieren.

Zusammengefasst: Eine Menge an Dukes Klonen, eine entsprechen fortschrittliche Neurotechnologie - und es wäre möglich, vorausgesetzt es existiert keine Seele. ^^
Existiert eine Seele, dann hat man nur Drohnen, die über das Leben des Dukes erzählen können.

Übriegens ist es unwahrscheinlich, dass eine derart kostspielige Technologie für das Klonen eines einfachen Dukes verwendet werden. Die Reichen und Schönen und Mächtigen und vielleicht auch ein paar reiche Intelligente oder reiche Mächtige werden sich dieses Privileg zu sichern. Also streich mal die Trennkostdiät und werd Reich und Mächtig.

Nachtrag: Es wäre durchaus möglich, dass eine derartige Technologie zum Ende der Geschichte führt. Denn dann ist es auch möglich sich devote Arbeiter zu schaffen, die niemals den Gedanken haben aufzumucken. Man bräuchte auch keine Bildung und kein Lernen, weil man ja ebenso wie die Erinnerungen, alles Wissen in den menschlichen Kopf speichern kann - und reicht der Platz nicht aus, dann nimmt man vielleicht einen größeren Kopf. ^^
Es würde auch das Ende der biologischen Geschichte des Planeten sein, denn der Mensch wird dadurch keine Evolution haben im eigentlichen Sinne. Es wird nur noch gewollte Entwicklungen geben. Davon mal abgesehen, Sex wäre dann auch vollkommen irrelevant und wozu der Lustgewinn? Wenn man ewig lebt, brauch ein Herrscher nicht an Nachfolger denken und jeder nicht identische, also nicht Klon - ist wahrscheinlich dann eher als Konkurent anzusehen.
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Multivac am 03 Dezember 2012, 21:24:01
.
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Kenaz am 03 Dezember 2012, 21:32:34
es gibt für unser ich keine andere grundlage als unseren körper.

- Das ist ein simples Postulat. Man kann mit exakt derselben Berechtigung das Gegenteil behaupten: Es gibt für unseren Körper - in dem Sinne, dass wir von einer bewussten Wahrnehmung dieses Körpers sprechen -, keine andere Grundlage als das Ich, respektive den Geist. Und für keins von beiden Postulaten gibt es einen Beweis. Das sieht man eigentlich ziemlich schnell ein, wenn man mal ein bisschen über seinen materialistisch-naturwissenschaftlich konditionierten Tellerrand hinausblickt.
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: nightnurse am 04 Dezember 2012, 12:36:55
es gibt für unser ich keine andere grundlage als unseren körper.

 Man kann mit exakt derselben Berechtigung das Gegenteil behaupten: Es gibt für unseren Körper - in dem Sinne, dass wir von einer bewussten Wahrnehmung dieses Körpers sprechen -, keine andere Grundlage als das Ich, respektive den Geist.

Ist das, so ausgedrückt, wirklich ein Gegenteil?
Natürlich muss unser Körper und mit ihm unser Gehirn (und damit das, was der Materialist so unter "Ich" versteht) auch funktionieren, damit er sich selbst wahrnimmt.

Ich stimme zwar zu, daß sich da nichts beweisen lässt. Ich sehe aber bislang auch keinen Grund zu der Annahme, daß es anders ist als von Multivac oben ausgeführt (der Post spricht mir insgesamt sehr aus der, äh, Seele).

Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Graf Edward Zahl am 04 Dezember 2012, 19:46:00
Letztendlich, solange man die Existenz einer Seele nicht nachgewiesen hat oder ihre Nicht - Existenz bewiesen hat, bleibt es jedem selbst überlassen, was man glaubt.

der wunsch nach einer unsterblichen seele ist der wunsch nach einer bedeutung der eigenen person, die es scheinbar so im aktuellen leben nicht gibt.
Das ist der einzige Satz, der mich ein bisschen in deiner Ausführung stört. Denn es ist nur eine Annahme, dass es ein Wunsch nach Bedeutung ist. Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen den Wunsch nach einer unsterblichen Seele und der Bedeutung der eigenen Person. Wäre gut, wenn du das mal näher erklären könntest.

Eine weitere Sache ist die häufige Verwendung von rhetorischen Fragen... Aber das tut nicht so zur Sache...
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Kenaz am 04 Dezember 2012, 20:33:59
Natürlich muss unser Körper und mit ihm unser Gehirn (und damit das, was der Materialist so unter "Ich" versteht) auch funktionieren, damit er sich selbst wahrnimmt.

- Das ist eine Frage nach dem Huhn-Ei-Muster: Die Frage, ob das Bewusstsein "nur" eine Funktion des Körpers oder der Körper "nur" eine Funktion des Bewusstseins ist, ist - wie alle "letzten Fragen" - prinzipiell nicht beantwortbar. Aus einem je einem anderen Blickwinkel kann jede Antwort die gleiche Plausibilität beanspruchen: Der Körper ist Funktion des Geistes, insofern der Geist die Basis eines Wahrnehmens/Denkens/Sprechens darstellt, das die Frage nach dem "Körper" überhaupt möglich macht; der Geist ist Funktion des Körpers, insofern wir ihn auf materieller Ebene im Bereich der Körperlichkeit lokalisieren und niemals losgelöst von Biofunktionen antreffen. Beide Positionen haben ihre Berechtigung. Ich finde es etwas fanatisch, sich so exklusiv nur auf das eine oder andere zu kaprizieren.

Ich stimme zwar zu, daß sich da nichts beweisen lässt. Ich sehe aber bislang auch keinen Grund zu der Annahme, daß es anders ist als von Multivac oben ausgeführt (der Post spricht mir insgesamt sehr aus der, äh, Seele).

- Siehst Du, das unterstreicht doch sehr deutlich, dass es eben Geschmacksache ist. Mir geht es genau andersherum: mir spricht die Annahme weitaus mehr aus der Seele, es verhalte sich ziemlich genau andersherum als von Multivac ausgeführt. Mehr als ein Postulat ist es ja nicht. Und das setzt man eben so, wie es einem am besten ins existenzielle Gesamtgemüse passt - von entscheidender Bedeutung ist allerdings, wie gut man seine Konsequenzen in der Folge dann durchhält ...;)
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: nightnurse am 04 Dezember 2012, 20:55:57
Ja, ich hatte befürchtet, daß es nicht so einfach gemeint sein konnte, wie es sich zunächst las  :D.
Die Huhn-Ei-Problematik wäre mir da wg. materialistisch-naturwissenschaftlicher Denkweise wirklich nicht eingefallen (die Annahme, ein Geist bestünde vor und nach der Existenz des zwischenzeitlich von ihm, ich sag mal: besessenen Körpers, verursache ihn gar...nö, das ist mir zu metaphysisch. Ich kann das für mich nicht als... hilfreichen Gedanken empfinden. Macht auch das Weltbild unnötig kompliziert  ;) ).
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: colourize am 04 Dezember 2012, 21:02:14
Natürlich muss unser Körper und mit ihm unser Gehirn (und damit das, was der Materialist so unter "Ich" versteht) auch funktionieren, damit er sich selbst wahrnimmt.

- Das ist eine Frage nach dem Huhn-Ei-Muster: Die Frage, ob das Bewusstsein "nur" eine Funktion des Körpers oder der Körper "nur" eine Funktion des Bewusstseins ist, ist - wie alle "letzten Fragen" - prinzipiell nicht beantwortbar. Aus einem je einem anderen Blickwinkel kann jede Antwort die gleiche Plausibilität beanspruchen: Der Körper ist Funktion des Geistes, insofern der Geist die Basis eines Wahrnehmens/Denkens/Sprechens darstellt, das die Frage nach dem "Körper" überhaupt möglich macht; der Geist ist Funktion des Körpers, insofern wir ihn auf materieller Ebene im Bereich der Körperlichkeit lokalisieren und niemals losgelöst von Biofunktionen antreffen. Beide Positionen haben ihre Berechtigung. Ich finde es etwas fanatisch, sich so exklusiv nur auf das eine oder andere zu kaprizieren.
Mag sein, aber nicht beide Positionen sind gleich wahrscheinlich. Zumindest gibt es offenkundig für die eine mehr empirische Evidenzen und zudem nicht gerade wenige theoretische Argumente. Da ich davon ausgehe, dass Du mit den von Dir eher gering geschätzten Naturwissenschaften(*) nicht so gern behelligt werden willst, verweise ich mal exemplarisch auf einen theoretischen Ansatz, nämlich den von Arnold Gehlen, der Dir mit Sicherheit nicht unbekannt sein dürfte. Ganz offensichtlich folgt aus seiner Annahme, dass der Mensch biologisch gesehen (im Gegensatz zu Tieren) unvollkommen und mängelbehaftet sei, erst die Notwendigkeit zur Herausbildung eines Geistes (und in Folge dessen der Kultur), mit dessen Hilfe die bestehenden Mängel kompensiert werden können. Die Eigenschaft des Körpers (genau gesagt: seine Unvollkommenheit) ist damit die Basis für den Geist.


(*) In diesem Kontext wüsste ich mal gerne den Grund Deiner immer wieder zu Tage tretenden Abneigung gegen naturwissenschaftlich fundierte Deutungsmuster. Steht da ein wissenschaftstheoretisches Argument (wie die Ablehnung der Positivismus) dahinter oder fußt Deine Zurückweisung der Naturwissenschaften ausschließlich auf Deiner eigenen Ethik?
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Kenaz am 04 Dezember 2012, 21:34:29
Macht auch das Weltbild unnötig kompliziert  ;) ).

- Finde ich kein bisschen, ganz im Gegenteil: Aufgrund seiner unmittelbaren Plausibilität - die manch einem halt eine Spur zu plausibel ist - entkompliziert er das Weltbild ungemein.

Mag sein, aber nicht beide Positionen sind gleich wahrscheinlich.

- Auch das ist lediglich eine Frage des Standpunktes: Ich finde meine Position sogar extrem "wahrscheinlich" - eigentlich finde ich sie sogar evident. Ist aber ein bisschen wie der Wald, den man vor lauter Bäumen bisweilen aus den Augen verliert.

Zumindest gibt es offenkundig für die eine mehr empirische Evidenzen und zudem nicht gerade wenige theoretische Argumente.

- Die "empirischen Evidenzen" verfangen nur auf der Ebene des objektivistischen Weltbildes, auf existenzieller Ebene hingegen können sie nur einen sehr geringen Erkenntnisgewinn für sich beanspruchen, da der Einzelne, der sich als "ICH" wahrnimmt, "nicht um seine eigene Ecke sehen kann", um dieses schöne Wort von Nietzsche zu bemühen. Und theoretische Argumente gibt es für beide Positionen en masse. Keins kann die jeweiligen Gegenpostion erschöpfend widerlegen, es gibt lediglich solche, die elegant, und solche die plump konstruiert sind.

Die Eigenschaft des Körpers (genau gesagt: seine Unvollkommenheit) ist damit die Basis für den Geist.

- Der Begriff der Unvollkommenheit ist aus rein materiellen Grundlagen überhaupt nicht ableitbar, sondern fußt eo ipso auf axiologischen, respektive geistigen Prinzipien, will heißen: hier versucht der Geist sich die Mittel an die Hand zu schummeln, um sich selbst zu marginalisieren, ja: exekutieren.

In diesem Kontext wüsste ich mal gerne den Grund Deiner immer wieder zu Tage tretenden Abneigung gegen naturwissenschaftlich fundierte Deutungsmuster. Steht da ein wissenschaftstheoretisches Argument (wie die Ablehnung der Positivismus) dahinter oder fußt Deine Zurückweisung der Naturwissenschaften ausschließlich auf Deiner eigenen Ethik?

- Du hast da was ziemlich falsch verstanden. Es kann von meiner Seite keine Rede sein von einer "Zurückweisung der Naturwissenschaften". Es geht mir lediglich um eine Relativierung ihres, immer totalitärer um sich greifenden Anspruches auf absolute Deutungshoheit in einfach allen Bereichen. Dass die Naturwissenschaften auf der Ebene die ihnen zukommt, durchaus nützlich und erhellend sind, wollte & will ich mit keiner Silbe bestritten haben. Ich hege lediglich eine ausgeprägte Aversion gegen absolute Machtansprüche.  ;)
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: nightnurse am 04 Dezember 2012, 22:12:38
Macht auch das Weltbild unnötig kompliziert  ;) ).

- Finde ich kein bisschen, ganz im Gegenteil: Aufgrund seiner unmittelbaren Plausibilität - die manch einem halt eine Spur zu plausibel ist - entkompliziert er das Weltbild ungemein.

Nö. Mir erschließt sich diese "Plausibilität" einfach nicht.

Naturwissenschaftlich gesehen haben wir eine in sich einigermaßen schlüssige Theorie zur Entstehung und zum Funktionieren der Welt (an der beständig geforscht und entwickelt wird und weeeeer weiss, jaja).
Wenn wir jetzt aber annähmen, da sei noch sowas wie die Seele, ergäben sich daraus, wie schon erwähnt, eine Menge Fragen, z.B.:
Hat jeder eine eigene? Oder werden Seelen, wie vielfach angenommen, recycled? Wenn ja, nach welchen Mechanismen? Wenn so ne Seele unsterblich ist, wohin geht sie, wenn es den Körper nicht mehr gibt? Und wo war sie vorher? Oder entstehen sie in Kombination mit dem Körper? Woher kommen sie sonst, wie sind sie entstanden? Gibt es davon genug für alle, die da noch kommen werden? Wie kommt das? (Das alles potenziert sich noch, wenn man allem Lebendigen eine Seele zuspricht)

Das fände ich nun schon ziemlich kompliziert.
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Eisbär am 04 Dezember 2012, 23:11:00
Die Frage ist doch weniger, ob unsere Hardware (Gehirn) neben der der normalen Software (Geist) auch ein BIOS (Seele) hat.
Die Frage ist, wie sehr die Existenz dieser Seele mit der Zerstörung der Hardware noch gewährleistet ist.


Mir fällt dazu ein schönes Zitat von Captain Picard zu ein (hey, ich finde Star Trek ist das bedeutenste, was an Philosophie die letzten 50 Jahre entstanden ist! - sorry, Kenaz!):
"Bedenkt man die wunderbare Komplexität des Universums, seine Perfektion, seine Ausgewogenheit in allen Dingen – Materie, Energie, Gravitation, Zeit, Dimension – muss ich einfach annehmen, dass unsere Existenz viel mehr ist, als Philosophie in ihr sieht. Das was wir sind, übertrifft alle Maßstäbe, die wir uns mit unserem mathematischen Denken vorstellen können. Unser Dasein ist Teil eines Ganzen, das wir mit unserem Verstand, unserer Erfahrung nicht erfassen können."
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Kenaz am 04 Dezember 2012, 23:33:37
Das fände ich nun schon ziemlich kompliziert.

- Das kann ich gut verstehen, aber das liegt an Deinen Fragestellungen. Die, die Du hier formulierst, haben auf der Ebene, auf der der Körper Funktion des Geistes ist, nicht allzuviel verloren. Das ist ja das Problem: Die meisten können sich heute überhaupt nicht mehr vorstellen, auch noch auf Basis anderer als rein naturwissenschaftlich ausgerichteter Paradigmen zu denken. DAS Thema sprengt unter den gegebenen Voraussetzungen aber defintitiv den Vermittlungsrahmen einer Forendiskussion. - Darüber können wir ja mal bei größeren Mengen Alkohol auf einer Tanzveranstaltung weiterdiskutieren.  ;)
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: nightnurse am 04 Dezember 2012, 23:40:10
Ach du je. Mir schwanen plötzlich verschiedene Dinge zum Körper als Funktion des Geistes.

Nix gegen Alkohol auf Tanzveranstaltungen, aber dabei noch (womöglich ernsthaft) zu diskutieren, über (womöglich ernsthafte) Metaphysik, erscheint mir nicht unbedingt ratsam.
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Kenaz am 05 Dezember 2012, 06:42:01
Nix gegen Alkohol auf Tanzveranstaltungen, aber dabei noch (womöglich ernsthaft) zu diskutieren, über (womöglich ernsthafte) Metaphysik, erscheint mir nicht unbedingt ratsam.

- Alkohol ist dem metaphysischen Disput durchaus förderlich, was meinst Du, warum in mitelalterlichen Klöstern so viel gebraut wurde!?!  ;D  Problematischer erscheint mir da schon übliche Gebollere, das mir nach 'ner gewissen Zeit so auf die Nerven geht, dass es nur noch für blanken Nihilismus reicht ...
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: RaoulDuke am 06 Dezember 2012, 11:44:41
Aus einem je einem anderen Blickwinkel kann jede Antwort die gleiche Plausibilität beanspruchen: Der Körper ist Funktion des Geistes, insofern der Geist die Basis eines Wahrnehmens/Denkens/Sprechens darstellt, das die Frage nach dem "Körper" überhaupt möglich macht; der Geist ist Funktion des Körpers, insofern wir ihn auf materieller Ebene im Bereich der Körperlichkeit lokalisieren und niemals losgelöst von Biofunktionen antreffen. Beide Positionen haben ihre Berechtigung. Ich finde es etwas fanatisch, sich so exklusiv nur auf das eine oder andere zu kaprizieren.
Mag sein, aber nicht beide Positionen sind gleich wahrscheinlich. Zumindest gibt es offenkundig für die eine mehr empirische Evidenzen und zudem nicht gerade wenige theoretische Argumente.

Fasst man diese beiden Postulate als unterschiedliche (und sich widersprechende) Axiome auf, so ist es ex definitionem nicht möglich, eine Aussage über Wahrscheinlichkeiten zu treffen oder sinnvoll Empirie zu betreiben.

In diesem Kontext wüsste ich mal gerne den Grund Deiner immer wieder zu Tage tretenden Abneigung gegen naturwissenschaftlich fundierte Deutungsmuster. Steht da ein wissenschaftstheoretisches Argument (wie die Ablehnung der Positivismus) dahinter oder fußt Deine Zurückweisung der Naturwissenschaften ausschließlich auf Deiner eigenen Ethik?

- Du hast da was ziemlich falsch verstanden. Es kann von meiner Seite keine Rede sein von einer "Zurückweisung der Naturwissenschaften". Es geht mir lediglich um eine Relativierung ihres, immer totalitärer um sich greifenden Anspruches auf absolute Deutungshoheit in einfach allen Bereichen. Dass die Naturwissenschaften auf der Ebene die ihnen zukommt, durchaus nützlich und erhellend sind, wollte & will ich mit keiner Silbe bestritten haben. Ich hege lediglich eine ausgeprägte Aversion gegen absolute Machtansprüche.  ;)

Natürwissenschaften leiden zudem m.E. unter dem Problem, dass sie nur zur Beantwortung einer Teilgruppe aller Fragen relevante Antworten haben. Selbst wenn man akzeptiert, daß sich überraschend viele oder vielleicht sogar alle Sachverhalte beispielsweise durch mittels mathematischer Methoden erfassbarer Gesetzmäßigkeiten erklären lassen, so bleibt man bei der Beantwortung der Frage, WARUM dem denn so ist, mit diesem Methodenset vollkommen blank.

Sind Naturwissenschaften damit überhaupt mehr als ein Set von Werkzeugen? Wenn das nicht zutrifft, hat zumindest aus meinem subjektiven Empfinden heraus die Fraktion, die den Körper als eine Funktion des Geistes ansieht, gerade einen Punkt gemacht. Schließlich hat die andere Seite damit als Hauptargument nur so etwas wie einen besonders schönen, blankgeputzten Schraubendreher in der Hand. :)

Und weil mir gerade nach verstörenden Ideen ist und jemand Wahrscheinlichkeitrechnung erwähnte:

Nehmen wir einmal an, der Geist sei eine Funktion des Körpers und damit annahmegemäß innerhalb eines Computers reproduzierbar. Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß dieses innerhalb unserer Lebensspanne gelingt, und wir damit erfolgreich ein vollständiges Backup unseres Wesens durchführen können, sei größer Null. Die Anzahl der simulierten Leben, die wir duchführen können, wenn wir uns im Zeitraum nach Anfertigen des Backups bzw. der Kopie befinden, sei unendlich groß. Es sei uns nach dem Backup bzw. der Kopie möglich, das real gelebte Leben einfach zu wiederholen, und die ex post-Wahrscheinlichkeit der Durchführung einer solchen Wiederholungssituation größer Null (ok, das erfordert strenggenommen eine Begrenzung der Anzahl der möglichen Simulationsszenarien).... Aber...

Wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, daß wir bereits jetzt in einer Simulation leben?  :o
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: nightnurse am 06 Dezember 2012, 15:25:07
...das musste ja noch kommen  ::)  ;D
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: RaoulDuke am 06 Dezember 2012, 15:57:29
...das musste ja noch kommen  ::)  ;D

*erwischt guck* :)
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Niandri am 16 Dezember 2012, 23:25:36
Das sind alles interessante Gedankengänge - ich versuche das ganze mal ein bisschen von hinten aufzuzäumen: so lange noch an uns gedacht wird, sind wir nicht komplett "weg". Ich finde es sehr schön, beruhigend und auch unterhaltsam, dass die Menschen, die mir wichtig waren und nicht mehr sind,  mir bei meinem Alltag über die Schulter schauen können, wenn ich an sie denke. Auch wenn ich mich sonst an die naturwissenschaftlichen Fakten halte, weigert sich etwas in mir zu glauben, dass das was MICH von allen anderen Menschen unterscheidet, sich in Luft auflöst, wenn ich sterbe.
Ich würde es jetzt nicht unbedingt "Seele" nennen ( hängt mir zu sehr an allen möglichen Glaubensgemeinschaften) , aber das ist letztendlich Haarspalterei. Und ja, ich habe ein "Wesen"  (seele) welches weiter existieren wird....irgendwie. Sollte es das nicht tun, bekomme ich es nicht mit *achselzuck*
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Inverted am 17 Dezember 2012, 12:10:00
Zu dieser Thematik habe ich mal ein ganz interessantes Buch von Hoimar von Ditfurth gelesen.

Zum einen ging es da um den Trugschluss, dass sich der Mensch als das Nonplusultra wahrnimmt und es tatsächlich wohl zur nächsthöheren Intelligenzebene einen Sprung gäbe wie von meinetwegen einer Katze zum Menschen (die Katze kann beispielsweise denn Sinn von Mathematik oder Sprache nicht nachvollziehen, geschweige denn überhaupt darüber nachdenken, und wir können es ihr auch nicht begreiflich machen), wobei er meinte, das Bewusstsein eines Tieres liesse sich womöglich mit dem eines träumenden Menschen vergleichen (der im Traum ja auch nur eine bedingte Kontrolle über das Geschehen hat).

Zum anderen ging er darauf ein, dass beispielsweise das Auge nicht das Licht, die Ohren nicht den Schall und die Beine nicht das Laufen erfunden hätten - all dieses sind letztlich Funktionen der Umwelt in der wir leben (Augen können sich nur dort entwickeln, wo es Licht gibt, Ohren sind eine Antwort darauf, dass es Schall gibt, die Existenz von Beinen ist eine Antwort darauf, dass es festen Erdboden und Schwerkraft gibt, fiktive ausserirdische Biologen könnten anhand unserer Anatomie unsere Lebensumwelt ziemlich genau bestimmen).

Mit anderen Worten:

Die häufige Äusserung, der Mensch bzw. das Gehirn habe das Denken erfunden, ist schlichtweg falsch. Unsere Seele, unser Bewusstsein, unser Ich oder wie immer man das auch nennen mag sind wie Augen, Ohren und Beine lediglich Antwort und/oder Empfänger von etwas, dass wir wahrscheinich weder intellektuell noch intuitiv begreifen können (und wenn dann wohl höchstens rudimentär, wie die oben erwähnte Katze Musik, Literatur und Kunst). Ich bezweifel jedenfalls sehr stark, dass es für diese Ebene/Welt/Dimension, mit der unsere Seele verknüpft ist, für uns ein Schlüssel der Erkenntnis existiert.
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Niandri am 18 Dezember 2012, 15:21:33

Mit anderen Worten:

Die häufige Äusserung, der Mensch bzw. das Gehirn habe das Denken erfunden, ist schlichtweg falsch. Unsere Seele, unser Bewusstsein, unser Ich oder wie immer man das auch nennen mag sind wie Augen, Ohren und Beine lediglich Antwort und/oder Empfänger von etwas, dass wir wahrscheinich weder intellektuell noch intuitiv begreifen können (und wenn dann wohl höchstens rudimentär, wie die oben erwähnte Katze Musik, Literatur und Kunst). Ich bezweifel jedenfalls sehr stark, dass es für diese Ebene/Welt/Dimension, mit der unsere Seele verknüpft ist, für uns ein Schlüssel der Erkenntnis existiert.

Ich denke der *Schlüssel der Erkenntnis* ist wenn, dann sowiso nur ein Subjektiver. Sicher haben wir Menschen das Denken nicht erfunden, aber es war ein weiterer Entwicklungsschritt, weg vom Tier. Ähnlich wie das Wandern des Daumens  an die Seite um den Pinzettengriff/Zangengriff auszuführen.
Dass wir körperlich weiterentwickelt wurden hat uns das überleben gesichert. Vielleicht wurde uns deswegen auch das Bewusstsein gegeben......? *denkt laut vor sich hin*..........
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: messie am 18 Dezember 2012, 16:26:00
Zitat
Zum anderen ging er darauf ein, dass beispielsweise das Auge nicht das Licht, die Ohren nicht den Schall und die Beine nicht das Laufen erfunden hätten - all dieses sind letztlich Funktionen der Umwelt in der wir leben (Augen können sich nur dort entwickeln, wo es Licht gibt, Ohren sind eine Antwort darauf, dass es Schall gibt, die Existenz von Beinen ist eine Antwort darauf, dass es festen Erdboden und Schwerkraft gibt (...)

Menschen können viele Frequenzen, obwohl es sie gibt, nicht hören, im Vergleich zu vielen anderen Tieren. Warum nicht, wenn sie doch existieren ...?

Aus diesem Grund erweitere ich den Gedankengang mal durch einen eigenen: Der Mensch kann nur deswegen so denken wie er es tut, weil dieses Denken notwendig war und ist für sein Überleben. Ohne Denken und Erfindungen durch das Denken könnte der Mensch schlicht nicht überleben, weil er nicht anpassungsfähig genug ist. So kommt es dann, dass dem Menschen nicht etwa ein Fell wächst in kalten Gegenden, sondern er Kleidung dafür erfunden hat. Zwar hat die Natur auch beim Menschen teilweise reagiert, so sind Farbige deswegen dunkelhäutig, um so der intensiveren Sonnenstrahlung gewachsen zu sein (vereinfacht gesagt).

Ob es nun gut oder schlecht für diese Welt ist dass wir auch zu Gedanken und Erfindungen fähig waren/sind, die sowohl die Welt als auch uns selbst zu vernichten imstande sind, das sei mal dahingestellt. Man kann auch dahingehend argumentieren dass die Natur sich selbst regelt und dem Menschen deswegen auch die Fähigkeit dazu gegeben wurde damit er sich irgendwann selbst ausrottet, um so die Existenz dieses Planeten zu gewährleisten.
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Mishima am 29 Dezember 2012, 10:26:46
Ich weiß nicht, ob mir da schon jemand zuvorgekommen ist,
aber ich hab keine Ahnung was das genau sein soll, eine Seele.
Dieses Wort ist scheinbar Teil unserer Kultur und unseres allgemeinen Sprachgebrauchs,
aber ich habe festgestellt, dass selbst Diejenigen die am "Seelen-Glauben" festhalten,
oft gar nicht definieren können, was sie eigentlich mit "Seele" meinen.
Ich würde daher sagen, dass ich nicht an die Existenz von Seelen glaube,
obwohl ich das eigentlich nicht einmal selbst mit Inbrunst behaupten kann,
denn dafür müsste ich erstmal verstehen, was eine Seele genau ist.
Soviel ich weiß, stammt der Begriff aus der Religion und wurde dann nach der Aufklärung selbst von Leuten,
die sich von der Religion distanziert haben, unreflektiert übernommen bzw. weitergeführt.
Anscheinend ist die "Seele" für viele so selbstverständlich, dass sie über die eigentliche Bedeutung dieses Begriffs noch nie nachgedacht haben, geschweige denn, diesen hinterfragt haben.
So wie mir dieses "Ding" bisher erklärt wurde, ist es etwas immanentes, manche meinen auch transzendentes,
was unser Wesen ausmacht. Aber ich kapier´s trotzdem nicht.
Für mich hört sich das nicht nach einer Definition an, sondern nach esoterischem Gelaber.
Kann mir das jemand besser erklären?
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Multivac am 09 Januar 2013, 16:10:26
Natürwissenschaften leiden zudem m.E. unter dem Problem, dass sie nur zur Beantwortung einer Teilgruppe aller Fragen relevante Antworten haben. Selbst wenn man akzeptiert, daß sich überraschend viele oder vielleicht sogar alle Sachverhalte beispielsweise durch mittels mathematischer Methoden erfassbarer Gesetzmäßigkeiten erklären lassen, so bleibt man bei der Beantwortung der Frage, WARUM dem denn so ist, mit diesem Methodenset vollkommen blank.

Sind Naturwissenschaften damit überhaupt mehr als ein Set von Werkzeugen? Wenn das nicht zutrifft, hat zumindest aus meinem subjektiven Empfinden heraus die Fraktion, die den Körper als eine Funktion des Geistes ansieht, gerade einen Punkt gemacht. Schließlich hat die andere Seite damit als Hauptargument nur so etwas wie einen besonders schönen, blankgeputzten Schraubendreher in der Hand. :)

Nun, sie schaffen mehr oder weniger nützliche Werkzeuge zum menschlichen Leben, wie z.B. Differentialrechnung für Landvermessung, Medizinische Forschung für Medikamente und Therapien, Kunstoffe für Touchscreens etc. Vergiß nicht die Raumfahrt. Elektronenmikroskope, Quantencomputer.

Erzähl mir mal, was Deine Schwafel'wissenschaften' denn bislang so brauchbares geschaffen haben ? Da ist selbst ein Litarat oder Maler nützlicher, was schafft die Philosophie, die Metaphysik ?
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: RaoulDuke am 17 Januar 2013, 09:57:33
Sind Naturwissenschaften damit überhaupt mehr als ein Set von Werkzeugen? Wenn das nicht zutrifft, hat zumindest aus meinem subjektiven Empfinden heraus die Fraktion, die den Körper als eine Funktion des Geistes ansieht, gerade einen Punkt gemacht. Schließlich hat die andere Seite damit als Hauptargument nur so etwas wie einen besonders schönen, blankgeputzten Schraubendreher in der Hand. :)

Nun, sie schaffen mehr oder weniger nützliche Werkzeuge zum menschlichen Leben, wie z.B. Differentialrechnung für Landvermessung, Medizinische Forschung für Medikamente und Therapien, Kunstoffe für Touchscreens etc. Vergiß nicht die Raumfahrt. Elektronenmikroskope, Quantencomputer.

Erzähl mir mal, was Deine Schwafel'wissenschaften' denn bislang so brauchbares geschaffen haben ? Da ist selbst ein Litarat oder Maler nützlicher, was schafft die Philosophie, die Metaphysik ?

Bei allem, was Du mit einem Set von Werkzeugen anfangen könntest, also wie von Dir genannt bei der Heilung von Krankheiten, der Konstruktion von irgendwelchem Computer-Krams, der Eroberung des Alls und ja eigentlich allem, was unsere moderne Welt ausmacht, liegen natürlich die Naturwissenschaften vorn.

Aber man kann nicht alles mit Werkzeugen lösen: Werkzeuge brauchen jemanden, der sie anwendet und ein Ziel verfolgt. Und mit eben diesem Umstand setzen sich einige der von Dir als Schwafel-Wissenschaften geschmähten Disziplinen auseinander. Die Frage, was wir eigentlich für ein Ziel haben mit all den Dingen, die wir jetzt bauen und konstruieren können, ist mindestens so wichtig wie der Umstand, dass wir es können, wenn nicht sogar wichtiger. Wir können tolle Autos bauen, zum Mond fliegen und sowohl Medikamente als auch Atombomben zusammenbasteln. Aber wenn wir uns nur darauf konzentrieren, bleiben u.a. folgende Fragen offen:

- Wollen und dürfen wir alles bauen und konstruieren, was wir können? Ist es wirklich OK, zu Forschungszwecken ultratödliche H5N1-Voren zu züchten? Dürfte jemand eine Weltuntergangsmaschine bauen? Was wäre beispielsweise, wenn es wirklich ein Risiko gäbe, dass superschnelle Teilchenbeschleuniger schwarze Löcher erzuegen und uns alle vernichten? Einfach trotzdem machen, wird schon gutgehen?

- Wie wollen wir in der von uns geschaffenen Welt zusammenleben? Wer darf in welcher Form teilhaben an den Errungenschaften? Wie verteilen wir die Ressourcen? Wie arbeiten wir und wieviel? Ist eine Demokratie wirklich das nonplusultra?

- Warum sind wir eigentlich hier? Gibt es vielleicht doch ein höheres Ziel für all den Stress, den wir uns hier machen, oder ist alles tatsächlich komplett sinnlos und dient maximal Unterhaltungszwecken? Wozu placken wir uns eigentlich alle so ab? Was wäre, wenn wir einfach damit aufhören würden?

- Dürfen wir eigentlich vor lauter Freude über all den auf naturwissenschaftlicher Basis zusammengeschraubten Krams hier so einen krassen Konsumexzess veranstalten? Ist es unmoralisch, seinen Kindern einen von Rohstoffen ausgelaugten, mit Müll überhäuften und teilweise strahlenden Planeten zu überlassen, auf dem der Meerespiegel erst einmal ein paar Jahrhunderte steigt, während die Nahrung knapp wird und die Bevölkerung wächst? Wenn ja, warum tun wir es dann?

Ohne solche Fragen ist es doch, als säßen wir in einem coolen Auto mit allen Schikanen, allerdings ohne Navi und wir wüssten nicht, wohin wir nun eigentlich fahren wollen...
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Kenaz am 17 Januar 2013, 12:04:27
Dem kann ich mich eigentlich in allen Punkten nur anschließen. Die folgende Frage halte ich übrigens für die zentralste, denn im Grunde genommen leiten sich alle anderen ganz zwanglos daraus ab:

Warum sind wir eigentlich hier? Gibt es vielleicht doch ein höheres Ziel für all den Stress, den wir uns hier machen, oder ist alles tatsächlich komplett sinnlos und dient maximal Unterhaltungszwecken? Wozu placken wir uns eigentlich alle so ab? Was wäre, wenn wir einfach damit aufhören würden?

Es ist überaus bedauerlich, dass unsere "hochentwickelte" Gesellschaft im Laufe der letzten, gut 150 Jahre in ihrem Begeisterungstaumel darüber, was technisch alles machbar ist, den tieferen Sinn des Ganzen zunehmend aus den Augen verloren hat bzw. die Frage danach gerne als Querulantentum abqualifiziert. Besonders augenfällig finde ich diesen Umstand angesichts des medizinischen Fortschritts: Zwar ist alles begeistert, dass die Grenzen des individuellen Lebens immer weiter ausdehnbar sind, doch was man damit sinnvollerweise eigentlich anstellen soll, darüber herrscht immer bestürzendere Unklarheit. Konsequenz: die psychotherapeutischen Praxen platzen aus allen Nähten, da all die entwurzelten, orientierungslosen und verstörten Menschen mit ihrem Leben, das jetzt obendrein auch noch 20 Jahre länger wärt als ehedem, immer weniger zurecht kommen.

Insofern ist auch die radikale Ausblendung von Krankheit und Tod, die in den modernen Industriegesellschaften so en vogue ist, nur folgerichtig: wer die Frage nach dem Sinn verdrängt, für den ist der Tod - um mit Sartre zu sprechen - tatsächlich ein Skandal. Und zwar ein überaus beklemmender, denn er wirft den einzelnen unausweichlich auf diese, vermeintlich nebensächliche Frage zurück. Es gibt ein hübsches, kleines "Gebet" von Thomas Hardy, das den heute so unpopulären Gegenentwurf sehr pointiert zum Ausdruck bringt: "Teach me to live, that I may dread / The grave as little as my bed. / Teach me to die ..." - Genau diese "Lehre" aber kann die Naturwissenschaft nicht leisten, da sie auf die qualitative und nicht auf die quantitative Ebene abhebt.

Materie und materielle Prozesse als Teile dieser quantitativen Betrachtungsebene sind jedoch nicht selbsterklärend. Und es ist ein Trugschluss des allenthalben zelebrierten Naturwissenschaftsfetischismus, davon auszugehen, das existenzielle Problem, vor das der Mensch mit seinem Lebensvollzug gestellt ist, sei gelöst, wenn es auf seine biochemische Zusammenhänge zurückgeführt und auf dieser Ebene "erklärt" würde. In den Naturwissenschaften macht sich heute eine Haltung breit, die sonst eher für religiöses Denken typisch ist, nämlich ein nachgerade chauvinistischer Exklusivanspruch auf Deutungshoheit in allen Bereichen des menschlichen Lebens. Was nicht quantifizierbar ist, ist "Gelaber" und damit ohne Belang. Ich halte dieses Phänomen für einen Ausdruck von Angst - ein bisschen wie das berühmte Pfeifen des Kindes im dunklen Wald. Freilich: Man konnte sich die existenziellen, spirituellen, axiologischen Fragen, mit denen sich die "Laberwissenschaften" auseinandersetzen, selten so effektiv vom Leibe halten wie heute, denn das Getöse der Naturwissenschaften ist zweifelsohne grandios. Damit sind diese Fragen jedoch keineswegs vom Tisch, denn aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben.

Im übrigen finde ich den Umstand hochinteressant, dass diese Entwicklung den Menschen in immer umfangreicherem Maße ökonomisch verwertbar macht. Dem entwurzelten, orientierungslosen Individuum, das auf die von Raoul formulierten Fragen nicht nur keine Antwort hat, sondern schon der bloßen Fragestellung furchtsam aus dem Wege geht, sind wesentlich unkomplizierter alle möglichen "Bedürfnisse" - und seien sie noch so irrational - zu implementieren. Das ist ja das Tolle am "Fortschritt": Da seine Geschwindigkeit naturgemäß immer weiter zunimmt, kommt der einzelne immer weniger dazu, sich überhaupt noch Fragen hinsichtlich des tieferen Sinns der ganzen Veranstaltung zu stellen, da er viel zu sehr damit beschäftigt ist, Schritt zu halten (was ihm ohnehin nicht mehr gelingt). Und da er den Kontakt zu diesem tieferen Sinn immer mehr verliert, bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als auf die windigen Surrogate zurückzugreifen, die ihm die Industrie - stets um sein Wohl besorgt  ;D - stattdessen anbietet. Die fragliche Entwicklung ist also durchaus im Sinne der kapitalistischen Doktrin von der Gewinnmaximierung - sollte das wirklich purer Zufall sein?

Insofern finde ich auch das Bild, das Raoul für sein Fazit findet, ungemein treffend:

Ohne solche Fragen ist es doch, als säßen wir in einem coolen Auto mit allen Schikanen, allerdings ohne Navi und wir wüssten nicht, wohin wir nun eigentlich fahren wollen...

Eben: ein VW-Käfer mit 45 PS, in dessen Handschuhfach sich eine Karte befindet, kann dem Reisenden in der Fremde deutlich hilfreichere Dienste erweisen als ein Ferrari mit 500 PS, der  mit 'ner Dolby-Surround-Anlage ausgestattet ist ... ;)
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Eisbär am 17 Januar 2013, 13:43:00
Im übrigen finde ich den Umstand hochinteressant, dass diese Entwicklung den Menschen in immer umfangreicherem Maße ökonomisch verwertbar macht.
Um mal im naturwissenschaftlichen Jargon zu antworten: ich befürchte, Du verwechselst da Ursache und Wirkung.
Zitat
Eben: ein VW-Käfer mit 45 PS, in dessen Handschuhfach sich eine Karte befindet, kann dem Reisenden in der Fremde deutlich hilfreichere Dienste erweisen als ein Ferrari mit 500 PS, der  mit 'ner Dolby-Surround-Anlage ausgestattet ist ... ;)
Ferraris sind üblicherweise überhaupt nicht mit Radio und Co ausgestattet. Der Motor ist so laut, dass man diese eh nicht hören würde. Ich würde einen Käfer einem Ferrari immer vorziehen.
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Kenaz am 22 Januar 2013, 19:18:07
Der Sozialismus als gelungenes Beispiel für umgesetzte "Schwafelwissenschaften" ... ;D ... - hier ist wohl jedes weitere Wort überflüssig. ::)
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Eisbär am 22 Januar 2013, 20:14:35
Der Sozialismus als gelungenes Beispiel für umgesetzte "Schwafelwissenschaften" ... ;D ... - hier ist wohl jedes weitere Wort überflüssig. ::)
Von "gelungen" hat sie nichts gesagt. Ich fürchte, sie wollte damit veranschaulichen, wie wenig positives die "Schwafelwissenschaften" der Allgemeinheit brachten.
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: Kenaz am 22 Januar 2013, 21:07:35
Wenn Du Dir den folgenden Absatz noch mal ruhig & konzentriert durchlesen würdest, Eisbär, anstatt gleich im Affekt in die Tasten zu hauen, würdest Du vielleicht bemerken, dass sie genau das ganz offenkundig nicht veranschaulichen wollte; freilich, ein Mindestmaß an textexegetischer Kompetenz setze ich jetzt selbst bei Dir einfach mal voraus:

deine erörterungen wären richtig und wichtig, wenn sie aktiven einfluß auf unsere politik hätten - haben sie aber nicht. geld regiert die welt, konsum, wachstum, aktien. [...] das einzige system, is dem so etwas umgesetzt wurde, war der sozialismus. wo werden denn hier werte gelehrt UND umgesetzt ?

Doch um Multivacs groteskes Beispiel zum Tagesausklang noch mal eben auf seine dadaistische Spitze zu treiben: Wenn hier denn schon der real existierende Sozialismus als Paradebeispiel für ein System ins Feld geführt wird, in dem "werte gelehrt UND umgesetzt" wurden, dann wollen wir doch bitteschön die Kehrseite der Medaille nicht unter den Tisch fallen lassen, denn in den faschistischen Diktaturen ist das nicht minder geschehen - auch hier wurden "werte gelehrt UND umgesetzt", und zwar ohne langes Federlesen.

Sollten nun - möglicherweise - dem einen oder anderen diese "Werte", die da jeweils "gelehrt UND umgesetzt" wurden, ein klitzekleines bisschen fragwürdig erscheinen, dann, liebe Leute, heiße ich ihn herzlich willkommen im Wunderland der "Schwafelwissenschaften" - im Dunstkreis dieser kritischen Gedanken nämlich trifft man sie auf ihrem ureigensten Terrain an. Denn dass wir - wenigstens die letzten paar Jahrzehnte über - in einem System zu leben das Vergnügen hatten, in dem Werte, die sich irgendwer mal ausgedacht hat, hinterfragt werden durften und nicht rücksichtslos von oben oktroyiert wurden, ist zu einem Großteil auf ihr segensreiches Wirken zurückzuführen.

Wer allerdings wissen will, wie eine Welt aussieht, in der den "Schwafelwissenschaften" ihre Daseinsberechtigung peu à peu abgesprochen wird, der möge um sich blicken, um einen vagen Vorgeschmack zu bekommen - weil's gar so schmissig war, auch hier noch einmal O-Ton Multivac:

geld regiert die welt, konsum, wachstum, aktien. die jacke ist jedem näher als die hose.
Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: CubistVowel am 22 Januar 2013, 23:16:29
Wer allerdings wissen will, wie eine Welt aussieht, in der den "Schwafelwissenschaften" ihre Daseinsberechtigung peu à peu abgesprochen wird, der möge um sich blicken, um einen vagen Vorgeschmack zu bekommen - weil's gar so schmissig war, auch hier noch einmal O-Ton Multivac:

geld regiert die welt, konsum, wachstum, aktien. die jacke ist jedem näher als die hose.

Ja, so sieht's aus in einer Welt, in der sämtliche Werte möglichst nur noch in Zahlen ausgedrückt werden.



nun raoul, der unterschied ist der: wissenschaftliche erkenntnis kommt allen zugute. jeder hirni hat mittlerweile sein 5. handy und 3. i-phone in gebrauch, aber meinst du es interessiert ihn, was ein philosophisches quartett bei käffchen und wasser über moral und anstand und werte ausdiskutiert ? deine erörterungen wären richtig und wichtig, wenn sie aktiven einfluß auf unsere politik hätten - haben sie aber nicht.

Mit anderen Worten, du meinst, "moral und anstand und werte" bzw. eine gesellschaftliche/öffentliche Diskussion darüber haben nur dann eine Daseinsberechtigung, wenn sie von den Politikern (ausgerechnet! :D) umgesetzt werden? Ich denke, das genaue Gegenteil ist der Fall. Je weniger wichtig "moral und anstand und werte" offensichtlich in der Politik werden, desto wichtiger ist der öffentliche Diskurs darüber - und der beschränkt sich auch heute, gerade was Politik angeht, keinesfalls nur auf sonntagnächtliche philosophische Kaffeekränzchen.

Das bezieht sich übrigens auch auf die Erzeugnisse der Wissenschaft, die angeblich jeder "Hirni" käuflich erwerben kann. Ich bestreite, dass diese Art der Wissenschaft "allen" zugute kommt. Nicht jeder kann sich nämlich diese von dir genannten Händis leisten - was nun nicht das wirkliche Problem ist. Aber dass ein großer Teil der Menschen wichtige Erzeugnisse anderer Wissenschaften, z. B. der Medizin nicht erwerben kann, ist sehr wohl ein Problem. Oder die oft fragwürdige Produktion der von dir genannten Güter. Oder deren Entsorgung. Und da sind wir schnell wieder mittendrin in der Diskussion über ethische Werte in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Und da die messbaren meistens über die ideellen Werte siegen, bedeutet das meiner Ansicht nach, dass die "Schwafelwissenschaften" hier erst recht gefordert sind.^^

Kurz, dass sich der von dir so genannte "Hirni", der Durchschnittspolitiker oder irgendein Wissenschaftler nicht für das Philosophische Quartett oder für "moral und anstand und werte" interessiert, spricht meines Erachtens weder gegen das Philosophische Quartett noch gegen die "Schwafelwissenschaften" allgemein und erst recht nicht gegen die Existenzberechtigung ideeller Werte oder abstrakter Diskussionen.

Titel: Re: Haben wir eine Seele?
Beitrag von: banquo am 23 Januar 2013, 14:09:58
...
- Wollen und dürfen wir alles bauen und konstruieren, was wir können? Ist es wirklich OK, zu Forschungszwecken ultratödliche H5N1-Voren zu züchten? Dürfte jemand eine Weltuntergangsmaschine bauen? Was wäre beispielsweise, wenn es wirklich ein Risiko gäbe, dass superschnelle Teilchenbeschleuniger schwarze Löcher erzuegen und uns alle vernichten? Einfach trotzdem machen, wird schon gutgehen?
- Wie wollen wir in der von uns geschaffenen Welt zusammenleben? Wer darf in welcher Form teilhaben an den Errungenschaften? Wie verteilen wir die Ressourcen? Wie arbeiten wir und wieviel? Ist eine Demokratie wirklich das nonplusultra?
...
- Dürfen wir eigentlich vor lauter Freude über all den auf naturwissenschaftlicher Basis zusammengeschraubten Krams hier so einen krassen Konsumexzess veranstalten? Ist es unmoralisch, seinen Kindern einen von Rohstoffen ausgelaugten, mit Müll überhäuften und teilweise strahlenden Planeten zu überlassen, auf dem der Meerespiegel erst einmal ein paar Jahrhunderte steigt, während die Nahrung knapp wird und die Bevölkerung wächst? Wenn ja, warum tun wir es dann?
Ohne solche Fragen ist es doch, als säßen wir in einem coolen Auto mit allen Schikanen, allerdings ohne Navi und wir wüssten nicht, wohin wir nun eigentlich fahren wollen...
nun raoul, der unterschied ist der: wissenschaftliche erkenntnis kommt allen zugute. jeder hirni hat mittlerweile sein 5. handy und 3. i-phone in gebrauch, aber meinst du es interessiert ihn, was ein philosophisches quartett bei käffchen und wasser über moral und anstand und werte ausdiskutiert ? deine erörterungen wären richtig und wichtig, wenn sie aktiven einfluß auf unsere politik hätten - haben sie aber nicht. geld regiert die welt, konsum, wachstum, aktien. die jacke ist jedem näher als die hose. das einzige system, is dem so etwas umgesetzt wurde, war der sozialismus. wo werden denn hier werte gelehrt UND umgesetzt ?

welcher Sozialismus?