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Autor Thema: Sieg des Neoliberalismus?  (Gelesen 8367 mal)

Simplicissimus1668

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Sieg des Neoliberalismus?
« am: 15 Oktober 2007, 08:04:37 »


Hmm, also dieses Thema beschaeftigt mich nun schon ne Weile und ich werd daraus mal versuchen einen sinnvollen Thread zu basteln.

Worum es mir geht ist die Frage, ob die neoliberalen, "wir brauchen mehr freien Markt" Prediger am Ende recht haben? Wie ich darauf komme? Einfach ein paar Beobachtungen, die sich mir ueberhaupt nicht erschliessen:

a) Meine Freundin hat in D ihre Ausbildung gemacht und anschliessend als Krankenschwester gearbeitet. Dann hat sie sich entschlossen, ihren Job zu kuendigen und mir nach Australien zu folgen, da die Job Situation hier generell aber speziell im medizinischen Bereich sehr viel besser ist als in Deutschland. Da es aber eine Weile dauert, bis die Anerkennung der Ausbildung durch ist und so weiter arbeitete sie zunaechst als Hilfskraft in einer Pizzeria. Der Lohn den sie dort (als ungelernte) bekommen hat, war auf dem selben Niveau, wie ihr Gehalt als ausgebildete Krankenschwester in D. Ausserdem hat ihre Jobsuche genau 2 Nachmittage in Anspruch genommen. Inzwischen arbeitet sie als Schwesternhelferin (Anerkennung ist immer noch nicht durch) im Krankenhaus und verdient ca. 25% mehr als in D, wobei sie sagt, dass die Arbeit wesentlich entspannter ist, da das Verhaeltnis von Pflegepersonal zu Patienten hier deutlich besser ist, so dass mehr Zeit fuer den einzelnen Patienten bleibt.

=> Wie machen die das in AUS, dass sie den einzelnen Mitarbeitern mehr zahlen als in D, gleichzeitig eine bessere Betreuungsrelation aufweisen als in D und nicht permanent um die Finanzierung ihrer KHs ringen muessen?

b) Ich sitze im Pub und werde von einem Einheimischen meines Alters zugetextet, der mir (bereits gut angetrunken) unbedingt mitteilen muss, dass er sich freut, ohne aufs Geld schauen zu muessen, sich ordentlich Alk in die Birne zu schuetten, weil er pro Woche (40 Stunden) $AUS 750 ausgezahlt (!) bekommt. (Das sind ca. EUR 2000 pro Monat.) Was der Typ gemacht hat? Ungelernt auf dem Bau irgendwelche Sachen von A nach B geschleppt. Nachdem er mir das erzaehlt hatte ist mir erst aufgefallen, dass auf den Bussen des OVNP und an Plakatwaenden dafuer Werbung gemacht wird eine Karriere auf dem Bau anzustreben.

=> Wie kann das sein, dass in D die Baubranche versucht aus Osteuropa immer billigere Arbeitskraefte zu bekommen, waerend in AUS die Leute als ungelernte mehr bekommen als manche Lehrberufe in D? Wie kann es sein, dass die hier mittels Werbung versuchen Leute zu bekommen, wo in D genuegend Maurer/Zimmerer etc Arbeitslos sind?

c) Ich fahre die Strasse lang und trau meinen Augen nicht: Da steht original ein Typ am Beginn einer Baustelle mit einem Schild "slow" in der Hand. In D hat man dafuer qualifizierte Mitarbeiter: die nennen sich Betonfuesse. Man sieht hier regelmaessig Leute an Baustellen den Verkehr regelen. Einer am einen Ende, der andere am anderen Ende der Baustelle mit WalkieTalkie und "stop" bzw "go" Schildern. Aber jemand, der einfach nur ein Schild haelt?

=> Wie kann es sich ein Industrieland leisten Leute fuer einen Job zu bezahlen, den ein bisschen gegossener Beton haette erledigen koennen? Warum ist in D permanent die Rede davon, dass rationalisiert werden muss und hier nicht?

O.K. ich werd mal versuchen zum Punkt zu kommen. Was hat das ganze jetzt mit Neoliberalismus zu tun? Ganz einfach: Die Australische Regierung unter John Howard hat unglaublich neoliberale Arbeitsmarktreformen mit der Behauptung durchgeboxt (wie man sie von Neokonservativen ja immer zu hoeren bekommt) es wuerden nicht nur die oberen 10.000 profitieren, sondern alle Bevoelkerungsteile. Und? So wie es sich mir darstellt hatte sie recht. Niedrige Arbeitslosigkeit, hohes Wirtschaftswachstum, sehr gute Loehne und ein sehr hoher Wohlstandslevel. Deshalb sind die Leute hier im Grossen und Ganzen auch recht zufrieden mit der Lage. Haben am Ende die neoliberalen mit ihrer "Weg mit Kuendigungsschutz! Weg mit zuviel Sozialstaat! Runter mit den Steuern!"-Litanei recht? Ich will es eigentlich nicht glauben, aber im Moment stellt es sich mir so dar.
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sober

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Re: Sieg des Neoliberalismus?
« Antwort #1 am: 15 Oktober 2007, 09:26:58 »

Und ihr braucht unbedingt noch nen Programmierer und ne Physikerin bei euch da? ;)
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colourize

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Re: Sieg des Neoliberalismus?
« Antwort #2 am: 15 Oktober 2007, 09:50:21 »

Zusammenhänge zwischen zwei Variablen herzustellen (in diesem Fall: Neoliberalismus und höhere Löhne) ist nur dann sinnvoll, wenn es eine schlüssige Erklärung gibt, wie dieser Zusammenhang zustande kommt. Um ehrlich zu sein sehe ich diesen Erklärungszusammenhang überhaupt nicht. Mag ja sein, dass das Lohnniveau in Australien höher ist - aber wieso sollte der Neoliberalismus dafür die Ursache sein? Bestenfalls halte ich es für möglich, dass die Löhne *trotz* des straighteren Kapitalismus höher sind als in Deutschland, und nicht aufgrund dieser Regulationsweise.
In Schweden sind die Löhne auch höher als in Deutschland, und das Land ist sicher bei weitem nicht so wirtschaftsliberal.

Ein Einzelfall ist zudem ziemlich zufällig: Es gibt halt immer Beispiele und Gegenbeispiele. Selbst wenn sich logisch erschließen ließe warum die Kapitalisten in Australien gerade dann mehr Lohn zahlen, wenn man sie weniger dazu anhält (was ich nebenbei gesagt für ziemlich unlogisch halte), müsste man mehr Fälle untersuchen, um eine empirische Evidenz feststellen zu können.

Kurzum: Erstens ist der kausale Zusammenhang, den Du hier konstruierst, vollkommen willkürlich und nicht inhaltlich begründbar (es können eben zig vermutlich entscheidendere Faktoren das Lohnniveau beeinflussen als der dortige "Geist des Kapitalismus"), und selbst wenn es eine nachvollziehbare Logik gäbe wieso gerade durch die Verstärkung der kapitalistischen Idee die Löhne steigen ist zweitens die Betrachtung eines Einzelfalls eine ziemlich magere Datenbasis für komplexe Begründungszusammenhänge.
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Thomas

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Re: Sieg des Neoliberalismus?
« Antwort #3 am: 15 Oktober 2007, 12:03:55 »

Wie colourize schon ansprach, ist das Gesamtsystem von Wirtschaft, Geldfluss, etc. bekanntermaßen ziemlich komplex, so das man aus deinen Beobachtungen nicht zwingend deine Schlüsse ziehen kann.Gleichwohl kann ich mir vorstellen, das das eine etwas mit dem anderen zu tun hat.In Amerika z.b. hat die hire-and-fire-Gesellschaft ja auch nicht nur Nachteile.
Insgesamt ist es sowieso immer schwierig, die Situation von einem Land auf ein anderes zu übertragen, da alle möglichen Rahmenbedingungen variieren können.Vermutlich sind die Lebenshaltungskosten in Australien bei dem Lohnniveau auch höher als in D, oder ?

Auf der einen Seite bin ich der Meinung, das der Sozialstaat in D einiges an wirtschaftlicher Energie frißt.Auf der anderen Seite muß man sehen, das es in Deutschland allgemein einen hohen Wohlstandslevel gab und gibt, auch das Jammern geschieht hier auf hohem Niveau.Man muß halt gucken, wo soziale Marktwirtschaft Sinn macht und wo nicht.
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Nevyn

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Re: Sieg des Neoliberalismus?
« Antwort #4 am: 15 Oktober 2007, 12:37:23 »

Auf der einen Seite bin ich der Meinung, das der Sozialstaat in D einiges an wirtschaftlicher Energie frißt.Auf der anderen Seite muß man sehen, das es in Deutschland allgemein einen hohen Wohlstandslevel gab und gibt, auch das Jammern geschieht hier auf hohem Niveau.Man muß halt gucken, wo soziale Marktwirtschaft Sinn macht und wo nicht.
Dazu mal ein sehr interessanter Artikel, dem ich von meiner Warte her 99% recht gebe:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,510080-2,00.html
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Thomas

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Re: Sieg des Neoliberalismus?
« Antwort #5 am: 15 Oktober 2007, 12:43:08 »

Auf der einen Seite bin ich der Meinung, das der Sozialstaat in D einiges an wirtschaftlicher Energie frißt.Auf der anderen Seite muß man sehen, das es in Deutschland allgemein einen hohen Wohlstandslevel gab und gibt, auch das Jammern geschieht hier auf hohem Niveau.Man muß halt gucken, wo soziale Marktwirtschaft Sinn macht und wo nicht.
Dazu mal ein sehr interessanter Artikel, dem ich von meiner Warte her 99% recht gebe:
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Jo, den Artikel kenn' ich.Steckt in der Tat viel wahres drin, wobei ich mir bei der Bezugsdauer vor Arbeitslosengeld I selbst noch nicht ganz schlüssig bin, was gerecht(er) ist.
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K-Ninchen

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Re: Sieg des Neoliberalismus?
« Antwort #6 am: 15 Oktober 2007, 13:13:48 »

Auf der einen Seite bin ich der Meinung, das der Sozialstaat in D einiges an wirtschaftlicher Energie frißt.Auf der anderen Seite muß man sehen, das es in Deutschland allgemein einen hohen Wohlstandslevel gab und gibt, auch das Jammern geschieht hier auf hohem Niveau.Man muß halt gucken, wo soziale Marktwirtschaft Sinn macht und wo nicht.
Dazu mal ein sehr interessanter Artikel, dem ich von meiner Warte her 99% recht gebe:
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Jo, den Artikel kenn' ich.Steckt in der Tat viel wahres drin, wobei ich mir bei der Bezugsdauer vor Arbeitslosengeld I selbst noch nicht ganz schlüssig bin, was gerecht(er) ist.

Im Prinzip stellt sich da nur noch die Frage, wohin man da am besten auswandert...

...aber auch dort kann man heftig auf die Nase fliegen und ne fette Pleite hinlegen, so einfach ist das auch wieder nicht ;)

Aber das amerikanische System hat schon was. *liebäugel*
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Re: Sieg des Neoliberalismus?
« Antwort #7 am: 15 Oktober 2007, 13:22:54 »

Ich denke, es hängt gerade in Australien auch mit anderen Faktoren zusammen.

Einmal die extrem geringe Bevölkerungsdichte. Das sorgt dafür, daß relativ wenig Menschen eine recht große Infrastruktur aufrecht erhalten bzw. erstellen müssen. Es gibt also einfach mehr Arbeit pro Einwohner.
Dann die geographische Isolation. Preiswertere Gastarbeiter können sich nicht mal eben ein paar Stunden ins Kfz setzen und vor Ort dann billiger produzieren.
Australien ist noch relativ "neu", d.h. es wird noch ständig neu gesiedelt, neue Ecken werden erschlossen als Wohnraum, Industriegebiet etc.

Und ein Faktor den ich interessant fände, ist, wie stark die Gewerkschaften dort sind. Evt. steht a deswegen einer an der Baustelle, weil die diesen Arbeitsplatz nicht wegrationalisieren können, ohne bestreikt zu werden. Diese Gewerkschaftsstärke erhält in Skandinavien viele Jobs und ein hohes Lonniveau.
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uriel

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Re: Sieg des Neoliberalismus?
« Antwort #8 am: 15 Oktober 2007, 14:46:42 »

die antwort ist rellativ simpel: nein ^^ es ist kein sieg - es ist ein fehler

denn: es ist zwar schön, das in einigen bereichen ein freier markt wirklich funktionieren kann, aber doch bitte nicht in allen.

wende deinen blick mal bitte nach irland und sag mir dann, ob das system des 100%ig freien markt wirklich überall funktionieren kann

wenn du mir dann sagst - ja - dann hast du nicht genau hingeschaut...

eine wirtschaftstheorie als einzige grundlage darzulegen und danach zu handeln geht immer nach hinten los. schaust du nach japan, da sind se längst darüber hinaus, wirtschaftspolitisch nur nach einer theorie zu handeln.

des weiteren, wer die gewinnerzielung von über 25% in einer firma welche im finanzmarkt tätig ist für das gelbe vom ei hält ist in meinen augen nicht mehr ganz klar im kopf

eisbär hat schon recht, dort wo der arbeitnehmer eine starke vertretung hat, dort hält sich das in einer gesunden waage und das sind derzeit nunmal die skandinavischen länder.

das problem hier in deutschland ist, das lobbys wie der bertelsmann-konzern oder der springer konzern dermaßen viel einfluss auf medien, wissenschaft/bildung und politik ausüben können und es auch tun, das hier einfach kein umdenken stattfinden kann

wenn wir hier in deutschland nicht diesen beknackten privatisierungswahn hätten, würde es auch hier deutlich besser laufen - aber daran würden einige zu wenig verdienen...dann kommt noch ein  handeln seitens ezb und bundesregierung hinzu welches wachstum abwürgt und auf unternehmensseite (meist großkonzerne - mit blick auf die tolle "arbeiterpartei" spd welche auch nur noch eine partei der großen konzerne ist "blick auf schröder und seine erben münte und co") steuern senkt, selbige dann durch private haushalte gegenzufinanzieren ist glatter irrsinn und in meinen augen verrat am bundesbürger

ich weiß nicht, wie es in australien mit "verdeckter" korruption ausschaut, aber was hier in deutschland derzeit so läuft ist schon nimmer feierlich. das neolieberale denken hochzujubeln ist in meinen augen eindeutig der falsche ansatz
« Letzte Änderung: 15 Oktober 2007, 14:50:32 von uriel »
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Re: Sieg des Neoliberalismus?
« Antwort #9 am: 15 Oktober 2007, 18:43:18 »

Könnte vielleicht auch mit der rigiden Einwanderungspolitik Australiens zusammenhängen.

Wenn ich mich nicht täusche, lässt Australien keine unqualifizierten Wirtschaftsasylanten einwandern.
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messie

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Re: Sieg des Neoliberalismus?
« Antwort #10 am: 15 Oktober 2007, 19:27:12 »

Oje, da hat colourize recht - da vergleichst du nun wirklich Äpfel mit Birnen, Simplicissimus.
Du hast ja einige Positivbeispiele genannt. Dabei hast du aber auch einige wesentliche Fakten, die auch erwähnt sein sollten, vergessen  ;)


1) Die gesundheitliche Versorgung

In AUS (zumindest in Queensland) werden nur die Krankenhäuser mit öffentlichen Geldern versorgt.
Das heißt: Jeder Arzt ist privat. Jeden Arzt muss man aus eigener Tasche bezahlen.
Logisch dass da die Gehaltsstruktur für das Personal in Krankenhäusern höher ist. Die Unmenge an Geldern, die die Krankenkasse hierzulande an Ärzte ausschütten muss, fällt dort erst gar nicht an.

2) Es müssen wenige Maßnahmen für Infrastruktur, etc. seitens des Staates geleistet werden.

Schon mal erfahren, wieviel alleine ein Verkehrsschild hierzulande kostet, das der Staat zu bezahlen hat?
Hier gibt es einfach viel mehr Straßen, öffentliche Wege, etc. pp. auf engem Raum zu wuppen. In AUS fallen da im Verhältnis zu den Einwohnern deutlich weniger Kosten an. Wenn man mal von Sidney absieht.

3) Der Sozialstaat ist dort nur rudimentär vorhanden.

Öffentliche Träger für Kindergärten oder Kindertagesstätten? - Vergiss es!
In Bezug auf Arbeitslosigkeit bin ich nicht so informiert, das Sozialsystem das sich Deutschland hierzulande leistet ist aber meines Wissens in der Höhe der Leistungen weltweit einmalig.
Mal ganz davon ab was die Altersvorsorge angeht.
Da bin ich auch froh drum. Slums wie es sie in AUS gibt, möchte ich hier nicht noch zu meinen Lebzeiten sehen müssen.

4) Es gibt durch den Inselstatus und die harten Einreisebedingungen wenig "Sozialschmarotzer".

Leute die nix verdienen und somit keine Steuern zahlen gibt es dort kaum, vor allem nicht aus dem Ausland.
Jeder Einwanderer muss eine bestimmte Summe an Eigenkapital mitbringen, möchte er dauerhaft einwandern. Zudem muss ein Teil der Familie auch einen Beruf innehaben, der dort gesucht wird. Sie holen sich also überwiegend nur Ausländer ins Land, die die dortige Wirtschaft eher ankurbeln denn bremsen.
Selbiges ist in Deutschland natürlich überhaupt nicht machbar, schon alleine weil eine illegale Einwanderung hierzulande überhaupt nicht kontrollier- und regelbar ist. Hier ist Schwarzarbeiten für Ausländer schneller möglich als dort. Dort müssen sie ja erstmal hinkommen ...

5) Folge davon: Es müssen wesentlich weniger Steuern und Sozialabgaben bezahlt werden!

Wo wenig investiert werden muss, braucht man auch nicht viel auszugeben.
Und so kommt es dass die Steuersätze dort im Vergleich zu hier ein Witz sind. Alleine der Beitrag fürs Gesundheitssystem liegt dort für die Arbeitnehmer so um die 1,5%. (Zum Vergleich: Hier in D liegt er bei 12 bis 16 Prozent, abhängig von der Krankenkasse, bei der man Mitglied ist).
Logisch dass die Arbeitnehmer dort dann auch deutlich mehr in der Tasche haben.

6) Der Tourismus bringt jede Menge Geld ins Land.

Wo gibt es den hier? Vielleicht in Bayern mehrheitlich, an den Küsten, in den größeren Städten.
In AUS sieht es anders aus: Touristen sind einfach überall. Sprich, so gut wie jede Stadt profitiert davon! Das macht das Land nun auch nicht eben ärmer.  ;)


Das sollte als kleiner Exkurs mal reichen, was denn alles so anders in AUS ist. Die Problematiken mit den Aborigines, die kulturellen Eigenheiten der Australier, Konsum anzukurbeln (in Weihnachten wird dort alles billiger ...) und, und, und noch garnicht mal angesprochen ...


Sprich: Ich glaube, Simplicissimus, du hast wohl John Howard etwas zu sehr geglaubt. Immerhin befindet er sich gerade mitten im Wahlkampf, logisch dass er die florierende Wirtschaft dort zu seinem Verdienst erklärt.  ;)
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Thomas

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Re: Sieg des Neoliberalismus?
« Antwort #11 am: 15 Oktober 2007, 19:30:55 »

Könnte vielleicht auch mit der rigiden Einwanderungspolitik Australiens zusammenhängen.

Wenn ich mich nicht täusche, lässt Australien keine unqualifizierten Wirtschaftsasylanten einwandern.
Vieleicht auch ein Grund unter vielen.Allerdings : Als wir Massen an unqualifizierten Fremdarbeitern in's Land holten, waren die wirtschaftlich durchaus nützlich, soll heißen : Vieles, was mal sinnvoll war, kann später zum Problem werden und umgekehrt.

Zitat von: messie
Das heißt: Jeder Arzt ist privat. Jeden Arzt muss man aus eigener Tasche bezahlen.
Logisch dass da die Gehaltsstruktur für das Personal in Krankenhäusern höher ist. Die Unmenge an Geldern, die die Krankenkasse hierzulande an Ärzte ausschütten muss, fällt dort erst gar nicht an.
Das würde ja für meine Vermutung sprechen, das die Lebenshaltungskosten in AUS auch entsprechend höher sind.
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Simplicissimus1668

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Re: Sieg des Neoliberalismus?
« Antwort #12 am: 16 Oktober 2007, 04:08:07 »

Hmm, ich werd mal versuchen so viel wie moeglich zu beantworten. (Sollte ich was vergessen, so sei mir hoffentlich verziehen.)

Der Zusammenhang zwischen Neoliberalismus und Wohlstand ist ja nicht von mir willkuerlich in die Welt gesetzt worden. Ganz im Gegenteil denke ich da eher wie colourize und sehe nicht, warum ausgerechnet ein freier, deregulierter Markt den schwaecheren zu besseren Loehnen und einem hoeheren Lebensstandard verhelfen sollte. Aber Fakt ist, dass die australische Wirtschaft brummt und im Moment sowohl die niedrigste Arbeitslosenquote seid Ewigkeiten als auch das hoechste Wohlstandsniveau erreicht hat. Dabei ist die Arbeitslosigkeit nach einschlaegiger Meinung durch die neoliberalen Reformen bekaempft worden. Und der Witz an der Sache: das hab nicht ich mir ausgedacht und auch nicht der Johnny Howard. Denn wenn Eisbaer recht hat, dann bin nicht nur ich dem PM auf den Leim gegangen sondern auch Oppositionsfuehrer Kevin Rudd, der zwar vieles Kritisiert, aber nicht die neoliberalen Reformen der Howard Regierung. (Bis auf wenige Details.)
Sicher ist es unmoeglich ein komplexes System wie Wirtschaft monokausal zu erklaeren und auch Laendervergleiche sind schwierig, aber tendenzen kann man doch sicherlich trotzdem erkennen. Und da scheint es mir im Moment so zu sein, dass eher neoliberal agierende Laender im Moment besser da stehen, unabhaengig von ihren sonstigen Rahmenbedingungen.

Was die Lebenshaltungskosten angeht ist AUS (noch?) guenstiger als D. Und darin unterscheidet sich AUS auch fundamental von Skandinavien. Wenn in Skandinavien (oder auch der Schweiz) die Loehne hoeher sind als in D, so wird ein grosser Teil dieser hoeheren Loehne von den deutlich hoeheren Lebenshaltungskosten aufgefressen. Was in AUS (noch?) nicht der Fall ist. Zumindest ist das die Situation, von der ich gehoert habe. Ein bekannter Ingenieur ist z.B. von D nach Norwegen und nach zwei Jahren wieder zurueck, weil sein deutlich hoeheres Gehalt dort weniger Kaufkraft hatte als in D und es somit Essig war mit dem ordentlich Kohle ansparen. (Ausserdem scheinen die Norweger teilweise ziemlich ueble Nationalisten zu sein.)

Zitat
...aber auch dort kann man heftig auf die Nase fliegen und ne fette Pleite hinlegen, so einfach ist das auch wieder nicht

Und damit wir uns richtig verstehen. Ich glaube nicht, dass in AUS, USA oder sonstwo das geheiligte Land ist, nur weil es wirtschaftlich gerade gut laeuft. Mich wundert nur, dass Laender mit einem aehnlichen Entwicklungsstand so gaenzlich verschieden sein koennen.
Es geht mir ja eigentlich genau darum, dass ich mich frage, wie ein deutscher Arbeitgeber ueber jeden Cent, den er mehr Lohn zahlen jammert, als waere es das Ende der Welt, waehrend anderswo (wo meines Wissens nach die selben Spielregeln der Globalisierung gelten) die Loehne steigen und teils voellig sinnbefreite Jobs gut bezahlt werden.

Zitat
Einmal die extrem geringe Bevölkerungsdichte. Das sorgt dafür, daß relativ wenig Menschen eine recht große Infrastruktur aufrecht erhalten bzw. erstellen müssen. Es gibt also einfach mehr Arbeit pro Einwohner.
Dann die geographische Isolation. Preiswertere Gastarbeiter können sich nicht mal eben ein paar Stunden ins Kfz setzen und vor Ort dann billiger produzieren.
Australien ist noch relativ "neu", d.h. es wird noch ständig neu gesiedelt, neue Ecken werden erschlossen als Wohnraum, Industriegebiet etc.

Und ein Faktor den ich interessant fände, ist, wie stark die Gewerkschaften dort sind. Evt. steht a deswegen einer an der Baustelle, weil die diesen Arbeitsplatz nicht wegrationalisieren können, ohne bestreikt zu werden. Diese Gewerkschaftsstärke erhält in Skandinavien viele Jobs und ein hohes Lonniveau.

Aber sollte man dann nicht meinen, dass das Geld fuer die Infrastruktur auch irgendwo her kommen muss und somit zu hoeheren Abgaben fuehren sollte? Und was die Gastarbeiter angeht denke ich, dass das Problem nicht ist, dass sie nicht ins Land kommen, sondern dass sie keine Arbeitserlaubnis erhalten und da ist Europa aehnlich restriktiv wenn es um nicht-EU Menschen geht.

Was die Gewerkschaften angeht sind meines Wissens nach bis auf die Minenbauer die Gewerkschaften traditionell klein, schwach und zerstritten. (Meinte zumindest mein Mitbewohner.)

@uriel

Zitat
die antwort ist rellativ simpel: nein ^^ es ist kein sieg - es ist ein fehler

haeh???

Zitat
wende deinen blick mal bitte nach irland und sag mir dann, ob das system des 100%ig freien markt wirklich überall funktionieren kann

wenn du mir dann sagst - ja - dann hast du nicht genau hingeschaut...

Um ehrlich zu sein beschraenkt sich mein Wissen ueber Irland ziemlich auf Trinklieder. Ich kenne eine Person, die nach Irland gegangen ist, weil sie dort einen Job als Koechin bekommen hat, was in D nicht geklappt hat und das sie sich persoenlich sehr wohl fuehlt dort, aber das wars dann auch schon was meine Erfahrung mit Irland angeht. Vielleicht koenntest du mal ausfuehren, woran du dachtest. Was laeuft dort nicht/falsch? Was gibt es da zu lernen?

Zitat
des weiteren, wer die gewinnerzielung von über 25% in einer firma welche im finanzmarkt tätig ist für das gelbe vom ei hält ist in meinen augen nicht mehr ganz klar im kopf

Und wo kam das jetzt her? Sind die 25% Teil eines einheitlichen neoliberalen Glaubensbekenntnisses? Wie bereits geschrieben, was mein Gehirn ueberfordert ist ja genau die Tatsache, dass eben nicht (reine) Gewinnmaximierung zu passieren scheint. Oder wenn es sich um Gewinnmaximierung handelt diese trotzdem der Gesellschaft einen Vorteil zu verschaffen scheint. (Womit ich dann wieder kein Problem haette.) 

Zitat
eisbär hat schon recht, dort wo der arbeitnehmer eine starke vertretung hat, dort hält sich das in einer gesunden waage und das sind derzeit nunmal die skandinavischen länder.

Und das ist nur ein Glaubensbekenntnis. Wie gesagt, meines Wissens nach sind die australischen Gewerkschaften traditionell eher schwach und besitzen nur wenig Einfluss. Ausserdem hatte ich schon ausgefuehrt, dass in Skandinavien auch nicht das gelobte Land ist (und nur um das zu wiederholen: ich denke auch nicht, dass hier der Stein der Weisen erfunden wurde), weil die hoeheren Loehne dort leicht durch extrem hohe Lebenshaltungskosten wieder aufgefressen werden.

Zitat
das problem hier in deutschland ist, das lobbys wie der bertelsmann-konzern oder der springer konzern dermaßen viel einfluss auf medien, wissenschaft/bildung und politik ausüben können und es auch tun, das hier einfach kein umdenken stattfinden kann

Aber tun das Konzerne nicht weltweit? Sicher gibt es auch in Skandinavien Konzerne, die massgeblich die oeffentliche Meinung mitbestimmen.

Zitat
ich weiß nicht, wie es in australien mit "verdeckter" korruption ausschaut, aber was hier in deutschland derzeit so läuft ist schon nimmer feierlich. das neolieberale denken hochzujubeln ist in meinen augen eindeutig der falsche ansatz

Das Ding ist eben, dass ich aehnlich denke wie du, nur eben nicht davon ausgehe, dass ich notwendigerweise recht habe. Und deshalb ja dieser Thread. Ich will den neoliberalismus ja nicht hoch jubeln, muss mich hier aber eben zum Teil wundern, dass er nicht die folgen zeigt, die die deutsche Linke immer an die Wand malt.
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uriel

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Re: Sieg des Neoliberalismus?
« Antwort #13 am: 16 Oktober 2007, 10:07:50 »

@ simpli :)

also: ich pers. halte den neoliberalismus in der form, wie er hier in deutschland bzw allgemein in den westeuropäischen ländern dogmatisch praktiziert und huchgejubelt wird für einen fehler - einen sehr großen sogar, denn hier in d macht er mehr kaputt, als das er verbessert. zumindest für die breite masse (private haushalte)

hierzulande wird propagiert, der staat dürfe keine schulden machen. er dürfe keine neuen schulden machen. er müsse sparen, sparen, sparen...

mal nebenbei - bei unternehmen sind schulden durchaus ein gängiges mittel um optimal mit geld zu arbeiten. aber das geht dann jetzt zu sehr inrichtung betriebswirtschaft und gehört hier und jetzt nicht hier hin.

in irland gibts keine staatsverschuldung. wie auch - da gibts auch nur minimale ausgaben. die schulen werden von der katholischen kirche zumindest teil- wenn nicht gar ganz finanziert (wer da net katholisch is, hat da schon mal n problem). was gesundheit angeht, läuft es auch größtenteils auf private finanzierung hinaus. sprich die privaten haushalte müssen sehr viel selbst finanzieren.

hier nochmal ein kurzer text dazu - wenn du zeit hast, kannst es dir ja mal durchlesen: drück mich

ich werde jetzt mal voraussetzen, das du schonmal was vom wirtschaftskreislauf gehört hast.  in diesem zusammenhang kommt dann auch produktivität zur sprache. du produzierst güter, die werden verkauft...[wirtschaftskreislauf eben]...und in diesem rahmen entsteht nachhaltig wirtschaftswachstum. wenn du nun aber als unternehmen nur dafür da bist, andere aufzukaufen, zu zerschlagen und wieder zu verkaufen (wie es derzeit mit der niederländischen bank abn amro geschieht), dann bist du als unternehmen nicht produktiv tätig im sinne von leisten/herstellen. das gleiche gilt für unternehmen, die mit krediten handeln um möglichst hohe renditen für ihre privaten, sehr vermögenden, kunden zu "erarbeiten". doch statt man diesen sogenannten hedge-fonds einhalt gebietet, wird hier in deutschland der rote teppich ausgelegt für die. hm...könnte daran liegen, das wir neoliberal eingestellte politiker in den dafür notwendigen schlüsselpositionen sitzen haben.

aber in den skandinavischen ländern funktioniert meines wissens das solidarprinzip besser als bei uns und es wird hier noch schlechter werden.

sicher haben große konzerne auch anderswo großen einfluss - macht es das jetzt besser oder schlechter?

ich würde auch nicht zwingend sagen, alles, was da drin steht ist schlecht. nur eine der entscheidenen dogmen im neoliberalen denken ist "staat raus aus dem markt. der regelt das alleine viel besser". privatisierung um jeden preis ist der falsche weg. da gibts in meinen augen keine diskussion. der teilverkauf der bahn ist das beste beispiel. man blicke nach großbritannien. dort hat es mit der privatisierung der ubahn nicht geklappt. und das ende vom lied war. das der staat dort für viel geld wieder einspringen musste. ganz großes kino. hier ist es die telekom. ein verhältnismäßig kleiner anteilseigner mit 4,5% kann soviel einfluss auf die geschäftsführung ausüben, dass der bund (der ja viel mehr anteile hält) klein bei gibt und mitspielt und die arbeitnehmer vorführt. wie bitte soll das dann bei der bahn werden, wenn der bund 49% abgibt? es gibt noch viele weitere beispiele - vor allem auch im gesundheitswesen, welche mir zu der erkenntnis verholfen haben, dass das derzeitig hier vorherschende neoliberale denken in wirtschaft, politik und medien nur zum nachteil der mehrheit der bürger ausgerichtet ist. mittel- bis langfristig wird es der mehrheit hier im land deutlich schlechter gehen, wenn da nicht umgedacht wird. und das ist leider das, was totgeschwiegen wird, weil ja die gewinne wichtiger sind als das volk an sich.
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Re: Sieg des Neoliberalismus?
« Antwort #14 am: 16 Oktober 2007, 11:58:48 »

Naja... vielleicht läuft's in Australien nur durch den Weltwirtschaftsboom. Und da Australien ein kleines Land ist (bevölkerungstechnisch), macht sich da so ein Aufschwung eben stark bemerkbar. Auch, da Australien Im- und Export-technisch nah an China liegt (über 80% des Welthandels werden verschifft!).
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