Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Ungewöhnliche Lebensentwürfe  (Gelesen 9750 mal)

Trakl

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Ungewöhnliche Lebensentwürfe
« Antwort #30 am: 10 Juni 2006, 18:16:52 »

Zitat
och Moldaschl ist der Ansicht, dass das Bewusstsein dieser Verdinglichung gegenwärtig eher abnimmt. Das kann zwei Ursachen haben: Entweder verändern sich die Verhältnisse, die Ausdruck dieser Verdinglichung sind, tatsächlich so, dass einen größeren Raum für die Entfaltung von Subjektivität entsteht, oder die verdinglichten Verhältnisse werden so total, dass sie gar nicht mehr bewusst wahrgenommen werden.


(Aus dem Link)

Haben Sie auch Literatur, die für Dialektiker geeignet ist?  :zyklop:

Wie wär's mit beidem?

Adorno hat schon lange vor Moldaschl klargestellt, wie sowas funktioniert. Nur dass es damals noch nicht eingetreten war.

Allein das Wort "Selbstvermarktung". Ich bewerbe mich wie ein Produkt, wie ein Ding.
Die Sprache, die solche Vorgänge immer zuerst wiederspiegelt (aber auch am schwierigsten selbst reflektiert werden kann) hat schon seit längerem angekündigt wohin die Reise geht - und zwar in dem Kompliment "Du kannst Dich sehr gut verkaufen."
Wo der Unterschied zur Prostitution liegt, ist mir nicht mehr ersichtlich.
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DarkAmbient

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Ungewöhnliche Lebensentwürfe
« Antwort #31 am: 10 Juni 2006, 19:26:23 »

Zitat von: "Trakl"
Haben Sie auch Literatur, die für Dialektiker geeignet ist?  :zyklop:


Hmm, tatsächlich lese ich gerade das neueste Buch von Jürgen Ritsert...

Zitat
Adorno hat schon lange vor Moldaschl klargestellt, wie sowas funktioniert. Nur dass es damals noch nicht eingetreten war.


Wenn jemand, dann hat wohl der alte Karl Marx ein Copyright auf "Selbstvermarktung".

Wie dem auch sei... die Feinheit, die hier wichtig ist, ist -- und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen -- dass das jeweilige Subjekt nicht einfach nur seine Arbeit zur Verfügung stellt, sondern selbst die Produktion des eigenen Arbeitsfähigvermögens managed, und dazu eine adäquate Rationalität internalisieren muss. Das allein macht der Moldaschl als neues Element aus, das erst seit wenigen Jahen in diesem Kapitalismus Relevanz bekommt.

Zum genannten Beispiel bedeutet das, dass die gute Julia nicht einfach eine 'Ausbildung zur Unternehmensberaterin' macht und erwartet, einen Job zu finden. Es ist wirklich erstaunlich, wenn eine 19jährige schon vor hat, nicht den vorgegebenen Weg einer Ausbildung zu gehen, sondern jenseits der ausgetretenen Pfade versucht, durch Diversifikation und dem Suchen einer eigenen Nische einen Extra-Mehrwert für ihre Arbeitskraft herauszuholen. Für diese Erkenntnis musste ich erst einmal studieren.

Andererseits halte ich es auch für möglich, dass viel von dem Artikel der pädagogischen Phantasie der Spiegel-Online Redaktion entspringt.
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Trakl

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Ungewöhnliche Lebensentwürfe
« Antwort #32 am: 10 Juni 2006, 19:55:55 »

Ihr seid ja so krank.

Nochmal zu Marx: das was später kam, konnte der noch nicht wissen.


Zitat
dass das jeweilige Subjekt nicht einfach nur seine Arbeit zur Verfügung stellt, sondern selbst die Produktion des eigenen Arbeitsfähigvermögens managed, und dazu eine adäquate Rationalität internalisieren muss.


DAS hat Adorno aber schon beschrieben. Bei Gelegenheit such ich die Passage mal raus, weiß nicht mehr genau wo.
Die Passage, die ich im anderen Thread (McKinsey) zitiert habe, ist auch schon gut in die Richtung gedacht.
Vor allem was das internalisieren von Rationalität betrifft: das steht alles schon so in "Dialektik der Aufklärung" bzw. in "Minima Moralia" drin.

 
Zitat
sondern jenseits der ausgetretenen Pfade versucht, durch Diversifikation und dem Suchen einer eigenen Nische einen Extra-Mehrwert für ihre Arbeitskraft herauszuholen. Für diese Erkenntnis musste ich erst einmal studieren.


Ihr seid wirklich ECHT krank.

Ich hab einfach in den Tag hinein gelebt bzw. ich habe das gemacht, was mir Spaß gemacht hat.
Und nun bin ich trotzdem genau da wo ich sein will.

Wie hab ich das gemacht? Ich habe einfach *gelebt*.

Wenn Ihr auch mal zu leben anfangen würdet (Vorsicht: tut manchmal weh!) statt Euch über die Zukunft Gedanken zu machen...
Ich meine nicht gedankenlos. Ich meine bewusst.
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Ungewöhnliche Lebensentwürfe
« Antwort #33 am: 10 Juni 2006, 21:27:40 »

Zitat von: "Trakl"
Ihr seid ja so krank.


Das ist ja eine tolle Diagnose. Wer sind 'ihr'?

Zitat von: "Trakl"
Nochmal zu Marx: das was später kam, konnte der noch nicht wissen.


Ähh, und was hast Du da gerade geraucht?

Zitat
DAS hat Adorno aber schon beschrieben. Bei Gelegenheit such ich die Passage mal raus, weiß nicht mehr genau wo.


Nuja, ist schon ein bisschen her, dass ich die beiden Schinken gelesen hab, aber ich kann mich an eine entsprechende Passage nicht erinnern.

Zitat
Und nun bin ich trotzdem genau da wo ich sein will.


Ich gönne Dir doch Deinen Zweckoptimismus. :)

Zitat
Wenn Ihr auch mal zu leben anfangen würdet (Vorsicht: tut manchmal weh!) statt Euch über die Zukunft Gedanken zu machen...
Ich meine nicht gedankenlos. Ich meine bewusst.


Eigentlich mache ich mir Gedanken über die Gegenwart.

Ich glaube dass Du hier grundsätzlich eine Intention missverstehst.
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Ungewöhnliche Lebensentwürfe
« Antwort #34 am: 11 Juni 2006, 11:26:07 »

Tut mir leid Dark, aber ich höre hier immer raus, dass sich die Gedanken um "was soll ich später mal machen" oder "was muss ich jetzt tun, damit ich später mal dies und das machen kann (oder überhaupt "einen Job" bekomme)".
Keiner scheint sich zu fragen: "Was interessiert mich jetzt?", "Was kann ich jetzt tun, damit ich jetzt das machen kann, was mich interessiert" oder im Zweifelsfall "Was kann ich aus der derzeitigen Situation mitnehmen?".

Bei Dir klang das auch eben so, dass Du erst studieren musstest, um zu erkennen, dass die Qualifikation in der Diversifikation liegt und nicht im Fachidiotentum.
Ich sage: wer einfach lebt, den wird das Leben schon dahin führen wo er sein will. Man soll nur den Mut haben, der "herrschenden Meinung" zu trotzen. Dazu muss man sich natürlich auch ein paar Gedanken machen. Die sind dann aber hoffentlich übergeordneter Natur.
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Ungewöhnliche Lebensentwürfe
« Antwort #35 am: 11 Juni 2006, 11:31:52 »

Yes Ma'm!

DelaGuerre, wie immer lebensnah und kundig gesprochen.
Langsam möchte ich Dich doch mal kennenlernen.
Ich möchte eine Arche der mündigen Menschen bauen und dann auf eine Insel fahren.
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Lakastazar

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Ungewöhnliche Lebensentwürfe
« Antwort #36 am: 11 Juni 2006, 14:38:20 »

Zitat von: "Trakl"

Ich möchte eine Arche der mündigen Menschen bauen und dann auf eine Insel fahren.


Den Traum, oder so ähnliche, haben viele!
Mich eingeschlossen...
nur fragt sich wer was für "Selektionskriterien" verwendet... :roll:

so wie du den Eindruck auf mich machst, is man bei dir schnell unten durch...

und übrigens:
Gehört Adorno nich zur Frankfurter Schule?
Die war doch soweit ich weiß bekannt dafür, sehr neomarxistisch gewesen zu sein...

Wie auch immer... interessante Zusammenhänge, wie ich finde ;)
wollts nur erwähnt haben, bevor ihr euch unnötig die Augen auskratzt
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Trakl

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Ungewöhnliche Lebensentwürfe
« Antwort #37 am: 11 Juni 2006, 14:47:03 »

Kleiner Tipp, Lak:

An der Sache orientieren, nicht an der Schublade. Dann passieren auch nicht solche Sachen wie anderswo im Forum: dass man von Büchern erfahren muss, die Erkenntnisse als neu verkaufen, die schon längst prophezeit waren.

Frankfurter Schule. Schulen sind Bullshit. Oder sagen Blumfeld, die Sterne und Tomte dasselbe?

Wenn, dann waren die die letzte Bastion der Dialektik - einer der Ideologisierung sehr unanfälligen Richtung, die sich selbstkritisch sogar ihre eigene Ideologisierung bewusst gemacht und damit verhindert hat.
Eine der ganz großen philosophischen Leistungen des 20. Jahrhunderts, wie ich finde. Und dabei so gesellschaftsnah.
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Lakastazar

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Ungewöhnliche Lebensentwürfe
« Antwort #38 am: 11 Juni 2006, 16:10:52 »

Zitat von: "Trakl"
dass man von Büchern erfahren muss, die Erkenntnisse als neu verkaufen, die schon längst prophezeit waren.


Wo wurden denn Erkenntnisse als neu verkauft?
Nur weil jemand sich mit einem Sachgebiet beschäftigt, dass ein anderer zuvor auch schon bearbeitet hat und die Erkenntnisse ähnliche Rückschlüsse erlauben?

Man will ja schließlich nich zum Dogma verfallen eine Authorität über andere zu erheben, nur weil diese ja in ihren Arbeiten schon das Thema behandelt hat oder vorhergesagt hat...
dann können wir ja gleich wieder die Propheten ehren, die ja auch das eine oder andere vorhergesagt haben ;)
man kann ja davon ausgehen, dass neue Studien neue Ergebnisse seitdem gebracht haben könnten, die neue Rückschlüsse in Bezug auf bereits vorhandenen Erkenntnissen erlauben ;)

Zitat
Frankfurter Schule. Schulen sind Bullshit. Oder sagen Blumfeld, die Sterne und Tomte dasselbe?


Könntest du mir einen Gefallen tun, und nich immer wieder Analogien zur Musik herstellen, sobald es um philosophische Sachthemen geht?

Die Frankfurter Schule is eine Sachorientierte Schule, deren "Anhänger" sich mit ähnlichen Fragestellungen beschäftigt und einander durchaus angepasste Methoden und Modelle ausgetauscht haben... jedenfalls sind Überschneidungen in den Arbeiten der dort interdisziplinär arbeitenden Indivuen vorhanden...
Ein Austausch unter diesen is bei einem gemeinsamen Sachthema/Fragestellung manchmal unausweichlich, besonders dann, wenn man in derselben Fakultät/Institution arbeitet... :roll:

http://de.wikipedia.org/wiki/Frankfurter_Schule

Keine Frage, gehören die zu den in Deutschland letzten Bastionen freier noch kritischer Dialektik...
aber ich wäre vorsichtig beim Lobpreisen...

denn es macht blind für Kritik
man lese die Kritik im Wiki-Artikel
http://de.wikipedia.org/wiki/Dialektik
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DarkAmbient

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Ungewöhnliche Lebensentwürfe
« Antwort #39 am: 11 Juni 2006, 16:23:22 »

Zitat von: "Trakl"
Tut mir leid Dark, aber ich höre hier immer raus, dass sich die Gedanken um "was soll ich später mal machen" oder "was muss ich jetzt tun, damit ich später mal dies und das machen kann (oder überhaupt "einen Job" bekomme)".


Ja. Ich spreche im Moment gerade von der Welt, wie ich sie analysiere, nicht wie ich sie mir wünsche. Sicher: Die Frankfurter Schule hat auch mich gelehrt, nicht nur das 'Wirkliche' bzw. 'Existierende' zu sehen in sog. pragmatischer oder Sachzwangorientierung, sondern auch das Mögliche, dessen Chance zu einer Realisierung verpasst wurde. Und beides zu sehen und zu versuchen eine Synthese in der Praxis herzustellen ist für mich eine Hauptaufgabe einer dialektischen Herangehensweise...

Zitat
Keiner scheint sich zu fragen: "Was interessiert mich jetzt?", "Was kann ich jetzt tun, damit ich jetzt das machen kann, was mich interessiert" oder im Zweifelsfall "Was kann ich aus der derzeitigen Situation mitnehmen?".


... und das was ich jetzt will (oder wollen kann) und wass ich mit für die Zukunft vorstelle zusammenzubringen ist eine andere Hauptaufgabe.

Zitat
Bei Dir klang das auch eben so, dass Du erst studieren musstest, um zu erkennen, dass die Qualifikation in der Diversifikation liegt und nicht im Fachidiotentum.


Ja. War so. Ich bin nicht mit meinem jetzigen Erfahrungsstand auf die Welt gekommen...

Übrigens: Ein wenig Fachidiotentum könnte einigen Generalisten und gebildeten Überbau-Managern durchaus nicht schaden.
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Ungewöhnliche Lebensentwürfe
« Antwort #40 am: 11 Juni 2006, 16:29:17 »

Zitat von: "Lakastazar"
Wo wurden denn Erkenntnisse als neu verkauft?
Nur weil jemand sich mit einem Sachgebiet beschäftigt, dass ein anderer zuvor auch schon bearbeitet hat und die Erkenntnisse ähnliche Rückschlüsse erlauben?


Nicht zu vergessen, dass Trakl den Nachweis in der DdA und MM schuldig geblieben ist...
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Ungewöhnliche Lebensentwürfe
« Antwort #41 am: 11 Juni 2006, 19:33:49 »

Poppers Werk von 1937 wird als Kritik an der Dialektik angeführt. Das war aber vor Adornos Arbeiten.
Die Kritik an der Dialektik bezieht sich auf die Hegelsche.

Auch Adorno überarbeitet Kant und Hegel.

Das Schöne an der Dialektik ist: es hört nie auf. Wer Widersprüche auf andere Weise zusammenzwingen will, kann das tun.
Der Poststrukturalismus endet in Beliebigkeit und Verschleierung.
Die kritische Dialektik endet nie. Sie ist dem Universum verwandt, das ohne einen Gegenpol gar nicht existieren würde.
Es liegt am Menschen, daraus etwas zu entwickeln.

Es ist bezeichnend, dass in meinem Bekanntenkreis die größten Fans der Poststrukturalisten auch diejenigen sind, die ständig Wahrheitsfindung vermeiden (auch bei sich selbst bzw. in ihrem Selbst). Sie sind die größten Ironiker, haben aber selten etwas Konstruktives beizutragen.
Sie sind groß darin, Dinge klein zu reden. Von Lebensfreude keine Spur. Eigentlich nicht mal von Leben.

So wie Einstein noch lange nicht "widerlegt" ist, hat sich die Dialektik noch lange nicht überholt.
Die Geschichte der Philosophie ist zyklisch. Es tauchen immer Phasen neuer Dialektik auf. Und natürlich tauchen dann Gegenpositionen auf.

Der Dialektiker würde sagen: das war abzusehen. Schließlich existiert das Eine nicht ohne das Andere.
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« Antwort #42 am: 11 Juni 2006, 20:30:03 »

Hier zum Beispiel: MM 147: (und hier zitiert Adorno schon jemanden von ca. 1910-15!!!!)

"[...]
'Der spezialistische 'Virtuose'', schrieb ein Dialektiker vor dreißig Jahren, 'der Verkäufer seiner objektivierten und versachlichten geistigen Fähigkeiten...gerät auch in eine kontemplative Attitüde zum dem Funktionieren seiner eigenen, objektivierten und versachlichten Fähigkeiten. Am groteskesten zeigt sich diese Struktur im Journalismus, wo gerade die Subjektivität selbst, das Wissen, das Temperament, die Ausdrucksfähigkeit zu einem abstrakten, sowohl von der Persönlichkeit des 'Besitzers' wie von dem materiell-konkreten Wesen der behandelten Gegenstände unabhängigen und eigengesetzlich in Gang gebrachten Mechanismus wird. Die 'Gesinnungslosigkeit' der Journalisten, die Prostitution ihrer Erlebnisse und Überzeugungen ist nur als Gipfelpunkt der kapitalistischen Verdinglichung begreifbar.'
Was hier an den "Entartungserscheinungen" des Bürgertums festgestellt wird, die es selber noch denunzierte, ist mittlerweile als die Gesellschaftliche Norm hervorgetreten, als Charakter der vollwertigen Existenz unterm späten Industrialismus. Längst handelte es sich nicht mehr um den bloßen Verkauf des Lebendigen. Unterm Apriori der Verkäuflichkeit hat das Lebendige als Lebendiges sich selber zum Ding gemacht, zur Equipierung.
Das Ich nimmt den ganzen Menschen als seine Apparatur bewusst in den Dienst. Bei dieser Umorganisation gibt das Ich als Betriebsleiter so viel von sich an das Ich als Betriebsmittel ab, dass es ganz abstrakt, bloßer Bezugspunkt wird: Selbsterhaltung verliert ihr Selbst.
Die Eigenschaften, von der echten Freundlichkeit bis zum Hysterischen Wutanfall, werden bedienbar, bis sie schließlich ganz ihrem situationsgerechten Einsatz aufgehen. Mit ihrer Mobilisierung verändern sie sich. Sie bleiben nur noch als leichte, starre und leere Hülsen von Regungen zurück, beliebig transportabler Stoff, eigenen Zuges bar.
Sie sind nicht mehr Subjekt, sondern das Subjekt richtet sich auf als sein inwendiges Objekt. In ihrer grenzenlosen Gefügigkeit gegens Ich sind sie diesem zugleich entfremdet: als ganz passive nähren sie es nicht länger. Das ist die gesellschaftliche Pathogenese der Schizophrenie.
Die Trennung der Eigenschaften vom Triebgrund sowohl wie vom Selbst, das sie kommandiert, wo es vormals bloß zusammenhielt, lässt den Menschen für seine anwachsende innere Organisation mit anwachsender Desintegration bezahlen.
Die im Individuum vollendete Arbeitsteilung, seine radikale Objektivation, kommt auf seine kranke Aufspaltung heraus. Daher der "psychotische Charakter", die anthropologische Voraussetzung aller Totalitären Massenbewegungen.
Gerade der Übergang fester Eigenschaften in einschnappende Verhaltensweisen - scheinbar Verlebendigung - ist Ausdruck einer steigenden organischen Zusammensetzung. Quickes Reagieren, ledig der Vermittlung durchs Beschaffensein, stellt nicht nur Spontaneität wieder her, sondern etabliert die Person als Messinstrument, disponibel und ablesbar für die Zentrale."
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Ungewöhnliche Lebensentwürfe
« Antwort #43 am: 11 Juni 2006, 21:24:04 »

Das ist tatsächlich sehr ähnlich. Aber was ich wichtig finde: In seinem Urteil ist Adorno sehr apodiktisch ("Gipfelpunkt der kapitalistischen Verdinglichung"), d.h garnicht dialektisch. Moldaschl ist da offener:

"Doch Moldaschl ist der Ansicht, dass das Bewusstsein dieser Verdinglichung gegenwärtig eher abnimmt. Das kann zwei Ursachen haben: Entweder verändern sich die Verhältnisse, die Ausdruck dieser Verdinglichung sind, tatsächlich so, dass einen größeren Raum für die Entfaltung von Subjektivität entsteht, oder die verdinglichten Verhältnisse werden so total, dass sie gar nicht mehr bewusst wahrgenommen werden."

Das kann man sicher auch gut als poststrukturellen Trick bei der Darstellung abtun. Aber ich habe diese Form sehr zu schätzen gelernt. Zum Schluss kommt kein Schluss, sondern ein Widerspruch. Und was tut ein Dialektiker mit einer strikten Antinomie? Richtig, er denkt selber darüber nach!

Poststrukturalismus und Frankfurter Schule sind garnicht so unterschiedlich, wobei erstere sicher viel vorsichtiger dabei sind, zu sagen dies ist richtig und dies ist falsch, sondern sie verlagern diese Entscheidung oft in das Urteilsvermögen des geneigten Lesers. Vordergründig manchmal Dialektik ablehnend, verfeinern sie sie dadurch meiner Meinung lediglich. Sicher wirkt das wie Indifferenz, wenn man einfache Antworten auf komplizierte Fragen erwartet...
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Ungewöhnliche Lebensentwürfe
« Antwort #44 am: 11 Juni 2006, 22:00:08 »

Der "Gipfelpunkt..." stammt aus dem Zitat Adornos (leider ohne Angabe), nicht von Adorno selbst.

Apodiktisch sind diese Texte nur scheinbar. Schließlich ist das letzte Kapitel von MM ein zusammenfassendes über Dialektik selbst - und darin wie schon erwähnt die Selbstkritiik enthalten.

Natürlich nimmt jemand die Verdinglichung nicht mehr wahr, wenn sie vollzogen ist. Mündigkeit besteht darin, immer über das eigene System hinaus zu denken. Da in jedem System ein Fehler steckt, lässt sich anhand von diesem das jeweils übergeordnete feststellen - bis dann der dortige gefunden ist.
Es gibt allerdings einen Endpunkt, je nachdem in welche Richtung man geht. Die Kosmologie lässt keine Poststrukturalistische Deutung zu...

Mir fällt auf: Die Dialektik, insbesondere diejenige Adornos beinhaltet den Poststrukturalismus als Teilmenge...
Deswegen finde ich den PS auch so....unnütz.
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