Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Halberstadt  (Gelesen 11389 mal)

colourize

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« Antwort #60 am: 19 März 2006, 00:20:29 »

Zitat von: "Thomas"
Gefängnisse sind Staatsbetriebe, seit wann wird da Wert auf Rentabilität gelegt ?
Meines Wissens ist der Strafvollzug Länderangelegenheit, aber für diesen Fall ist das ja unerheblich. Fakt ist aber, dass auch die Beschäftigten im öffentlichen Dienst alle ein Interesse daran haben, dass ihre Abteilung nicht wegen Überflüssigkeit dem Sparzwang geopfert wird.

Btw. Krankenhäuser sind ebenfalls Landesbetriebe. Da ist es auch schwer entlassen zu werden, wenn gerade wenig Betten belegt sind. "Sie bleiben noch übers Wochenende zur Beobachtung hier."
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schwarze Katze

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« Antwort #61 am: 19 März 2006, 12:44:20 »

Zitat von: "sober"
Zitat
Was spricht dagegen, mit *ausländischen* Gewalttätern genauso zu verfahren wie mit inländischen?


z.b. überfüllte Gefängnisse. Wieso sollen wir hier jemanden verwahren, der kein staatsbürger ist, oder wie eine türkische bekannte vor kurzen meinte: "Vieler derer sind numal hier, weil sie zuhause keiner will."


ungefähr desselbe sagte unserer netter Reiseführer in Türkei-Urlaub. Er meinte ganz trocken: "wir haben hier keine Verbrecher, alle unsere Verbrecher sind nach Deutschland ausgewandert"

@colourize

dagegen spricht auch das Ausländergesetz, der besagt, dass die Ausländer, die zu einer Haftstrafe in bestimmter Höhe (ich denke, es sind 2 Jahre Haft) verurteilt sind, abgeschoben werden sollen.
Solche Gesetzte hat man nicht nur in Bundesrepublik, sondern in fast allen Ländern
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Thomas

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« Antwort #62 am: 19 März 2006, 13:32:21 »

Zitat von: "colourize"
Fakt ist aber, dass auch die Beschäftigten im öffentlichen Dienst alle ein Interesse daran haben, dass ihre Abteilung nicht wegen Überflüssigkeit dem Sparzwang geopfert wird.

Das stimmt wohl vom Prinzip her.Aber (um mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen) du möchtest doch wohl nicht ernsthaft behaupten, das der Staat ein Interesse an gut gefüllten Haftanstalten hat (und dieses Interesse auch aktiv fördert), damit Schließer&Co. beschäftigt sind ? (Übrigens kann der Staat da wohl auf aktive Förderung verzichten, ein Mangel an Kriminellen hatten wir bisher ja wohl noch nicht, auch nicht während der Wirtschaftswunderzeit.)

Zitat von: "Black Russian"
ungefähr desselbe sagte unserer netter Reiseführer in Türkei-Urlaub. Er meinte ganz trocken: "wir haben hier keine Verbrecher, alle unsere Verbrecher sind nach Deutschland ausgewandert"

Das glaube ich ihm aufs Wort.
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phaylon

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« Antwort #63 am: 19 März 2006, 16:33:47 »

Thomas, über das Haft-Ding sollten wir nochmal reden, wenn der erste im Gefängnis landet, weil er eine CD kopiert hat ;)
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Improvisation ist ein wichtiger Faktor in jeder funktionalen Ideologie.

Thomas

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« Antwort #64 am: 19 März 2006, 17:05:21 »

Zitat von: "phaylon"
Thomas, über das Haft-Ding sollten wir nochmal reden, wenn der erste im Gefängnis landet, weil er eine CD kopiert hat ;)

Wie jetzt ?
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colourize

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« Antwort #65 am: 19 März 2006, 20:52:21 »

Zitat von: "Thomas"
Zitat von: "colourize"
Fakt ist aber, dass auch die Beschäftigten im öffentlichen Dienst alle ein Interesse daran haben, dass ihre Abteilung nicht wegen Überflüssigkeit dem Sparzwang geopfert wird.

Das stimmt wohl vom Prinzip her.Aber (um mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen) du möchtest doch wohl nicht ernsthaft behaupten, das der Staat ein Interesse an gut gefüllten Haftanstalten hat (und dieses Interesse auch aktiv fördert), damit Schließer&Co. beschäftigt sind ?

Vielleicht nicht "damit Schließer&Co beschäftigt sind". Aber ich glaube schon, dass die Belegung der Haftanstalten einer systemischen Logik folgt, und nicht an absolute Kriterien gebunden ist. Oder anders: Wenn sich Alle "regelkonform" verhalten und es an sich keinen Grund gäbe, Jemanden einzuknasten, dann werden eben die Regeln so angepasst, dass es wieder Menschen zum einknasten gibt. Früher waren es mal die Schwulen, morgen vielleicht die von phaylon genannten Raubkopierer.

Gesetze funktionieren nur, wenn der Gesellschaft, die diese Regeln befolgen sollen, deutlich wird was mit denen passiert, die den Gesetzen *nicht* folgen. Daher muss es immer Menschen geben, die in den Knast wandern. Ein gut gefüllter Knast gehört zu einem "zivilisierten" Staat einfach dazu.
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Thomas

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« Antwort #66 am: 19 März 2006, 21:08:13 »

Zitat von: "colourize"

Vielleicht nicht "damit Schließer&Co beschäftigt sind". Aber ich glaube schon, dass die Belegung der Haftanstalten einer systemischen Logik folgt, und nicht an absolute Kriterien gebunden ist. Oder anders: Wenn sich Alle "regelkonform" verhalten und es an sich keinen Grund gäbe, Jemanden einzuknasten, dann werden eben die Regeln so angepasst, dass es wieder Menschen zum einknasten gibt. Früher waren es mal die Schwulen, morgen vielleicht die von phaylon genannten Raubkopierer.

Das glaube ich nicht.Erstens gibt es in jeder menschlichen Gesellschaft immer Regeln (anders wird das ganze wohl nicht laufen), die von irgendjemandem gebrochen werden.Diese Regeln werden aber sicherlich nicht deswegen aufgestellt, damit jemand sie bricht, und man somit jemanden zum Einknasten hat.Ich bin absolut sicher, das jeder Staat sinnvolleres mit seinem Geld anfangen könnte.

Des weiteren wird es immer grundlegende Regeln geben, auch wenn es "modebedingt" im Laufe der Zeit Abwandlungen gibt.Mord, Raub, Vergewaltigung, Steuerhinterzeihung, etc. wird vermutlich immer (zu Recht) verboten sein.Daraus ergibt sich übrigens auch, das der Staat es gar nicht nötig hat, selbst irgendwie aktiv mitzumischen und Gesetzte dahingehend "anzupassen", das wieder mehr deliquenten geschaffen werden.Die logischen Straftatbestände alleine reichen da völlig aus.

(Ich rede dabei übrigend von einem demokratischen Staat nach westlichen Normen, nicht von irgendeiner Willkürdiktatur in der Walachei)

Zitat von: "colourize"

Gesetze funktionieren nur, wenn der Gesellschaft, die diese Regeln befolgen sollen, deutlich wird was mit denen passiert, die den Gesetzen *nicht* folgen. Daher muss es immer Menschen geben, die in den Knast wandern. Ein gut gefüllter Knast gehört zu einem "zivilisierten" Staat einfach dazu.

Vom Prinzip her richtig.Aber (gutgefüllte) Knäste gibt es nicht, weil man die halt für sich gesehen braucht, sondern weil es immer Regelbrecher geben wird, und diese Regelverstöße eben entsprechend verfolgt  werden müssen.Oder hast du bessere Alternativen (nicht auf einzelne Delikte, sondern auf das Gesamtprinzip bezogen) ?
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colourize

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« Antwort #67 am: 20 März 2006, 04:51:16 »

Zitat von: "Thomas"
Das glaube ich nicht.Erstens gibt es in jeder menschlichen Gesellschaft immer Regeln (anders wird das ganze wohl nicht laufen), die von irgendjemandem gebrochen werden.Diese Regeln werden aber sicherlich nicht deswegen aufgestellt, damit jemand sie bricht, und man somit jemanden zum Einknasten hat.Ich bin absolut sicher, das jeder Staat sinnvolleres mit seinem Geld anfangen könnte.

Derart "bewusst" ist dem Staat dieser Prozess selbst nicht.
Ich bin kein Verschwörungstheoretiker. ;)

Zitat von: "Thomas"
Des weiteren wird es immer grundlegende Regeln geben, auch wenn es "modebedingt" im Laufe der Zeit Abwandlungen gibt.Mord, Raub, Vergewaltigung, Steuerhinterzeihung, etc. wird vermutlich immer (zu Recht) verboten sein.Daraus ergibt sich übrigens auch, das der Staat es gar nicht nötig hat, selbst irgendwie aktiv mitzumischen und Gesetzte dahingehend "anzupassen", das wieder mehr deliquenten geschaffen werden.Die logischen Straftatbestände alleine reichen da völlig aus.

Gesetze fallen nicht vom Himmel und Straftatbestände sind nicht "logisch". Fakt ist, dass im modernen Staat die Rechtsprechung im ganz wesentlichen Maße individuelle Eigentumsrechte und das Recht auf körperliche Unversehrheit schützt. Es geht uns in unseren Gesetzen um den Schutz von Körper und Eigentum des Individuums. Dieses Schwergewicht folgt einem bestimmten Menschenbild bei uns im Westen. In Gesellschaften in denen das Individuum weniger bedeutsam ist als bei uns, ist die Rechtsprechung auch weniger auf individuelle Freiheiten ausgerichtet.

In vorindustrieller Zeit war das auch bei uns anders. Klar, Mord war auch verboten, aber andere Straftatbestände (wie etwa Gotteslästerung) wurden z.T. ähnlich drastisch bestraft... und heute interessiert sich unsere Rechtsprechung überhaupt nicht mehr dafür.

Was erlaubt ist und was nicht wird vom Staat also durchaus "angepasst". Heutzutage alle Häretiker einknasten zu wollen wäre wohl ein kaum zu bewerkstelligendes Vorhaben. Der Staat achtet sehr wohl darauf, dass Knastplätze und Straftatbestände in einem Gleichgewichtszustand sind - auch wenn ich unterstelle, dass der Staat dies nicht intentional tut.


Zitat von: "Thomas"
(Ich rede dabei übrigend von einem demokratischen Staat nach westlichen Normen, nicht von irgendeiner Willkürdiktatur in der Walachei)

Klar. Ich auch.

Zitat von: "Thomas"

Vom Prinzip her richtig.Aber (gutgefüllte) Knäste gibt es nicht, weil man die halt für sich gesehen braucht, sondern weil es immer Regelbrecher geben wird, und diese Regelverstöße eben entsprechend verfolgt  werden müssen.

Ich lasse an dieser Stelle mal einen Anderen für mich sprechen, der es besser ausdrücken kann:

"Gehen wir davon aus, daß die Strafjustiz die vom Gesetz definierten Vergehen reduzieren soll und das Gefängnis das Instrument dazu ist, so ist der Mißerfolg nicht zu übersehen. Anstatt nun aber die Auswirkungen der Strafthaft auf das Gesamtniveau der Kriminalität zu ermessen, sollten wir uns die Frage stellen, wie es möglich ist, daß seit 150 Jahren die Erfolglosigkeit des Gefängnisses proklamiert wird und an diesem Gefängnis gleichwohl durchaus festgehalten wird. (...)

Vielleicht aber sollte man das Problem umkehren und sich fragen, wozu der Mißerfolg des Gefängnisses gut ist. (...) Man könnte dann annehmen, daß das Gefängnis und überhaupt die Strafmittel nicht dazu bestimmt sind, Straftaten zu unterdrücken, sondern sie zu differenzieren, sie zu ordnen, sie nutzbar zu machen; daß sie weniger diejenigen gefügig machen sollen, die Gesetze überschreiten, sondern daß sie die Überschreitung der Gesetze in einer allgemeinen Taktik der Unterwerfungen zweckmäßig organisieren sollen. Die Strafjustiz wäre dann so etwas wie die "Verwaltung" der Gesetzwidrigkeiten: sie zieht die Toleranzgrenzen, gibt den einen Verstößen freien Raum, unterdrückt die anderen, schließt einen Teil davon aus, macht einen anderen nutzbar, neutralisiert die einen, zieht aus den anderen Gewinn. Die Strafjustiz würde also die Gesetzeswidrigkeiten nicht einfach "unterdrücken", sondern sie differenzieren und ihre allgemeine "Ökonomie" sicherstellen. (...)
Die gesetzlichen Strafen sind Bestandteil einer globalen Strategie der Gesetzeswidrigkeiten."

(Michel Foucault: Überwachen Und Strafen - Die Geburt des Gefängnisses. S. 350f)


Zitat von: "Thomas"
Oder hast du bessere Alternativen (nicht auf einzelne Delikte, sondern auf das Gesamtprinzip bezogen) ?

Nein, habe ich nicht.
Ich denke ja, dass Gefängnisse zum System der "Zivilisation" dazugehören müssen und dass es keine Alternative gibt. Gefängnisse sind äußerst sinnvoll - allerdings nicht in Bezug auf das "abweichende Individuum", dass es im Gefängnis zu bessern bzw. zu "re-sozialisieren" gilt, sondern in Bezug auf ihre gesamtgesellschaftliche Funktion. Damit der Staat die bestehende Gesellschaftsordnung aufrecht erhalten kann, muss man eben die "Regelbrecher" einknasten.[/color]
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Thomas

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« Antwort #68 am: 20 März 2006, 10:56:14 »

Zitat von: "colourize"

Gesetze fallen nicht vom Himmel und Straftatbestände sind nicht "logisch". Fakt ist, dass im modernen Staat die Rechtsprechung im ganz wesentlichen Maße individuelle Eigentumsrechte und das Recht auf körperliche Unversehrheit schützt. Es geht uns in unseren Gesetzen um den Schutz von Körper und Eigentum des Individuums. Dieses Schwergewicht folgt einem bestimmten Menschenbild bei uns im Westen. In Gesellschaften in denen das Individuum weniger bedeutsam ist als bei uns, ist die Rechtsprechung auch weniger auf individuelle Freiheiten ausgerichtet.

Richtig.Diese Beschreibung (zumindest die "westliche") dürfte doch aber auch in deinem Sinne sein, oder ?

Zitat von: "colourize"

In vorindustrieller Zeit war das auch bei uns anders. Klar, Mord war auch verboten, aber andere Straftatbestände (wie etwa Gotteslästerung) wurden z.T. ähnlich drastisch bestraft... und heute interessiert sich unsere Rechtsprechung überhaupt nicht mehr dafür.

Stimmt.Ich habe auch nie behauptet, das (in meinen Augen) vernünftige Strafgesetzgebung vom anbeginn der Zeit an für die westliche Hemisphäre maßgeblich war.Auch das mußte sich erst entwickeln.

Zitat von: "colourize"
Was erlaubt ist und was nicht wird vom Staat also durchaus "angepasst".

Nicht unbeding vom Staat als abgegrenzte Intitution alleine.Vielmehr von der Gesellschaft.Homosexualität, Paragraph 218, etc. sind alles ehemalige Straftatbestände, die der Staat nicht plötzlich von heute auf morgen gekippt hat, sondern die unter dem Druck gesellschaftlicher Veränderungen angepaßt wurden.Das Regelwerk von Straftatbeständen ist immer ein Stück weit auch ein Scherenschnitt einer Gesellschaft.

Zitat von: "courize"
Der Staat achtet sehr wohl darauf, dass Knastplätze und Straftatbestände in einem Gleichgewichtszustand sind - auch wenn ich unterstelle, dass der Staat dies nicht intentional tut.

Der Staat achtet darauf, in ungefähr genügend Knastplätze für die vorhandenen Straftäter vorrätig zu haben, ja.Der Staat schafft keine Straftäter, um seine Gefängnisskapazitäten auszufüllen.

Zitat von: "colourize"

Ich lasse an dieser Stelle mal einen Anderen für mich sprechen, der es besser ausdrücken kann:

"Gehen wir davon aus, daß die Strafjustiz die vom Gesetz definierten Vergehen reduzieren soll und das Gefängnis das Instrument dazu ist, so ist der Mißerfolg nicht zu übersehen. Anstatt nun aber die Auswirkungen der Strafthaft auf das Gesamtniveau der Kriminalität zu ermessen, sollten wir uns die Frage stellen, wie es möglich ist, daß seit 150 Jahren die Erfolglosigkeit des Gefängnisses proklamiert wird und an diesem Gefängnis gleichwohl durchaus festgehalten wird. (...)

Vielleicht aber sollte man das Problem umkehren und sich fragen, wozu der Mißerfolg des Gefängnisses gut ist. (...) Man könnte dann annehmen, daß das Gefängnis und überhaupt die Strafmittel nicht dazu bestimmt sind, Straftaten zu unterdrücken, sondern sie zu differenzieren, sie zu ordnen, sie nutzbar zu machen; daß sie weniger diejenigen gefügig machen sollen, die Gesetze überschreiten, sondern daß sie die Überschreitung der Gesetze in einer allgemeinen Taktik der Unterwerfungen zweckmäßig organisieren sollen. Die Strafjustiz wäre dann so etwas wie die "Verwaltung" der Gesetzwidrigkeiten: sie zieht die Toleranzgrenzen, gibt den einen Verstößen freien Raum, unterdrückt die anderen, schließt einen Teil davon aus, macht einen anderen nutzbar, neutralisiert die einen, zieht aus den anderen Gewinn. Die Strafjustiz würde also die Gesetzeswidrigkeiten nicht einfach "unterdrücken", sondern sie differenzieren und ihre allgemeine "Ökonomie" sicherstellen. (...)
Die gesetzlichen Strafen sind Bestandteil einer globalen Strategie der Gesetzeswidrigkeiten."

(Michel Foucault: Überwachen Und Strafen - Die Geburt des Gefängnisses. S. 350f)

Also mal abgesehen davon, das der Autor seit ca. 20 Jahren Tod ist, dementsprechend auch mindestens die letzten zwanzig Jahre Entwicklung in Strafvollzug und Gesellschaft nicht mehr miterlebt hat, stimme ich ihm in seiner tlw. Paranoia trotzdem nicht zu.

Der einzige Sinn von Gefängnissen besteht nicht darin, die Zahl der Straftäter auf Null zu bringen, das wird außerhalb einer Anarchie wohl nie funktionieren.Es wird immer und überall Menschen geben, die sich an Gesellschaftsregeln nicht halten, und das muß eben geahndet werden.Nicht wenige dürfte die Aussicht auf Knast schon von vornherein von ihren Taten abschrecken, also haben Gefängnisse auch abschreckende Wirkung.Einige werden in den Knästen resozialisiert, was wohl auch bei nicht wenigen funktioniert.Und wiederum andere können in der Gesellschaftsordnung scheinbar gar nicht leben, für diese hat das Gefängnis die Aufgabe, sie wegzusperren, damit sie für den Rest der Gesellschaft keine Gefahr darstellen.Das wars.

Zitat von: "colourize"

Ich denke ja, dass Gefängnisse zum System der "Zivilisation" dazugehören müssen und dass es keine Alternative gibt. Gefängnisse sind äußerst sinnvoll - allerdings nicht in Bezug auf das "abweichende Individuum", dass es im Gefängnis zu bessern bzw. zu "re-sozialisieren" gilt, sondern in Bezug auf ihre gesamtgesellschaftliche Funktion. Damit der Staat die bestehende Gesellschaftsordnung aufrecht erhalten kann, muss man eben die "Regelbrecher" einknasten.

Dazu muß man aber akzeptieren, das die bestehende Gesellschaftsordnung den Sinn hat, dem Wohle aller zu dienen, auch wenn es da hin- und wieder zu Problemen kommt.Des weiteren habe ich auch mit dem System der Strafe kein Problem, dafür sind Knäste in erster Linie da, und bei einigen Menschen ist das eben notwendig.
Den Menschen sind Regeln und Strafen bekannt, also weiß jeder vorher, auf was er sich da einläßt.Ich halte es auch nicht für sonderlich schwierig, die Regeln eines Rechtsstaates zu befolgen ohne in seiner Persönlichkeit drastisch eingeschränkt zu werden.
Die Resozialisierung ist für mich nur ein "Zusatzgeschäft" im Strafvollzug, welches aber natürlich so oft wie möglich angewendet werden sollte.Der Hauptsinn besteht aber, wie gesagt, in Abschreckung und Bestrafung.
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phaylon

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« Antwort #69 am: 20 März 2006, 18:11:50 »

Zitat von: "Thomas"
Zitat von: "phaylon"
Thomas, über das Haft-Ding sollten wir nochmal reden, wenn der erste im Gefängnis landet, weil er eine CD kopiert hat ;)

Wie jetzt ?


Bzgl. "Haben kein Interesse an vollen Gefängnissen." Ich stimme aber colourize zu (*mysteriöses donnergrollen*) dass hier nicht die Illuminaten dahinterstehen, sondern das eher ein selbsterhaltender Prozess ist. Was kriminalisiert wird, bestimmt die Politik. Und diese wird von den Lobbies beeinflußt. Ich muss mutmaßen, aber ich würde schätzen, dass ein neues Gefängnis auch günstiger kommt, als beispielsweise in ghetto'sche Gegenden die Lebensqualität zu erhöhen.

Diese "teufelskreisartigen" Gebilde würd' ich aber natürlich nicht auf Gefängnisse bzw. Kriminalisierung beschränken, sondern eher abstrakt sehen. Die zunehmende Bürokratisierung könnte man beispielsweise auch noch hinzurechnen.

Zitat
Ich habe auch nie behauptet, das (in meinen Augen) vernünftige
Strafgesetzgebung vom anbeginn der Zeit an für die westliche Hemisphäre
maßgeblich war.Auch das mußte sich erst entwickeln.


Das haben sich die Leute damals wahrscheinlich genauso gedacht. Warum sollte sich das nicht *noch* weiter entwickeln?

Theoretisch haben Gefängnisse natürlich den Zweck, die Gesellschaft sauber zu halten. Praktisch gesehen ist aber auch der Effekt vorhanden, dass die Gesellschaft mit diesen Mitteln (meist) innerhalb ihrer Normen an dem Verurteilten "Rache" üben kann.
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Thomas

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« Antwort #70 am: 20 März 2006, 18:40:24 »

Zitat von: "phaylon"
Was kriminalisiert wird, bestimmt die Politik. Und diese wird von den Lobbies beeinflußt.

Wie ich schon schrieb, sehe ich nur bedingt so.Die Politik wird immer von irgendwem beeinflußt, im Idealfall von der Gesellschaft.Daher können auch positive Gesellschafts-Lobbys darauf Einfluß nehmen.

Zitat von: "phaylon"
Ich muss mutmaßen, aber ich würde schätzen, dass ein neues Gefängnis auch günstiger kommt, als beispielsweise in ghetto'sche Gegenden die Lebensqualität zu erhöhen.
Rechnerisch könnte das wohl hinkommen, aber ich unterstelle der Politik insgesamt mal, das diese Vorgehensweise nicht ihr Ziel ist.

Zitat von: "phaylon"
Zitat von: "Thomas"
Ich habe auch nie behauptet, das (in meinen Augen) vernünftige
Strafgesetzgebung vom anbeginn der Zeit an für die westliche Hemisphäre
maßgeblich war.Auch das mußte sich erst entwickeln.


Das haben sich die Leute damals wahrscheinlich genauso gedacht. Warum sollte sich das nicht *noch* weiter entwickeln?

Der Frage kann ich mich anschließen.Könnte gut sein, das in fuenfzig Jahren die Gesellschaft wieder andere Werte u.ä. hat, an denen sich wiederum andere Straftatbestände festmachen lassen.

Zitat von: "phaylon"

Theoretisch haben Gefängnisse natürlich den Zweck, die Gesellschaft sauber zu halten. Praktisch gesehen ist aber auch der Effekt vorhanden, dass die Gesellschaft mit diesen Mitteln (meist) innerhalb ihrer Normen an dem Verurteilten "Rache" üben kann.

Das will ich nicht bestreiten, und begrüße es in einem gewissen Rahmen sogar.
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phaylon

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« Antwort #71 am: 20 März 2006, 20:40:58 »

Zitat von: "Thomas"
Zitat von: "phaylon"
Was kriminalisiert wird, bestimmt die Politik. Und diese wird von den Lobbies beeinflußt.

Wie ich schon schrieb, sehe ich nur bedingt so.Die Politik wird immer von irgendwem beeinflußt, im Idealfall von der Gesellschaft.Daher können auch positive Gesellschafts-Lobbys darauf Einfluß nehmen.


"Positiv" finde ich etwas unpassend in der Frage. Es kommt ja persönlich darauf an, was man als positiv empfindet. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass bestimmte Lobbies an der Kriminalisierung bestimmter Dinge ein Interesse haben. Siehe "Privatkopie" oder "Baumwolle" vs. "Hanffaser."

Zitat von: "phaylon"
Rechnerisch könnte das wohl hinkommen, aber ich unterstelle der Politik insgesamt mal, das diese Vorgehensweise nicht ihr Ziel ist.


Das sehe ich anders :)

Zitat
Das will ich nicht bestreiten, und begrüße es in einem gewissen Rahmen sogar.


Ist mir klar. Rache und Rachegelüste sind allgegenwärtiger Bestandteil des menschlichen Wesens. Das merkt man ja sogar hier im Forum :)
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« Antwort #72 am: 20 März 2006, 20:59:35 »

Zitat von: "phaylon"
"Positiv" finde ich etwas unpassend in der Frage. Es kommt ja persönlich darauf an, was man als positiv empfindet. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass bestimmte Lobbies an der Kriminalisierung bestimmter Dinge ein Interesse haben. Siehe "Privatkopie" oder "Baumwolle" vs. "Hanffaser."

Klar.Aber zum einen empfinde ich viele durch Gesellschaftsgruppen erreichte Dinge in der Rechtssprechung (z.B. das Homosexualität oder Prostitution nicht mehr strafbar sind) als positiv.
Zum anderen haben diese bestimmten Lobbygruppen, die du meinst (z.B. Thema Privatkopie) als Grund für die "gewünschte" Kriminalisierung ja nicht den Wunsch, das sich die Knäste füllen, sondern die Sicherung ihrer (tlw. berechtigten) Interessen.
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« Antwort #73 am: 20 März 2006, 21:32:16 »

Zitat von: "Thomas"
Zum anderen haben diese bestimmten Lobbygruppen, die du meinst (z.B. Thema Privatkopie) als Grund für die "gewünschte" Kriminalisierung ja nicht den Wunsch, das sich die Knäste füllen, sondern die Sicherung ihrer (tlw. berechtigten) Interessen.


*Jeder* hat wohl die Sicherung seiner Interessen als Grund. Allerdings mit welchen Mitteln? Im Sinne der Privatkopie eben durch Kriminalisierung, Verfolgung und Einschüchterung. Siehe zB die Werbespots die vor einiger Zeit geschalten wurden, frei nach "Raubkopierer sind Verbrecher!"

http://www.spiegel.de/img/0,1020,349313,00.jpg

Insofern sind Zweck, Methodik und die Richtung in die es geht nicht sonderlich different.
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« Antwort #74 am: 20 März 2006, 21:43:28 »

Zitat von: "phaylon"
*Jeder* hat wohl die Sicherung seiner Interessen als Grund. Allerdings mit welchen Mitteln?

Jeder so wie er meint, solange es im gesetzlichen Rahmen bleibt.Und fragwürdige Werbespots sind halt nicht verboten.

Zitat von: "phaylon"

Insofern sind Zweck, Methodik und die Richtung in die es geht nicht sonderlich different.

In diesem Fall vieleicht nicht.Aber es geht ja auch nicht um spezielle Einzelfälle, sondern um das Gesamtkonzept.Und (um auf das vorherige Thema zurückzukommen) darum, das soetwas von den Interessengruppen nicht getan wird, um die Knäste zu füllen.
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