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Autor Thema: Gothic: Marke, Subkultur oder billige Bricolage  (Gelesen 28844 mal)

Candide

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Gothic: Marke, Subkultur oder billige Bricolage
« am: 17 August 2004, 11:52:07 »

Ich möchte hier mal eine Diskussion wieder aufnehmen, die wir in einem anderen Thread schon hatten - dort schrieb ich:

Zitat
wenn es bei einer Subkultur darum geht, eine "nicht-normale Szene" zu bilden, aber die Individualität höchster Wert sein soll, so wird als Gegenkultur zum (normalen) Kollektiv ein neues (nicht-normales!?!?) Kollektiv erbaut.

Wie ist die Differenz zwischen einer Hip-Hop Szene, den Grufties, und den "Normalos"? Die einzige Differenz (abgesehen von Musikstilen und Farben) besteht in ebenjener Zuschreibung, subkulturell, das heißt nicht Mainstream, zu sein. Und diese Zuschreibung ist meist eine Selbstzuschreibung. ("Alle sind Individueen, nur ich bin anders!"  )

Szenen sind Teilzeitvergemeinschaftungen als hochflexibles Role-Model des Kulturbetriebs. Die Deutsche Bank in Berlin lud zu einem Kultur-Abend unter dem Titel "Wir sind alle Subkultur"ein? Klar, albern und durchschaubar, aber die Aktion zeigt, daß in den Chefetagen und Management-Seminaren längst klar ist, wie wichtig Verszenung, "Networking" und Community-Building als zentrale Produktivkraft geworden sind.

Ziel ist - egal ob man T-Shirts mit gruftigen Bandlogos, Lackhosen, oder die Mercedes A-Klasse zur A-Motion-Tour verkaufen will - Produktion eines Wir-Gefühls unter den Teilnehmern, welches die Möglichkeit bietet, sich vom Ihr abzuheben. Szenen sind spätestens seid Ende der 70er für die meisten nur noch Markenwelten und Produkt-Images.

Ich persönlich halte daher nach 12 Jahren "Gothic" jede Form der Szenebildung zum Zwecke des Anders-Seins für einen Widerspruch in sich, aber vielleicht verstehe ich auch einfach nur was falsch.

Nix desto trotz: wenn Spaß bringt, ist's doch ok.  

(vgl: Gelder, K.; Thornton, S. (Hg.): The Subcultures Reader; London 1997; Thornton, S.: Club Cultures: Music, Media and Subcultural Capital; Cambridge 1995)


Ich sehe die Szene, und darin fühle ich mich gerade durch die Neofolk-Diskussion hier im Forum mehr und mehr bestärkt, "nur noch" als Bricolage längst hinfälliger Klischee-Bilder von Punk-Rock über S/M (na, sagen wir lieber Fetischismus) bis Heidenkult. Jeder geht in seinem Klischee - seinem Sub-Tribe/ seiner Clique und Ersatzfamilie - so gut auf, wie er nur kann, sucht sich je nach Gusto ein wenig Rohmaterial aus Fetisch, Weltschmerz, Theosophie, Ariosophie und/oder früherer Subkulturen, pinselt das schwarz an, und nennt es dann Gothic. Daraus wurde dann eine Marke gebaut, die sich mittlerweile prima verkauft, ein Individualitäts-Shop, in dem man es sich leicht machen kann, anders zu sein, ohne sich wirklich zu differenzieren.

Thesen, die ich darob erneut zur Diskussion stelle:

1. Es gibt keinen gemeinsamen Nenner in der Szene, der über die Farbe "Schwarz" hinausgeht.
2. Die "Szene" ist keine Subkultur mehr, sondern eine aus einer Subkultur entstandene Meta-Marke, die in erster Linie dem Verkauf dient.
3. Die Unterschiede zwischen der "Gothic-Szene" und der Gesamtgesellschaft  sowie anderen Jugendkulturen beschränken sich wie in Punkt 1 auf die Farbe der Kleidung.
4. Die schwarze Szene ist kein Subsystem der Klassenstruktur, sondern stellt sich klassenunabhängig als Auffangbecken für gelangweilte Wohlstandsgören bereit.
5. Identitätsfindung innerhalb des Kollektives "schwarze Szene" ist nicht möglich, da die Szene in ihren Grundzügen, insb. bezüglich ihrer Toleranzschwelle gegenüber sog. "Pseudos", faschistisch ist bzw. eher einer Sekte gleicht. Zusammengehörigkeit wird kulfhaft durch Äußerlichkeiten wie Kleidung und Musik inszeniert, alles ausserhalb dieser Sphäre mit hohlen Phrasen als "normal" und daher "dumm" abgetan.

Disclaimer: Die obigen Aussagen entsprechen nicht zwangsläufig meiner tatsächlichen Meinung über die Szene. Sie repräsentieren lediglich Gedanken, die man ob ihrer haben könnte, aber nicht muss, und dienen nur als Diskussionsgrundlage. Ich wiederhole, was ich schon diverse Male betont habe: ich mag die Szene, und sehe mich in gewisser Nähe zu ihr, aber denke, das ihr die kritische Selbstreflektion abhanden gekommen ist, daher werfe ich diese bewußt völlig überspitzten Aussagen in den Raum.
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Bombe

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Re: Gothic: Marke, Subkultur oder billige Bricolage
« Antwort #1 am: 17 August 2004, 12:35:48 »

Zitat von: "Candide"
4. Die schwarze Szene ist kein Subsystem der Klassenstruktur, sondern stellt sich klassenunabhängig als Auffangbecken für gelangweilte Wohlstandsgören bereit.

Ich würde hier gerne noch „von der normalen Gesellschaft Ausgestoßenen“ sowie „geistig Gestörte“ hinzufügen.
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Candide

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Re: Gothic: Marke, Subkultur oder billige Bricolage
« Antwort #2 am: 17 August 2004, 12:37:13 »

Zitat von: "Bombe"
Zitat von: "Candide"
4. Die schwarze Szene ist kein Subsystem der Klassenstruktur, sondern stellt sich klassenunabhängig als Auffangbecken für gelangweilte Wohlstandsgören bereit.

Ich würde hier gerne noch „von der normalen Gesellschaft Ausgestoßenen“ sowie „geistig Gestörte“ hinzufügen.


Sagen wir eher "Leute, die sich für ausgestoßen oder gestört halten bzw. gerne damit kokettieren".
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Bombe

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Gothic: Marke, Subkultur oder billige Bricolage
« Antwort #3 am: 17 August 2004, 12:39:07 »

Oh ja, die hatte ich noch vergessen.
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Eisbär

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Re: Gothic: Marke, Subkultur oder billige Bricolage
« Antwort #4 am: 17 August 2004, 14:39:15 »

Zitat von: "Candide"

Thesen, die ich darob erneut zur Diskussion stelle:

1. Es gibt keinen gemeinsamen Nenner in der Szene, der über die Farbe "Schwarz" hinausgeht.
2. Die "Szene" ist keine Subkultur mehr, sondern eine aus einer Subkultur entstandene Meta-Marke, die in erster Linie dem Verkauf dient.
3. Die Unterschiede zwischen der "Gothic-Szene" und der Gesamtgesellschaft  sowie anderen Jugendkulturen beschränken sich wie in Punkt 1 auf die Farbe der Kleidung.
4. Die schwarze Szene ist kein Subsystem der Klassenstruktur, sondern stellt sich klassenunabhängig als Auffangbecken für gelangweilte Wohlstandsgören bereit.
5. Identitätsfindung innerhalb des Kollektives "schwarze Szene" ist nicht möglich, da die Szene in ihren Grundzügen, insb. bezüglich ihrer Toleranzschwelle gegenüber sog. "Pseudos", faschistisch ist bzw. eher einer Sekte gleicht. Zusammengehörigkeit wird kulfhaft durch Äußerlichkeiten wie Kleidung und Musik inszeniert, alles ausserhalb dieser Sphäre mit hohlen Phrasen als "normal" und daher "dumm" abgetan.
Bevor ich antworte, frage ich lieber nochmal nach ein paar Details...

zu 1+2: Wenn die Szene mal eine Subkultur war, wo war dann außer im Schwarz die Gemeinsamkeit?
zu 2: Dem Verkauf von was? Heute werden ja mit dem Produkten auch Images verkauft. Welche siehst Du da?
zu 3: Wenn sich aber alle so sehr Mühe geben, anders sein zu wollen, wie kann es sein, daß das nicht klappt? Paßt sich etwa die Gesellschaft der ehemaligen Subkultur an (manchmal habe ich echt den Eindruck)?
zu 4: "Klassenunabhängig" und "Wohlstandsgören" ist ein Widerspruch in sich. Kannst Du das ganze anders formulieren? Die Szene/Marke rekrutiert m.E. ihre Mitglieder aus allen sozialen Schichten, auffällig war mal der erhöhte Anteil an (Pseudo-)Intellektuellen, bzw. (angehenden) Akademikern.
Die Szene/Marke Hiphop z.B. hat ihr "Hauptrekrutierungsfeld" eher in den unteren Bevölkerungsschichten und an den Hauptschulen...
zu 5: Klingt ein wenig überspitzt, aber mir fällt spontan nicht viel dagegen ein (leider).
Vielleicht, wenn ich ein wenig drüber nachdenke...
Eine Kleinigkeit vielleicht: Bei 5 Mio BILD-Lesern täglich kann schon davon gesprochen werden, daß BILD-lesen "normal" ist... Darf ich es trotzdem als nicht unbedingt intellektuell betrachten?

Grüße
Lars

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kb

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Gothic: Marke, Subkultur oder billige Bricolage
« Antwort #5 am: 17 August 2004, 15:02:47 »

Disclaimer vorweg: Verallgemeinerungen sind als solche zu verstehen, und wer es wagt, mit Einzelfällen kontern zu wollen, hat doofe Ohren.

[list=1][*]Es gibt keinen gemeinsamen Nenner in der Szene, der über die Farbe "Schwarz" hinausgeht.

Kanns nicht ganz sein. Abgesehen von dieser etwas esoterischen Gabe der meisten Goten, "seinesgleichen" auch zu erkennen, wenn sie mal andere Klamotten anhaben bzw. eben NICHT schwarze Kleidung als einziges Dazugehörigkeitsmerkmal zu sehen (sonst wäre Sommer 2000 (glaubich) die schwarze Szene ganz schön groß gewesen), gibts auch andere Merkmale, die zumindest für die heutige Jugendkultur untypisch sind:

    [*]Auf schwarzen Parties werden pro Abend insgesamt weniger illegale Drogen konsumiert als an der durchschnittlichen Grundschule - und auch Alkoholkonsum ist "leider" weit unter dem, was die meisten Clubbetreiber als wirtschaftlich ansehen würden.
    [*]Sentimentales Oldschoolargument coming up: Im Gegensatz zu den meisten anderen Szenen sowie der Gesamtgesellschaft zeichnet sich die schwarze Szene vor allem dadurch aus, als negativ empfundende Emotionen und Themengebiete überhaupt zuzulassen. Wenn jemand (!= gutaussehende Schnitte) mitten in der Innenstadt oder auf einer Technoparty einfach mal aus welchem Grund auch immer heulend in der Ecke sitzt, wird er/sie von ~100% der umstehenden Leute gemieden bzw. kann von Glück reden, wenn der beste Freund in der Nähe ist und einen zumindest irgendwie von der Peinlichkeit abschirmt. Auf schwarzen Parties hab ich schon öfter gesehen, dass irgendeine Person sich dann um das heulende Stück Elend tröstenderweise gekümmert hat - und das NICHT des Restefickens wegen.
    [*]Die Musik ist unabhängig vom Stil immer noch mit einem gewissen Anspruch entstanden, der nicht dem Pop-Grundgedanken "Money for nothing and the chicks for free" entspringt. Natürlich sind weder Deathmetal noch Weiberelctro das, was ich jetzt der hohen Kunst zuordnen würde - aber wer z.B. wirklich bei VNV ernsthafte Ibiza-Assoziationen bekommt, der hat entweder noch nie auf die Texte oder jemals "echten" Ibiza-Techno gehört - bei dem kommt einem vor lauter Plattheit nämlcih sehr, sehr schnell das Kotzen. Und ich bin sehr froh, einer Szene anzugehören, die sich genau davon sehr, sehr weit distanziert.
    [/list]

    [*]Die "Szene" ist keine Subkultur mehr, sondern eine aus einer Subkultur entstandene Meta-Marke, die in erster Linie dem Verkauf dient.

    Das kann ich so auch nicht unterschreiben. Natürlich ist die Anzahl an Mode- und Plattenlabels, Partyveranstaltern etc. gegenüber der Anfangszeit sehr angestiegen, allerdings sind die meisten davon einfach deswegen in der Szene tätig, weil es ihnen Spaß macht bzw. sie sich in der Szene beheimatet fühlen (sehen wir von Scorpio gerade mal ab). Fakt ist immer noch, dass sich mit Grufties nicht wirklich viel Geld verdienen läßt; in jedem relevanten Bereich (Mode, Musik, Literatur etc) haben größere Marken es versucht und sind kläglich gescheitert.

    Denn die Szene ist immer noch zu einem großen Teil konsumfeindlich eingestellt. Wenn unsereins Klamotten kauft, dann nicht um auf der nächsten Return mit dem Jungbluth-Schild am Kleid rumrennen zu können, sondern weil einem das Kleid gefällt. Und auch heute hört man auf die Frage "wo hast du das her?" noch sehr oft die Antwort "selbst gemacht".

    Selbe Sache mit der Musik - Im Moment meint die Musikindustrie zwar wieder mal jedem erklären zu müssen, dass man Nightwish und Within Temptation gut finden muß, aber hat da jemals wirklich jemand drauf gehört? Bisher sind alle Wellen wieder abgeebbt, weil z.B. Oomph dem Standardpublikum zu wenig Ballermann-geeignet waren bzw. die schwarze Szene selbst einfach damit weitergemacht hat, was sie schon immer gemacht haben: Das zu hören, was sie aus freiem Willen mögen. Dazu kommt noch, dass völlig antizyklisch diverse Indielabels ihre Kopierschutz-Experimente gleich wieder eingestellt haben und die meisten Szenemusiker dem Thema P2P sehr gelassen bzw. teilweise sogar positiv gegenüberstehen - obwohl in einigen Fällen ihr eigenes Leben davon abhängt.

    Sieh Dir auf Festivals an den Ständen die Leute an, die die Sachen verkaufen bzw. denen die Läden gehören - das sind keine "normalen" Leute, die mit goth-geeigneten Dingen Geld verdienen wollen, sondern fast ausnahmslos ehemalige oder noch aktive Mitglieder der Szene, die zu einem großen Teil einen unangenehmen Idealismus an den Start bringen müssen, damit das alles so klappt, und die alle voll hinter ihren eigenen Waren stehen.

    Überall sonst ließe sich einfacher mehr Geld verdienen, diese im Kern immer noch konsumfeindliche Szene dahingehend instrumentalisieren zu wollen, wäre völlig sinn- und fruchtloser Aufwand.

    [*]Die Unterschiede zwischen der "Gothic-Szene" und der Gesamtgesellschaft sowie anderen Jugendkulturen beschränken sich wie in Punkt 1 auf die Farbe der Kleidung.

    Siehe Punkt 1 (1 und 3 gehören IMHO eh zusammengelegt).

    Man könnte noch anführen, dass die Szene zumindest auf Parties immer mehr zur Spaßgesellschaft verkommen ist - statt Grablichtern haben wir jetzt auch Scanner, die Musik ist tendenziell lauter geworden und in den Vordergrund getreten und vieles der "alten Schule" scheint verloren (außer Schellen natürlich ;) - aber das sieht im privaten Rahmen und v.a. bei Leuten, die noch neuer in der Szene sind, schon wieder ganz anders aus. Unsereins ist halt einfach alt geworden bzw weitergegangen.

    [*]Die schwarze Szene ist kein Subsystem der Klassenstruktur, sondern stellt sich klassenunabhängig als Auffangbecken für gelangweilte Wohlstandsgören bereit.

    Das war in den späten Achtzigern bzw. frühen bis mittleren Neunzigern noch so, vgl. deinen Beitrag in nem anderen Thread mit "... denen Punk zu dreckig ist" - heute ist das aber ganz anders. Während ich mich in meinen Anfagszeiten in OL noch schlecht fühlen mußte, weil ich vermutlich nie eine Doktorarbeit schreiben würde, so hab ich heute eher das Gefühl, mich dafür schlecht fühlen zu müssen, dass ich nen Job hab, der auch noch gut bezahlt ist.

    Was die gesellschaftlichen Klassen angeht ist (GLÜCKLICHERWEISE) bis auf die Klasse der dummen Asis doch alles vertreten, was so im Bereich 15-40 existiert. Hauptschüler, Realschüler, Gymnasiasten, Studenten, Zivis, Bundis, Azubis, Arbeitslose, Arbeiter, Angestellte, Firmeneigner, Doktoren.. ist doch alles da.

    Was jedoch auffällt ist dass zumindest der durchschnittliche Intellekt etwas höher anzusiedeln ist als in den meisten anderen Szenen - alleine die Entscheidung, in dieser Szene mitzumischen, erfordert einen Ausbruch aus konventionellen gesellschaftlichen Strukturen, und den bekommt man einfach nicht hin, wenn man schon damit mental ausgelastet ist, den nächsten Klingelton herunterzuladen. Natürlich hab ich in dieser Szene schon Leute kennengelernt, die in etwa den Intellekt eines Toastbrotes hatten - aber es war IMMER ein Toastbrot, das sich in einem gewissen Maße Gedanken über sich und seine Umwelt machen konnte (da wo dann halt bei anderen dummen Menschen das zur-Bushaltestelle-finden-Neuron sitzt).

    Und Bombe hat mit seiner Theorie nicht unrecht - eigentlich besteht die ganze Szene nur aus Vollpsychos. Oder es ist halt so, dass nicht nur Genie und Wahnsinn sehr nah aneinanderliegen, sondern sich schon die abgemilderten Stufen davon (Intelligenz und Gestörtheit) zwangsläufig mehr oder weniger miteinander vermischen.

    [*]Identitätsfindung innerhalb des Kollektives "schwarze Szene" ist nicht möglich, da die Szene in ihren Grundzügen, insb. bezüglich ihrer Toleranzschwelle gegenüber sog. "Pseudos", faschistisch ist bzw. eher einer Sekte gleicht. Zusammengehörigkeit wird kulthaft durch Äußerlichkeiten wie Kleidung und Musik inszeniert, alles ausserhalb dieser Sphäre mit hohlen Phrasen als "normal" und daher "dumm" abgetan

    Da kommts sehr drauf an, in welchen Kreisen man sich befindet. Da die Szene wie jede andere Subkultur eben doch in vielen Facetten ein verkleinertes Bild der Gesellschaft darstellt, hat man als "Pseudo" bzw.  mit-fiesem-Adidas-Täschchen-Rumlaufer entweder das Pech, bei oberflächlichen Leuten zu landen, oder halt das Glück dass nicht. Ich kenne sowohl genug Leute, die trotz total unpassender Kleidung entweder herzlich aufgenommen wurden oder die ganze Zeit dabei sind, aber natürlich gibts da auch immer diese Grüppchen von Obergoten, die total hochgestylt in der Sitzecke im Foyer sitzen und den ganzen Abend nur über jeden richten, der es wagt, an ihnen vorbeizulaufen. Wem's Spaß macht...

    Fazit: An dieser Stelle verallgemeinerst du viel zu sehr. Oder fällst dank Deiner längeren Szeneabstinenz bei den neuen Geichtern wieder voll in die szenetypische Fake-Arroganz-Falle (von einigen auch Martina-Syndrom genannt).

    [/list:o]
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    Candide

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    Re: Gothic: Marke, Subkultur oder billige Bricolage
    « Antwort #6 am: 17 August 2004, 15:07:35 »

    Zitat von: "Eisbär"

    zu 1+2: Wenn die Szene mal eine Subkultur war, wo war dann außer im Schwarz die Gemeinsamkeit?


    Gute Frage, muss ich passen.

    Zitat von: "Eisbär"

    zu 2: Dem Verkauf von was? Heute werden ja mit dem Produkten auch Images verkauft. Welche siehst Du da?


    Guck Dich um und such Dir was aus - alles von romantische Vampirlady bis zum neuen Fin De Siecle wird geboten. Im wesentlichen wird die Illusion, kreativer zu sein, als der "Normalo", verkauft.

    Zitat von: "Eisbär"

    zu 3: Wenn sich aber alle so sehr Mühe geben, anders sein zu wollen, wie kann es sein, daß das nicht klappt? Paßt sich etwa die Gesellschaft der ehemaligen Subkultur an (manchmal habe ich echt den Eindruck)?


    Nein - man kann schlicht nicht anders als andere sein, weil jeder anders ist. Das wäre sonst "Alle sind Individueen, nur ich bin anders" und führt dazu, das man andere Menschen als Sklaven bezeichnet, weil man sich selbst für etwas besseres resp. freieres hält und die Dimensionen ein wenig aus dem Blickfeld geraten.

    Zitat von: "Eisbär"

    zu 4: "Klassenunabhängig" und "Wohlstandsgören" ist ein Widerspruch in sich. Kannst Du das ganze anders formulieren? Die Szene/Marke rekrutiert m.E. ihre Mitglieder aus allen sozialen Schichten, auffällig war mal der erhöhte Anteil an (Pseudo-)Intellektuellen, bzw. (angehenden) Akademikern.


    D'Accord, falsch formuliert. Mit klassenunabhängig meine ich, das im Gegensatz zu den Anfängen von Punk/Skin-Bewegung nicht mehr politische Motive resp. der Klassenkampf, sondern wohl eher der Egotrip und das Becken im Vordergrund stehen. Nicht "Die Internationale" ist der Schlachtruf der Grufties, sondern "Bitte sei mir nicht böse, ich lecke Deine Möse".

    Zitat von: "Eisbär"

    zu 5: Klingt ein wenig überspitzt, aber mir fällt spontan nicht viel dagegen ein (leider).


    Leider, indeed.

    Zitat von: "Eisbär"

    Eine Kleinigkeit vielleicht: Bei 5 Mio BILD-Lesern täglich kann schon davon gesprochen werden, daß BILD-lesen "normal" ist... Darf ich es trotzdem als nicht unbedingt intellektuell betrachten?


    Niemand hat gefordert, die Begriffe "normal" und "intellektuell" in irgendeine Relation zueinander zu setzen.


    Ach ja, auch für dieses Posting gilt obiger Disclaimer. ;)

    Edit: @kb, Du hast in vielen Punkten interessante Ansätze, auf die ich später noch eingehen werde, versprochen - muss jetzt was arbeiten, sorry.
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    Candide

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    « Antwort #7 am: 17 August 2004, 15:45:08 »

    Zitat von: "kb"

    Auf schwarzen Parties werden pro Abend insgesamt weniger illegale Drogen konsumiert als an der durchschnittlichen Grundschule - und auch Alkoholkonsum ist "leider" weit unter dem, was die meisten Clubbetreiber als wirtschaftlich ansehen würden.


    Halte ich für naiv - die Zahl der Kokser in der Szene ist sehr gross...

    Zitat von: "kb"

    Sentimentales Oldschoolargument coming up: Im Gegensatz zu den meisten anderen Szenen sowie der Gesamtgesellschaft zeichnet sich die schwarze Szene vor allem dadurch aus, als negativ empfundende Emotionen und Themengebiete überhaupt zuzulassen [...] hab ich schon öfter gesehen, dass irgendeine Person sich dann um das heulende Stück Elend tröstenderweise gekümmert hat - und das NICHT des Restefickens wegen.


    Ein guter Punkt, stimme zu.

    Zitat von: "kb"

    Die Musik ist unabhängig vom Stil immer noch mit einem gewissen Anspruch entstanden, der nicht dem Pop-Grundgedanken "Money for nothing and the chicks for free" entspringt.


    Absolut keine genuine Eigenschaft der Szene - jede Subkultur/ Musikform hat einen Kern, der nicht dem Pop-Grundgedanken fröhnt, auch (sogar gerade) z.B. House oder auch Hip-Hop.

    Zitat von: "kb"

    Natürlich ist die Anzahl an Mode- und Plattenlabels, Partyveranstaltern etc. gegenüber der Anfangszeit sehr angestiegen, allerdings sind die meisten davon einfach deswegen in der Szene tätig, weil es ihnen Spaß macht bzw. sie sich in der Szene beheimatet fühlen (sehen wir von Scorpio gerade mal ab). Fakt ist immer noch, dass sich mit Grufties nicht wirklich viel Geld verdienen läßt; in jedem relevanten Bereich (Mode, Musik, Literatur etc) haben größere Marken es versucht und sind kläglich gescheitert.


    Gothic ist schon längt in und en vogue, nur merken das diejenigen nicht, die die Szene von innen herraus betracheen. H&M ist nicht gescheitert, New Yorker gehört zu den meistgetragenen Labels der jungen Szenegänger, und die Szenemagazine machen vor, wie man junge Bands wirklich gut abzieht. Das die Macher dieser Dinge selbst "schwarz" sind, ist nicht bemerkenswert. Die kommerziellsten House-DJs reden genau so über die House-Szene, wie Du über duie schwarze Szene (schönes Beispiel ist Armand Van Helden), und auf einem Rave werden die Jungs an den Ständen mit den Trillerpfeifen mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst eben solche tragen. Im übrigen betrachte ich kommerzielle Interessen nicht zwangsläufig als etwas schlechtes, aber das nur am Rande.

    Zitat von: "kb"

    Was jedoch auffällt ist dass zumindest der durchschnittliche Intellekt etwas höher anzusiedeln ist als in den meisten anderen Szenen - alleine die Entscheidung, in dieser Szene mitzumischen, erfordert einen Ausbruch aus konventionellen gesellschaftlichen Strukturen[...]


    In diesem Fall glaube ich, das Du zu wenige andere Szenen gesehen hast; wenn mal mal von reinen Popper absieht, bedeutet es für jede Szene eine wichtige Entscheidung, sich ihr anzuschliessen, und gerade in der Elektro/House/Techno-Szene abseits der Betty Ford Klinik ist die Zahl der Germanistinen und Kulturwissenschaftler wesentlich höher als in der SZ, die mittlerweile, so erscheint es mir, zu 75% aus Systemadministratoren besteht. (nix gegen Admins, gott bewahre)#

    Zitat von: "kb"

    Da kommts sehr drauf an, in welchen Kreisen man sich befindet. Da die Szene wie jede andere Subkultur eben doch in vielen Facetten ein verkleinertes Bild der Gesellschaft darstellt, hat man als "Pseudo" bzw. mit-fiesem-Adidas-Täschchen-Rumlaufer entweder das Pech, bei oberflächlichen Leuten zu landen, oder halt das Glück dass nicht. Ich kenne sowohl genug Leute, die trotz total unpassender Kleidung [..]


    "Unpassende Kleidung" kann es nur geben, wo es ein Dogma gibt, und wo es das gibt, ist die Individualität bereits in Frage gestellt; übrigens laufe ich fast immer mit meiner geliebten Puma-Tasche rum. :mrgreen:

    Zitat von: "kb"

    An dieser Stelle verallgemeinerst du viel zu sehr.


    Natürlich verallgemeinere ich, denn ich betrachte eine Szene als ganzes, nicht alle einzelnen Mitglieder, da wäre ich erstaunlich lange beschäftigt. ;)

    Insgesamt fürchte ich, das Du Dich und die Leute um Dich zu sehr auf die Szene projezierst und dadurch die Szene überschätzt - aber eigentlich finde ich das gut, die Szene bräuchte mehr Leute mit Idealen.
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    kb

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    « Antwort #8 am: 17 August 2004, 16:48:40 »

    [Drogen]
    Zitat
    Halte ich für naiv - die Zahl der Kokser in der Szene ist sehr gross...


    Dann renn ich auf Parties aber sehr blind rum, oder aber ich hab dank jahrelangem Wohnens gegenüber der Bar Rossi und dem Nouar echt den Bezug verloren, was viel Koksen ist und was nicht ;)

    Nach meiner Beobachtung ist das zumindest in v.a. Lounge- aber auch im Housebereich wesentlich schlimmer. Hiphopper kiffen da glücklicherweise eher.

    Zitat
    Zitat von: "kb"

    Die Musik ist unabhängig vom Stil immer noch mit einem gewissen Anspruch entstanden, der nicht dem Pop-Grundgedanken "Money for nothing and the chicks for free" entspringt.


    Absolut keine genuine Eigenschaft der Szene - jede Subkultur/ Musikform hat einen Kern, der nicht dem Pop-Grundgedanken fröhnt, auch (sogar gerade) z.B. House oder auch Hip-Hop.


    Wird aber eine, wenn man (sorry, hab ich wohl vergessen), die extreme Stilvielfalt der "schwarzen" Musik hinzuzieht und die Tatsache, dass diese Vielfalt nur in ihren extremen Polarisierungen zu einer Spaltung der Szene führt und ansonsten auch wider den eigenen Geschmack toleriert wird (man sehe sich die tausen Leute an, die alle zwei Wochen sagen "Die Musik war wie immer scheiße" und trotzdem jedes Mal wieder hingehen... auch son Thema eigentlich)

    Andere Szenen sind da sehr auf bestimmte Musikrichtungen festgelegt und erlauben nur minimale Abweichungen von einer Linie (irgendwann im dunklen Mittelalter hieß Trance mal Melodic House, bevor ihnen auffiel, dass man dafür doch besser mal ne neue Szene aufmacht und die Begrifflichkeiten neu belegt, wie sies schon mit House<->Techno und Techno<->EBM gemacht haben).

    [Mode, Kommerz etc]
    Zitat von: "candide"

    Gothic ist schon längt in und en vogue, nur merken das diejenigen nicht, die die Szene von innen herraus betracheen. H&M ist nicht gescheitert, New Yorker gehört zu den meistgetragenen Labels der jungen Szenegänger, und die Szenemagazine machen vor, wie man junge Bands wirklich gut abzieht. Das die Macher dieser Dinge selbst "schwarz" sind, ist nicht bemerkenswert. Die kommerziellsten House-DJs reden genau so über die House-Szene, wie Du über duie schwarze Szene (schönes Beispiel ist Armand Van Helden), und auf einem Rave werden die Jungs an den Ständen mit den Trillerpfeifen mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst eben solche tragen. Im übrigen betrachte ich kommerzielle Interessen nicht zwangsläufig als etwas schlechtes, aber das nur am Rande.


    H&M und New Yorker (ich weiß das, weil meine Freundin, ihres Zeichens nicht-mehr-soooo-junge Szenegängerin, mich andauernd mitschleppt ;) haben aber nicht wirklich die schwarze Szene als Zielgruppe. Es ist eher so, dass dort (wie auch bei Pimkie/Orsay/etc) desöfteren schon nett anzusehende schwarze oder rote Klamotten zu haben sind, die aber für sich genommen absolut keinen Bezug zu Gothic haben und erst durch Kombination mit anderen Stücken/Accessoires funktionieren. Und die typischen Nietengürtel/-Röcke/-wasauchimmer sind ZUFÄLLIG zeitgleich mit dem 80er-Revival gekommen und bedienen sich also genau da, wo sich die Szene auch bedient.

    Gleichzeitig wirken etwas längere Szenegänger (v.a. hier in Hamburg) dem Kleidungsdogma entgegen, indem sie auch durchaus mal ein leopardengemustertes H&M-Top anziehen - das sind aber auch nur Einzelfälle, die kaum die Marketingentscheidungen in den großen Fashionkonzernen beeinflussen würden.

    Ja, genug Grufties kaufen inzwischen da ein, das hat aber nichts damit zu tun, dass New Yorker plötzlich Goten als Kunden haben wollte. Die Klamotten an sich sind noch so ungruftig gemeint, wies nur irgendwie geht - was man, wenn man durch diese Läden läuft, auch sehr gut an der Deko/Schaufensterpuppen etc sieht. Da hat  die Puppe mit dem tollen taillierten schwarzen Mantel nämlich irgendwas blau/blaßgelbes drunter und kein schwarzes Netzshift.

    Zitat von: "candide"

    und gerade in der Elektro/House/Techno-Szene abseits der Betty Ford Klinik ist die Zahl der Germanistinen und Kulturwissenschaftler wesentlich höher als in der SZ, die mittlerweile, so erscheint es mir, zu 75% aus Systemadministratoren besteht.


    ... und da ich jahrelang an der Uni neben Germanistinnen und Kulturwissenschaftlern saß, bin ich darüber verdammt froh :)

    Ich bleibe trotzdem dabei, dass in der schwarzen Szene der Anteil an Leuten, die (mit größtenteils niederschmettendem Ergebnis) wirklich mal über die Welt um sich herum reflektiert haben, ne Ecke größer ist.

    [Kleidungsdogmatismus, Pseudos]
    Zitat von: "candide"
    Zitat von: "kb"
    Da die Szene wie jede andere Subkultur eben doch in vielen Facetten ein verkleinertes Bild der Gesellschaft darstellt, hat man als "Pseudo" bzw. mit-fiesem-Adidas-Täschchen-Rumlaufer entweder das Pech, bei oberflächlichen Leuten zu landen, oder halt das Glück dass nicht. Ich kenne sowohl genug Leute, die trotz total unpassender Kleidung [..]

    "Unpassende Kleidung" kann es nur geben, wo es ein Dogma gibt, und wo es das gibt, ist die Individualität bereits in Frage gestellt; übrigens laufe ich fast immer mit meiner geliebten Puma-Tasche rum.


    Ah, Puma wars.. ich hab fünf Minuten in meinem Hirn rumgekramt, was zur Hölle nochmal auf Deiner Tasche stand, und irgendwann aufgegeben, als mir besagtes Hirn mitgeteilt hat, dass diese Information nicht die für eine Langzeitspeicherung nötige Relevanz hatte. Man möge mir verzeihen. Du kannst aber somit beruhigt sein, dass Du auch ohne dieses Detail durchaus unangenehm aufgefallen bist *g*

    Anyway, was sagt die Individualität zu dem Dogma, überhaupt Kleidung bzw. bestimmte Schnitte (sowas wie "Hose", "Shirt") tragen zu müssen? Wie sieht ein echter Individualist aus? Kümmert sich ein echter Individualist um diesen Äußerlichkeitenkram? Und wenn ja - warum?

    Meiner Meinung nach ist da kein Widerspruch, da das Aussehen und der Individualismus keinen direkten Bezug zueinander haben müssen und zwei nebeneinander wirkende Komponenten des Gesamtkonzepts "Grufti" sein können. Aber das würd den Rahmen in diesem alles-ein-bißchen-Thread und v.a. meine Arbeitszeit gerade sprengen.

    Nur kurz gesagt: Ich gestehe, ich habe damals meinen türkisen Pulli und meine blaue Jeans durch eine schwarze Jeans/Tshirt-Kombo ersetzt, um nicht die ganze Zeit nur wie ein Alien angesehen zu werden. Aber ich kann beruhigt sagen, dass sich alles, was sich an meinem Styling seitdem geändert hat, nicht durch "Druck" von seiten der Szene geschah.

    Zitat von: "candide"
    An dieser Stelle verallgemeinerst du viel zu sehr. Natürlich verallgemeinere ich, denn ich betrachte eine Szene als ganzes, nicht alle einzelnen Mitglieder, da wäre ich erstaunlich lange beschäftigt. ;)

    Insgesamt fürchte ich, das Du Dich und die Leute um Dich zu sehr auf die Szene projezierst und dadurch die Szene überschätzt - aber eigentlich finde ich das gut, die Szene bräuchte mehr Leute mit Idealen.


    Mag sein, und evtl ist das ne Schutzreaktion, damit ich nicht als verbitterter Altgruft ende wie so viele andere, aber was solls. Lieber so als die ganze Zeit nur jammern, wie oberflächlich und unecht doch alles geworden ist, und trotzdem den Absprung nicht schaffen (<- vor dem Mißverständnis: definitiv nicht gegen Dich gerichtet).
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    Re: Gothic: Marke, Subkultur oder billige Bricolage
    « Antwort #9 am: 17 August 2004, 16:51:28 »

    Zitat von: "Candide"
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    Re: Gothic: Marke, Subkultur oder billige Bricolage
    « Antwort #10 am: 18 August 2004, 02:51:55 »


    Zitat von: "Candide"

    Wie ist die Differenz zwischen einer Hip-Hop Szene, den Grufties, und den "Normalos"? Die einzige Differenz (abgesehen von

    Musikstilen und Farben) besteht in ebenjener Zuschreibung, subkulturell, das heißt nicht Mainstream, zu sein. Und diese

    Zuschreibung ist meist eine Selbstzuschreibung. ("Alle sind Individueen, nur ich bin anders!"  )


    Menschlich gesehen gibt es keine Unterschiede!

    Alle Szenen und Menschen, die ich kennengelernt habe, haben sich im grundegenommen nur
    in ihren Musikgeschmack, der Kleidung unterschieden.
    Menschlich gesehen haben sich die Muster (z.B Intriganz, Depressivität, Dummheit u.v.m)
    in den verschiedenen Szenen wiederholt.

    Auf der suche nach meiner Dazugehörigkeit, wo auch immer, stellte ich fest, dass keine Szene bzw. die Menschen  für mich persönlich tolerant genug waren, keiner hatte eine eigene Meinung.

    Somit baute ich aus verschiedenen, mir gleichgesinnten Menschen, die genau so wie ich auf der Suche nach einer
    Dazugehörigkeit waren, meinen Freundeskreis auf.

    Es ging uns nie nur um die Musik, nur um die Kleidung, sondern auch sehr stark um das menschliche hinter der Fasade !
    In den seltesten Fällen traf ich Gleichgesinnte.
    In der schwarzen Szene war es nichts anderes...

    Wo ich auch war, Gleichgesinnte blieben bis zum heutigen Tage eine Ausnahme und nicht die Regel !

     

    Zitat von: "Candide"

    Ziel ist - egal ob man T-Shirts mit gruftigen Bandlogos, Lackhosen, oder die Mercedes A-Klasse zur A-Motion-Tour verkaufen

    will - Produktion eines Wir-Gefühls unter den Teilnehmern, welches die Möglichkeit bietet, sich vom Ihr abzuheben. Szenen

    sind spätestens seid Ende der 70er für die meisten nur noch Markenwelten und Produkt-Images.
    Ich persönlich halte daher nach 12 Jahren "Gothic" jede Form der Szenebildung zum Zwecke des Anders-Seins für einen

    Widerspruch in sich, aber vielleicht verstehe ich auch einfach nur was falsch.
    Nix desto trotz: wenn Spaß bringt, ist's doch ok.  

    (vgl: Gelder, K.; Thornton, S. (Hg.): The Subcultures Reader; London 1997; Thornton, S.: Club Cultures: Music, Media and

    Subcultural Capital; Cambridge 1995)


    So ist unsere Welt.

    Es wird mit allem versucht Geld zu machen.
    Die Zielgruppe: Dumme Teenies, die den Eltern nur das Geld aus der Tasche ziehen.
    Menschen, die nicht fähig sind was eigenes zu schaffen, sondern nur übernehmen können.
    Warum selbst nähen, man kanns ja kaufen.
    Warum was eigenes erfinden, das im Schaufenster sieht doch gut aus !

    Ich denke, dass es bei den Mitläufern nicht nur um Spaß geht.
    Zumindestens nicht auf den zweiten Blick.
    Diese Menschen brauchen auch eine Zugehörigkeit. Mit der Kleidung die sie tragen, mit der Musik die sie hören ist
    zumindestens äußerlich eine Zugehörigkeit vorhanden.
    Innerlich ist zwar noch immer ein LOCH, doch in unserer Gesellschaft kommt es auf das Innere nicht mehr an.

    Ich bin garnicht mal so lange unter den schwarzen.
    Doch nach den letzten 5 Jahre kann ich sagen, dass mich dieses zur Show stellen, dieses Verkleiden
    so auf die Nerven geht, dass ich nur 2 mal im Jahr zur Return und 3 mal im Jahr zur schwarzen Nacht gehe.

    Ich treffe einfach keine neuen  Persönlcihkeiten mehr, mit denen ich mich austauchen kann und es über  den Smaltalk hinaus geht.
    Diese Entwicklung schreitet Jahr um Jahr voran.
    In dem sich Jahr um Jahr eine jüngere, dümmere Masse breit macht., mit der ich nichts anfangen kann.
    Und um die kennen zu lernen zahl ich doch nicht  € 5-6 Eintritt.

    Für mich sind diese Verkleidungskünstler nur Puppen. Nimm ihnen alles weg, was sie an haben und sie werden
    nichts sein. Denn sie definieren sich über ihre Kleidung und die Musik, die Szene.
    Ohne das alles sind sie nichts !!
    Da ist kein tiefgehender Charakter, da ist nur ein Loch !!

    Trotz alle dem mag ich die Menschen aus der schwarzen Szene, mit denen ich jetzt befreundet bin.

    [/color]


    Mein Statment ist:
     
    1. Ich habe aus verschiedenen Szenen, Schichten, Ländern meine Gleichgesinnten.
       Darüber bin ich sehr froh.

    2. Mir und meinen Freunden geht es nicht nur um die Kleidung, nur um die Musik ! Das Menschliche hinter der Fasade zählt.

    3. Auf das Innere kommt es an. Alles andere ist für mich kein ganzer und kein halber Charakter, Mensch...


    Es herscht in unserer Gesellschaft, in jeder Szene künstlich geschaffene Volksverdummung. Die macht sich breit, auch in der schwarzen Szene.
    Uns geht es hier viel zu gut. Daran verdummen wir !!

    Ich wünschte, dass mehr Menschen sich mit sich, ihrem ich und nicht so sehr mit den Erwartungen der Gesellschaft auseinander setzen. Warum mit den Krücken der Gesellschaft, der Szene laufen, wenn man auch ganz ohne Krücken laufen kann.

    Zumindest ist das mein Weg  =)


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    Gothic: Marke, Subkultur oder billige Bricolage
    « Antwort #11 am: 18 August 2004, 09:02:04 »

    bissel offtopic, aber das rot ist extrem schwer zu lesen *grins*
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    Gothic: Marke, Subkultur oder billige Bricolage
    « Antwort #12 am: 18 August 2004, 11:53:40 »

    [Drogen]
    Zitat von: "kb"

    Zitat
    Halte ich für naiv - die Zahl der Kokser in der Szene ist sehr gross...


    Dann renn ich auf Parties aber sehr blind rum, oder aber ich hab dank jahrelangem Wohnens gegenüber der Bar Rossi und dem Nouar echt den Bezug verloren, was viel Koksen ist und was nicht ;)

    Nach meiner Beobachtung ist das zumindest in v.a. Lounge- aber auch im Housebereich wesentlich schlimmer. Hiphopper kiffen da glücklicherweise eher.


    Mag daran liegen, das wir unterschiedliche Leute in der Szene kennen - wie in jeder Szene ist das wohl Cliquenabhängig. Wo Du die Bar Rossi als Beispiel erwähnst: ich habe da drüber, in der Langnese Lounge, aufgelegt, und da ist mir nie auch nur eine volltrunkene Person aufgefallen, und auch keine auffälligen Geräusche auf der Toilette - und das war nun wirklich purer "High Society"-Publikum...

    [Musik]
    Zitat von: "kb"

    Wird aber eine, wenn man (sorry, hab ich wohl vergessen), die extreme Stilvielfalt der "schwarzen" Musik hinzuzieht und die Tatsache, dass diese Vielfalt nur in ihren extremen Polarisierungen zu einer Spaltung der Szene führt und ansonsten auch wider den eigenen Geschmack toleriert wird (man sehe sich die tausen Leute an, die alle zwei Wochen sagen "Die Musik war wie immer scheiße" und trotzdem jedes Mal wieder hingehen... auch son Thema eigentlich)

    Andere Szenen sind da sehr auf bestimmte Musikrichtungen festgelegt und erlauben nur minimale Abweichungen von einer Linie (irgendwann im dunklen Mittelalter hieß Trance mal Melodic House, bevor ihnen auffiel, dass man dafür doch besser mal ne neue Szene aufmacht und die Begrifflichkeiten neu belegt, wie sies schon mit House<->Techno und Techno<->EBM gemacht haben).


    Ich glaube eher, Du kennst die verschiedenen Stile nicht - ich nehme wieder Elektro/ House als Beispiel, weil ich mich da am besten auskenne. Die meisten in der schwarzen Szene denken, House wäre das, was Mousse T. auf MTV zeigt; das hat damit so viel zu tun wie Oomph mit Gothic. Wenn ich mir meine Playlists angucke, sehe ich da Dinge wie Kruder & Dorfmeister oder De-Phazz (ultra-jazziger Lounge-Sound ganz ohne 4/4), funkigen French-House wie Daft Punk oder Who Da Funk, soundtrack-artigen 70er Sound a la Dimitri From Paris bis zu ganz derben knüppelndem Electrogefrikkel a la Elektrochemie LK oder den Dingen aus der Housekultur, die mittlerweile auch auf Gothic-Parties laufen (Benny Benassi, Felix Da Housecat, Dave Clark, Miss Kittin)... also wohl wieder eher eine Frage dessen, wie sehr man in der Szene steckt, aber die Vielfalt haben die Grufties sicher nicht gepachtet.

    Ich gehe davon aus, das es diese Vielfalt, die man als aussenstehender ob des Mainstreams nicht wahrnimmt, auch bei allen anderen Szenen gibt.

    [Mode, Kommerz etc]
    Zitat von: "kb"

    H&M und New Yorker (ich weiß das, weil meine Freundin, ihres Zeichens nicht-mehr-soooo-junge Szenegängerin, mich andauernd mitschleppt ;) haben aber nicht wirklich die schwarze Szene als Zielgruppe. Es ist eher so, dass dort (wie auch bei Pimkie/Orsay/etc) desöfteren schon nett anzusehende schwarze oder rote Klamotten zu haben sind, die aber für sich genommen absolut keinen Bezug zu Gothic haben und erst durch Kombination mit anderen Stücken/Accessoires funktionieren. Und die typischen Nietengürtel/-Röcke/-wasauchimmer sind ZUFÄLLIG zeitgleich mit dem 80er-Revival gekommen und bedienen sich also genau da, wo sich die Szene auch bedient.

    Und dasgilt analog für alle anderen Szenen, die ausverkauft werden - oder denkst Du, das die "Hip-Hop-Sachen" bei New Yorker für die echten Szenekenner "das Ding" sind? Der Kommerz ist wie die Borg - eine Szene wird assimiliert, ihre Eigenschaften der Gesamtkultur hinzugefügt, gleichberechtigt neben anderen ehemals subversiven Szenen - und der Kern ihrer Protesthaltung damit ad absurdum geführt.

    [Kleidungsdogmatismus, Pseudos]
    Zitat von: "candide"
    Zitat von: "kb"
    Da die Szene wie jede andere Subkultur eben doch in vielen Facetten ein verkleinertes Bild der Gesellschaft darstellt, hat man als "Pseudo" bzw. mit-fiesem-Adidas-Täschchen-Rumlaufer entweder das Pech, bei oberflächlichen Leuten zu landen, oder halt das Glück dass nicht. Ich kenne sowohl genug Leute, die trotz total unpassender Kleidung [..]

    "Unpassende Kleidung" kann es nur geben, wo es ein Dogma gibt, und wo es das gibt, ist die Individualität bereits in Frage gestellt; übrigens laufe ich fast immer mit meiner geliebten Puma-Tasche rum.


    Zitat von: "kb"

    ...dass Du auch ohne dieses Detail durchaus unangenehm aufgefallen bist *g*

    Die Tatsache, das Du das betonen mußt, gibt meiner ursprünglichen Aussage recht. :mrgreen:

    Zitat von: "kb"

    Anyway, was sagt die Individualität zu dem Dogma, überhaupt Kleidung bzw. bestimmte Schnitte (sowas wie "Hose", "Shirt") tragen zu müssen? Wie sieht ein echter Individualist aus? Kümmert sich ein echter Individualist um diesen Äußerlichkeitenkram? Und wenn ja - warum?


    Jein -der Widerspruch fängt genau dann an, wenn man sich auf eine bestimmte Weise kleidet, weil jemand anderes es von einem erwartet, auch unbewußt. Ein Grufti, der einen pinken Anzuig mit gelben Blumen drauf voll cool findet, aber nicht kauft, weil er (was er nie zugeben würde) Angst hat, was seine gruftigen Freunde dazu sagen, hat schon verloren. Bei Dir denke ich, das sich aus dem Druck durch die Szene Dein eigener Stil entwickeln konnte, aber da halte ich Dich für eine Ausnahme - eine Szene, die es nötig hat, mir vorzuschreiben, ob meine schwarze Hose von Dolce & Gabana oder von Lucky Lucy zu sein hat, ist damit markenorientiert und widerspricht sich selbst, ohne es zu merken (by the way trage ich auch sehr viele selbstgebastelte Dinge, auch das also keine genuine Eigenschaft der Szene)

    [Verallgemeinerung, Szenebezug]
    Zitat von: "kb"
    Mag sein, und evtl ist das ne Schutzreaktion, damit ich nicht als verbitterter Altgruft ende wie so viele andere, aber was solls. Lieber so als die ganze Zeit nur jammern, wie oberflächlich und unecht doch alles geworden ist, und trotzdem den Absprung nicht schaffen


    Ich weiss, was Du meinst, aber die Gefahr sehe ich bei Dir absolut nicht; auch, wenn ich oben gegen Dich anstinke, aus Spaß an der Freud, spreche ich Dich mit diesem Thread nicht an, sondern die, denen eben diese Selbstreflektion und Szeneskepsis fehlt, die Du bei aller Loyalität hast (was ich bewundere, zu meinen Hardcore-Szene-Zeiten war ich immer der, der am lautesten Pseudo schrie *schäm*)

    Peinlich wird es nur, wenn Kerle mit 40 immernoch meinen, sie müßten mich auf der Return volltrunken zuschwallern, das es mittlerweile nur noch Pseudos gibt, das man doch am besten nur noch Horrorpunk hören sollte, und das Grufties ja eigentlich "Ghettokrieger" wären - während ich mit nem braunen Kordanzug vor ihnen stehe und mich totlache. Das ist wohl das, was Du mit "absprung nicht schaffen" meinst. Ich nenne das gescheiterte Existenz, diese Arroganz gönne ich mich.
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    Re: Gothic: Marke, Subkultur oder billige Bricolage
    « Antwort #13 am: 18 August 2004, 11:55:45 »

    @Candide

    also mein lieber björn. was hat denn "damals" zu "unserer" zeit die szene ausgemacht. nicht mehr als heute. ein loser verbund von nazisten die sich, koste es was es wolle, in "szene" setzten müssen. was fanden wir uns toll und was fanden uns die "normalos" doof. der unterschied zu heute ist zum einen das der stil ein wenig verlorengegangen ist- es gibt sehr viele schmuddelgrufties, zum anderen das die sog. szene allgemein toleriert wird. achja- es gibt heutzutage mehr möglichkeiten als lucky lucy.

    und wieso nicht subkultur ? was macht denn eine kultur aus ? musik, einstellung und events gehören sicherlich dazu...musik- ja, hat die szene ne recht eigene, einstellung- ja, jammern wird kultiviert, events- natürlich. ich würde schon noch von einer subkultur sprechen. nun war ich jahrelang auf keinem event mehr und bin mir fast ein wenig unsicher wie es da heute so aussschaut, aber ich kann mir nicht vorstellen das sich alles so stark verändert hat....

    grüße,
    gleipnir

    ps:achja- vielleicht entsinnst du dich noch an unser tolles ritual bei dir am fluss. damit sei meine id aufgelöst....
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    Gothic: Marke, Subkultur oder billige Bricolage
    « Antwort #14 am: 18 August 2004, 12:31:34 »

    Zitat von: "Gleipnir"
    @Candide

    also mein lieber björn. was hat denn "damals" zu "unserer" zeit die szene ausgemacht. nicht mehr als heute. ein loser verbund von nazisten die sich, koste es was es wolle, in "szene" setzten müssen. was fanden wir uns toll und was fanden uns die "normalos" doof. der unterschied zu heute ist zum einen das der stil ein wenig verlorengegangen ist- es gibt sehr viele schmuddelgrufties, zum anderen das die sog. szene allgemein toleriert wird. achja- es gibt heutzutage mehr möglichkeiten als lucky lucy.

    und wieso nicht subkultur ? was macht denn eine kultur aus ? musik, einstellung und events gehören sicherlich dazu...musik- ja, hat die szene ne recht eigene, einstellung- ja, jammern wird kultiviert, events- natürlich. ich würde schon noch von einer subkultur sprechen. nun war ich jahrelang auf keinem event mehr und bin mir fast ein wenig unsicher wie es da heute so aussschaut, aber ich kann mir nicht vorstellen das sich alles so stark verändert hat....

    grüße,
    gleipnir

    ps:achja- vielleicht entsinnst du dich noch an unser tolles ritual bei dir am fluss. damit sei meine id aufgelöst....


    Ich habe nie behauptet, das wir damals besser waren - das hier ist keiner "früher war alles besser" Thread, wir sind doch auch schon die 2nd Generation. Abgesehen davon, wir waren damals immer mit die  engstirnigsten, und haben nichts anderes gemacht, als die Leute heute. Ich bereue das alles nicht, aber sehe vieles jetzt halt differenzierter - das, was ich jetzt über die Szene sage, hatte auch vor 10 Jahre schon Gültigkeit, auch wenn ich es sicher nicht hätte hören wollen. Aber Ende mit Vergangenheitsbewältigung, je ne regrette rein, und diese Erfahrungen muss jeder für sich selbst machen.

    Was die Frage "Subkultur" oder nicht angeht... darauf bin ich oben eigentlich schon eingegangen, aber ich gehe mal noch weiter: ich stelle in Frage, ob das gesamte Konzept Subkultur respektive auch Avandgarde in der unserer Generation noch Gültigkeit besitzt. Das dann aber nicht mehr eine Frage nur der schwarzen Szene, sondern aller Szenen - Subkultur ist in einem fragmentiertem Markt Primärkultur, weil es schlicht keine Primärkultur mehr gibt - "Individualität", auch gekauft, ist Pflicht, und nicht mehr Entscheidung.

    Der "Tod der Avantgarde" im Sinne eines Kollektivs/ Tribes, egal ob in der Kunst oder bei den Jugendlichen, ist Realität, selbst die Wiener Schule war doch schon "chic". Spätestens mit der New Economy mußte man out sein, um in zu sein, und ehemals hoffnungslose Fälle, die sich in ihre Subkulturen zurückzogen, wie der Ultra-Geek, der bisher subversiv irgendeine Open Source Grütze programmiert und dabei VNV Nation hört, wird plötzlich in die Ränger der "High Potentials" aufgenommen.

    Sich von oben bis unten in Dolce & Gabana anzuziehen, das konnte jeder. Sich von oben bis unten mit Bier übergiessen, seine Netzstrümpfe zerfetzen, und rumgröhlen war auch nicht schwer - das haben die Jungs im Trendmanagement erkennt, »Ein Trend ist nichts wert ohne seinen Gegentrend«, wusste bereits Karl Lagerfeld, den ich übrigens sehr bewundere.

    Deswegen wird heute nicht mehr "Protest" oder Mainstream verkauft, sondern der protestierende Mainstream, der "Camouflage Yuppie" neben dem "Karriere-Punk". Street Credibility und Szenezugehörigkeit izu verkaufen sind im Marketing schon fast wieder Schnee von gestern, und die Käufer merken das in der Regel nicht mal - "die Hitparade im fadenkreuz, die Springer-Stiefel aber fest verankert im schlammigen Untergrund."

    Dazu nochmal ein interessanter Link:

    http://notesweb.uni-wh.de/wg/wiwi/wgwiwi.nsf/name/KunstKommerzSubkultur-DE

    Schönes Zitat daraus, vom Kunsthistoriker Beat Wyss (2000):

    "Die Pop-Kultur eröffnete eine neue Sichtweise auf die Welt: den flachen Blick von unten. Hatten die humanistischen Eliten in Freimaurerlogen, Akademien und Politbüros gethront, ist der Platz der Künstler und Intellektuellen heute mitten im Basar der Waren, Moden und Meinungen."

    Disclaimer: Das ist jetzt alles erstmal, von meiner Seite aus, wert(ungs)frei, ich finde irgendwelche Szenen weder "gut" noch "schlecht", darum geht es hier nicht.
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