Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: linke, schwarze Gruppierungen in Hamburg  (Gelesen 20052 mal)

kasimir

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linke, schwarze Gruppierungen in Hamburg
« Antwort #90 am: 02 Juni 2005, 11:17:45 »

Welches "große Wissen" braucht man bitte für diesen Thread  :roll:

Ich will dir kein Wissen absprechen, es sollte nur eine kleine, polemische Spitze sein.

Aber ich finde es nach wie vor naiv zu glauben, dass der Kapitalismus in unserem Land perfekt ist und keiner - sozialen wie ökologischen - Verbesserungen bedarf.
Aber genau das ist der Kanon von JU, JL, RCDS und ähnlichen dubiosen Vereinen für die kleinen Kapitalistenschweine von morgen.
Wenn ein "Arbeitgeber" nicht mehr dazu da ist, den Menschen Arbeit zu geben, sondern das Shareholder value der Aktionäre zu vermehren, sind wir an einer Zäsur des "rheinischen Kapitalismus" angelangt, in der es kein einträchtiges Nebenher von Arbeitgeber und -nehmer mehr gibt.

Ob dir diese "linken Parolen" schmecken oder nicht, gegen die Realität werden selbst große rosa Aufkleber die den Kapitalismus glorifizieren nichts nützen.

Aber du setzt ja lieber deine Gesprächspartner mit Floskeln herab und ziehst über (deiner Meinung nach) "weltfremde Linke" her, statt dich ernsthaft mit der Tatsache zu beschäftigen, dass sich unsere Gesellschaft in einem Wandel - und zwar zum Schlechteren für die, deren Einkommen weniger als 3.000 Euro monatlich - befindet.

Dass man Dir das immer wieder erklären muss, regt an mir schon gewisse Zweifel ob dein "Wissen unendlich" ist  :roll:
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Eisbär

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linke, schwarze Gruppierungen in Hamburg
« Antwort #91 am: 02 Juni 2005, 12:22:26 »

Hey kasimir.... das war in dieser Diskussion die erste gute Argumentation von Dir!
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Ivanhoe

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linke, schwarze Gruppierungen in Hamburg
« Antwort #92 am: 02 Juni 2005, 15:03:12 »

Zitat von: "Thomas"

Zitat
Zitat:
Grundsätzlich ist das politische Gegenteil von "links" aber nicht konservativ, sondern "rechts".

Argl! Was ist dass denn jetzt? Bloß nicht konkret werden. Bleib doch lieber bei deinem obigen 'Keine Ahnung'.

Was ist daran so schwer zu verstehen ? Ist doch ein ganz eindeutiger Satz.Aber vermutlich für links zu einfach und eindeutig, da kann man keine unterschwellige Aussage hineinphilosophieren.

Ich verstehe diese Reaktion von DarkAmbient hier auch nicht: Das war doch wirklich deutlich, und diese Meinung von Thomas teile ich auch:

Konservativ ist nicht dasselbe wie rechts.

Das Gegenteil davon hoert man aber leider viel zu oft vom linken Rand aus, und sowas nervt einfach.

Ich bin weder konservativ noch rechts, aber ich finde es nur wenig erfrischend, wenn beides aus ideologischer Verblendung in einen Topf geworfen wird. Ein bischen mehr Differenzierung waere hier wirklich angebracht.
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Kenaz

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linke, schwarze Gruppierungen in Hamburg
« Antwort #93 am: 02 Juni 2005, 16:50:58 »

Um meinen Senf hier auch noch mal eben loszuwerden:

--------------------------------------------------------------------------------------

Zitat von: "DarkAmbient"
Rechts:
Konservative haben nunmal diesen beschränkten Bilck auf den eigenen Bauchnabel oder den der vermeintlich eigenen Nation, Ethnie, Geschlecht, Rasse, Klasse (letzteres in seiner essenzialistischen Denkweise als Identität, nicht als abgeleitete Kategorie) und definieren sich tendenziell paranoid gegen alles Fremde, was unausweichlich zu Chauvinismus und Borniertheit führt. (Davon ausnehmen würde ich allein Widerstandidentitäten, die aus purem Selbstschutz gepflegt werden und als Reaktion auf Unterdrückung von anderer Seite gebildet werden.)

Wenn man denn wollte, könnte man's aber auch so ausdrücken:

Der Konservative unterschlägt nicht den Umstand, daß das Individuum in größere Einheiten (z. B. Familie, Peer Group, Ethnie) eingebettet ist, die ihrerseits durch bestimmte Spezifika definiert sind, welche ihre Kohärenz sichern. Der Konservative steht auf dem Standpunkt, daß das Individuum zum Behufe der Sinnstiftung einer solchen Einbettung bedarf und strebt ausgehend von dieser Einsicht nach dem Schutz jener Rahmenkoordinaten, die die Kohärenz der einbettenden Einheiten sichern, der da z. B. wären: Religion, Kultur, Sprache etc. - Er steht einer ziellosen Hurra-Akzeptanz im Hinblick auf alles "Fremde" durchaus kritisch - keineswegs aber "paranoid" - gegenüber, da er die eigene Eigenart gegenüber der des anderen gewahrt wissen will. Auf diese Weise setzt er sich aktiv für den Schutz und die Pflege kultureller Vielfalt ein, denn er erteilt einer allumfassenden multikulturellen Einheitsbreivermatschung eine klare Absage.

Als kleine Illustration in diesem Kontext vielleicht nicht ganz uninteressant: Es kommt wohl nicht von ungefähr, daß die USA die - im Interesse einer effizienteren kapitalistischen Nutzbarmachung und Ausbeutung durchgeführte - Unterwerfung anderer Völker maßgeblich auf kultureller Ebene praktizieren: McDonalds, MTV und Co. tun das ihrige, um Kulturen wie bspw. die Maya Yucatans ihrer Wurzeln zu entfremden und deren Widerstand gegenüber der totalen Assimilation durch die moderne "Zivilisation" US-kapitalistischer Strickart zu brechen; wer mal nach Mexiko kommt, kann sich von dieser Taktik jederzeit selbst überzeugen.

Der Konservative ist sich also im klaren darüber, daß die Wahrung der eigenen Kultur die Wahrung der eigenen Identität bedeutet. Identität ist aber nur qua Differenz und Distanz zu konstituieren und zu wahren: Nur wo etwas "Anderes" existiert und als solches auch bestehen bleibt, kann etwas "Eigenes" seinen Platz behaupten.

Zitat von: "DarkAmbient"
Links:
Progressive versuchen das Andere zu verstehen, einzubeziehen und eine möglichst große Universalität herzustellen, was unweigerlich zu einer Haltung des Mitgefühls und der Solidarität führt. Dabei scheitern sie notwendigerweise an dem Versuch, den Konservatismus einzubeziehen, was zu der Haltung geführt hat, die Ausschließer auszuschließen und in einzelnen Fällen zu Strukturkonservatismen von links geführt hat.

Und wie wär's alternativ bspw. mit dieser Formulierung:

Die "progressive" Linke geht von dem letztlich metaphysischen Postulat aus, "Fortschritt" sei per se schon etwas "Gutes" und führe die Menschheit notwendigerweise unaufhaltsam und kontinuierlich der ewigen Seligkeit entgegen. Der "Linke" stellt einen substanziellen Kern von Mensch und Gemeinschaft in Frage und entkoppelt das Individuum von seinen identitäts- und sinnstiftenden Bezugskonzepte bzw. Einbettungen, indem er jede Bindung als reines "Konstrukt" interpretiert. Zum "Wert an sich" erhobenes "Verständnis" und "Toleranz" gegenüber allem und jedem führen in letzter Konsequenz zu einem Maximum an Beliebigkeit und völliger kultureller Homogenität: Pluralität verkommt zu einem großen Einheitsbrei - Nietzsches "letzter Mensch" läßt herzlich grüßen!

Weitere Folgen: Stetig wachsende Immunschwäche gegenüber aggressiven "fremden", sich der eigenen Kultur gegenüber unverhohlen feindlich gerierenden Einflüssen; stetig zunehmende Entfremdung und Atomisierung innerhalb der Gesellschaft qua systematischer Wert- und Normrelativierung bzw. -zersetzung. Eine solche Relativierung aller Werte aber ist notwendige Voraussetzung für all das, was die Linke als "Toleranz" und "Offenheit" gegenüber dem "Fremden" verstanden wissen will: Nur wer die eigenen Werte nicht mehr allzu ernst nimmt, kann zwanglos mit diametral entgegengesetzten Wertsystemen koexistieren. - Für den allerdings, der seine "Werte" nicht mehr "allzu ernst" nimmt, verlieren sie auch ihre bindende Kraft, m. a. W.: sie unterliegen einem galoppierenden Inflationsprozeß.

--------------------------------------------------------------------------------------

Nur um mal eben zu verdeutlichen, wie biegsam sich tendenziöser Sprachgebrauch gestaltet; wie sagte schon Luther so schön: "Die Vernunft ist eine Hure." 8)
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colourize

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linke, schwarze Gruppierungen in Hamburg
« Antwort #94 am: 02 Juni 2005, 18:07:08 »

Kulturelle Praxis ist nichts Statisches.
Sie verändert sich permanent.

"Kulturelle Eigenarten" arbiträrer Gruppen (die oftmals eher schlecht als recht als kohärente "Kulturen", "Völker", "Ethnien" oder "Rassen" definiert werden) zu schützen und auf dem momentanen status quo zu konservieren bedeutet, dieser allgegenwärtigen Dynamik der Kulturentwicklung gegenüber blind zu sein.
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DarkAmbient

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linke, schwarze Gruppierungen in Hamburg
« Antwort #95 am: 02 Juni 2005, 19:53:34 »

Zitat von: "Thomas"
Nein, du hast nicht verstanden, wo das Problem liegt.Du kannst nicht als Beispiel für "rechts" und "links" Beschreibungen verwenden, die einmal "so ein bischen links" sind wärend die andere "100% rechts" ist.


Was Du nicht verstehst: Ich habe mich um griffige Kriterien bemüht, Du jedoch peilst mit dem Daumen aus einer Befindlichkeit heraus. Das ist Denken mit dem Bauch und darüber kann man nicht diskutieren.

Zitat
Hehe  :wink: Driften wir jetzt auch noch in die Fernanalyse ab (nebenbei bemerkt auch ein immer wieder gern genommenes Betätigungsfeld der linken) ?


Du hast es gecheckt. Nenn mich Freud. Aber ich konnte mich ja bisher zurückhalten den Konservativen auf einer sozialisationspsychologischen Entwicklungsstufenskala zwischen analem Charakter und voll entwickelter Persönlichkeit einzuordnen. Aber das hat Kenaz ja schon für mich übernommen mit der "Einbettung zum Behufe der Sinnstiftung". Ist ja klar: Bevor man Gott töten kann, muss man ihn erstmal eingeimpft bekommen. :)

Zitat
Wohl kaum, rechte Begriffsdefinitionen kannst du im Web zur genüge finden.Ich bin schlicht zu faul.


Da gibt es ein paar Ausnahmen, ja. Aber das meiste rechte 'Gedankengut' ist geistiger Dünnpfiff. Faulheit nehm ich Dir jetzt aber langsam nicht mehr ab. Die Ausdauer mit der Du auf meine Postings antwortest behauptet das Gegenteil. Und Menschen lesen normalerweise mehr als sie schreiben -- zumindest, wenn es was fundiertes sein soll.

Zitat
Zitat:
Grundsätzlich ist das politische Gegenteil von "links" aber nicht konservativ, sondern "rechts".

Zitat
Was ist daran so schwer zu verstehen ? Ist doch ein ganz eindeutiger Satz.Aber vermutlich für links zu einfach und eindeutig, da kann man keine unterschwellige Aussage hineinphilosophieren.


Es gibt noch einen Unterschied zwischen genialer Einfachheit und banalem Gemeingewäsch ohne Inhalt.

Zitat
Wie gesagt, die Weltfremde linke sieht wie immer Gespenster und übertreibt in völlig unangemessener Weise.Du bist wieder mal das beste Beispiel dafür.Jeder, der nicht deine (also die linke) Sicht der Dinge teil, ist ein schlechter Mensch.


Weltfremdheit hat mir bisher noch niemand vorgeworfen, der mich kennt. Und dass ich Dich einen 'schlechten' Menschen genannt habe, hast Du Dir eben selbst herbei fantasiert. Etwas begriffsstutzig und rechthaberisch vielleicht, aber letzteres bin ich vielleicht auch. Wem mein Rechts-Links-Orientierungsschema nicht gefällt, soll ein anderes vorschlagen, das zumindest so ein bisschen fundiert ist -- oder aber damit leben wie ich es zeichne. In der Formulierung allein steckte die Wertung ein bisschen drin, aber nicht im Inhalt selbst. Nenn es künstlerische Freiheit.

Zitat
Zitat
Warum diplomatisch? Ich sagte bereits, dass diese Diskussion über ihrem Verfallsdatum vor sich hingärt. Da darf es doch nicht wundern, dass ich nur noch linke Propaganda von mir gebe...  

Dann sag das doch gleich, dann kann ich mit die Mühe sparen, mir hier die Finger wund zu tippen  :?


Ja, warum tust Du es denn nicht?

Zitat
Der "normale Mensch", sollen das du und deinesgleichen sein ?
Sorry, das ist eine extrem billige Begründung, die wunderbar zu dem Bild paßt, das ich von dir habe.Aber bei so einen Avatar und der ehemaligen Signatur "Turbonegro.Saufen, Ficken, Oi" darf man eben von den Menschen nicht alzuviel Verstand erwarten.


Wieso? Mit seiner Einschätzung der FDP hat Kasimir doch einen herzerfrischend gesunden Verstand und Augenmaß bewiesen.

Auch er wird sicher eines Tages, wie ich es getan habe, die Hoffnung auf die SPD-Linke fahren lassen und in die WASG wechseln -- spätestens wenn Ottmar Schreiner das tut. :)

Zitat von: "syntiq"
Wenigstens minimalstes Abstraktionsvermögen wäre manchmal doch hilfreich...

...

Mir geht es alleine um die Aussage. Es ist völlig unverhältnismässig zueinander. Verdammt. mir fallen jetzt imemr nur andere Beispiele ein um das zu erklären, aber ich fürchte auch die wirst du nicht verstehen....


Ich glaube, das ist eher ein Zeichen dafür, dass Du mit Deiner eigenen Abstraktionsfähigkeit am Ende bist, wenn Du Dich nur mit Hilfe von Analogien ausdrücken kannst.


@Kenaz: Applaus! Du hast mich verstanden! Wenigstens einer! Deine Unterscheidung ist für Rechts natürlich gewollt euphemisierend und für Links aus dialektischer Denktradition heraus betrachtet etwas statisch, aber das verbuche ich unter 'Standpunktsache' und im Kern trifft es. Und an den Details könnte man weiterdiskutieren. Aber das überlasse ich mal fürs erste anderen.

Verneigung.  :twisted:
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"Es ist besser etwas zu bereuen, das man getan hat, als etwas zu bereuen, das man nicht getan hat."

Kenaz

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linke, schwarze Gruppierungen in Hamburg
« Antwort #96 am: 02 Juni 2005, 20:10:24 »

Zitat von: "colourize"
Kulturelle Praxis ist nichts Statisches.
Sie verändert sich permanent.

"Kulturelle Eigenarten" arbiträrer Gruppen (die oftmals eher schlecht als recht als kohärente "Kulturen", "Völker", "Ethnien" oder "Rassen" definiert werden) zu schützen und auf dem momentanen status quo zu konservieren bedeutet, dieser allgegenwärtigen Dynamik der Kulturentwicklung gegenüber blind zu sein.


- In der Natur gibt es überhaupt nichts Statisches, sondern nur Bewegung und kontinuierliche Veränderung. Von entscheidender Bedeutung in unserem Kontext ist allerdings die Frage, ob man den Menschen auf seine Existenz als schieres Naturwesen reduzieren oder aber sein geistiges Wesen ebenfalls in Rechnung stellen will. Man stößt dann auf die alte - und objektiv schlechterdings nicht entscheidbare - Streitfrage, ob man den menschlichen Geist lediglich als Funktion der Materie - respektive die Psyche als kontingentes Nebenprodukt rein physiologischer und biochemischer Prozesse - oder aber als eigenständige, ja sogar ursächliche Entität zu interpretieren geneigt ist. Einfach und provokant gesprochen geht es um die Antwort auf die Frage nach dem Kausalverhältnis, das zwischen Geist und Materie, Psyche und Gehirn besteht, m. a. W.: Herrscht der Geist über die Materie oder die Materie über den Geist? - Typischerweise neigt der "Konservative" eher Option 1, der "progressiv" gesonnene "Linke" eher Option 2 zu. Und das ist dann der Punkt, wo sich die Geister scheiden und das philosophische Fröschlein ins politische Wasser hopst:

Wenn man nämlich den Menschen nicht nur als Natur-, sondern auch, ja: vor allem, also primär als geistiges Wesen auffaßt, der menschliche Geist also gerade nicht lediglich als eine Funktion physiologischer Prozesse, respektive materieller Gegebenheiten verstanden wird, dann ist klar, daß allein durch den menschlichen Geist das Moment des Statischen in das ewige Werden der Natur eingebracht wird. M. a. W.: Ob Werden zum Sein gerinnt, hängt einzig von der Aktivität des (menschlichen) Geistes ab.

Insofern Kultur nun genuin Ergebnis geistiger Aktivität ist, sollte klar sein, daß eine Beantwortung ihres Status untrennbar mit derjenigen Antwort verknüpft ist, für die man sich hinsichtlich der o. g. Frage entscheidet. Für unseren "Konservativen" jedenfalls - da er ja den Geist als das Primäre und die Materie, respektive die Natur, als das Sekundäre ansetzt - ist sie - da allein kraft Geistesaktivität ent-/bestehend - dem Werden der Natur grundsätzlich enthoben. Es ist aus dieser Perspektive betrachtet also allein Sache des Menschen, ob er seine Kultur in ihrer Eigenheit kraft seiner geistigen Potenz erhält oder aber frei- und damit aufgibt. Anders gesagt: Es hängt vom Menschen ab, ob er gewisse grundlegende Werte und Eigenheiten, die seine Kultur, seine Peer Group, Ethnie, Nation, was auch immer, als solche bestimmen, für obsolet erklärt und aufgibt oder eben nicht. - Der Konservative wenigstens tut das in aller Regel nicht.

Kurz und bündig: Wie sehr sich eine Kultur verändert oder nicht, hängt von den Menschen ab, die sie pflegen. Wenn ihnen ihre Kultur scheißegal ist: freilich, dann verändert sie sich schneller - und über kurz oder lang bis zur Unkenntlichkeit - als sie "Untergang des Abendlandes" sagen können.
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phaylon

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« Antwort #97 am: 02 Juni 2005, 20:12:05 »

Zitat von: "colourize"
Kulturelle Praxis ist nichts Statisches.
Sie verändert sich permanent.

"Kulturelle Eigenarten" arbiträrer Gruppen (die oftmals eher schlecht als recht als kohärente "Kulturen", "Völker", "Ethnien" oder "Rassen" definiert werden) zu schützen und auf dem momentanen status quo zu konservieren bedeutet, dieser allgegenwärtigen Dynamik der Kulturentwicklung gegenüber blind zu sein.


Findest du das nicht ein bißchen gar überspitzt? Es soll ja schon von Graubereichen zwischen "An den Änderungen hat man nichts zu ändern" und "Alles muss so bleiben wie es ist" bereichtet worden sein ;)
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Thomas

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« Antwort #98 am: 02 Juni 2005, 20:39:36 »

Zitat
Welches "große Wissen" braucht man bitte für diesen Thread  

Ich will dir kein Wissen absprechen, es sollte nur eine kleine, polemische Spitze sein.
Ach so.... :wink:

Zitat
Aber ich finde es nach wie vor naiv zu glauben, dass der Kapitalismus in unserem Land perfekt ist und keiner - sozialen wie ökologischen - Verbesserungen bedarf.
Moment, moment, wer glaubt denn das ? Ich nicht.Habe ich jemals gesagt, das alles optimal und perfekt ist, so wie es ist ? Daran kann ich mich nicht erinnern.
Im Übrigen glauben da auch nicht alle meine konservativen Freunde von der CDU dran, denn die werfen der derzeitigen Regierung ja permanent vor, das sie zu wenig ändert.

Zitat
Wenn ein "Arbeitgeber" nicht mehr dazu da ist, den Menschen Arbeit zu geben, sondern das Shareholder value der Aktionäre zu vermehren, sind wir an einer Zäsur des "rheinischen Kapitalismus" angelangt, in der es kein einträchtiges Nebenher von Arbeitgeber und -nehmer mehr gibt.

Der Meinung kann ich mich grob anschließen.
Und es gibt verdammt viele Leute bei z.B. der CDU, die das ähnlich sehen.Das "C" in CDU steht bekanntlich für "Christlich" und darunter verstehen viel Unions-Mitglieder eben nicht nur, das man Sonntags in der Kirche sitzen sollte, sondern das Menschen in einem gewissen Rahmen verantwortlich miteinander umgehen.Dazu gehört auch das, was du oben geschrieben hast.

Zitat
statt dich ernsthaft mit der Tatsache zu beschäftigen, dass sich unsere Gesellschaft in einem Wandel - und zwar zum Schlechteren für die, deren Einkommen weniger als 3.000 Euro monatlich - befindet


Falls du mit Wandel soetwas wie Hartz IV meinst : Das tut man ja nicht aus Spass an der Freude, sonder um überhaupt noch die Möglichkeiten zum sozialstaatlichen Handeln (auch morgen noch) zu haben.Wir können natürlich auch mit dem Modell "Hängematte Sozialstaat" weitermachen - dann ist morgen aus finanziellen Gründen aber gar nichts mehr vom Sozialstaat übrig, nicht mal für die härtesten Härtefälle.

Wie heißt es so schön : "Wenn wir erhalten wollen, was wir haben, werden wir vieles ändern müssen"

Zitat
Zitat:
Zitat:
Warum diplomatisch? Ich sagte bereits, dass diese Diskussion über ihrem Verfallsdatum vor sich hingärt. Da darf es doch nicht wundern, dass ich nur noch linke Propaganda von mir gebe...  

Dann sag das doch gleich, dann kann ich mit die Mühe sparen, mir hier die Finger wund zu tippen  


Ja, warum tust Du es denn nicht?

Tu' ich ja ab jetzt.Fast.  :wink:

Zitat
syntiq hat folgendes geschrieben:
Wenigstens minimalstes Abstraktionsvermögen wäre manchmal doch hilfreich...

...

Mir geht es alleine um die Aussage. Es ist völlig unverhältnismässig zueinander. Verdammt. mir fallen jetzt imemr nur andere Beispiele ein um das zu erklären, aber ich fürchte auch die wirst du nicht verstehen....


Ich glaube, das ist eher ein Zeichen dafür, dass Du mit Deiner eigenen Abstraktionsfähigkeit am Ende bist, wenn Du Dich nur mit Hilfe von Analogien ausdrücken kannst.

Also du scheinst annährend der einzige in diesem Tread zu sein, der syntiqs Vergleich nicht nachvollziehen konnte.Also scheint das Verständnisproblem doch eher auf deiner Seite zu liegen.
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colourize

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« Antwort #99 am: 02 Juni 2005, 21:11:07 »

Im Gegensatz zu Dir, Kenaz, bin ich der Auffassung, dass diese Kultur-Natur-Dichotomie, die Du da aufmachst, überhaupt nicht weiterhilft. Wenngleich diese Unterscheidung zwischen "res cogitantes" und "res extensae", die wohl die Quelle dieser Dichotomie sein dürfte, nahezu ein Axiom der abendländischen Philosophie zu sein scheint, so ist dieses Denken in bipolaren Gegensätzen ("Herrscht der Geist über die Materie oder umgekehrt?") m.E. eine ziemliche Sackgasse. Meiner Auffassung nach macht überhaupt keinen Sinn, die Entwicklung des menschlichen Geistes als von der Evolution isolierten Prozess zu interpretieren, und ebensowenig sind die uns umgebenen "natürlichen" Entitäten ohne unsere Bedeutungszuschreibungen existent, geschweige denn für unser Denken und Handeln relevant. Der Geist ist also gleichermaßen "Natur" wie die materielle Welt "Kultur" ist. Da Kausalverhältnisse konstruieren zu wollen mündet in der Frage nach der Henne und dem Ei.
(Erwähnte ich schon, dass ich die Trennung von Geistes- und Naturwissenschaften für einen der größten Fehler der Wissenschaftsgeschichte halte?)

Genau wie evolutive Prozesse einer ständigen Wandlung unterliegen, ist auch das, was wir "Kultur" nennen, einer permanenten dynamischen Veränderung ausgesetzt. Ob man das nun gut oder schlecht findet (@phaylon) steht auf einem anderen Blatt. Nur ist die Vorstellung, etwas daran ändern zu können, m.E. etwas einfältig.

Zurück zu dem, was von konservativer Seite gerne mit "Kulturen", "Ethnien", "Völkern" oder "Rassen" bezeichnet wird: Der Schlüssel zu diesen Gruppenzuweisungen sind nicht objektive "kulturelle" Merkmale, sondern soziale Schließungsmechanismen. Wer dazu gehört und wer nicht, wo die "Grenzen zwischen den Kulturen" verlaufen, ist (und war schon immer) Verhandlungssache. Beliebige Merkmale taugen zur sozialen Distinktion, mit ihrer Hilfe werden Unterschiede konstruiert, um zu einer pseudo-objektiven Legitimation für bestimmte Handlungen zu gelangen.
Um es mal überspitzt zu sagen: Es ist dieselbe argumentative Strategie, mit der wir heute der Türkei den EU-Beitritt verwehren und mit der wir früher die Juden in die Gaskammer geschickt haben: Die sind anders als wir, die gehören nicht hierher.

Meine Überzeugung der Nicht-Existenz von solch objektiv feststellbareren Gruppengrenzen mündet in eine Grundüberzeugung, die gleichermaßen durch eine radikal-individualistische Sicht einerseits, sowie durch eine Perspektive der internationalen Solidarität andererseits gekennzeichnet ist.
Genau diese Weltsicht ist m.E. aus der Erkenntnis der Nicht-Existenz unveränderlicher Gruppenabgrenzungen die einzig konsequente Folge; und nun komme ich schließlich zu dem, was aus meiner Sicht sein sollte: Bestehende Gruppenzuweisungen müssen als Konstrukte der Macht dechiffriert werden. Es gilt die Sicht auf pseudo-objektiv exstierende Gruppen zu überwinden und eine die derzeitigen Gruppengrenzen überwindende Solidarität zu erlangen.
Gruppenkonstrukte sind soziale Schließungstechniken und dienen dem Erhalt der bestehenden Ordnung und damit der gesellschaftlichen Elite. Die Leidtragenden dieser bestehenden Ordnung sind wir alle.
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phaylon

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« Antwort #100 am: 02 Juni 2005, 22:37:01 »

Zitat von: "colourize"

Genau wie evolutive Prozesse einer ständigen Wandlung unterliegen, ist auch das, was wir "Kultur" nennen, einer permanenten dynamischen Veränderung ausgesetzt. Ob man das nun gut oder schlecht findet (@phaylon) steht auf einem anderen Blatt. Nur ist die Vorstellung, etwas daran ändern zu können, m.E. etwas einfältig.


Auch wenn ich jetzt etwas fertig bin, und eventuell etwas überlesen habe: Inwiefern empfindest du es dann als sinnvoll, zur Wahl zu gehen, wenn es keine Möglichkeit -was ich anzweifle- einer Veränderung gibt? Der Terrorismus hat meines Erachtens beispielsweise gezeigt, dass es schon grosse Auswirkungen haben kann, wenn irgendjemand aufhört, sich an die Regeln zu halten.

Nebenbei schickst du mich gerade in ein Adams'sches Dilemma, weil du eine Antwort auf eine Frage gibst, die ich nicht kenne. Ich habe gesagt, dass es Abstufungen zwischen den beiden Extremen gibt, und nicht nur diese. Wie kommst du da auf Wertungen? Das ist eine ganz andere Skala.

Zitat
Zurück zu dem, was von konservativer Seite gerne mit "Kulturen", "Ethnien", "Völkern" oder "Rassen" bezeichnet wird: Der Schlüssel zu diesen Gruppenzuweisungen sind nicht objektive "kulturelle" Merkmale, sondern soziale Schließungsmechanismen. Wer dazu gehört und wer nicht, wo die "Grenzen zwischen den Kulturen" verlaufen, ist (und war schon immer) Verhandlungssache.

Und?  Ich persönlich bin beispielsweise ein Freund von kulturellen Veränderungen, weil ich der Meinung bin, dass ohne dieses keine gesellschaftliche Entwicklung stattfindet. Was ich ablehne ist die industrielle Weise, mit der dies heutzutage betrieben wird.

Zitat
Beliebige Merkmale taugen zur sozialen Distinktion, mit ihrer Hilfe werden Unterschiede konstruiert, um zu einer pseudo-objektiven Legitimation für bestimmte Handlungen zu gelangen.

Pseudo-objektiv? Was ist so verwerflich daran, subjektiv zu handeln? Bzw., wie soll objektives Handeln möglich sein? Jegliches Handeln würde ich als pseudo-objektiv ansehen, wenn man sich einredet, einen objektiven Standpunkt zu haben.

Zitat
Um es mal überspitzt zu sagen: Es ist dieselbe argumentative Strategie, mit der wir heute der Türkei den EU-Beitritt verwehren und mit der wir früher die Juden in die Gaskammer geschickt haben: Die sind anders als wir, die gehören nicht hierher.

Ach hör doch mal auf mit der Extremreiterei. Denkst du eine weltweite Angleichung durch ein "Optimum an Kompromissen" wäre sinnvoll? Ich nicht. Und insofern habe ich auch nichts gegen sinnvolle Grenzen. Abgesehen davon frage ich mich, wie eine Gewichtung auf "für die eigene Nation" (Anm: Ich teile diese Einstellung nicht, bin ja auch ne Straßenkrammischung) oder sei's auch eine genetische Richtung von mir aus, sofort als "Gegen alles Andere" wahrgenommen wird. Klar kann man das nicht teilen. Aber nur weil  man etwas nicht mag, nicht möchte, nicht versteht oder einen komplex hat, und es nicht gebacken kriegt den loszuwerden, muss man das doch nicht gleich vernichten wollen?

Das erinnert mich an die Diskussion mit Trakl, wo meine Frage nach einer Legitimation der Geisteswissenschaften als Versuch aufgenommen wurde, diese auszurotten. Darauf angesprochen, wurde das immer nur ignoriert, aus der Realität gedrängt. Und um mal ne Schublade aufzumachen: Sowas empfinde ich auch recht "typisch links."

Ich erachte generelle Angleichung durch Durchmischung im industriellen Stil einfach nicht als guten Weg. Genau das ist es aber, was ein globaler Markt meiner Meinung nach hervorrufen würde. Wenn's nach mir ginge, sollte nicht jeder gleich, sondern anders sein.

So. Viel Spass beim "Mich-Auseinandernehmen" ;)
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DarkAmbient

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« Antwort #101 am: 03 Juni 2005, 04:08:38 »

Zitat von: "phaylon"
Wenn's nach mir ginge, sollte nicht jeder gleich, sondern anders sein.


Ein Einwurf vom Rande: Phaylon, da bin ich ganz Deiner Meinung. Ich betrachte Vielfalt auch als Wert an sich. Nur ein kleines bisschen dialektisch betrachtet ergibt sich die Frage: Was muss gleich sein (Universalität), damit was anderes ungleich (Vielfalt, Differenz-Prinzip) sein kann? Progressiv sein heißt nicht alle Ungleichheiten auszumerzen, sondern das andere einzubeziehen. Um den Modus geht es! Und wie es im Moment mit der Globalisierung läuft, damit bin ich auch nicht einverstanden. Solidarität (auch mit Retros wie Dir :) ) ist da der Ansatz von Links -- statt marktradikalem alles unterbutternden Kulturkampf von Rechts. Und da kann ich Colourize nur zustimmen: Die Vielfalt als Wert an sich, als Zweck, zu pflegen, statt als Herrschaftsmittel -- das ist es!
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Kenaz

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« Antwort #102 am: 03 Juni 2005, 08:31:56 »

Zitat von: "colourize"
und ebensowenig sind die uns umgebenen "natürlichen" Entitäten ohne unsere Bedeutungszuschreibungen existent, geschweige denn für unser Denken und Handeln relevant.

- Bingo! Da sind wir doch mal einer Meinung. Was uns unterscheidet ist allerdings der Schluß, den wir daraus ziehen: Du postulierst, der Mensch müsse etwas akzeptieren bzw. sich an etwas anpassen, was unter dieser Vorgabe eigentlich schon ausgemachter Blödsinn (da überhaupt nicht feststell- geschweige denn verifizierbar) ist, nämlich der "Naturgegebenheit" einer ewigen Prozessualität allen Seins, und folglich in Kauf nehmen, daß rein gar nichts feststeht und bleibend ist (wogegen m. E. allein schon menschliche Erzeugnisse der unterschiedlichsten Betrachtungsebenen - Rom, die Pyramiden, die Weltreligionen, die Platonischen Dialoge, um nur einige wenige Beispiele zu nennen - beredtes Zeugnis ablegen). Wie dieser Schluß mit Deiner obigen Feststellung zusammengeht, die a) die Existenz des "Natürlichen" an sich grundsätzlich bestreitet und b) obendrein deren Relevanz für unser Handeln leugnet, bleibt mir schleierhaft. Viel zwangloser ergibt sich aus dieser These die alte Assassinen-Losung: "Nichts ist wahr und alles ist erlaubt", m. a. W.: alles ist nur eine Frage der Macht und damit sehr wohl in den direkten Einflußbereich menschlichen Denkens und Handelns gerückt.

Im Unterschied zu Dir sage ich nun, daß es dem Menschen sehr wohl gegeben ist, Bedeutungszuschreibungen - und damit eben auch kulturelle Werte, respektive kulturelle Identität - zu fixieren und über längere bis lange Zeiträume zu konservieren, ja, daß er das sogar muß, um als die spezifische Seinsform, die er jeweils ist, nicht unterzugehen. Das, was wir "Mensch" nennen, ist schließlich per definitionem schon etwas Fixiertes und damit - qua (Selbst-)Bewußtsein - der reinen Prozessualität enthoben, auch wenn innerhalb dieser Entität "Mensch" alles im Fluß ist; wir haben es mit einer harmonisch in sich geordneten Ganzheit zu tun, durch die das prozessuale Chaos überformt wird, m. a. W.: Hier ist - auch wenn der Linken gerade das typischerweise überhaupt nicht schmeckt - Macht im Spiel, um nicht mit Nietzsche zu sagen: "Wille zur Macht". Anderes Beispiel: Wenn innerhalb der menschlichen Psyche bestimmte Eckpunkte, welche das Individuum in seiner Identität konstituieren bzw. Ich-Konsistenz und -Kohärenz gewährleisten, nicht mehr festgehalten bzw. fixiert werden, weil die Kraft oder der Wille dazu fehlt, dann ist der psychische Zerfall dieses Individuums die Folge, wie bspw. bei der Schizophrenie oder auch unter dem Einfluß gewisser halluzinogener Drogen sehr hübsch zu beobachten.

Zitat von: "colourize"
Der Geist ist also gleichermaßen "Natur" wie die materielle Welt "Kultur" ist. Da Kausalverhältnisse konstruieren zu wollen mündet in der Frage nach der Henne und dem Ei.

- Ich werde einen Teufel tun und Dir in dieser Hinsicht widersprechen, es wundert mich allerdings nicht zu knapp, das aus Deiner Tastatur zu lesen. Dummerweise stellt aber die gesamte menschliche Geistesgeschichte in letzter Konsequenz nichts anderes dar als ebendiese Suche nach der Henne und dem Ei. Erkenntnis ist nur qua Begriffsbildung und damit Differenzierung möglich, das muß ich Dir wohl kaum erzählen. Wenn wir uns aber nicht in den Dunstkreis mystisch-esoterischer Spekulation begeben wollen (wogegen ich grundsätzlich nichts habe, doch führt uns das auf dieser Ebene der Betrachtung kaum weiter), dann macht eine Verwurstung und Verschwurbelung des Natur- und des Geistesbegriffes, wie Du ihn oben nahelegst, keinen Sinn. Die Dichotomie "res cogitans vs. res extensa" findet sich übrigens keineswegs nur in der westlichen Philosophie, sondern sehr wohl auch in der (fern-)östlichen und das ist auch kein Wunder: Die menschliche Erfahrungswelt - und eine andere ist uns nicht zugänglich - ist nun mal bipolar aufgebaut. Wer sie aufheben will, sollte sich auf den Weg begeben, den Buddha sehr hübsch vorgezeichnet hat ... - mit "Wissenschaft" und "Erkenntnis" ist's dann freilich Essig.
(Erwähnte ich schon, daß ich "Wissenschaft" mit großer Vorliebe in Anführungszeichen setze, weil ich diesen ganz Zirkus für heillos überbewertet halte?)

Zitat von: "colourize"
Genau wie evolutive Prozesse einer ständigen Wandlung unterliegen, ist auch das, was wir "Kultur" nennen, einer permanenten dynamischen Veränderung ausgesetzt. Ob man das nun gut oder schlecht findet (@phaylon) steht auf einem anderen Blatt. Nur ist die Vorstellung, etwas daran ändern zu können, m.E. etwas einfältig.

- Evolutive Prozesse unterliegen freilich schon dem plumpen Wortsinn nach der Wandlung, diese Festellung ist tautologsch und insofern redundant. OB und inwieweit aber eine spezifische Kultur einer solchen Wandlung unterliegt, hängt - wie andernorts bereits festgestellt - von den Menschen ab, die sie pflegen. Daß auch innerhalb einer Kultur immer Bewegung stattfindet, ist unbestritten; "Kultur" kann sich das Gesamtgebilde aber nur nennen, so lange die Linie der Wandlung bzw. des "Progresses" und die Linie der Tradition bzw. Erhaltung in einem harmonischen Wechselverhältnis stehen. Dieses harmonische Verhältnis ist in Endzeitkulturen wie der unseren allerdings komplett verloren gegangen. Absterbende Kulturen zeichnen sich dadurch aus, daß sie ihr Zentrum verloren haben und nur noch Bewegung - und zwar stetig hektischer werdende - sind.

Zitat von: "colourize"
Der Schlüssel zu diesen Gruppenzuweisungen sind nicht objektive "kulturelle" Merkmale, sondern soziale Schließungsmechanismen. Wer dazu gehört und wer nicht, wo die "Grenzen zwischen den Kulturen" verlaufen, ist (und war schon immer) Verhandlungssache.

- Diese Schließungsmechanismen konstituieren aber etwas, das sich am End' als "objektives "kulturelle" Merkmal" beschreiben läßt ("Hindus essen kein Schweinefleisch."). Und hinsichtlich der "Grenzen zwischen den Kulturen" ist es eben von entscheidender Bedeutung, wie groß der Verhandlungsspielraum ist, den man einräumt: Bleibt er in einem Ausmaß, das die Wahrung der jeweiligen Identität sichert oder wird er so weit aufgerissen, daß es auf eine Selbstpreisgabe hinausläuft?

Zitat von: "colourize"
Beliebige Merkmale taugen zur sozialen Distinktion, mit ihrer Hilfe werden Unterschiede konstruiert, um zu einer pseudo-objektiven Legitimation für bestimmte Handlungen zu gelangen.

- Wie phaylon schon sehr treffend feststellte: Unter den Voraussetzungen, die Du selber aufmachst, kannst Du Dir Dein "Pseudo-" sparen, es macht keinen Sinn, da sowieso alles im Fluß ist und kontinuierlicher Veränderung unterliegt. Wer die Existenz von "Natur" (im objektiven Sinne) oder einer transzendenten Instanz - "Gott" - bestreitet, der sollte so konsequent sein und sich vom Begriff der "Wahrheit" - und damit des "Authentischen", "Echten" - trennen. Unter dieser Vorgabe kann die Legitimation einer Handlung immer nur Ergebnis einer bestimmten Machtkonstellation sein.

Zitat von: "colourize"
Es ist dieselbe argumentative Strategie, mit der wir heute der Türkei den EU-Beitritt verwehren und mit der wir früher die Juden in die Gaskammer geschickt haben: Die sind anders als wir, die gehören nicht hierher.

- Ja und?! Das, was Du hier zelebrierst, ist reine Rhetorik: Daß die Juden mit der Begründung "Die sind anders als wir, die gehören nicht hierher" in die Gaskammern geschickt wurden, ist kein Argument gegen diese Art von Begründung, sondern lediglich gegen die Gaskammern. - Ich denke, Du würdest Dich mit einer ganz ähnlichen Begründung dagegen verwahren, wenn plötzlich die NPD-Ortsgruppe Hamburg nebst Christian Worch und seinen Kumpels das kir als prima Tanzschuppen entdeckten und dort Samstag für Samstag - selbstverständlich friedlich - in vollem Ornat aufmarschierten, um sich ein bißchen zu amüsieren.

Zitat von: "colourize"
Meine Überzeugung der Nicht-Existenz von solch objektiv feststellbareren Gruppengrenzen mündet in eine Grundüberzeugung, die gleichermaßen durch eine radikal-individualistische Sicht einerseits, sowie durch eine Perspektive der internationalen Solidarität andererseits gekennzeichnet ist.

- Wie gesagt: Objektiv feststellbar ist in letzter Konsequenz gar nix, woraus zu folgern ist: Mit exakt der gleichen Berechtigung kann ich zu der entgegengesetzten Grundüberzeugung kommen. Es ist eine Frage des Geschmacks.

Zitat von: "colourize"
Genau diese Weltsicht ist m.E. aus der Erkenntnis der Nicht-Existenz unveränderlicher Gruppenabgrenzungen die einzig konsequente Folge

- Vorsicht mit dem Begriff der "Erkenntnis", Begründung siehe weiter oben. Und ansonsten: Mit "Konsequenz" hat das rein gar nichts zu tun, denn wie gesagt: in den Grundannahmen gehen wir z. T. durchaus konform, nichtsdestoweniger ziehen wir komplett unterschiedliche Schlüsse daraus.

Zitat von: "colourize"
und nun komme ich schließlich zu dem, was aus meiner Sicht sein sollte: Bestehende Gruppenzuweisungen müssen als Konstrukte der Macht dechiffriert werden.

- Und dann? Klassenlose Gesellschaft? Anarchie? *gacker* :lol:  - Daran glaubst Du doch wohl selber nicht! Eine "Gesellschaft" unter der Losung "Ni dieu, ni maître" löst sich zwangsläufig selber auf (sie kann noch nicht einmal entstehen), weil nichts da ist, was den Laden im Innersten zusammenhält. - Im übrigen steht hinter diesem Willen zur Dechiffrierung doch auch wieder nur eins: Wille zur Macht! - Und was mir an der Linken am meisten zuwider ist, das ist die Unaufrichtigkeit, dies nicht wenigstens zugeben zu wollen.

Zitat von: "colourize"
Es gilt die Sicht auf pseudo-objektiv exstierende Gruppen zu überwinden und eine die derzeitigen Gruppengrenzen überwindende Solidarität zu erlangen.

- Wo Du nur immer diese "Pseudo-Objektivität" hernimmst, wo doch schon die Objektivität selber längst obsolet ist ...?!

Zitat von: "colourize"
Gruppenkonstrukte sind soziale Schließungstechniken und dienen dem Erhalt der bestehenden Ordnung und damit der gesellschaftlichen Elite. Die Leidtragenden dieser bestehenden Ordnung sind wir alle.

- Dagegen sage ich: Eine Ordnung ohne solche Techniken gab es nie, gibt es nicht und wird es nie geben. Es kann sie aus strukturimmanenten Gründen, die ich weiter oben zu umreißen versucht habe, gar nicht geben. Dieser Wunsch bleibt ein Wunsch, wenn auch ein unfrommer, und eine "realitäts"( :wink: )-fremde Utopie. Womit ich abschließend noch mal den Kameraden phaylon zu Wort kommen lasse, der in etwas anderem Zusammenhang recht pointiert feststellte:
Zitat von: "phaylon"
Darauf angesprochen, wurde das immer nur ignoriert, aus der Realität gedrängt. Und um mal ne Schublade aufzumachen: Sowas empfinde ich auch recht "typisch links."

Dem schließe ich mich an.
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« Antwort #103 am: 03 Juni 2005, 12:41:32 »

Zitat von: "DarkAmbient"

Ein Einwurf vom Rande: Phaylon, da bin ich ganz Deiner Meinung. Ich betrachte Vielfalt auch als Wert an sich. Nur ein kleines bisschen dialektisch betrachtet ergibt sich die Frage: Was muss gleich sein (Universalität), damit was anderes ungleich (Vielfalt, Differenz-Prinzip) sein kann? Progressiv sein heißt nicht alle Ungleichheiten auszumerzen, sondern das andere einzubeziehen. Um den Modus geht es! Und wie es im Moment mit der Globalisierung läuft, damit bin ich auch nicht einverstanden. Solidarität (auch mit Retros wie Dir :) ) ist da der Ansatz von Links -- statt marktradikalem alles unterbutternden Kulturkampf von Rechts. Und da kann ich Colourize nur zustimmen: Die Vielfalt als Wert an sich, als Zweck, zu pflegen, statt als Herrschaftsmittel -- das ist es!

1. Inwiefern "Retro"? Wieso kommt jeder immer gleich mit Schubladen?
2. Wie schon gesagt, ich bewerte die Veränderung die passiert nicht, ich bewerte wie sie vorangetrieben wird.
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« Antwort #104 am: 03 Juni 2005, 23:17:14 »

Zitat von: "Kenaz"
Die menschliche Erfahrungswelt - und eine andere ist uns nicht zugänglich - ist nun mal bipolar aufgebaut. Wer sie aufheben will, sollte sich auf den Weg begeben, den Buddha sehr hübsch vorgezeichnet hat ...


A propos aufheben: Einer der einen scharfen Blick auf fernöstliche Philosophie hatte war Hegel. Es erstaunt mich immer wieder wie wenig die heutige Philosophie sich auf den Großmeister des dialektischen Denkens einlässt.

Zitat
Dieses harmonische Verhältnis ist in Endzeitkulturen wie der unseren allerdings komplett verloren gegangen. Absterbende Kulturen zeichnen sich dadurch aus, daß sie ihr Zentrum verloren haben und nur noch Bewegung - und zwar stetig hektischer werdende - sind.


Jaja, früher war doch einiges besser... :roll:

Zitat
Ich denke, Du würdest Dich mit einer ganz ähnlichen Begründung dagegen verwahren, wenn plötzlich die NPD-Ortsgruppe Hamburg nebst Christian Worch und seinen Kumpels das kir als prima Tanzschuppen entdeckten und dort Samstag für Samstag - selbstverständlich friedlich - in vollem Ornat aufmarschierten, um sich ein bißchen zu amüsieren.


Hinkt ja wohl an mehreren Stellen der Vergleich.

Zitat
- Wie gesagt: Objektiv feststellbar ist in letzter Konsequenz gar nix, woraus zu folgern ist: Mit exakt der gleichen Berechtigung kann ich zu der entgegengesetzten Grundüberzeugung kommen. Es ist eine Frage des Geschmacks.


Genau. Und durch dieses Nicht-objektiv-feststellbar macht es ja so schön einfach, sich auf Identitäten nieder zu lassen, von denen aus man ohne Gefahr den anderen vorwerfen kann, sie hätten einen schlechten Geschmack.

Zitat
- Und dann? Klassenlose Gesellschaft? Anarchie? *gacker* :lol:  - Daran glaubst Du doch wohl selber nicht! Eine "Gesellschaft" unter der Losung "Ni dieu, ni maître" löst sich zwangsläufig selber auf (sie kann noch nicht einmal entstehen), weil nichts da ist, was den Laden im Innersten zusammenhält. -


Ja, die Geschichte gibt Dir Recht. Die Südstaaten sind ja auch zu dem Zeitpunkt im Niedergang gewesen, als die Sklaverei abgeschafft wurde und die Herrenmenschen sich nicht mehr so richtig von ihren Knechten distinguieren konnten. Das ist der Beweis! :lol:

Zitat
Im übrigen steht hinter diesem Willen zur Dechiffrierung doch auch wieder nur eins: Wille zur Macht! - Und was mir an der Linken am meisten zuwider ist, das ist die Unaufrichtigkeit, dies nicht wenigstens zugeben zu wollen.


Genau diese Illusion ist mir an der Linken auch am meisten zuwieder, die sie strukturell in die Ohnmacht treibt. Natürlich ist auch das andere Extrem zu beobachten, wo sie sich plötzlich an der Position befinden, die sie einst bekämpften. Aber genau diese Oben-Unten-Machtpolarisierung lässt keinen Ausweg. Es muss auch eine andere Macht geben, vielleicht sowas wie kreative Macht, wie Holloway schreibt. An dieser Front wird gearbeitet und vielleicht schaffen wir es in kürzerer Zeit als gebraucht wurde, um die Sklaverei (zumindest offiziell) abzuschaffen.
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"Es ist besser etwas zu bereuen, das man getan hat, als etwas zu bereuen, das man nicht getan hat."