Aber ganz klar: Die Mehrheit der Leute kann sich das einfach (noch?) nicht wirklich für sich/sie selbst vorstellen.
Da ist so viel "Fassade" (früher mehr als heute, ja) und dahinter ein so kleines Ego, so viele Unsicherheiten, Zweifel ... - aber sie ist halt "bekannt" und daher verkaufen sich ihre Bücher gut - nicht, wegen deren Inhalte (die weder revolutionär noch "aufklärend" noch sehr informativ sind, wie ich jetzt mal behaupte), sondern weil sie die Autorin ist. Sie hat gelernt, sich zu vermarkten ... - wäre sie "die junge Frau von nebenan", würde sie kaum "auffallen", beachtet werden (schon wegen ihrer Optik nicht, dann auch die Stimme ... ... ...).
Wie gesagt, wenn ein Paar monogam lebend glücklich ist, dann stellt es sich Poly logischerweise nicht für sich selbst vor - weil es schlicht nicht not tut.Das wird es erst, wenn es monogam nicht mehr läuft.
Auch dann wird - zumindest für mich - eine polyamore Beziehung nicht interessant. Eher eine Trennung von dem Partner, mit dem es nicht mehr läuft, und diese Beziehung erstmal abschließen, BEVOR ich über eine neue (welcher Art auch immer) überhaupt nachdenke.
Wenn überhaupt, dann wird es höchstens dann interessant, wenn es "nur" am Sexuellen scheitert. Wenn man ansonsten wie Arsch auf Eimer zusammenpasst, "nur" beim Sex nicht, dann sind -vielleicht- alternative Beziehungsmöglichkeiten (z.B. beide haben woanders eine rein sexuelle "Beziehung" mit Menschen, bei denen klar ist dass sie ansonsten nie im Leben zusammenpassen) durchaus wert, betrachtet zu werden.
Zitat von: messie am 01 September 2011, 23:05:08Wenn überhaupt, dann wird es höchstens dann interessant, wenn es "nur" am Sexuellen scheitert. Wenn man ansonsten wie Arsch auf Eimer zusammenpasst, "nur" beim Sex nicht, dann sind -vielleicht- alternative Beziehungsmöglichkeiten (z.B. beide haben woanders eine rein sexuelle "Beziehung" mit Menschen, bei denen klar ist dass sie ansonsten nie im Leben zusammenpassen) durchaus wert, betrachtet zu werden.Dann braucht man aber keine polyamoren Beziehungen, dann kann man sich auch auf sexuelle Affairen "beschränken". Was dieses Beziehungsmodell doch ausmacht, ist, daß man zu allen Menschen Beziehungen pflegt und sich nicht nur auf Sex beschränkt. Oder seh ich das jetzt falsch?
Zitat von: Kaffeebohne am 02 September 2011, 08:50:25Zitat von: messie am 01 September 2011, 23:05:08Wenn überhaupt, dann wird es höchstens dann interessant, wenn es "nur" am Sexuellen scheitert. Wenn man ansonsten wie Arsch auf Eimer zusammenpasst, "nur" beim Sex nicht, dann sind -vielleicht- alternative Beziehungsmöglichkeiten (z.B. beide haben woanders eine rein sexuelle "Beziehung" mit Menschen, bei denen klar ist dass sie ansonsten nie im Leben zusammenpassen) durchaus wert, betrachtet zu werden.Dann braucht man aber keine polyamoren Beziehungen, dann kann man sich auch auf sexuelle Affairen "beschränken". Was dieses Beziehungsmodell doch ausmacht, ist, daß man zu allen Menschen Beziehungen pflegt und sich nicht nur auf Sex beschränkt. Oder seh ich das jetzt falsch?Nee, das siehst du schon richtig. Mein Fall wäre dann wiederum eher polygam statt polyamor. Denn auch "Fickbeziehungen" können eheähnlich zugehen, so gaaanz ohne sonstige Gefühle geht's ja doch nicht ab.Tja, poly ist halt nicht gleich poly ...
Ja, ich sehe das halt so: Ich bin der Meinung, die meisten Menschen (wenn nicht alle) sind bi und die meisten Menschen sind "polyamor veranlagt"
Ich glaube, Monogamie wurde dem Mensch aufgezwungen
Manche Experten sprechen davon, dass 90 Prozent der Männer im Laufe ihres Lebens fremdgehen, bei den Frauen sind es drei Viertel. Untreue ist denn auch einer der Hauptgründe, warum Ehen in den westlichen Industrienationen reihenweise kollabieren.
Untreue zerstört Vertrauen, zerbricht Hoffnungen, Herzen und Familien. Die entscheidende Frage ist aber nicht, warum wir eigentlich nicht treu sein können. Sondern warum unser Beziehungsideal auf einer Lüge gründet. Die Lüge, dass wir uns immer treu sein werden.
Denn sexuelle Treue im umfassenden Sinn ist unmöglich. Wir können uns die Lust versagen, wir können so tun, als gäbe es sie nicht. Aber es ist eine Täuschung.
Ich habe viele Beziehungen am Problem falscher Treueerwartungen zerbrechen sehen. Und so frage ich mich heute: Ist es vielleicht gar nicht die Untreue, die Ehen kaputt macht, sondern die unrealistische Erwartung, dass Sex nur innerhalb der Ehe stattfinden soll? Warum pathologisieren wir Fremdgeher und stigmatisieren sie moralisch, wenn sie doch eigentlich der Normalfall sind? Warum halten wir es für normaler, von einer monogamen Kurzzeitbeziehung zur nächsten zu eilen, als außereheliche sexuelle Kontakte in Kauf zu nehmen? Warum halten wir dieses als serielle Monogamie bekannte Muster für tauglicher, als uns vom Dogma der Monogamie zu verabschieden? Ist es vielleicht gar nicht der Partner, der uns betrügt, sondern die Liebe selbst? Zerstört uns also nicht die Untreue, sondern die Treue?
Ich stellte diese Frage dem Sexualtherapeuten und Autor Ulrich Clement. "Unser Liebesmodell stammt aus Bürgertum und Romantik", sagte er. In vormodernen Ehen gehörte Untreue dazu, zumindest die des Mannes. Doch dann wurde die Liebe zunehmend zum romantischen Ideal verklärt, die innereheliche Sexualität wurde aufgewertet, die außereheliche sanktioniert. Im Verlaufe des zwanzigsten Jahrhunderts verlor die Ehe ihre wirtschaftliche und soziale Bedeutung zunehmend. Übrig blieb das romantische Phantasma, scharf bewacht von der Eifersucht. Ohne Eifersucht gäbe es kein Anspruch auf Exklusivität, kein Treueproblem, keine am Küchentisch durchdiskutierten Nächte, keine unversöhnlichen Trennungen. Eifersucht, so Clement, ist ein kulturübergreifender Reflex. Doch die Bewertung des Gefühls variiert kulturell beträchtlich. In patriarchalen Kulturen, welche die Ehre des Mannes an die Treue der Frau knüpfen, kann sie mörderische Konsequenzen haben. Denn die Frau gehört dem Mann, sie soll ihre Sexualität ihm allein vorbehalten.
[...] Dies ist jedenfalls die These, welche die Evolutionspsychologen Christopher Ryan und Cacilda Jethá in ihrem viel beachteten Buch Sex at Dawn aufstellen. Die entsprechenden Muster, so die beiden Autoren, zeugen von einer kulturellen Anpassung an die sozialen Bedingungen patriarchaler Gesellschaften.Populationsgenetische Untersuchungen des Schweizerischen Nationalfonds haben ergeben, dass Monogamie eine verhältnismäßig junge Erscheinung ist und erst mit der Erfindung der Landwirtschaft vor rund 20.000 Jahren aufkam. Ebenfalls bekannt ist, dass unsere Vorfahren nicht nur mit ihresgleichen verkehrten, sondern auch mit anderen Hominidenarten. (Was die Vermutung zulässt, dass schon der frühe Mensch dem Alkohol zugeneigt war.) Die regelmäßigen Romanzen zwischen Homo sapiens und Neandertaler haben sich sogar in unserem Erbgut niedergeschlagen, das bis zu vier Prozent Neandertaler-DNA enthält. Daraus muss man schließen, dass aus solchen Verbindungen auch Kinder hervorgingen, welche aufgezogen und in die prähistorische Gesellschaft integriert wurden. Würde unser genetisches Programm tatsächlich so spielen, wie oben skizziert, hätten die Hominidenmischlinge wohl kaum eine Chance auf ein Überleben gehabt.
Die frühen Menschen, argumentieren Ryan und Jethá, zogen als Jäger und Sammler in Gruppen herum, in de-nen die Geschlechter gleichberechtigt lebten. In den prähistorischen Hippie-Kommunen wurde Sex ebenso geteilt wie die Beute, weil da für die nomadische Lebensform die beste Überlebensstrategie darstellte. Die Besiedelung des Landes änderte dann alles: das Bevölkerungswachstum, die politischen Organisationsformen, Götter, Familienstrukturen und Geschlechterhierarchien. Die Konzepte von Besitz, Reichtum und einer Erblinie wurden eingeführt. Um sicherzustellen, dass nur ihre biologischen Kinder von den Früchten ihrer harten Arbeit profitierten, mussten die Männer zusehen, dass ihre Frauen mit niemand anderem sexuelle Kontakte pflegten. Die Frauen wurden als Eigentum des Mannes in den Haushalt einverleibt, ihr Zugang zu den Ressourcen an ihre Sexualität geknüpft.Mit dem Christentum kam ein rigides moralisches Korsett dazu, das der weiblichen Lust die Luft ganz abschnürte. Das zeigt bis heute Wirkung. Frauen fahren tatsächlich auf Männer mit Status ab und stecken lieber immense Energie in ihr Aussehen, um mit einer guten Partie ihren gesellschaftlichen Status zu verbessern. Aber das hat weniger mit einem biologischen Programm zu tun, sondern ist eine soziale Konsequenz der Tatsache, dass wir in einer Welt leben, in der die Männer über Jahrhunderte die Ressourcen kontrollierten.
Dass Frauen ihre Bettgefährten stets vorsichtiger gewählt haben als umgekehrt, weil sie das Risiko der Schwangerschaft trugen, besagt nichts über ihre Lust.
Ich kenne Single-Frauen, die mit vielen verschiedenen Männern schlafen und das auch genießen. Aber sie achten tunlichst darauf, dass niemand davon erfährt. Denn Schwangerschaften lassen sich verhüten, aber eine Frau riskiert heute noch immer den Ruf, wenn sie sich verhält wie ein Single-Mann und Gelegenheiten beim Schopf packt.
Unser Wunsch nach einer langjährigen, tiefen Partnerschaft entspricht letztlich der Sehnsucht danach, eine Familie, eine Heimat zu haben. Ein legitimer, ein menschlicher Wunsch. Vielleicht sollten wir einfach anerkennen, dass Sexualität auch eine Art Heimat ist und ein Recht darauf hat, gelebt zu werden. Dass wir uns in unseren individuellen Bedürfnissen finden und nicht nach für uns vorgesehenen Rollen leben müssen. Einfacher werden Beziehungen dadurch nicht. Aber wenn man davon ausgeht, dass jede Beziehung ein Kunstwerk ist, so lohnt es sich, es wenigstens zu versuchen.
Warum halten wir dieses als serielle Monogamie bekannte Muster für tauglicher, als uns vom Dogma der Monogamie zu verabschieden? Ist es vielleicht gar nicht der Partner, der uns betrügt, sondern die Liebe selbst? Zerstört uns also nicht die Untreue, sondern die Treue?
Die regelmäßigen Romanzen zwischen Homo sapiens und Neandertaler haben sich sogar in unserem Erbgut niedergeschlagen, das bis zu vier Prozent Neandertaler-DNA enthält.
(...)...aber ich glaube kaum, dass auch noch so hochwissenschaftliche Untersuchungen und, mit Verlaub, Spekulationen über das gesellschaftliche Zusammenleben in der Steinzeit die verletzten Gefühle eines sich heutzutage betrogen fühlenden Menschen wegzaubern können; das Gefühl des Nichtgenügens, der Minderwertigkeit, des Verrats etc. Diese Gefühle überwiegen meistens die Logik, die die Befürworter der Promiskuität vertreten (zu denen ich btw nicht gehöre.)
"Unser Liebesmodell stammt aus Bürgertum und Romantik", sagte er. In vormodernen Ehen gehörte Untreue dazu, zumindest die des Mannes. Doch dann wurde die Liebe zunehmend zum romantischen Ideal verklärt, die innereheliche Sexualität wurde aufgewertet, die außereheliche sanktioniert. Im Verlaufe des zwanzigsten Jahrhunderts verlor die Ehe ihre wirtschaftliche und soziale Bedeutung zunehmend. Übrig blieb das romantische Phantasma, scharf bewacht von der Eifersucht. Ohne Eifersucht gäbe es kein Anspruch auf Exklusivität, kein Treueproblem, keine am Küchentisch durchdiskutierten Nächte, keine unversöhnlichen Trennungen. Eifersucht, so Clement, ist ein kulturübergreifender Reflex. Doch die Bewertung des Gefühls variiert kulturell beträchtlich. In patriarchalen Kulturen, welche die Ehre des Mannes an die Treue der Frau knüpfen, kann sie mörderische Konsequenzen haben. Denn die Frau gehört dem Mann, sie soll ihre Sexualität ihm allein vorbehalten. [...]
In den prähistorischen Hippie-Kommunen wurde Sex ebenso geteilt wie die Beute, weil da für die nomadische Lebensform die beste Überlebensstrategie darstellte. Die Besiedelung des Landes änderte dann alles: das Bevölkerungswachstum, die politischen Organisationsformen, Götter, Familienstrukturen und Geschlechterhierarchien. Die Konzepte von Besitz, Reichtum und einer Erblinie wurden eingeführt. Um sicherzustellen, dass nur ihre biologischen Kinder von den Früchten ihrer harten Arbeit profitierten, mussten die Männer zusehen, dass ihre Frauen mit niemand anderem sexuelle Kontakte pflegten. Die Frauen wurden als Eigentum des Mannes in den Haushalt einverleibt, ihr Zugang zu den Ressourcen an ihre Sexualität geknüpft.Mit dem Christentum kam ein rigides moralisches Korsett dazu, das der weiblichen Lust die Luft ganz abschnürte.
Die Tatsache, dass sich eine gesellschaftliche Sachlage (wie Monogamie) aus bestimmten geschichtlichen Zusammenhängen (Patriarchismus, bürgerliche Romantik) herleiten und erklären lässt, ist zunächst erst mal eine neutrale Information. Für mich ergibt sich daraus nicht zwingend ein Argument für oder gegen diese bestehende Ordnung.
All diese jahrhundertelangen unzähligen Dramen und Tragödien (wortwörtlich! ) hätte es nicht unbedingt in diesem Ausmaß und mit derartigen Folgen geben müssen (...)