Schwarzes Hamburg > Politik und Gesellschaft
Leben, Tod und das, was dazwischenliegt
colourize:
Zugegeben, ich habe das ein wenig zugespitzt. Tatsächlich aber frage ich mich, warum es hierzulande nicht möglich ist, die Zahl der Spenderorgane durch eine Widerspruchsregelung signifikant zu erhöhen. Schaffen ja selbst Staaten die nicht gerade für eine sekulare Grundorientierung ihrer Bevölkerung bekannt sind, wie etwa Polen, Israel oder Österreich.
Multivac:
Hasen, es sollte keine Diskussion pro oder contra Organspende werden, sondern mir ging es um die Aufweichung der Definition des Todes. Organspende ist ein sehr intimes Thema und ich denke, man sollte es jedem selbst überlassen, genauso, wie man andere Leute nicht fragt, was sie wählen.
Das potentielle Leben eines Empfängers über das eines Spenders zu stellen - das irritiert mich. Einen Menschen sterben zu lassen, um einen anderen zu retten - das verstehe ich nicht. Wie gesagt, nach 2min wacht noch die Hälfte aller Herztoten mit voller Hirnleistung auf. Wenn die in Zukunft als tot gelten, töten wir statistisch gesehen die Hälfte aller Spender bewußt und aktiv. Ich denke, egal, was e sauf der anderen Seite zu gewinnen gibt - es legitimiert es nicht. Ebenso, wie es keine Todesstrafe bei uns gibt, egal, was jemand tat. Leben kann moralisch nicht aufgerechnet werden gegen irgendwas. Wie soll ein Arzt so einer Definitionsänderung eigentlich nachkommen - mit dem hippokratischen Eid, den er leistete ?
CubistVowel:
--- Zitat von: Multivac am 05 November 2012, 15:09:56 ---Es ist ja so, daß ein Mensch früher mit dem Herzstillstand als tot erklärt wurde. Dann bemerkte man,
daß das Gehirn dann noch funktionieren kann, also wurde die neue Definition für "tot", wenn auch ein
Gehirntot eingetreten war. Nun soll, da es an Organen für die Spende mangelt, wieder die alte Definition
eingeführt werden, Herztot gleich tot. Nun ist es aber so, daß nach einem Herzstillstand nach 2-10min
ca. die Hälfte der Patienten wieder aufwacht - bei voller Gehirnfunktion ! Das bedeutet, daß bereits
nach jetziger Praxis (75sec. Wartezeit) eigentlich ein haufen Leute getötet werden, wenn Ihnen
Organe entnommen werden. Mit der neuen Definition wird dieser Mord auch noch rechtlich abgesichert.
--- Ende Zitat ---
Ich lese aus dem von dir verlinkten Artikel nirgends heraus, dass die Definition für den Tod "aufgeweicht" werden soll - im Gegenteil, laut diesem Text gibt es offenbar immer mehr Wissenschaftler, die behaupten, selbst der Hirntod sei noch nicht das Ende. Nach diesen Wissenschaftlern zu urteilen, müsste der definitive Tod ja noch weiter "nach hinten" verlegt werden... Aber bis wann - bis man anfängt zu verwesen?
Wo hast du denn gelesen/gehört, dass die Definition für den Tod von Hirntod zu Herztod "vorverlegt" werden soll? Gibt es da einen Link mit belastbaren Infos?
nightnurse:
Das Problem, wie ich es verstanden hatte, ist: Daß viele Wissenschaftler den Hirntod in seiner momentanen Definition nicht als Den Tod ansehen und daß das in Sachen Organspende nicht sehr hilfreich ist.
Wenn, wie da steht, er Kreislauf eines Hirntoten noch 14 Jahre lang selbständig funktionieren kann ( :o)...quo vadis, Organspende?
Bisher, so verstehe ich das, macht man den Test auf Hirntod und wenn man da keine Aktivitäten mehr findet, gibt man den Menschen zur Entnahme frei - ohne zu warten, ob da vielleicht noch etwas funktioniert oder nicht, denn wenn man das abwartet und es gibt keine weitere Kreislauffunktion, kann man womöglich am Ende die Organe nicht verwerten.
Es ist dann vielleicht auch kein Zufall, daß
--- Zitat ---Hirntod heißt nach dem deutschen Gesetz: Großhirn, Kleinhirn, Stammhirn sind endgültig, nicht behebbar ausgefallen. An keiner Stelle aber steht im Transplantationsgesetz (TPG), dass der Hirntod der Tod ist.
Der Staatsrechtler Wolfram Höfling bezeichnet diesen Umstand als ein „Glanzstück juristischer Trickserei“: Die Abgeordneten haben eine Organentnahme nach dem Hirntod erlaubt, ohne zu sagen, dass der Hirntod den Tod bedeutet. Warum? Ganz einfach: Weil der Hirntod nicht dasselbe ist wie der Tod.
--- Ende Zitat ---
Das ist halt so, man muss, um Organspenden von Toten durchzuführen, den Todeszeitpunkt mögichst früh ansetzen, und zwar, wenn wir dem Artikel gauben, VOR dem, was wissenschaftlich als "tot" gilt.
Man muss dabei gar nicht bis zum Herztod gehen, damit ich mich, wie erwähnt, etwas zu gruseln beginne.
seinschi:
Antworten auf ethische Fragen, die das eigene Tun leiten sollen, zu ergooglen, halte ich fuer einen falschen Weg. Fuer Denkanstoesse langt das Weltweitnetz bestimmt, doch halte ich es fuer weitaus besser, wenn man sich selber hinterfragt.
Es gibt ja durchaus allgemein gueltige ethische Grundsaetze, die im Kernteilen in allen Kulturen Gueltigkeit erfahren. Ein Beispiel waeren dafuer Gebote wie "Du sollst nicht toeten" oder "Du sollst nicht begehren des anderen Hab und Gut", die fuer diese Diskussion zu Rate zu ziehen waeren.
Meinen Koerper betrachte ich als mein Hab und Gut, insofern mach ich auch damit, was ich moechte. Daher moechte ich auch gern ueber die "Verwertung" meiner Huelle entscheiden, sobald ich selber das Zeitige gesegnet habe. Somit finde ich es auch verkehrt, wenn jemand anders darueber bestimmen soll.
Die Bestimmung des genauen Todeszeitpunktes ist offensichtlich eine sehr diffizilie ethische Frage, an der sich recht schnell die Geister scheiden. Was heisst "tot", ist man schon tot, wenn man durch Maschinen ueber langen Zeitraum am Leben erhalten werden muss? Wenn das Unterbewusstsein nicht mehr aktiv ist? Diese Frage ist kaum mit wissenschaftlicher Exaktheit zu klaeren, genau wie die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt eine Abtreibung in Frage kommt.. Wann beginnt und endet fuer uns "menschliches Leben" ? Da fallen schnell Worte wie "Seele" , wer damit aber unbedacht um sich wirft, sollte bedenken, dass die meisten mittlerweile auch den Tieren den Besitz einer Seele zusprechen. Und dennoch Fleisch verzehren . . .
Kurz und gut: ich hab nen Organspendeausweis ... weil ich denke, dass man so oder so nix meitnehmen kann
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