Schwarzes Hamburg > Politik und Gesellschaft

Leben, Tod und das, was dazwischenliegt

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EL:

--- Zitat von: Kenaz am 06 November 2012, 22:35:40 ---
Es will mir kein bisschen einleuchten, warum mein Tod quasi objektiv sinnvoller sein soll, bloß weil meine Niere irgendeinem dahergelaufenen Trottel eingepflanzt wird, der anschließend aus dem Krankenhaus spaziert und erst mal mit neuer Verve und frischem Mute seine Frau verdrischt, seine Kinder misshandelt und anschließend in der nächsten Wahlkabine sein Kreuzchen bei der "Linken" macht. (Ich bitte mein Beispiel übrigens je nach weltanschaulichen & persönlichen Präferenzen zu modifizieren, bspw. durch "Lebensgefährten verdreschen", "Oma ertränken", "Beichtvater foltern", "Katze ficken", "Hamster fisten", "Grüne wählen", "NPD beitreten", "Obertongesang erlernen", whatsoever ...)


--- Ende Zitat ---
Who told you recipients are indifferent from whom and what the way they will have donor organ ? Maybe if I were one of the patients, who several years went to dialysis and wait in the queue for transplantation, maybe, I would think different. But I think to have organ from somebody it's unpleasant in itself! Who know, was its owner idiot, bastard, killer or a decent man?... I understand it just as the last possibility for patients to be alive! Anyway it's ethic question from both side.
Luckily the Nature made kidneys as paired organ and first kidneys takes on itself a function of second one. So, with one kidney we can live long time! And for example I've lived normally 10 years with one kidney and hope I will live some time yet.)))
Maybe I will choose be dead in future than to wait for kidney of somebody.

I just very sorry, that because of ethic deadlock the scientists almost stopped research in the field therapeutic cloning. I would like to see my alternative kidney grown from my DNA material in laboratory method.

messie:

--- Zitat ---Und wieviel genau muss einer verbockt haben, damit er sein "unbedingtes Recht auf (Weiter-)Leben" verwirkt hat?
--- Ende Zitat ---

Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wieviel muss jemand richtig gemacht haben, damit er ein Recht auf Leben hat? Deiner Argumentation zufolge haben ja offenbar bestimmte Menschen kein Recht auf (Weiter-)leben, da du jenen deine, für sie überlebenswichtigen, Organe ja eh nicht geben würdest.

Das Hitlerbeispiel passt da ganz gut: Du gibst also Menschen nicht deine Organe, wenn sie etwas Schlimmes getan haben, sie sich in deinen Augen also offensichtlich als "schlechte Menschen" geoutet haben.
Übersieht dabei aber zwei Dinge: Erstens, woher das Wissen, dass diese auch weiterhin schlecht bleiben (vielleicht hat die verbüßte Strafe ja tatsächlich etwas gebracht in Sachen Umdenken ...?), zweitens, woher die Sicherheit, dass jene, die du ihnen dann deine Organe gibst, später sich nicht doch als "schlechte Menschen" outen? Siehe Hitler, mit 18 ein schüchterner, wohlerzogener Junge, später ein Massenmörder aus Überzeugung. (Lässt sich auf unzählige andere Menschen übertragen, Stalin, Khomeini, Fritz Haarmann ...)


--- Zitat ---Ich spreche mich nämlich nicht prinzipiell gegen die Organtransplantation aus, sondern trete für ein Bestimmungsrecht des Spenders über die von ihm gespendeten Organe ein, das ist ein kleiner Unterschied.
--- Ende Zitat ---

Siehe eben: Woran möchtest du es dann festmachen, wem du deine Organe geben wirst? Kommen dann für dich also nur zwei Dutzend Menschen in Frage denen du spenden würdest (Enge Freunde + Familie), das war's? Für alle anderen bleibt doch ausnahmslos die Unsicherheit übrig, ob sie in ihrem Leben mit deinen Organen nicht doch noch Dinge tun, mit denen du dich nicht einverstanden erklären würdest.

Ich kann zwar dieses Ansinnen, nur "guten" Menschen die eigenen Organe geben zu wollen, verstehen, halte es aber für nicht umsetzbar. Für mich bleibt hier lediglich das Prinzip Hoffnung, dass es nicht einen der "Bösen" erwischt.

Aus diesem Grund denke ich, dass man eine Spende davon nicht unabhängig machen kann und auch erst gar nicht sollte: Da es eh Gevatter Zufall ist der hier regiert, bleibt lediglich übrig, dass man ein Leben verlängert hierdurch, und ob man das gerne möchte für den Preis, dass man mit einer sehr kleinen Prozentzahl selbst bei draufgeht - oder eben nicht.

Kenaz:

--- Zitat von: colourize am 07 November 2012, 14:37:11 ---Mag ja sein, aber das ist doch eher eine Gedankenspielerei. Wie schon gesagt: Organspender können nicht mehr befragt werden, wer ihre Organe erhalten soll.
--- Ende Zitat ---
- Das ist genau die Frage, die für mich von besonderem Interesse wäre: die Organisation der Weitergabe. Ich möchte tatsächlich Einfluss darauf haben, wer mit meinen Organen 'ne zweite Chance erhält, um weiterzumachen. Und da es immer Menschen gibt, die mir sympathischer sind als andere, und das in der Gruppe der Organbedürftigen kaum anders aussehen dürfte, wäre diese Frage für mich von gesteigertem Interesse. Das ist es, was ich weiter oben mit den Grenzen der neutralen Betrachtung meinte, die wir uns meiner Ansicht nach redlicherweise eingestehen sollten.

Ich hab' vor Jahren mal auf 'nem Tour-T-Shirt von Blood Axis den herben Spruch gelesen: "The tears of strangers are only water." Das klingt auf den ersten Blick freilich bitter, aber hey: so funktionieren wir Menschen nun mal, und bei näherer Betrachtung ist das ziemlich normal. (Das Gegenteil hingegen ist ungewöhnlich, weshalb Jesus & Konsorten ja derart von sich reden mach(t)en ...) Wie gesagt: Ich drücke auch nicht jedem, der mich auf der Straße anbettelt, Geld in die Hand, sondern suche mir von zwei Nasen diejenige aus, die mir intuitiv sympathischer ist. Und klar: Wenn ich die Wahl habe zwischen einem, der meine Werte und das, was mir lieb & teuer ist, teilt, dann finde ich den Gedanken, dass der mit meinem Organ XY weiterlebt, sympathischer, als wenn der frauenverdreschende & hamsterfistende Omaertränker damit eine zweite Chance erhält.

Dass die Frage der Umsetzung in der Praxis freilich nicht ganz unknifflig ist, möchte ich mit keiner Silbe in Zweifel ziehen, aber da könnte ich mir schon so einiges zurechfantasieren ...


--- Zitat von: colourize am 07 November 2012, 14:37:11 ---In der Praxis bekommt übrigens mit hoher Wahrscheinlichkeit derjenige das Organ, der über das höchste soziale Kapital verfügt. Respektive der, der den richtigen Arzt am schlausten zu bestechen weiß. Schon alleine auf Grund dessen sind etwaige Überlegungen über die Wertigkeit von Menschen im Kontext der konkreten Fragestellung eine ziemlich akademische Diskussion. ;) Fürst von Thurn und Taxis wird vermutlich knapp vor Dieter Hundt oder Josef Ackermann mit frischen Organen versorgt, und diese vermutlich deutlich vor dem Chef des örtlichen Opel-Autohauses. Als Kassenpatient stehst Du eh am Ende der Innereiennahrungkette und Dein linkenwählender Hartzer wird eh niemals in den Genuss eines frischen Herzens kommen - geschweige denn in die von Doppelherz, so wie Fürst von Thurn und Taxis.
--- Ende Zitat ---
- Nun, da ich passionierter Pessimist bin, teile ich diese Deine Einschätzung natürlich vollumfänglich, doch wie sieht Deiner Ansicht nach die sinnvollste Konsequenz aus: "Meine Niere/Lunge/Leber/Netzhaut etc.pp. gehört mir"? "Lieber kriegt sie keiner als der Ackermann"? (Wobei, letztere Konsequenz würde ich tatsächlich sofort und ohne mit der Wimper zu zucken unterschreiben ...  ;D) - Ich bin ich dieser Frage tatsächlich unentschieden ...


--- Zitat von: CubistVowel am 07 November 2012, 15:01:49 ---Das "große Maul" bezog sich nicht auf dich, ich hatte erstens nicht den Eindruck, du seiest prinzipiell gegen Organspenden und zweitens fand ich deine Fragestellung, wenn auch krass formuliert, so doch legitim und interessant.
--- Ende Zitat ---
- Hase, wir versteh'n uns. Schön! :)


--- Zitat von: CubistVowel am 07 November 2012, 15:01:49 ---Ich denke, dass viele, die sich (hier oder anderswo) gegen Organspenden aussprechen, weil es sie im Moment selbst nicht betrifft und sie sich nicht in die Lage eines Todkranken hineinversetzen können oder wollen - [...]
--- Ende Zitat ---
- Da bin ich zu 100% bei Dir. Das Thema Leiden und Tod gehört in der überwiegend entertainmentorientierten Bevölkerung sicherlich nicht zu den großen Publikumsmagneten - zumindestens nicht, wenn's jenseits der Ebene von "Hostel", "Martyrs" oder "Saw I-schießmichtot" mal ganz realistisch und praxisorientiert behandelt wird.


--- Zitat von: CubistVowel am 07 November 2012, 15:01:49 ---[... ]ich bin überzeugt, die Mehrzahl von denen wird sich bei eigener schwerer Erkrankung (oder des Kindes oder Partners...) dennoch für das Weiterleben mit einem fremden Organ entscheiden. Solange man halbwegs gesund ist, kann man prima rumtönen, dass man gegen [beliebige Medizin] ist. Wenn man aber selbst auf Platz 1028 der Liste hockt, wünscht man sich garantiert, man hätte ein paar weniger Leute vom Spenden abgehalten.
--- Ende Zitat ---
- Konsens. Deshalb finde ich Deinen Vorschlag von weiter oben ja auch durchaus interessant, diskussionswürdig und nicht so ohne weiteres vom Tisch zu wischen.

@ messie

Ich finde, Du weichst aus und das nicht zu knapp. Im übrigen habe ich weiter oben bereits ausgeführt, dass für mich grundsätzlich jeder ein Recht auf (Weiter-)Leben hat, daraus meiner bescheidenen Meinung nach umgekehrt aber keine moralische Pflicht für den einzelnen abzuleiten ist, jedem dahergelaufenen Honk mit den eigenen Organen ein Weiterleben zu ermöglichen, welches ohne diese Organe an seine natürlichen Grenzen stieße. Aus eben diesem Grunde lehne ich einerseits die Todesstrafe ab und finde andererseits Dein Hitlerattentäterbeispiel höchst fragwürdig, denn es insinuiert, ab einem gewissen Punkt habe es jemand sehr wohl verdient, gewaltsam unter die Erde befördert zu werden. Und in dieser Frage, mein guter messie, eierst Du herum und versuchst den Ball in meinen Teil des Spielfeldes zurückzuschummeln und Dich um eine Antwort auf meine Frage zu drücken. Entweder radikale Friedenstaube und prinzipieller Lebensapologet oder Attentate rechtfertigen, beides geht nun mal nicht - man kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen und es allen recht machen (ich weiß freilich, dass Du das gerne versuchst ... ;) )

Und woran ich festmachen möchte, wem ich meine Organe gebe, das habe ich ja wohl schon einigermaßen klar & deutlich ausgeführt. Siehe die Analogie zum Bettelbeispiel.

colourize:

--- Zitat von: Kenaz am 07 November 2012, 19:34:35 ---
--- Zitat von: colourize am 07 November 2012, 14:37:11 ---In der Praxis bekommt übrigens mit hoher Wahrscheinlichkeit derjenige das Organ, der über das höchste soziale Kapital verfügt. Respektive der, der den richtigen Arzt am schlausten zu bestechen weiß. Schon alleine auf Grund dessen sind etwaige Überlegungen über die Wertigkeit von Menschen im Kontext der konkreten Fragestellung eine ziemlich akademische Diskussion. ;) Fürst von Thurn und Taxis wird vermutlich knapp vor Dieter Hundt oder Josef Ackermann mit frischen Organen versorgt, und diese vermutlich deutlich vor dem Chef des örtlichen Opel-Autohauses. Als Kassenpatient stehst Du eh am Ende der Innereiennahrungkette und Dein linkenwählender Hartzer wird eh niemals in den Genuss eines frischen Herzens kommen - geschweige denn in die von Doppelherz, so wie Fürst von Thurn und Taxis.
--- Ende Zitat ---
- Nun, da ich passionierter Pessimist bin, teile ich diese Deine Einschätzung natürlich vollumfänglich, doch wie sieht Deiner Ansicht nach die sinnvollste Konsequenz aus: "Meine Niere/Lunge/Leber/Netzhaut etc.pp. gehört mir"? "Lieber kriegt sie keiner als der Ackermann"? (Wobei, letztere Konsequenz würde ich tatsächlich sofort und ohne mit der Wimper zu zucken unterschreiben ...  ;D) - Ich bin ich dieser Frage tatsächlich unentschieden ...

--- Ende Zitat ---
Halten wir fest: jeder sollte - unabhängig von seinem Handeln - in den Genuss einer medizinischen Behandlung kommen, die hilft sein Leben zu retten.

Halten wir ferner fest: Organe sind (zumindest derzeit) ein durchaus knappes Gut. Ferner passt nicht ein beliebiges Spenderorgan zu jedem potentiellen Empfänger (wobei "gleiche Blutgruppe" nur einer der limitierenden Faktoren darstellen dürfte). Vor allem aber: unter den Bedingungen eines derart zwielichtigen Marktes, bei dem es noch nicht mal gelingt, quantitative Größen wie Wartezeiten in Jahren sowie intersubjektiv überprüfbare Prioritätsindikatoren als Vergabekriterien umzusetzen, bin ich einigermaßen skeptisch dass Variablen wie "homogene Wertorientierung von Empfänger und Spender" eine Chance auf Umsetzung haben. Im Zweifelsfall würde nämlich Josef Ackermann sehr schnell zum überzeugten Sozialisten umetikettiert werden, oder Fürst von Thurn und Taxis als vorderster Vertreter der Reinstitutionalisierung der Räterepublik mit neuen Organen neu auferstehen.

Die Lösung *kann* also einzig und allein darin bestehen, die Zahl verfügbarer Spenderorgane derart signifikant zu erhöhen, dass jeder - vom Hartzer bis zum Acker Mann - in den Genuß von passenden Innereien kommt. Sprich: Eine Gesetzesänderung muss her, die dem toten Menschen (bzw. seinen Angehörigen) sämtliche Verfügungsrechte über (dann eben nicht mehr) "seine" Organe abspricht und ihn im Falle eines Hirntods automatisch zum Lieferanten der dringend benötigten Ersatzteile umdeklariert. Und zwar ohne das Recht auf Widerspruch von irgendwem.

Kenaz:

--- Zitat von: colourize am 07 November 2012, 21:17:43 ---Eine Gesetzesänderung muss her, die dem toten Menschen (bzw. seinen Angehörigen) sämtliche Verfügungsrechte über (dann eben nicht mehr) "seine" Organe abspricht und ihn im Falle eines Hirntods automatisch zum Lieferanten der dringend benötigten Ersatzteile umdeklariert. Und zwar ohne das Recht auf Widerspruch von irgendwem.

--- Ende Zitat ---

- Aaaalder, ich kotz' ja alles voll!  :o  Das ist nun wirklich genau die Extremform biologistisch-materialistischer Technokratenterrordiktatur, gegen die ich mit Zähnen und Klauen zu Felde ziehen würde.

Ermsthaft: wenn's so weit kommt, bin ich der erste, der in den Untergrund geht und einen Sprengstoffgürtel anlegt. Gesetzt den Fall, es handelt sich jetzt nicht gerade um eine besonders perfide Form der Ironie oder Du bist gerade sturzbesoffen oder sonstwie nicht Herr Deiner fünf Sinne (eine Annahme zu der ich insofern tendiere, als dieses Geschreibsel nun wirklich so gar nicht zu dem passt, was Du bislang so abgelassen hast), dann stelle ich fest, dass die Welt, die Du da forderst, keine ist, in der ich auch nur 24 Stunden leben will. Da möchte ich lieber tot sein. Und ich denke, der Sprengstoffgürtel wäre da wirklich das Mittel der Wahl, damit auch gewährleistet ist, dass Leute Deines Kalibers nicht auch noch ihren Nutzen daraus ziehen.

Selten etwas derart ausgesucht Ekelhaftes gelesen. Mich schüttelt's.

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