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Kranke Seele, kranker Geist - psychische Störung - was ist das?
messie:
Jetzt mal ehrlich - wie viele Menschen, glaubst du, haben FAS von allen Alkoholabhängigen?
Ich finde Spambots Beispiel eigentlich wunderbar um zu erklären, worum es hier geht! Man macht sich erst einmal eine ganze Menge (!) Mühe damit, alle Symptome, Ursachen und Auslöser herauszufinden. Erst im Anschluss packt man dann ein Bündel von Maßnahmen, die helfen sollen, die Sucht in den Griff zu kriegen.
Sehr instruktiv finde ich dann auch den Satz:
--- Zitat von: Spambot ---Wenn der Patient die Fähigkeit erlangt, ohne Droge mit seinen unerwünschten Affekten klar zu kommen, wird der nächste Rückfall vielleicht erst in ein paar Jahren erfolgen.
--- Ende Zitat ---
Das zeigt das an, was ich weiter oben schon schrieb: Man hat nicht den Anspruch, irgendetwas zu "heilen" oder komplett wegzutherapieren! Der Hang zur Sucht, egal ob es Veranlagung (Stichwort alkoholabhängige Eltern) oder ereignisbedingt ist (Stichwort Beziehungskrise, so etwas kann es ja immer wieder im Leben geben), wird nicht "wegtherapiert", weil es nun einmal nicht geht. Rückfallgefährdet ist jeder der mal alkoholabhängig war, und diese Rückfallgefährdung kann man auch nicht abstellen.
Die gute Nachricht daran ist: Braucht man auch nicht. Denn sie kann immerhin verringert werden. So sehr, dass ein einigermaßen entspanntes Leben für diesen Menschen möglich ist. Und das ist ja schon 'was. :)
Bei Diagnosen, bei denen nichts zu retten ist, heißt es dann wiederum ja nicht, dass sich gar nichts machen ließe! Just der Leidensdruck ist etwas, das sich auch bei unheilbaren Krankheiten verringern lässt.
Nun bin ich nicht so rhetorisch genau wie Spambot, er kann's garantiert besser erklären, ich sage es einfach mal so: Wenn sich jemand aufgibt weil er eine unheilbare Krankheit hat, dann entgeht ihm verdammt viel Spaß im Leben. Den kann man ihm zurückgeben, indem man sein Selbstbewusstsein stärkt und ihn mit dieser Krankheit leben lernen hilft. Er sie als Teil von sich begreift, nicht als Gegner ablehnt.
Womit wir wieder bei "mit dem Schicksal hadern" und "den Augenblick so nehmen, wie er ist" wären: Wer trotz allem das Positive zu sehen vermag, der kann damit dann ein sehr viel besseres Leben führen (und ist für die Umgebung ganz nebenbei auch tausendmal erträglicher) als wenn er niemals gelernt hätte, wie ihm das gelingt.
Kallisti:
Ach messie - um unheilbare Krankheit, Schicksal und positives Denken geht´s doch jetzt mal nicht - oder? Können wir das mal einen Moment beiseite lassen? ;)
Ja, ich denke, FAS haben weit mehr Menschen, als bekannt ist (ihnen selbst vor allem). Vor allem auch viele Obdachlose.
Wie gesagt: "sowas" wird nur ungern "diagnostiziert" ...
Und was Alkoholismus angeht: Ich glaube nicht mehr daran, dass es vielen Menschen gelingt, von dieser Sucht wegzukommen - auch nicht "vorübergehend" - wobei die Frage natürlich immer ist, wer was unter "vorübergehend" versteht - also ich mein dann schon so mal ein paar Jahre, nicht nur Wochen oder Monate.
Ich glaube, grade Alkoholismus ist eine Straße ohne Wiederkehr.
Kallisti:
... Im Grunde is das ja eigentlich sowieso ne Binsenweiheit - dass "Störungen" ihre "Ursache" immer "im Menschen" haben - ja also wo(her) auch sonst? - Kommen ja nich irgendwelche Aliens und pflanzen einem das ein - oder doch vielleicht?
Maaaaann Kallisti, hat das aber lange gedauert, jez ... ^^ ;D
nightnurse:
Doch, das tun sie...soll ich Dir nochmal nen Link zu diesem Forum da raussuchen? *.*
Spambot:
--- Zitat von: Kallisti am 28 April 2012, 02:46:27 ---... Im Grunde is das ja eigentlich sowieso ne Binsenweiheit - dass "Störungen" ihre "Ursache" immer "im Menschen" haben - ja also wo(her) auch sonst? - Kommen ja nich irgendwelche Aliens und pflanzen einem das ein - oder doch vielleicht?
Maaaaann Kallisti, hat das aber lange gedauert, jez ... ^^ ;D
--- Ende Zitat ---
Da das Konstrukt "Psyche" ein Teil des Organismus ist und besteht (je nach Definition) hauptsächlich aus Gedanken, Emotionen und automatisiertem Verhalten ist. Diese Subsytem im Organismus ist eng mit dem Körper verbunden und interagiert mit der Umwelt des Menschen. Daher kann die Ursache einer psychischen Störung logischerweise nur innerhalb dieses Konstruktes liegen. Was die genaue Ursache einer Störungen ist, hängt von der jeweiligen individuellen Situation ab. Bei den von dir erwähnten Depressionen und Angsstörungen kommen u.a. dysfunktionale negative Kognitionen, klassisch konditionierte Signalreize oder auch Einschränkungen bei der Emotionsregulation in Frage. Genau kann man das aber nur nach der Analyse der jeweiligen individuellen Situation sagen.
Du konzentrierst dich offensichtlich auf das, was man allgemein als Risikofaktoren für psychische Störungen bezeichnet. Also Faktoren, die die Entstehung und Aufrechterhaltung beeinflussen können. Risikofaktoren sind nicht die Ursache einer Störung. Man kann ein (z.B. durch den Genotyp) sehr hohes Risiko für Alkoholabhängigkeit haben, aber dennoch niemals Alkoholiker weden, wenn man beispielsweise niemals Alkohol konsumiert. FAS ist keine psychische Störung (siehe ICD-10) im engeren Sinne, sondern eine angeborene Missbildung.
Eventuell vermischt du auch die moralische Frage nach der Schuld psychischer Störungen mit dem Auslöser (bzw. Risikofaktoren) und der Ursache. Die Schuldfrage spielt eine nicht unwichtige Rolle bei einigen psychischen Störungen. Manche Missbrauchopfer fühlen sich schuldig, wohingegen ein narzisstischer Massenmörder sich für den Retter der Welt halten kann. Diese moralische Perspektive kann genutzt werden, um die Fähigkeit zur Realitätsprüfung und den Umgang mit sozialen Normen bei Menschen mit psychischen Problemen zu explorieren. Insbesondere bei der Aufdeckung unangemessener kognitiver Bewertungsprozesse kann die Analyse von Schuldgefühlen und Schuldzuschreibungen wichtig sein. Dennoch, die Schuldfrage ist ganz sicher nicht mit der Ursache gleichzusetzen. Ich würde Schuldgefühle eher als kognitiv-emotionales Symptom bewerten.
Bei dem Beispiel mit dem Alkoholiker hatte ich eine schlechte Prognose für die dauerhafte Abstinenz genannt, weil sich in dem Beispiel bereits körperliche Symptome manifestiert hatten. In dem Stadium ist eine dauerhafte Abstinenz selten - grundsätzlich aber möglich. Je nach Perspektive werden Suchterkrankungen auch schon mal als chronische Krankheit bewertet. Das Rückfallrisiko ist bei Alkoholabhängigkeit auch deswegen so hoch, weil die Droge quasi überall konsumiert wird (Auslösen von konditionierten Suchtsignalreizen) und überall verfügbar ist. Bei bestimmten anderen psychischen Problemen, z.B. Flugangst (Phobie), sind die Prognosen hingegen sehr gut.
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