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Autor Thema: Paraphilie  (Gelesen 38535 mal)

colourize

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Re: Paraphilie
« Antwort #15 am: 03 April 2012, 10:59:19 »

Was als "normale Sexualität" gilt - und was umgekehrt als "abweichende Vorlieben" bezeichnet wird - ist eine Frage der Rahmenkultur, in der wir leben. Vor der Entstehung der Sexualwissenschaft sowie der Psychologie als Wissenschaften hat sich niemand drum gekümmert ob das "normal" war, was die Leute so miteinander veranstaltet haben. Auch wenn wir das heute nicht wahrhaben wollen: Sex mit Kindern war zur Zeit des Feudalismus noch vollkommen normal. Wenn irgendwo auf dem Land irgendein Feudalherr oder auch freier Bauer (s)ein Kind missbraucht hat - das hat genau niemanden interessiert.

Unsere heutige Sexualmoral hielt erst mit den bürgerlichen Tugenden als Leitkultur und ihren Vorstellungen von Sitte und Anstand Einzug und ist damit eine ziemlich junge kulturelle Erfindung. Die neue Wissenschaft der Psychologie (man möge daran denken, dass nur die bürgerliche Oberschicht Zugang zu den Universitäten hatte) definierte, was als gesunde und was als perverse - oder entartete - Sexualität galt. Parallel zum Erfinden von Behandlungsmethoden gegen diese abnormen Entartungen (Elektroschocktherapien erfreuten sich großer Beliebtheit) dachte sich die Jurisprudenz ein repressives System aus, wie Leute mit einer von der Mehrheit vorgeblich(*) abweichenden Sexualität für ihre vermeintliche Andersartigkeit zu bestrafen seien. Da Wissenschaftler, und insbesondere Naturwissenschaftler, aber ausgemachte Kästchendenker sind, gibt es heute eben für alles, was anders ist als das was man für normal hält einen Terminus und eine Nummer im Katalog.

Ich selbst finde übrigens "heterosexuelle Kontakte in Missionarsstellung mit Lichtaus" ziemlich schräg. Wenn es mehr Menschen wie mich auf dieser Welt geben würde, die zudem noch Einfluss hätten, gäbe es dafür auch ein Kästchen in einem medizinischen Katalog, einen Therapievorschlag zur Heilung und vor allem einen Terminus, der diese Form der Sexualität als abweichend markiert. Nicht weil ich Freude daran finde, jemand anders für seine Sexualität zu diskriminieren. Sondern einfach nur weil ich den ganzen Menschen, die ihre eigene Sexualität unhinterfragt für die "richtige, weil doch normale" Variante der Sexualität halten, einmal wünsche dass sie sich auch mit der Frage "warum habe ich denn diese oder jene Vorliebe?" herumplagen und dann nach Jahre des Selbstzweifels darauf kommen, dass es darauf keine Antwort gibt. Und weil ich auch den vermeintlich "Normalen" oftmals wünsche, dass sie sich auch mal für ihre sexuellen Vorlieben vor den Anderen erklären müssen. Und dabei dann feststellen, dass man es eben nicht vermitteln kann, *was* man an XY(*) erregend findet.

----------------------

(*) Erst vor wenigen Jahren entdeckte man, dass derart viele Menschen Oralsex haben, dass man es nicht mehr durchhalten konnte, diese Praktik als "pervers" zu bezeichnen. Erst nach und nach wurden in den USA die Gesetze abgeschafft, die das Praktizieren von Oralsex unter Strafe stellten - ein interessanter Überblick wo bis wann Oralsex, Analsex, Homosexualität oder der Sex zwischen unverheirateten Menschen strafrechtlich verfolgt wurde findet sich im Überblick über die Sodomy Laws. Und auch von den "anderen Paraphilien" wissen wir seit dem Kinsey-Report, dass sie weitaus häufiger vorkommen als der bürgerlichen (und in den USA zusätzlich noch puritanischen) Gesellschaft dies recht ist.


XY(*) man setze hier - je nach eigener Perspektive und Vorliebe - ein (Liste beliebig erweiterbar):
- dicke Titten
- breite Schultern
- wohlgeformten Po
- Schläge auf den Arsch
- enges Ganzkörperbondage
- anonymer Klappensex
- Oralsex
- heißer Kerzenwachs auf die Genitalien
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Kallisti

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Re: Paraphilie
« Antwort #16 am: 03 April 2012, 11:05:46 »

Zitat
Typisches Beispiel: Papa/Mama gehen aus und schmeißen sich in irgendwelche Fetischklamotten, die Kinder sehen das. Die Kinder fragen was das ist, Mama erklärt ihnen dass es eine Art Karneval ist, Kinder sind zufrieden und gehen mit der Information ins Bett. Wirklich verwerflich? Oder hat da jemand mit seiner sexuellen Neigung (nichts anderes ist ein Fetisch schließlich) da bereits Kinder mit belästigt?
messie


Haha, ja lustig - hat mein Sohn (Grundschulalter, ich glaube er war da acht) auch mal gesehn (so ganz große Löcher in schwarzer Strumpfhose an Mama  :D) und das mit den Worten kommentiert (vergess ich nie!  :) ): "Mama, du siehst aus wie ein schwarzer Marini*!"  (Anm.: *Marienkäfer)  :D :D :D

Allerdings meinte er (ein paar Jahre später) mal, dass vor allem einer seiner Schulkameraden über mich redet (mit anderen Kindern), weil ich gepierct war (ganz harmlos ja - nur Braue, Nase, Zunge, kurze Zeit Unterlippe) - aber das kannte man da in Eppendorfer Grundschulkreisen wohl (noch?) nicht so.

Da hab ich mich dann schon aber mal kurz gefragt, ob er da nun irgendwelche Nachteile haben könnte (weil als Kind von/eines in deren Augen "underdog" gebrandmarkt oder so) - aber war eigentlich nicht der Fall. Zumindest schienen seine Freunde und deren Eltern keine Probleme damit zu haben (jedenfalls konnten sie es sonst mir gegenüber doch ganz gut verbergen).

Aber grade hier in der Provinz ist es natürlich mit "solchen Dingen" wieder doch was anderes. Da gilt man immer noch/nach wie vor schnell als irgendwie "asozial" - nur aufgrund von Äußerlichkeiten (wenn man nicht so bürgerlich-adrett gekleidet ist bspw). Allerdings kommt auch das auch hier auf die "Kreise" an, in denen man sich bewegt (ob halt kleinkariert-spießbürgerlich oder "anders").


Trotzdem ist es mir schon ein Anliegen (auch früher bei Sohn schon gewesen), dass meine Kinder doch "bürgerlich" aufwachsen können/sollen, weil es einfach "Vorteile" hat (für die Kinder vor allem) - also Sicherheit, Geborgenheit, Verlässlichkeit, Rituale (Geburtstag, Weihnachten, Ostern "feiern", Schlafrituale, Tischmanieren, Ausflüge etc.).

"Bürgerlich" muss ja nicht gleichbedeutend mit "spießig" sein. ?


Black Russian

Naja, wenn man also mit seinem "Freiheitsanspruch" (seine eigenen Bedürfnisse, Wünsche auzuleben ...) u.U. seinen eigenen Kindern schadet, weil man dadurch vlt. auf sie zu wenig Rücksicht nimmt oder sie mit etwas überfordert oder Geld oder Zeit zu viel in das Ausleben der eigenen "Neigung" investiert, das dann für die Kinder fehlt ...


messie

Also wenn "Dritte" geschädigt werden, meinst du, das ist dann die Grenze, die nicht überschritten werden darf, dann müssen die eigenen Neigungen, Präferenzen und ggf. "Selbstschädigungen" zurückstehen bzw. "überwunden" bzw. "unterdrückt" werden - damit Dritte eben nicht geschädigt werden (können/würden)?
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messie

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Re: Paraphilie
« Antwort #17 am: 03 April 2012, 11:20:14 »

Zitat
Also wenn "Dritte" geschädigt werden, meinst du, das ist dann die Grenze, die nicht überschritten werden darf, dann müssen die eigenen Neigungen, Präferenzen und ggf. "Selbstschädigungen" zurückstehen bzw. "überwunden" bzw. "unterdrückt" werden - damit Dritte eben nicht geschädigt werden (können/würden)?

Ja, der Meinung bin ich.

Bei diesen Fetischgeschichten ist das jetzt nicht so das Problem, das kann man ja immer harmlos mit Karnevalsspleens etc. Dritten, auch Kindern, erklären.
Kompliziert wird's bei anderen Dingen: Es gibt ja diesen Straftatbestand "Erregung öffentlichen Ärgernisses". Bedeutet, dass eine Person, die nackt die Fußgängerzone entlangläuft, einkassiert wird.
Nun ist das aber doch ihr freier Wille. Warum also ist das strafbar? Weil es andere Personen peinlich berührt und sie damit indirekt schädigt. Weswegen das für mich dann auch völlig in Ordnung ist, dass sie abgeführt wird. Schädigt halt Dritte.

Einiges lässt sich ja dennoch halböffentlich ausleben: Auf Gothic-Parties kräht doch kein Hahn nach, wenn da wer wen anders an einer Leine entlangführt, es gibt höchstens kicherndes Getuschel (ich erinnere mich auch noch an so einen Ganzkörpergummimann auf einer Geburtstagsreturn). Da schadet es anderen Personen wiederum weniger, weil Derartiges vielleicht ungewöhnlich, aber durchaus erwartbar ist.

Ich kann mich aber auch wiederum dran erinnern, dass so ne Domina mitten auf der Tanzfläche ihren Sklaven ausgepeitscht hat. Das ging wiederum gar nicht, weil sie Dritte geschädigt hat - zum Einen am Tanzen gehindert, zum anderen eben wieder diese peinliche Berührung.

Vor allem Letztere ist gesellschaftsabhängig: Was in den 50ern Peinlichkeiten waren, ist heute völlig normal (z.B. bauchfreie Tops tragen).
Weswegen dieses "andere schädigen weil man damit diese peinlich berührt" jederzeit neu bewertet werden muss.
Die Grenzen sind da sehr fließend.
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Re: Paraphilie
« Antwort #18 am: 03 April 2012, 11:22:53 »


Naja, wenn man also mit seinem "Freiheitsanspruch" (seine eigenen Bedürfnisse, Wünsche auzuleben ...) u.U. seinen eigenen Kindern schadet, weil man dadurch vlt. auf sie zu wenig Rücksicht nimmt oder sie mit etwas überfordert oder Geld oder Zeit zu viel in das Ausleben der eigenen "Neigung" investiert, das dann für die Kinder fehlt ...


Ist eine streitbare Thema:
wie oft ist ein Elternteil z. B. der Meinung, dass die Hobby von anderen Elternteil (z. B. harmlose LARP) dem Kind schadet obwohl es nicht der Fall ist.

Handelt es sich um Sucht, also wenn jemand Internetsüchtig ist und Kinder vernachlässigt oder Kaufsüchtig ist und das ganzes Geld für eigene Klamotten ausgibt, dann sieht es schon anders aus.
Aber eine Sucht ist behandlungsbedürftig
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Kallisti

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Re: Paraphilie
« Antwort #19 am: 03 April 2012, 11:29:41 »


(...)
Unsere heutige Sexualmoral hielt erst mit den bürgerlichen Tugenden als Leitkultur und ihren Vorstellungen von Sitte und Anstand Einzug und ist damit eine ziemlich junge kulturelle Erfindung. Die neue Wissenschaft der Psychologie (man möge daran denken, dass nur die bürgerliche Oberschicht Zugang zu den Universitäten hatte) definierte, was als gesunde und was als perverse - oder entartete - Sexualität galt.

(...)

Naja ... nicht ganz - man denke an die Tugendethik schon eines Aristoteles (Nikomachische Ethik), siehe hier ein kleiner Auszug, der hier am ehesten passend (und kurz) ist:

Zitat
Die Einübung der ethischen Tugenden verhilft dabei zur Beherrschung der Triebe und Affekte und macht den so Handelnden unabhängiger von einer nur auf Befriedigung der Lust und Vermeidung von Schmerz ausgerichteten Verhaltensweise. Um ethisches Verhalten auf das Gute auszurichten, bedarf es der Erziehung, die unsere moralische Sensibilität erhöht und damit Einfluss auf die Qualität unserer Handlungen nimmt. Wenn Tugenden verinnerlicht sind, handelt der Mensch um der Tugend willen und tut dies gern, also mit Lust. Lust ist dabei jedoch für Aristoteles nicht das Ziel der Handlung, sondern eine Begleiterscheinung, die sich mitfolgend einstellt. Was eine Tugend ist, hängt von den Umständen, auch den historischen und gesellschaftlichen, ab. Einen universellen, d. h. allgemeingültigen Kern besitzen sie aber dennoch: Vervollkommnung der menschlichen Natur gemäß ihren Anlagen und zum Zweck der Harmonie des Menschen mit sich selbst.

http://de.wikipedia.org/wiki/Tugendethik

(Auch schon bei Platon eine der Kardinaltugenden: Mäßigung)


Siehe im Zusammenhang mit dem Thema/thread dann auch Folgendes

Zitat
(...) Dabei bedeutet Mäßigung keineswegs, gar nicht zu genießen oder möglichst wenig zu genießen. Das wäre nicht Tugend, sondern Tristesse, nicht Mäßigung, sondern Kasteiung, nicht Maßhalten, sondern Verklemmtheit, meint André Comte-Sponville in seinem Buch "Anleitung zum unzeitgemäßen Leben".

Mäßigung ist Maßhalten im sinnlichen Begehren, sie ist gebildeter, beherrschter, kultivierter Geschmack. Die Mäßigung ist eine bewusste Regulierung des Lebenstriebes und bedeutet die Herrschaft der Seele über die vernunftwidrigen Regungen unserer Affekte und Gelüste. Mäßigung oder Mäßigkeit ist Selbstbeherrschung, sie ist eine echte Tugend, die man sich erwerben muss und kann. Sie hängt eng zusammen mit dem Willen und seiner "kleinen Schwester", der Disziplin. Mäßigkeit ist also ein Verdienst und ein Erwerb. Aristoteles würde sagen, sie ist eine Gratwanderung zwischen den beiden Abgründen Unmäßigkeit und Sprödheit, zwischen der Freudlosigkeit der Ausschweifung und der des Nicht-genießen-Könnens, zwischen dem Ekel der Völlerei und dem der Magersucht. (...)

http://treffpunkt-philosophie.de/philoservice/philosophie-als-lebenskunst/die-maessigung-oder-ein-rabbi-auf-reisen

und:

Zitat
Ebenfalls von Epikur stammt der Satz: "Die schönste Frucht der Selbstgenügsamkeit ist Freiheit."


Es ist nicht alles immer nur so einfach auf christliche oder spießbürgerliche Sittlichkeit oder Puritanismus rückführbar - was die Tugenden betrifft, reicht das viel weiter zurück - aus Gründen! Weil Menschen mit diversen "Schwächen" und daraus resultierenden unangenehmen Folgen schon vor tausenden Jahren zu kämpfen hatten ...


Und hier

Zitat
Was als "normale Sexualität" gilt - und was umgekehrt als "abweichende Vorlieben" bezeichnet wird - ist eine Frage der Rahmenkultur, in der wir leben. Vor der Entstehung der Sexualwissenschaft sowie der Psychologie als Wissenschaften hat sich niemand drum gekümmert ob das "normal" war, was die Leute so miteinander veranstaltet haben. Auch wenn wir das heute nicht wahrhaben wollen: Sex mit Kindern war zur Zeit des Feudalismus noch vollkommen normal. Wenn irgendwo auf dem Land irgendein Feudalherr oder auch freier Bauer (s)ein Kind missbraucht hat - das hat genau niemanden interessiert.
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verstehe ich nicht ganz, was du damit sagen willst - warum du das so schreibst und das Beispiel "Sex mit Kindern" als "war normal und hat niemanden interessiert" bezeichnest? - Dass Pädophilie in Ordnung ist und heute "überbewertet" oder fälschlicherweise geahndet wird? Wenn nein, warum schreibst du das dann so provokativ?
« Letzte Änderung: 03 April 2012, 11:34:42 von Kallisti »
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Re: Paraphilie
« Antwort #20 am: 03 April 2012, 11:49:25 »

Die antike Philosophie hat im Grunde keine Kontinuität und wurde erst in der Neuzeit wiederentdeckt. Von daher ist es schwer, eine in anderen Kulturen (wie etwa den antiken Kulturen) vorherrschende Sexualmoral als Vorläufer der hier in unserer Gesellschaft vorherrschenden Sexualmoralen zu betrachten.

Zitat
Was als "normale Sexualität" gilt - und was umgekehrt als "abweichende Vorlieben" bezeichnet wird - ist eine Frage der Rahmenkultur, in der wir leben. Vor der Entstehung der Sexualwissenschaft sowie der Psychologie als Wissenschaften hat sich niemand drum gekümmert ob das "normal" war, was die Leute so miteinander veranstaltet haben. Auch wenn wir das heute nicht wahrhaben wollen: Sex mit Kindern war zur Zeit des Feudalismus noch vollkommen normal. Wenn irgendwo auf dem Land irgendein Feudalherr oder auch freier Bauer (s)ein Kind missbraucht hat - das hat genau niemanden interessiert.

verstehe ich nicht ganz, was du damit sagen willst - warum du das so schreibst und das Beispiel "Sex mit Kindern" als "war normal und hat niemanden interessiert" bezeichnest? - Dass Pädophilie in Ordnung ist und heute "überbewertet" oder fälschlicherweise geahndet wird? Wenn nein, warum schreibst du das dann so provokativ?
Nein. Es sollte nur ein deutliches Beispiel dafür sein, dass das, was als normale oder gesunde Sexualität gilt und was als abnorme und kranke Sexualität, ein 100%ig von der jeweiligen Kultur und der in ihr vorherrschenden normativen Ordnung abhängiges Werturteil ist.

Mit anderen Worten: es *gibt* keine "Normalsexualität" a priori.
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CubistVowel

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Re: Paraphilie
« Antwort #21 am: 03 April 2012, 11:57:16 »

Nein. Es sollte nur ein deutliches Beispiel dafür sein, dass das, was als normale oder gesunde Sexualität gilt und was als abnorme und kranke Sexualität, ein 100%ig von der jeweiligen Kultur und der in ihr vorherrschenden normativen Ordnung abhängiges Werturteil ist.

Nicht ganz. Rein biologisch ist Sex mit Kindern (dein Beispiel) offensichtlich jedenfalls nicht vorgesehen, sonst wären Menschen schon ab der Geburt geschlechtsreif.
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Julya

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Re: Paraphilie
« Antwort #22 am: 03 April 2012, 12:01:42 »

Nein. Es sollte nur ein deutliches Beispiel dafür sein, dass das, was als normale oder gesunde Sexualität gilt und was als abnorme und kranke Sexualität, ein 100%ig von der jeweiligen Kultur und der in ihr vorherrschenden normativen Ordnung abhängiges Werturteil ist.

Mit anderen Worten: es *gibt* keine "Normalsexualität" a priori.

Ja, sehe ich ganz genau so.
Das meinte ich auch mit meinem Beitrag, dass "normale Sexualität" nie in einem genauen Punkt definiert werden kann, da sogar zur selben Zeit (unabhängig von Antike/Mittelalter/etc) in unterschiedlichen Ländern -zu- unterschiedliche Vorstellungen von Sexualmoral gelten.
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colourize

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Re: Paraphilie
« Antwort #23 am: 03 April 2012, 12:06:46 »

Nein. Es sollte nur ein deutliches Beispiel dafür sein, dass das, was als normale oder gesunde Sexualität gilt und was als abnorme und kranke Sexualität, ein 100%ig von der jeweiligen Kultur und der in ihr vorherrschenden normativen Ordnung abhängiges Werturteil ist.

Nicht ganz. Rein biologisch ist Sex mit Kindern (dein Beispiel) offensichtlich jedenfalls nicht vorgesehen, sonst wären Menschen schon ab der Geburt geschlechtsreif.
Wenn Du so argumentierst könntest Du anstelle von "Sex mit Kindern" auch Homosexualität als Problem sehen. Schließlich wird das dann ja auch nix mit der biologischen Reproduktion.


Zur Klarstellung, nur um nicht falsch verstanden oder gar von einem Lynchmob erschlagen zu werden: ich will hier keineswegs eine Lanze für die Legalisierung von Pädophilie brechen. Dieses Feld ist in unserer Gesellschaft ja bekanntlich vermint wie kein zweites. Aber dennoch sollte man m.E. berücksichtigen, dass es sich um total kulturell bedingte Werturteile handelt, wenn wir darüber urteilen welche Sexualität okay ist und welche nicht. Und dass sich diese Bewertungen nun mal verändern können im Laufe der Zeit.
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Re: Paraphilie
« Antwort #24 am: 03 April 2012, 12:53:07 »

Nein. Es sollte nur ein deutliches Beispiel dafür sein, dass das, was als normale oder gesunde Sexualität gilt und was als abnorme und kranke Sexualität, ein 100%ig von der jeweiligen Kultur und der in ihr vorherrschenden normativen Ordnung abhängiges Werturteil ist.

Nicht ganz. Rein biologisch ist Sex mit Kindern (dein Beispiel) offensichtlich jedenfalls nicht vorgesehen, sonst wären Menschen schon ab der Geburt geschlechtsreif.
Wenn Du so argumentierst könntest Du anstelle von "Sex mit Kindern" auch Homosexualität als Problem sehen. Schließlich wird das dann ja auch nix mit der biologischen Reproduktion.

Nun ja, Sex dient nun mal (nebenbei auch) der Reproduktion... ;) Ich denke mal, du willst mir hier nicht eine derart enge Sichtweite des Themas unterstellen. Aber meiner Ansicht nach gibt es sehr wohl einen Unterschied zwischen Sex unter geschlechtsreifen Individuen (oder allein) mit sämtlichen Spielarten, deren Wertung kulturell bedingt ist, und biologisch vorgesehenen Grenzen (vorpubertäres Kind, biologische Arten), deren Überwindung ich persönlich zumindest recht fragwürdig finde. Die kulturelle Ablehnung des Inzests zum Beispiel in den meisten Gesellschaften könnte man durchaus von biologischen Gründen ableiten.

Vielleicht könnte man sogar soweit gehen, die "kulturell" bedingte Ablehnung sämtlicher nicht direkt der Fortpflanzung dienender Sexualpraktiken auf eben diesen biologischen Grund zurückzuführen: Sie dienen nicht der Fortpflanzung. Wäre jedenfalls mal einen Gedanken wert, finde ich. Und wenn eine biologische in eine kulturelle Wertung übergegangen ist, spricht natürlich nichts dagegen, diese zu überprüfen und zu ändern.

Ich will damit also nicht sagen, dass ich persönlich die auch heutzutage noch in weiten Teilen der Bevölkerung herrschende Ablehnung "devianter" sexueller Spielarten teile oder gutheiße, es ist nur ein Erklärungsversuch; ich will mich nicht so einfach denen anschließen, die auf die (echte oder vermeintliche) Intoleranz ihrer Artgenossen schimpfen. Das empfinde ich als zu simpel. Sich dahingegen schlicht auf "die Biologie" zu berufen, ist natürlich genauso simpel. Da tut es wohl nur Aufklärung - Gemecker oder absichtliches Schockieren halte ich da für kontraproduktiv.
« Letzte Änderung: 03 April 2012, 13:08:42 von CubistVowel »
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RaoulDuke

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Re: Paraphilie
« Antwort #25 am: 03 April 2012, 15:35:30 »

Ich wundere mich immer noch über den Klassiker:

BDSM wird nach der ICD, dem Diagnoseschlüssel für psychische Störungen, unter F65.5 als Störung der Sexuapräferenz aufgeführt, selbst wenn es einvernehmlich ausgebübt wird. Zum Vergleich: Direkt darüber, unter F65.4, wird Pädophilie aufgeführt. Eine bodenlose Frechheit wie ich finde.

Na und?
Was schert mich die Diagnose, wenn ich nicht zum Arzt gehe.

Stimmt, aber wie ich finde ist der Unterschied zwischen BDSM und Pädophilie, dass das eine (BDSM) einvernehmlich praktiziert werden kann, im Grund genommen egal wie weit es gehen soll, sofern zwei Menschen mit einem freien Willen die Entscheidung treffen, das jetzt zu machen. Obwohl sich mit Sicherheit einige Vertreter von Religionen oder politischen bzw. weltanschaulichen Gruppierungen auch dagegen äußern würden, würden sie im Rahmen der heutigen gesellschaftlichen Situation nicht sehr weit kommen damit.

Pädophilie kann aber einfach nicht einvernehmlich praktiziert werden. Jede Ausübung muss daher zwangsläufig zu Leidensdruck führen, es sei denn eine kindlich aussehende Frau reicht. Ich vermute aber, wer ernsthaft pädophil ist, dem reicht das eben nicht. Und da würde auch ich, ganz ohne religiöse, politische oder weltanschauliche Vorprägung sagen: Da sollten Betroffene wirklich zum Arzt gehen, das geht nämlich wirklich zu weit. Mir ist schon bewußt, dass ich mich dabei auf dünnem Eis bewege, weil der freie Wille, dessen Ausübung ich hier als Entscheidungskriterium heranziehe, ja ebenfalls ein gesellschaftliches Konstrukt ist. Früher musste man halt Gott gefallen oder ähnliches.

Aber mit der Ausübung des freien Willens, der sich ja nicht ohne Grund als Kriterium anbietet, ist sowieso so einiges problematisch, wie auch schon in einem anderen Thread angedeutet:

- Beziehung mit psychischen (oder realen) Abhängigkeiten, die nicht nur im Rahmen ausgefallener Sexualität bestehen müssen. Aber dort eben auch, und teilweise extrem: 24/7 Versklavung, Total Power Exchange oder Steigerungen davon, die das Prinzip des Konsens (absichtlich) aufheben... Kann ja alles schön sein für die Betreffenden, aber dem Verständnis des freien Willens, dem aktuellen gesellschaftlichen Beurteilungskriterium, entspricht das nicht.

- Feeding oder anderes selbstzerstörerisches Verhalten: Man könnte argumentieren, dass so etwas nur tut, wer nicht ganz richtig im Kopf ist, und wer nicht ganz richtig im Kopf ist, der kann ja gar nicht in Ausübung seines freien Willens handeln, oder?

Ganz klar hier Position zu beziehen ist schwierig, vielleicht taugt einfach das Beurteilungskriterium nicht wirklich. Wer seinen freien Willen eben nicht mag oder nicht mehr haben will, der macht ja dann sowieso automatisch was falsch, als hätte er vor ein paar hundert Jahren gegen Gottes Willen verstoßen. Aber bei aller Relativierung von Maßstäben: Es gibt Dinge, die können einfach nicht richtig sein, das sagen einem Vernunft und Mitgefühl. Und diese beiden Gefühle bestehen ja unabhängig von gesellschaftlichen Normen und Werten und irgendwelchen Zeiten, oder?
« Letzte Änderung: 03 April 2012, 15:41:19 von RaoulDuke »
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Re: Paraphilie
« Antwort #26 am: 03 April 2012, 15:43:42 »

Laut Wiki definiert sich die Paraphilie aber gerade dadurch, dass man sich oder anderen beträchtlichen Schaden zufügt. Vielleicht wäre es hilfreich, den Titel des Threads ein wenig zu konkretisieren? Dem Eingangspost entnehme ich nämlich, dass es hier allgemein um "ungewöhnliche Dinge" gehen soll...^^

Der Begriff ist zwar so definiert, dass nur sexuelle Handlungen inbegriffen sind, die jemandem schaden. Problematisch finde ich aber, dass dies oft ausgeblendet wird und so Menschen mit außergewöhnlichen sexuellen Vorlieben schnell als "krank" oder "pervers" abgestempelt werden.

Was schert mich die Diagnose, wenn ich nicht zum Arzt gehe.

Eine Diagnose stigmatisiert und wertet ab, in manchen Fällen. Dadurch entstehen Unsicherheiten, das Gefühl, von der Gesellschaft als "falsch", "krank" angesehen zu werden, kann ziemlich grausam sein.
Ich les mir den ICD-10 Kram jetzt nicht weiter durch, regt mich zu sehr auf.

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schwarze Katze

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Re: Paraphilie
« Antwort #27 am: 03 April 2012, 15:49:16 »


Eine Diagnose stigmatisiert und wertet ab, in manchen Fällen. Dadurch entstehen Unsicherheiten, das Gefühl, von der Gesellschaft als "falsch", "krank" angesehen zu werden, kann ziemlich grausam sein.
.

Kann es, aber ein Mensch, der frei sein will, soll versuchen, sich von diese gesellschaftliche Stigmatisierung zu befreien.

Mir geht, grob gesagt,  am Arsch vorbei, ob die verklemmte Lieschen Müller mich für gestört hilt.
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Re: Paraphilie
« Antwort #28 am: 03 April 2012, 15:56:35 »

Ich wundere mich immer noch über den Klassiker:

BDSM wird nach der ICD, dem Diagnoseschlüssel für psychische Störungen, unter F65.5 als Störung der Sexuapräferenz aufgeführt, selbst wenn es einvernehmlich ausgebübt wird. Zum Vergleich: Direkt darüber, unter F65.4, wird Pädophilie aufgeführt. Eine bodenlose Frechheit wie ich finde.

Na und?
Was schert mich die Diagnose, wenn ich nicht zum Arzt gehe.

Stimmt, aber wie ich finde ist der Unterschied zwischen BDSM und Pädophilie, dass das eine (BDSM) einvernehmlich praktiziert werden kann, im Grund genommen egal wie weit es gehen soll, sofern zwei Menschen mit einem freien Willen die Entscheidung treffen, das jetzt zu machen. Obwohl sich mit Sicherheit einige Vertreter von Religionen oder politischen bzw. weltanschaulichen Gruppierungen auch dagegen äußern würden, würden sie im Rahmen der heutigen gesellschaftlichen Situation nicht sehr weit kommen damit.


Oder es immer wieder tun. Wie die Schwarzer Alice. Die olle Vogelscheuche.



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Re: Paraphilie
« Antwort #29 am: 03 April 2012, 15:59:57 »

Zitat
Stimmt, aber wie ich finde ist der Unterschied zwischen BDSM und Pädophilie, dass das eine (BDSM) einvernehmlich praktiziert werden kann, im Grund genommen egal wie weit es gehen soll, sofern zwei Menschen mit einem freien Willen die Entscheidung treffen, das jetzt zu machen.

Da hast du in meinen Augen einen Denkfehler - meinst das richtige, sagst aber das Falsche. ;)

Ein wichtiges, wenn nicht gar das eigentliche Kriterium heutzutage ist neben der Benennung der "Störung" der Leidensdruck.
Den können auch Leute haben die BDSM betreiben, auch einvernehmlichen! Es kann sich ja trotzdem jemand pervers, schmutzig und abartig fühlen und sich deswegen selbst hassen, weil er so einen "Schmuddelkram" macht beispielsweise.
Für diese Leute ist dieser ICD-10 dann auch gedacht: Jene die es selbst als Störung empfinden und versuchen, irgendwie damit klarzukommen.

Der Unterschied zur Pädophilie besteht darin, dass ein Pädophiler keinen Leidensdruck empfinden muss, aber dennoch behandlungsbedürftig ist, weil er damit anderen auf jeden Fall schadet. Das ist dann aber mehr zum Schutze des Kindes, weniger des Menschen selbst. Eigentlich bräuchte man ihn selbst nicht zu behandeln, da es ihm psychisch ja gut geht ohne besagten Leidensdruck. ;) Zum Wohle der Gesellschaft und natürlich auch der Kinder wird es aber natürlich trotzdem gemacht.
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