(Mal ungeordnet drauf los)Autisten? Na, ich weiss ja nicht. Die meisten sind froh, wenn sie möglichst wenig mit anderen Menschen zu tun haben können. Und die hochbegabten Asperger-Autisten sind auch meines Wissens deutlich in der Minderheit gegenüber der Art von Savants, die bis vor kurzer Zeit noch politisch inkorrekt "Idiots" mit Vornamen hiessen (so jemand malt Dir die ganze Höhle von Lascaux im Alleingang, aber sonst kann er unter Umständen wirklich nichts, gar nichts, das dürften auch Steinzeitmenschen gemerkt haben). Und wie häufig ist diese Störung heute und wie häufig war sie in der Steinzeit...häufig genug, um was zu bewirken? Und Schizophrene, haben die sich in der Steinzeit eher durch lebenspraktische Kreativität ausgezechnet als heute?Und wenn also ein Aspie oder Schizophrener die Höhle von Lascaux ausgemalt hat, haben seine Mitmenschen ihn anschließend möglicherweise als religiös wichtig eingestuft und verehrt; aber alles Weitere...sind zwar spannende Fragen, aber außer Spekulation bleibt einem nichts.In dem, was Du schreibst, ist auch irgendwie ein seltsamer Brückenbau zwischen Kreativität, Intellekt, Autorität und Hierarchie. Diese Dinge stehen ja nicht notwendigerweise im Zusammenhang. Das Entstehen einer Hierarchie muss ja nicht darauf beruhen, dass man jemanden verehrt, weil er etwas Tolles oder Praktisches geschaffen hat. Reicht doch auch, dass er kräftig genug ist, die Nachbarn und die Wölfe in die Flucht zu schlagen (und wenn das schiefgeht, haben wir bald eine 1a Diktatur).Und wie hiess nun der Doktor, der das Buch mit dem ungefähren Titel "Wir behandeln die falschen" geschrieben hat - der vertritt die These, sämtliche Diktatoren seien geistig gesund gewesen, sonst hätten sie´s ja, hm, "beruflich" nicht so weit gebracht (ich stimme ihm da nicht zu, aber ich bin ja auch nicht Psychiaterin ).Wäre ja auch möglich, dass un-kranke Menschen mit hohem Intellekt aufgrund ihrer Kombinationsfähigkeit als Autoritäten angesehen wurden. Oder ist das zu einfach? *.*Irgendwo hatte K-Nichen kürzlich einige Absätze über Narzissten geschrieben - die scheinen eher prädestiniert, sich zu Herrschern aufzuschwingen. Inwieweit sie aber für Fortschritt verantwortlich gewesens ein könnten...
Und wie hiess nun der Doktor, der das Buch mit dem ungefähren Titel "Wir behandeln die falschen" geschrieben hat - der vertritt die These, sämtliche Diktatoren seien geistig gesund gewesen, sonst hätten sie´s ja, hm, "beruflich" nicht so weit gebracht (ich stimme ihm da nicht zu, aber ich bin ja auch nicht Psychiaterin ).
Ich hab eben in meiner heißgeliebten FAZ-Sonntagszeitung einen Artikel im Wissenschaftsteil gelesen (es existiert kein online-Artikel zum Link posten),
Das „Asperger-Syndrom“ als EvolutionsschrittDer soziale ist oft beschrieben worden, von Heideggers Klage über das „man“ bis zu den medieonökologischen Betrachtungen des George Steiner. Er hat mit dem Grad der gesellschaftlichen Homogenisieriung und Konformität zu tun, der in den reichen Gesellschaften der Moderne weit über alles bisher Bekannte hinaus durch Massenmedien möglich und mittels elektronischer Kommunikationtechnologien konsolidiert wurde. Westfahl spricht von seiner Universitätserfahrung, um zu verdeutlichen, was er meint: „Sobald sie das Seminar verlassen, greifen die meisten Studierenden nach ihren Handy, setzen Kopfhörer auf oder hocken sich mit ihren Laptops hin und surfen im Netz, überprüfen ihre E-mails - sie wollen nie allein sein, und sie müssen nie allein sein. Sie tun mir leid; denn wenn man pausenlos dem zuhört, was der Rest der Welt denkt, wird man zwangsläufig so denken, wie der Rest der Welt denkt.“
(...) Gary Westfahl, der sich in seinem Aufsatz auch selbst als Asperger-Fall diagnostiziert, will davon nichts wissen. Er erfindet lieber eine neue Anthropologie, die das Stigma „Asperger“ ins Positive wendet und den „homo aspergerus“ entdeckt: „Während der Verstand aller übrigen Menschen in den Zeitgeist der gegenwärtigen Zivilisation verstrickt ist“, so Westfahl, „werden jene, bei denen man das Asperger-Syndrom diagnostiziert, diejenigen sein, die brillante neue Ideen haben, dauerhafte Kunstwerke schaffen oder neue Arten entwickeln, die Welt zu betrachten.“(...)
Ich schau dir nicht mehr in die Augen, KleinesDie Pointe ist, daß diese Menschen sich danach nicht als ärmer, sondern als klüger und überlegen empfinden: „Wie viel an Mitgefühl und Intimität“, läßt Egan einen seiner mutwilligen Aspergerianer fragen, „ist echtes Verständnis, und wieviel ist nur der Wahn, etwas zu verstehen? Der Evolution ist es egal, ob wir die Wahrheit wissen, abgesehen von den allerpragmatischsten Belangen. Es kann pragmatische Illusionen geben: Wenn das Gehirn uns ein übertriebenes Gefühl unserer Fähigkeit suggerieren will, einander nah zu sein, damit die zur Reproduktion unerläßliche Paarbildung mit dem vereinzelten Bewußtsein vereinbar ist, dann wird es uns zur Not schamlos anlügen, damit diese Strategie Erfolg hat.“
Wenn die Aneignung des selbst Hergestellten schwierig wirdDer alte Adam ist ein Geschöpf, das die Natur gleichsam aus ihren Zusammenhängen verstoßen und ins Gesellschaftliche gejagt hat - nur aufs natürlich Mitgegebene verwiesen, überlebt der nackte Affe nicht lange, also mußte er lernen, sich das, was er braucht, durch Arbeit und Ausbeutung natürlicher Ressourcen anzueignen.Wir sind sehr viel weiter: Schaut man sich etwa die Verkehrsformen an, in denen unsere Ressourcenkreisläufe sich abspielen, und betrachtet man, wie sie etwa diktieren, daß die Rohstoffe, auf denen die einen sitzen, per Pipeline oder Frachtschiff zu den anderen gebracht werden, die dafür bezahlen können, dann muß man schließen, daß die Arbeit, die geleistet wird, in den allermeisten Fällen nicht mehr unmittelbar der Selbsterhaltung im Kampf mit der Natur, sondern dem Profit Dritter dient. Dies mag bedeuten, daß der Mensch, dessen Geschichte damit angefangen hat, daß er sich das aneignet, was die Natur hortet, am Ende paradoxerweise die Fähigkeit verloren hat, sich das anzueignen, was er selbst herstellt: Nicht die Witterung enthält den Leuten in der dritten Welt die Nutzung der Ressourcen vor, die sie aus dem Boden befreien, sondern der Weltmarkt knöpft sie ihnen ab, zu unfairen Preisen.Was uns von Farnen und Fischen unterscheidetWenn jeder für sich bleibt, vereinzelt, sprachlos und von der Furcht getrieben, die Gesellschaft könnte ihn verstoßen wie die Natur seinen haarigen Ahnen, dann ist der Mensch dabei, sich aus dem halbfertigen Paradies zu vertreiben, das er sich aus Not gebaut hat. Wenn Autisten Ironie verstehen lernen, werden sie darüber schmunzeln. Einstweilen ist der effektivere Chef womöglich wirklich einer, der mit echter Asperger-Teilnahmslosigkeit durch seine ohnehin austauschbaren Angestellten hindurch auf die Nah- und Fernziele des Unternehmens blicken kann, und umgekehrt wird auch ein Angestellter, der nicht aus Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes - also vor Gemeinschaftsentzug - gelähmt ist, der nicht schon vor der bloßen Möglichkeit erbleicht, einen Fehler zu machen, seine Aufgaben sachgemäßer und effizienter erledigen als einer, der sich noch quälend vorstellen muß, was im Chef und den Kollegen vorgeht. Wundern muß man sich dann nur darüber, daß nicht gleich alle zuhause bleiben und lieber Maschinen den Kram besorgen lassen, die schließlich nicht erst einen evolutionären Sprung oder eine Operation brauchen, um sich für nichts und niemanden außerhalb der gegebenen Aufgabe zu interessierten.Die Frage, die sich Leute wie Westfahl, die aus einem Mangel eine positive Mutation machen wollen, stellen lassen müssen, lautet: Ist der Mensch, der die Evolution verstehen gelernt hat, ihr überhaupt noch unterworfen? Der „nächste Schritt“ wird Westfahls „homo aspergerus“ nur dann sein, wenn wir auf das Abschreiten solcher Schritte festgelegt sind wie irgendwelche Farne oder Fische. Der Mensch aber könnte die Entwicklungslinie der Naturgeschichte, das letzte, was ihn noch mit seiner Herkunft verbindet, auch bewußt verlassen. Wenn Evolution Schicksal ist, führt sie unter den gegebenen Vorzeichen zum arbeitsfähigen Autisten. Wenn man sie aber steuern kann, führt sie vielleicht zur Solidarität, das heißt zu einer Welt, in der die Angst nicht deshalb verschwindet, weil ihre biologische Grundlage entfällt, sondern weil wir ihre soziale abgeschafft haben.Quelle: F.A.Z., 14.03.2006, Nr. 62 / Seite 39
Der soziale ist oft beschrieben worden, von Heideggers Klage über das „man“ bis zu den medieonökologischen Betrachtungen des George Steiner. Er hat mit dem Grad der gesellschaftlichen Homogenisieriung und Konformität zu tun, der in den reichen Gesellschaften der Moderne weit über alles bisher Bekannte hinaus durch Massenmedien möglich und mittels elektronischer Kommunikationtechnologien konsolidiert wurde. Westfahl spricht von seiner Universitätserfahrung, um zu verdeutlichen, was er meint: „Sobald sie das Seminar verlassen, greifen die meisten Studierenden nach ihren Handy, setzen Kopfhörer auf oder hocken sich mit ihren Laptops hin und surfen im Netz, überprüfen ihre E-mails - sie wollen nie allein sein, und sie müssen nie allein sein. Sie tun mir leid; denn wenn man pausenlos dem zuhört, was der Rest der Welt denkt, wird man zwangsläufig so denken, wie der Rest der Welt denkt.“
Also was das Argument betrifft „es muss einen Vorteil gehabt haben, sonst wäre Autismus nicht bis heute erhalten“ - Schwachsinn.
...oder er aber keinen Partner aufgrund dieser Erkrankung findet.
Zitat von: Multivac am 30 Januar 2012, 11:08:49...oder er aber keinen Partner aufgrund dieser Erkrankung findet.Darf ich das mal für Zeiten annehmen, in denen sowas noch nicht großartig behandelt werden konnte? Autismus zeichnet sich i.A. durch totale soziale Inkompetenz aus. Als Schizophrener hört man Dinge und Stimmen, die nicht da sind. Das sind beides nicht gerade Vorteile bei der Partnersuche.
ZitatUnd wie hiess nun der Doktor, der das Buch mit dem ungefähren Titel "Wir behandeln die falschen" geschrieben hat - der vertritt die These, sämtliche Diktatoren seien geistig gesund gewesen, sonst hätten sie´s ja, hm, "beruflich" nicht so weit gebracht (ich stimme ihm da nicht zu, aber ich bin ja auch nicht Psychiaterin ).Manfred Lütz heißter ("Irre - Wir behandeln die Falschen").Ja, allgemeinhin denkt man, da seien so einige Diktatoren, Despoten, Tyrannen nicht ganz klar im Denkkästchen (gewesen) ... - aber er erklärt das durchaus nachvollziehbar/einleuchtend, wie ich finde - warum sie also nicht "verrückt", d.h. geistig und oder psychisch krank/gestört waren/sind ...