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Autor Thema: Unterlassene Hilfeleisung  (Gelesen 5880 mal)

CubistVowel

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Unterlassene Hilfeleisung
« am: 24 Oktober 2011, 10:19:24 »

Das Video aus China hat wahrscheinlich inzwischen jeder gesehen. Falls nicht oder wer es nicht ansehen möchte: Ein Lastwagen fährt ohne zu bremsen durch eine enge Straße auf ein Kleinkind zu und überfährt es mit den Vorderrädern, bleibt kurz stehen und fährt dann noch mit den Hinterrädern drüber. Zahlreiche Passanten gehen einfach an dem am Boden liegenden Kind vorbei. Zwischendurch fährt noch ein weiteres Auto über die Beine des Kindes.

Ich weiß im Moment gar nicht, was ich dazu schreiben soll, mir fehlen einfach die Worte. Was denkt ein Mensch, der statt zu bremsen ein im Weg stehendes kleines Kind (oder überhaupt einen Menschen) einfach überfährt, dann mit den Hinterrädern auch noch rüberrollt und sich dann einfach verpisst... Unfassbar für mich: das gleichgültige Vorbeigehen zahlreicher Passanten an einem verletzten Menschen, und dann der Autofahrer, der einfach noch mal über die Beine des Kindes fährt. Ob in so einer Gesellschaft ein Gesetz über unterlassene Hilfeleistung überhaupt noch was bringt...

Die Frankfurter Rundschau versucht zu erklären. Fehlende Leserkommentare dort und bei SPON etc. sprechen ebenfalls eine Sprache der Gleichgültigkeit. China ist ja weit weg und hier bei uns könnte das sicher nicht passieren... Das Mädchen ist übrigens inzwischen gestorben.
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t_g

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Re: Unterlassene Hilfeleisung
« Antwort #1 am: 24 Oktober 2011, 11:17:23 »

Es ist in dem Kontext aber natürlich auch extrem schwierig, dafür irgendwelche passenden Worte zu finden. Als ich das Video gesehen habe, hatte ich erst mal überhaupt keine Idee, was die Menschen treibt. Den Erklärungsversuch der FR fand ich dann allerdings doch recht einleuchtend. In einem Land, in dem Verantwortung für einen Großteil der Leute eher Gefahr als Nutzen darstellt, scheint die Angst vor deren Konsequenz größer zu sein als die Bereitschaft zur Hilfe. Warum trotz dessen niemand (meinentwegen auch anonym) einen Krankenwagen o.Ä. verständigt, ist mir trotzdem nicht klar. Das lässt sich nämlich mit besagter Verantwortung nicht mehr erklären. Das ist einfach nur die pure Ignoranz gegenüber dem Leid von Fremden. Leider kenne ich mich in der chinesischen Kultur und dem dortigen Sozialleben zu wenig aus, um beurteilen zu können, ob dieses Beispiel nun tatsächlich besonders krass ist oder einfach hervor sticht, weil es auf Kamera festgehalten wurde, aber aus meiner westlichen Sicht zeugt es von einer sehr kranken Grundeinstellung gegenüber dem sozialen Miteinander.

Oh und was nicht so ganz zum Thema passt, mich aber doch immer wieder aufregt: die youtube-Kommentare im Stil von "was will man auch von einem Land erwarten, in dem Katzen mit einem Bolzen erschlagen und dann gegessen werden?". Ja. Klar. Puten und Rinder in Deutschland haben da echt das goldene Los gegen. ::)
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K-Ninchen

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Re: Unterlassene Hilfeleisung
« Antwort #2 am: 24 Oktober 2011, 12:06:36 »

Ich weiß, das klingt jetzt zynisch, aber ist euch schon mal aufgefallen, dass es IMMER weiße Transporter sind? Und das gilt nicht nur für China.

Ansonsten hat t_g eigentlich schon alles gesagt :) Auch den Hinweis mit "Katzen und Hunde essen", genau das stört mich auch jedes mal. Da gibt es z.B. bei Facebook jemand, der hat gerne mal mit genau solchen Bildern versucht, die Chinesen deshalb als eine art "Untermenschen" darzutellen (war wohl jemand aus den USA). Gibt ja sogar eine Southpark-Episode zu dem Thema (auch wenn sich das eher auf Japan bezhiet): The Dolphin Encounter
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Re: Unterlassene Hilfeleisung
« Antwort #3 am: 24 Oktober 2011, 13:00:00 »

Vielleicht weil da wie hier die meisten (Firmen-)Transporter weiß sind?
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Re: Unterlassene Hilfeleisung
« Antwort #4 am: 24 Oktober 2011, 13:03:14 »

n` bisschen Zynismus am Rande: ist in China nicht weiß die Farbe des Todes und der Trauer? :P
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Eisbär

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Re: Unterlassene Hilfeleisung
« Antwort #5 am: 24 Oktober 2011, 15:12:54 »

Vielleicht liegt es tatsächlich daran, daß in China das Wohl des Individuums, inklusive des Lebens eines einzelnen, einfach nicht viel wert ist.

Hier wird darüber diskutiert, ob Sterbehilfe in Ordnung ist, ob man jemandes Leben, der alt ist, schwer leidet, wirklich verkürzen darf. In China werden jährlich zigtausende Menschen erschossen, weil sie nicht ausreichend staatstreu waren.

Das mag jetzt zynisch klingen, aber vielleicht ist auch der Wert eines Menschenleben dem Marktgesetz von Angebot und Nachfrage unterworfen und bei dem Überangebot in China...
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K-Ninchen

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Re: Unterlassene Hilfeleisung
« Antwort #6 am: 24 Oktober 2011, 17:56:18 »

Die häufige Nennung des Begriffes "Zynismus" gefällt mir :)
(Ja, ich bin tatsächlich echt bösartig.)
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Kallisti

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Re: Unterlassene Hilfeleisung
« Antwort #7 am: 24 Oktober 2011, 18:00:23 »

CubistVowel

... ich habe es nicht gesehen und werde es mir auch nicht ansehen. Wenn es so war, wie du es oben beschreibst, habe ich auch keine Worte dafür.

Was die Kommentare der Anderen betrifft:

Ich denke nicht, dass es irgendwo auf der Welt "normalen" Menschen (also solchen, die nicht völlig gefühlskalt, krankhaft abgestumpft oder sonstwie krankheitsbedingt "gefühllos" sind) so gleichgültig ist, dass/wenn ein Kind - vor ihren Augen - getötet wird - und sich dann niemand darum schert ...

Zitat
Das mag jetzt zynisch klingen, aber vielleicht ist auch der Wert eines Menschenleben dem Marktgesetz von Angebot und Nachfrage unterworfen und bei dem Überangebot in China...

Eisbär - das ist dann in Afrika auch der Fall? - Ja, das ist dann in etwa so wie wenn Leute sagen, es machte den dortigen Müttern nicht so viel aus wie uns, wenn ihre Kinder sterben - sie hätten ja so viele davon und wüssten ja nicht, wie sie sie durchbringen sollten, außerdem seien sie mit der Kindersterblichkeit viel stärker konfrontiert (richtig) und daher auch nicht so erschüttert oder "traurig", wenn eines ihrer Kinder (oder mehrere) stirbt (sterben) (falsch!).


Daher kann ich es auch nicht erklären (den Vorfall in China - und wo immer sonst vielleicht Ähnliches passiert). Habe es aber auch nicht gesehen. Muss ich mir auch nicht antun - erschüttert mich so schon genug.

Ja - es fällt einem dazu einfach nichts zu sagen ein.
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sYntiq

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Re: Unterlassene Hilfeleisung
« Antwort #8 am: 24 Oktober 2011, 18:14:49 »

Ich denke nicht, dass es irgendwo auf der Welt "normalen" Menschen (also solchen, die nicht völlig gefühlskalt, krankhaft abgestumpft oder sonstwie krankheitsbedingt "gefühllos" sind) so gleichgültig ist, dass/wenn ein Kind - vor ihren Augen - getötet wird - und sich dann niemand darum schert ...
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In vielen Ländern (gehört(e) China nicht auch dazu?) sind/waren Mädchen nichts wert und wurden ja auch gern direkt nach der Geburt umgebracht. Nur Jungen zählten etwas. Eien Tochter? Bitte nciht. Ein Sohn? Immer her damit. Zugegeben, ich kenne mich da nicht wirklich so aus, aber: gegenüber Mädchen war und ist man in vielen Ländenr absolut gefühlslos. Ich frag mich ob man ebenso gefühllos "nicht-reagiert" hätte, wenn da ein Junge gelegen hätte...
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Re: Unterlassene Hilfeleisung
« Antwort #9 am: 24 Oktober 2011, 18:51:13 »

Wie jemand sich nach so etwas noch im Spiegel anschauen kann, ist mir ein Rätsel.

alen" Menschen (also solchen, die nicht völlig gefühlskalt, krankhaft abgestumpft oder sonstwie krankheitsbedingt "gefühllos" sind) so gleichgültig ist, dass/wenn ein Kind - vor ihren Augen - getötet wird - und sich dann niemand darum schert ...

Ja, es ist immer wieder kaum zu glauben. Was Sozialisation und Gesellschaft aus Menschen machen kann...
Ich denke in der chinesischen Kultur spielt außerdem die Familie eine große Rolle, während hier das soziale Gefüge etwas anders aufgebaut ist, über die Familie hinaus geht. Sich selber und die Familie versucht man zu schützen, während andere aufgrund der Masse an Menschen dort nicht viel zählen.
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Re: Unterlassene Hilfeleisung
« Antwort #10 am: 24 Oktober 2011, 23:11:17 »

Den Erklärungsversuch der FR fand ich dann allerdings doch recht einleuchtend. In einem Land, in dem Verantwortung für einen Großteil der Leute eher Gefahr als Nutzen darstellt, scheint die Angst vor deren Konsequenz größer zu sein als die Bereitschaft zur Hilfe.

Als ich in China war, hat unser Lehrer uns vor dem von der FR genannten Punkt gewarnt. Rentner lassen sich aus Bussen fallen und beschuldigen dann denjenigen, der ihnen hilft, dass er sie geschubst hätte. Krank sowas.

Vielleicht liegt es tatsächlich daran, daß in China das Wohl des Individuums, inklusive des Lebens eines einzelnen, einfach nicht viel wert ist.

Das ist leider der Fall, und es hat wirklich mit der Masse zu tun, aber auch mit dem kommunistischen bzw. maoistischen Hintergrund. Während des USA-Vietnam- Konflikts beispielsweise, hatte China Sorge, dass die Amis direkt nach Südchina weiterziehen. Aussage des damaligen Kriegs(oder so) - Ministers: Sollen sie nur kommen, wir haben Hunderte Millionen, die wir ihnen einfach in den Weg stellen können. Das Individuum war egal, es ging nur darum, die Revolution voran zu treiben.

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In vielen Ländern (gehört(e) China nicht auch dazu?) sind/waren Mädchen nichts wert und wurden ja auch gern direkt nach der Geburt umgebracht. Nur Jungen zählten etwas. Eien Tochter? Bitte nciht. Ein Sohn? Immer her damit. Zugegeben, ich kenne mich da nicht wirklich so aus, aber: gegenüber Mädchen war und ist man in vielen Ländenr absolut gefühlslos. Ich frag mich ob man ebenso gefühllos "nicht-reagiert" hätte, wenn da ein Junge gelegen hätte...

Das Problem der Mädchen-Minderwertigkeit ist ja durch die Einkind-Politik entstanden, besonders auf dem Lande. Wenn man nur ein Kind bekommen konnte, wollte man natürlich lieber einen Jungen: der konnte die Farm / den Betrieb übernehmen, für seine Eltern sorgen etc.. Mädchen wurden "weggeheiratet" und der eigene Betrieb/Name hatte keine Zukunft. Heutzutage ist das nicht mehr soo extrem ( obwohl es - gerade auf dem Land - immer noch vorkommt). Was mich bei dem Video eher gewundert hat: Durch die Einkind-Politik sind Kinder heilig. China wird nicht umsonst als "Land der kleinen Kaiser"(Kaiser = männlich? ;)) bezeichnet. Kinder werden extrem verhätschelt und die ganze Familie gibt alles für die Zukunft des Kindes. Normalerweise hätte ich also erwartet, dass die Reaktionen anders ausfallen, gerade WEIL dort ein Kind, und kein Erwachsener liegt.

Ich hab in China gelebt, habe viel Chinabezug und kann mir das nicht wirklich erklären. Es ist Tatsache, dass die Chinesen in einigen Lebenslagen/Situationen im Vergleich zu den Westlern sehr abgestumpft wirken, und es auch oft sind. Aber so eine ausbleibende Reaktion ( gerade z.B. durch die Mutter, die selber mit ihrem Kind direkt daran vorbeiläuft!!!) ist defintiv NICHT Standard in China. Deshalb ist das ja auch in China selbst ein großes Thema zur Zeit... auch wenn es sehr bald unter den Tisch gekehrt werden wird.
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CubistVowel

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Re: Unterlassene Hilfeleisung
« Antwort #11 am: 25 Oktober 2011, 08:03:02 »

Kinder werden extrem verhätschelt und die ganze Familie gibt alles für die Zukunft des Kindes.
Aber wahrscheinlich nur für die eigenen. :-\

China wird nicht umsonst als "Land der kleinen Kaiser"(Kaiser = männlich? ;))
Tatsächlich herrscht nach der jahrzehntelangen Abtreibung hauptsächlich weiblicher Föten schon jetzt ein Männerüberschuss, laut Wiki werden ca. ein Fünftel aller Männer keine Frau mehr finden. Das Verbot der Föten-Geschlechtsbestimmung wird sich sicher auch irgendwie umgehen lassen... ::)
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Re: Unterlassene Hilfeleisung
« Antwort #12 am: 25 Oktober 2011, 22:14:41 »

ich habs mir mal sicherheitshalber nicht angesehen.

mich erinnert das an zuviel versuchtiere, die in einen käfig gespertt sind (mäuse, ratten). die beißen sich auch irgendwann gegenseitig tot und frrssen sich (teilweise) lebendig an/auf. in china hat man ja eine höhere bevölkerungsdichte, vielleicht ist der effekt ein ähnlicher ?
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Re: Unterlassene Hilfeleisung
« Antwort #13 am: 26 Oktober 2011, 13:47:49 »

Tja.

In China wurde wieder ein Kind zweimal überfahren
Anscheinend das zweite Mal mit Absicht, da eine Entschädigung für ein verstorbenes Unfall-Opfer deutlich billiger ist als die Kosten einer Krankenhaus-Behandlung.  Frei nach dem Motto: "Geld sparen"  ::)
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Re: Unterlassene Hilfeleisung
« Antwort #14 am: 26 Oktober 2011, 14:46:11 »


Hm, halte ich für zweifelhaft, immerhin kann er sich für so eine (absichtliche) Aktion auch die Todesstrafe einhandeln. Kann natürlich sein, dass soweit gar nicht "gedacht" wurde ^^

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