Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Sucht  (Gelesen 14204 mal)

Spambot

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Re: Sucht
« Antwort #45 am: 24 September 2010, 00:24:07 »

Das Tückische an den meisten Drogen (Koffeein nehme ich da mal aus) ist die Unberechenbarkeit der Folgen. Neben den offensichtlichen schädlichen Folgen des Konsums (Kontrollverlust, Enthemmung, psychotischen Episoden, Gedächtnisstörungen, indirekte oder direkte physische und psychische Schädigungen) kann man ohne es zu bemerken in die Sucht rutschen. Niemand nimmt sich vor abhängig zu werden, trotzdem erwischt es immer wieder Menschen deren Leben dann zumindest für ein paar Jahre zerstört sein kann (Nikotin ist hier natürlich ein Sonderfall). Selbst eine stark suchterzeugende Droge wie Kokain erzeugt "nur" bei ca. 25% der Konsumenten eine Abhängigkeit. Aber auch wenn man die Sucht nach einem langen Kampf besiegt hat, hat man eventuell das gesamte Leben unter physischen, sozialen oder psychischen Folgen dieser Lebensphase zu leiden.
Man kann zwar sicherlich Persönlichkeitsmerkmale identifizieren, die eine Suchtanfälligkeit erhöhen, jedoch dürfte es zur Zeit unmöglich sein, eine Immunität gegen eine bestimmte Drogenabhängigkeit zu prognostizieren. Es ist also immer ein Spiel mit dem Feuer.

@ K-Ninchen: Alkoholkonsum als Bewältigungsstrategie für Stress ist ein klassischer Einstieg in die Alkoholabhängigkeit und zeigt, dass die persönlichen Ressourcen zur Stressbewältigung in einer bestimmten Situation nicht ausreichend sind/waren. Jeder Mensch kann überraschend in so eine Situation kommen (z.B. ein schwerer Unfall oder ein Gewaltverbrechen). Besser ist es, sich soziale Unterstützung (Freunde oder Verwandte) bei der Stressbewältigung zu suchen. Oft hilft es schon die eigenen Gefühle zu verbalisieren, um das Erlebte besser verarbeiten zu können. Wenn das auch nicht hilft, kann ein Profi (Psychiater, Psychologe, Sozialarbeiter, Pfarrer etc.) meistens helfen (z.B. Vermittlung von Stressbewältigungstechniken oder durch Verhaltensmodifikation). Die körperliche und psychische Belastung durch langanhaltenden Alkoholkonsum wirkt gewöhnlich eher stressverstärkend als stressreduzierend. Nur bei kurzzeitiger Anwendung und in geringer Dosis wirkt Alkohol entspannend und damit stressreduzierend (z.B. 1 Feierabendbier).

@ Black Russian: Manchmal weiss man gar nicht was zuerst da war, Sucht oder psychische Störung. Ist jemand nun schizophren geworden, weil er/sie THC konsumiert hat oder neigen schizophrene Menschen grundsätzlich zu THC-Konsum? Psychische Verfassung und Drogen scheinen nicht nur dort in einem engen wechselseitigen Verhältnis zueinander zu stehen. Das Thema hatte ich vor ein paar Monaten im Studium, daher kenne ich ein paar neurologische Details.
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K-Ninchen

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Re: Sucht
« Antwort #46 am: 24 September 2010, 01:34:07 »

@Spambot Ich habe mich wirklich nicht betrunken oder so, sondern in jener Phase tatsächlich öfter mal ein oder zwei Bier oder ein Glas Wein abends getrunken, also gar nicht mal so viel mehr als viele andere regelmäßig zu sich nehmen.
Natürlich habe ich all die anderen Strategien auch befolgt, meine Freunde und meine Mutter waren zum Glück für mich da. Ich bin jedoch vernünftig genug zu wissen, dass man immer die Ursache/Grundsituation ändern muss und einfach ständig Symprome behandeln das Problem nie beseitigt. Wenn ich tatsächlich niemanden sonst zum reden gehabt hätte, wäre ich sicher wirklich stärker gefährdet gewesen.
Ich bin eher labil, was die ganzen Internet-Geschichten angeht. Ich halte mich z.B. strikt davon ab, bestimmte Spiele wie WoW zu spielen, weil ich da den Verdacht habe, dass ich da wirklich hängen bleibe.

Und Cannabis-Geschädigte kenne ich auch, die schlagen sich oft wirklich mit jeder Menge psychischen Problemen herum, wie Einschlafstörungen, depressive Verstimmungen usw. und bei manchen hätte evtl. nicht viel gefehlt zu einer Psychose.
In einem Fall war es tatsächlich eine art "Flucht" vor einer Realität, in der die betroffene Person nicht wirklich selber über ihr Leben entschieden hat und so auch nicht die Kraft oder den Mut aufgebracht hat, dies zu tun. Und so vergehen dann die Jahre, ohne dass sich etwas entwickelt.
Man hört zwar immer von den "Kiffer-Karrieren", die unglaublich kreativ sind und dann irgendwann total durchstarten, aber ich halte das zum einen für Ausnahmen und zum anderen müsste man vielleicht eher sagen, sie haben es trotz des Kiffens geschafft, statt wegen, was ja gerne oft so dargestelt wird.
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Im Falle eines Missverständnisses:
Ich bin zutiefst bösartig und hinterhältig (kein Wunder bei dem Sternzeichen) und habe grundsätzlich niedere Beweggründe für fast alles.

Kallisti

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Re: Sucht
« Antwort #47 am: 24 September 2010, 10:25:59 »

Zitat
Die Vererbung einer Anfälligkeit für Drogen unterscheidet sich nach der Drogenart. Opiate (Heroin) und Kokain haben die höchste Chance einer Vererbung, gefolgt von Alkohol, Nikotin und Koffein.

@Spambot


... kannst du das bitte noch etwas genauer erläutern - inwiefern, d.h. wie vererbt sich eine Anfälligkeit für Drogen und das auch noch je nach Droge unterschiedlich? Wie läuft das ab, was findet da wie/wo genau statt? Und woran kann man die erhöhte Vererbung für Drogen wie Heroin und Kokain "ablesen"/feststellen?
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Spambot

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Re: Sucht
« Antwort #48 am: 24 September 2010, 13:11:51 »

Diese unterschiedlich starke Wahrscheinlichkeit (bei Vererbung geht es immer nur um Wahrscheinlichkeiten) habe ich aus einem Lehrbuch (Carlson, N. R. 2010 Physiology of Behavior), welches wiederum eine Studie von 2005 zitiert. Diese Aussagen über die Wahrscheinlichkeit einer Vererbung beruhen auf Studien mit monozygotischen Zwillingen. Man mißt also nur das Ergebnis dieses Prozesses, ohne genau die Ursachen zu kennen. Hinzu kommt, dass der Drogenkonsum (weniger die Sucht) stark vom shared environment (Familie und Freunde) abhängt. Wenn es um Details geht, vermuten die meisten Wissenschaftler, dass die Struktur des jeweiligen Gehirns (z.B. Anzahl eines bestimmten Rezeptors in einer Gehirnregion) und biochemische Prozesse im Gehirn sich bei Menschen unterscheiden und diese somit unterschiedlich auf Drogen reagieren. Die unterschiedliche Hirnphysiologie scheint die Sensibilität gegenüber den Effekten von Drogen und Stressoren in der Umwelt zu beeinflussen. Stressbewältigung (Abbau von Spannungen) gilt als ein Hauptmotiv für Drogenkonsum. Einzig bei der Alkoholsucht hat man etwas konkretere Vorstellungen. Hier hat man Hinweise gefunden, dass der jeweilige Genotyp Einfluss auf die Produktion des Enzyms alcohol dehydrogenase hat, welches eine Schlüsselrolle in der Anfälligkeit für Alkoholismus einnimmt. Weiterhin vermutet man, dass genetische Variationen bestimmter Rezeptoren die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Alkoholismus erhöhen.

Hier ist eine der Studien, die sich mit der Vererbbarkeit von Drogensucht beschäftigen.
Kurze Übersicht zur Drogensucht
Wikipediaartikel zur Anfälligkeit für Drogensucht (Englisch)
Studie zu genetischen Unterschieden und Sucht (relativ kompliziert)
« Letzte Änderung: 24 September 2010, 13:17:38 von Spambot »
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schwarze Katze

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Re: Sucht
« Antwort #49 am: 24 September 2010, 23:58:44 »



@ Black Russian: Manchmal weiss man gar nicht was zuerst da war, Sucht oder psychische Störung. Ist jemand nun schizophren geworden, weil er/sie THC konsumiert hat oder neigen schizophrene Menschen grundsätzlich zu THC-Konsum? Psychische Verfassung und Drogen scheinen nicht nur dort in einem engen wechselseitigen Verhältnis zueinander zu stehen. Das Thema hatte ich vor ein paar Monaten im Studium, daher kenne ich ein paar neurologische Details.

Das Thema ist tatsächlich sehr interessant:
Was war zuerst  - die Störung oder die Sucht?
Hat die Sucht die Störung verschlimmert, oder war die süchtige Verhalten eine Überlebensstrategie?
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Menschen haben als Spezies nicht mehr Wert als Nacktschnecken

Kallisti

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Re: Sucht
« Antwort #50 am: 25 September 2010, 11:14:52 »

Diese unterschiedlich starke Wahrscheinlichkeit (bei Vererbung geht es immer nur um Wahrscheinlichkeiten) habe ich aus einem Lehrbuch (Carlson, N. R. 2010 Physiology of Behavior), welches wiederum eine Studie von 2005 zitiert. Diese Aussagen über die Wahrscheinlichkeit einer Vererbung beruhen auf Studien mit monozygotischen Zwillingen. Man mißt also nur das Ergebnis dieses Prozesses, ohne genau die Ursachen zu kennen. Hinzu kommt, dass der Drogenkonsum (weniger die Sucht) stark vom shared environment (Familie und Freunde) abhängt. Wenn es um Details geht, vermuten die meisten Wissenschaftler, dass die Struktur des jeweiligen Gehirns (z.B. Anzahl eines bestimmten Rezeptors in einer Gehirnregion) und biochemische Prozesse im Gehirn sich bei Menschen unterscheiden und diese somit unterschiedlich auf Drogen reagieren. Die unterschiedliche Hirnphysiologie scheint die Sensibilität gegenüber den Effekten von Drogen und Stressoren in der Umwelt zu beeinflussen. Stressbewältigung (Abbau von Spannungen) gilt als ein Hauptmotiv für Drogenkonsum. Einzig bei der Alkoholsucht hat man etwas konkretere Vorstellungen. Hier hat man Hinweise gefunden, dass der jeweilige Genotyp Einfluss auf die Produktion des Enzyms alcohol dehydrogenase hat, welches eine Schlüsselrolle in der Anfälligkeit für Alkoholismus einnimmt. Weiterhin vermutet man, dass genetische Variationen bestimmter Rezeptoren die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Alkoholismus erhöhen.

Hier ist eine der Studien, die sich mit der Vererbbarkeit von Drogensucht beschäftigen.
Kurze Übersicht zur Drogensucht
Wikipediaartikel zur Anfälligkeit für Drogensucht (Englisch)
Studie zu genetischen Unterschieden und Sucht (relativ kompliziert)



@Spambot

... also Danke für die links, aber - die sind doch eher unbefriedigend und beantworten meine Frage

Zitat
Die Vererbung einer Anfälligkeit für Drogen unterscheidet sich nach der Drogenart. Opiate (Heroin) und Kokain haben die höchste Chance einer Vererbung, gefolgt von Alkohol, Nikotin und Koffein.

@Spambot


... kannst du das bitte noch etwas genauer erläutern - inwiefern, d.h. wie vererbt sich eine Anfälligkeit für Drogen und das auch noch je nach Droge unterschiedlich? Wie läuft das ab, was findet da wie/wo genau statt? Und woran kann man die erhöhte Vererbung für Drogen wie Heroin und Kokain "ablesen"/feststellen?


leider nicht.

Die ersten beiden links sagen zur Vererbung überhaupt nichts - und um eine allgemeine Übersicht hatte ich ja nicht gebeten, sondern hatte dir speziell zur Vererbbarkeit von Sucht (von der du schriebst) eine Frage gestellt.
Der letzte/dritte link ... - also sorry, ich werde mir nun nicht mehrere Seiten (!) in englischer Sprache durchlesen, bis ich dort irgendwo etwas zur Vererbbarkeit von Sucht finde. Da du aber die Literatur ja kennst - vielleicht könntes du kurz in eigenen Worten etwas dazu sagen?

Das ist bisher ja nicht geschehen - auch in deiner letzten Antwort (s.o.) nicht, denn du schriebst:

Zitat
Man mißt also nur das Ergebnis dieses Prozesses, ohne genau die Ursachen zu kennen.

Also das ist alles doch eher wenig aussagekräftig bzw. unbefriedigend. Und daher sollte man dann doch mit Aussagen zur Vererbbarkeit von Sucht vorsichtig sein - solange man doch nichts Genaues weiß - oder? ;)

Bei dir hörte es sich aber eben so an, als wüsstest du genau, wovon du sprichst - siehe hier:

Zitat
Die Vererbung einer Anfälligkeit für Drogen unterscheidet sich nach der Drogenart.


... Als wüsstest du also sehr wohl, welches Geschehen (auf genetischer Ebene?!?) hier genau zugrunde liegt. Dem ist aber doch nicht der Fall, wie ich deiner letzten Antwort entnehme. Oder?

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Kallisti

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Re: Sucht
« Antwort #51 am: 25 September 2010, 11:22:20 »

... Da finde ich (zur "allgemeinen Info über Drogen und Sucht") meinen link (siehe einer meiner Anfangsbeiträge):

http://www.neurobiologie.fu-berlin.de/gruenewald/Sucht_und_Gehirn-2007/sucht_und_gehirn.html


mindestens genauso informativ - und das in deutscher Sprache! :)
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Spambot

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Re: Sucht
« Antwort #52 am: 25 September 2010, 17:27:20 »

@ Kallisti:
Soweit ich weiß, ist man gerade erst dabei die genetischen Zusammenhänge zu verstehen. Daher wird es vermutlich keine befriedigende Antwort auf deine Frage geben. Man kann zwar nachweisen, dass es einen genetischen Faktor gibt, dies erklärt aber nicht wie diese Prozesse im Detail (auf die Genetik bezogen) ablaufen. Vielleicht bin ich da aber auch nicht auf dem neusten Stand - ich bin weder Biologe/Genetiker noch Mediziner. Die Ausführungen zur Vererbung in meinen Büchern sind meist nur wenige Absätze in einem einzelnen Kapitel, dass sich mit den neurologischen Prozessen der verschiedenen Drogen beschäftigt. Hab also auch nur Grundkenntnisse in Genetik.
Auf den ersten Blick untersucht die Studie über Molekulargenetik und die Vererbung von Suchtverhalten einzelne Gene und ihre Variationen und kommt zu dem Ergebnis, dass die genetische Prädispostion für bestimmte Drogenabhängigkeiten in allen Ethnien und Rassen vorkommen. Es werden dann noch einige Gene und ihre Bedeutung für den Phenotyp (Ausprägungform bestimmter Charaktereigenschaften/Drogenanfälligkeit) diskutiert. Dazu gehören auch Gene und Genkombinationen, die auf die Vererbung bestimmter psychischer Störungen/Eigenschaften (Autismus, Schizophrenie, kognitive Eigenschaften, Depressionen etc.) Einfluß haben. Ein Genetiker könnte möglicherweise mit einigen dieser Ergebnissen und einer Bestimmung des Genotyps eine individualisierte Wahrscheinlichkeit für die Empfänglichkeit bestimmter Drogen errechnen. Dies kann ich aber nicht mit Sicherheit sagen, da es eindeutig meine Fachkenntnisse überschreitet.
Die Unterscheidung von Drogentypen bei der Vererbung hatte ich übrigens aus den von mir verlinkten Zwillingstudien übernommen (z.B. die von Goldman et al). Das sind aber reine Korrelationsstudien.
« Letzte Änderung: 25 September 2010, 17:37:32 von Spambot »
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