Schon kurios. Da frage ich mich, wieviel ich von der jetzigen Zeit vergessen werde? Auf jeden Fall habe ich schon ganz viel aus dem bewussten Erinnern verloren, was z.B. in der Studienzeit war. Irgendwie erschreckend, sich selbst so zu verlieren...
Die Frage habe ich mir während der Studienzeit auch gestellt und deswegen angefangen Tagebuch zu führen. Vorne habe ich sinngemäß reingeschrieben: Damit ich auch später noch mal nachlesen kann, dass ich eine schöne Zeit hatte, und damit ich später mal weiß, was ich mit meiner (Lebens-)Zeit angefangen habe. Zitat: "Dies ist mein Leben, und ich will es festhalten, nicht vergessen." Das habe ich seitdem über viele Jahre durchgehalten, mal regelmäßig, mal sporadisch. Zurzeit nicht.
Einerseits ist es wirklich erschreckend, wieviel ich bereits wieder vergessen habe. Sogar manche Dinge, die mir damals unheimlich wichtig erschienen. Erschreckend fand ich aber auch, was es für Dinge sind, die einem manchmal weltbewegend vorkommen, und im Nachhinein sind es nur Lappalien... Die Zeit hat die Perspektive verschoben.
Es war für mich sehr interessant und aufschlussreich, bestimmte Zeiten meines Lebens quasi noch einmal zu erleben. Leider klaffen zwischendurch immer wieder große Lücken. Inzwischen tendiere ich leider dazu, nur noch selten und wenn, dann eher größere Ereignisse aufzuschreiben: Geburt des Neffen, Todesfälle, die MS-Diagnose; also Dinge, an die ich mich wahrscheinlich sowieso sehr gut erinnern werde. Dabei fand ich doch gerade die kleinen vergessenen Details des Alltags überraschend und unterhaltsam...
Ich habe beim Schreiben teilweise sogar versucht mein zukünftiges Selbst zu manipulieren... Damit, dass ich ganz bestimmte Dinge besonders detailliert beschrieben und hervorgehoben habe. Beispielsweise, wie mich ein Teil meiner Familie behandelt hat, damit ich beim Tod derjenigen nicht allzu sehr trauere. (Noch leben die alle, ich weiß also nicht, ob es funktioniert...
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"Sich selbst so zu verlieren", das trifft es auf eine bestimmte Weise schon, finde ich. Es tröstet auch nicht sehr zu wissen, dass immer wieder neue Eindrücke dazu kommen und man wieder ein neues Stück Selbst gewinnt. Mich tröstet allerdings ein wenig zu wissen, dass viele vergessene Dinge aus heutiger Sicht auch gar nicht wirklich bedeutungsvoll waren...
Vielleicht ist die Erinnerung eher wie ein Komposthaufen; manches wird zu fruchtbarem Humus, einiges fault und stinkt noch lange, vieles spült der Regen einfach fort... (Hm, ich glaube langsam, ich wohne schon zu lange auf dem Land.
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