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Thilo Sarrazin

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Tialys:


Nu ist der Herr Sarrazin selbst aus der Bundesbank ausgetreten... Schade, wäre doch neugierig gewesen, wie unser neuer Bundespräsident da entschieden hätte bzw. mit welchen Rechtfertigungen ^^

messie:
So viel Kohle wie er durch sein Buch jetzt verdient hat, braucht er ja den Job nun auch nicht mehr.  :D

l3xi:
In der SZ war heute folgendes zu lesen:

--- Zitat ---Das wirklich Perverseste, was man in der sogenannten deutschen Debattenkultur in letzter Zeit hören konnte, hat der Bundesbank-Vorstand und ehemalige Berliner SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin vor Kurzem einem SZ-Reporter gesagt.
[...]
Es ging um die Frage, woher Sarrazins viel zitierte, im Brustton der Faktizität vorgetragene Behauptung eigentlich kommt, dass siebzig Prozent der türkischen und neunzig Prozent der arabischen Bevölkerung Berlins den Staat ablehnten und in großen Teilen weder integrationswillig noch integrationsfähig seien. Sarrazin gab zu, dass er keinerlei Statistiken dazu habe. Er gab zu, dass es solche Statistiken auch gar nicht gibt.

Bisher hat schlichtweg kein Meinungsforscher der türkischen und arabischen Bevölkerung Berlins diese Frage gestellt. Thilo Sarrazin behauptet also etwas, von dem er schlicht und einfach nichts weiß. Wenn man aber keine Zahl hat, erklärte Sarrazin dem Reporter weiter, muss »man eine schöpfen, die in die richtige Richtung weist, und wenn sie keiner widerlegen kann, dann setze ich mich mit meiner Schätzung durch«.

--- Ende Zitat ---


Das die Bundesbank klein bei gegeben hat und alle Vorwürfe zurückzieht ist indess besonders schlimm, weil damit die inhaltliche Auseinandersetzung seitens Bundespräsident und Bundeskanzlerin im Grunde überflüssig wird. Man wird es feige im Sand verlaufen lassen und Sarrazin darf sich als Märtyrer weiter verkaufen. Oben drauf kommt als Sahnehaube dann natürlich noch, dass ein jeder ab sofort offen seine hetzerischen Parolen ungefiltert nachplappern kann ohne sich damit auseinanderzusetzen. Weil ist ja alles total legitim und freie Meinungsäußerung etc. und der Mann hat ja Recht und musste dafür seinen Hut nehmen. Es ist so verdammt traurig.

Der Blogger Roberto J. De Lapuente hat zu dem Thema u.a. folgendes geschrieben:


--- Zitat ---[...]Ich fürchte mich vor dem was kommt. Als ich sah, mit welcher Aufmerksamkeit man Sarrazins Buchpräsentation belohnte, gesellte sich zur der Furcht auch noch Abscheu und ein empfindlich beleidigtes Gerechtigkeitsgefühl. Wie kann man einem solchen Schmierfinken, einem solchen Aufwiegler und Lügenbaron, diese literarische Achtsamkeit entgegenbringen? Selbst ein Grass bekommt für der Veröffentlichung eines neuen Buches keinen solchen großen Bahnhof. Ist NTV und BILD vor Ort, wenn Grass aus seinem neuesten Werk liest? Und dann gibt es solche Verfasser wie mich, die sich mühen, die versuchen ein Mindestmaß an Qualität zu bewahren... und was muß man dann sehen: einen gestrigen Charakter, der vorgestrige Lehren bemüht, dafür sogar noch Applaus und Publizität erntet!
Man fühlt sich zwangsläufig beleidigt, zurückgesetzt. Ich behaupte sogar, selbst ein Grass sitzt fassungslos daheim. Jedenfalls will ich es mir einbilden, dass es so ist. Grass, sich grämend, sich fragend, für was die Kunst der Worte zu bemühen sei, wenn schreiberische Berühmtheit auch mit Dreck erlangt werden könne. Man muß kein Freund von Grass sein, seine Bücher nicht mögen: aber er veröffentlicht keine Bücherdeckel, zwischen denen irgendwelche Scheiße gebunden ist. Er schafft Kunst, bietet hohes Niveau. Wenn schon Massenansturm, dann für Leute wie Grass - stattdessen muß man zusehen, wie man einen Stümper hofiert, in den Arsch kriecht, im Absatzzahlen sichert. Welche Beleidigung für den letzten Rest deutschen Intellektualismus!
[...]

--- Ende Zitat ---
Es ist etwas länger, ja. Aber ich finde, es lohnt sich, das man sich die Zeit nimmt und den Text komplett liest.

CubistVowel:

--- Zitat von: l3xi am 10 September 2010, 10:52:47 ---Wenn man aber keine Zahl hat, erklärte Sarrazin dem Reporter weiter, muss »man eine schöpfen, die in die richtige Richtung weist, und wenn sie keiner widerlegen kann, dann setze ich mich mit meiner Schätzung durch«.
--- Ende Zitat ---

Da kann man wirklich nur den Kopf schütteln und noch ein bisschen weiter zitieren:
--- Zitat ---Muss man dieses und jenes nicht mal sagen dürfen? Die Debatte in Gang bringen? Ist Drüberreden nicht besser als Nichtdrüberreden? Ich sage inzwischen: Nein. Ich sage: Guido, Thilo, Maul halten. Angesichts dieser Debattenkultur wirken Verschweigen, Aussitzen und Weiterwursteln wie rationale, humane und weise Alternativen.
--- Ende Zitat ---

Simia:

--- Zitat von: l3xi am 10 September 2010, 10:52:47 ---Thilo Sarrazin behauptet also etwas, von dem er schlicht und einfach nichts weiß. Wenn man aber keine Zahl hat, erklärte Sarrazin dem Reporter weiter, muss »man eine schöpfen, die in die richtige Richtung weist, und wenn sie keiner widerlegen kann, dann setze ich mich mit meiner Schätzung durch«.

--- Ende Zitat ---

Das ist das Problem. Die Meinungsfreiheit darf auf keinen Fall angetastet werden. Aber sowas ist miesester Stil, zumal Meinungen in der öffentlichen Wahrnehmung sowieso gern schon als mehr als nur Meinungen - nämlich Tatsachen - angesehen werden, wenn sie nur besonders laut oder treffsicher platziert werden. Ein guter Autor sollte wissen, wo er kreativ sein darf und wo besser nicht.

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