Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit  (Gelesen 91311 mal)

CubistVowel

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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #90 am: 30 September 2010, 14:45:47 »

Tatsächlich hat die Bundesregierung so einige Positionen ersatzlos (und scheinbar willkürlich) aus der Liste gestrichen, so dass sich laut Gegen-Hartz.de eine Gesamt-Kürzung von 28,99 € ergibt. Unter anderem auch Zimmerpflanzen und, wie bekannt, Alkohol und Tabak. (Was meiner Meinung nach wirklich nicht zum Existenzminimum gehört. Aber bisher hat man ggf. das Geld eben für andere Zwecke verbraucht. Eine Kürzung ist eine Kürzung.)

http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-regelsatz-wird-um-2899-euro-gekuerzt-2011.php
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PlumBum

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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #91 am: 30 September 2010, 16:09:28 »

Ich hab mir jetzt nicht alles hier bis ins kleinste durchgelesen und finde es auch ein leidiges Thema, sich über kühl kalkulierte, mathematisch faire Regelsätze zu unterhalten.

Nachdem ich heute morgen schon ein Hörspiel des "Manifest der Kommunistischen Partei" nach Karl Marx/Friedrich Engels gehört habe, fiel mehr wieder einmal auf, wie sehr sich unsere heutige Gesellschaftliche Situation, dem dort beschriebenen wieder einmal annähert.

Es geht darin ja unter anderem darum, das sich die Bourgeoisie selbst zum Untergang verurteilt, dadurch das sie den ihnen untergebenen Klassen die Existenzgrundlage entzieht. Denn eine Klasse kann nur so lange herrschen, wie sie den beherrschten die Möglichkeit gibt, ihren Lebensstandard zu erhalten und ihnen nicht die Existenzgrundlage entzieht.
Die Bourgeoisie nährt sich immer weiter an allen ihnen untergebenen. Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer. Irgendwann kommt der Umbruch. Das Proletariat muss von der Bourgeoisie künstlich aufrecht erhalten werden, wenn dieses sich nicht mehr selbst erhalten kann. Womit dann eben die Bourgeoisie zum Untergang verurteilt wäre.

Also frei wiedergegeben.

Worauf ich hinaus will... brauchen wir langsam mal wieder eine richtige Revolution? So mit Bürgerkrieg und sowas?
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Spambot

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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #92 am: 30 September 2010, 16:33:01 »

Worauf ich hinaus will... brauchen wir langsam mal wieder eine richtige Revolution? So mit Bürgerkrieg und sowas?

Nein. Die Situation ist nicht mal annähernd mit der Situation zu Zeiten von Marx und Engels vergleichbar. Die beiden gingen damals auch von einigen Annahmen aus, die heute nicht mehr haltbar sind. Und selbst damals war die kommunistische Revolution eine äußerst schlechte Idee. Das kommunistische Paradies mit all seinen Vorzügen kann man noch in Nordkorea und Kuba bewundern. Alle anderen Völker haben dieses Projekt bereits aus guten Gründen aufgegeben.
Bei uns hat jeder die Möglichkeit eine Partei zu gründen und damit bestimmte Interessen demokratisch durchzusetzen, wenn es denn die Mehrheit will. Jeder darf eine Demo organisieren. Gerwerkschaften können Löhne mit den Arbeitgebern aushandeln. Das Streikrecht ist garantiert. Ein gewalttätiger Umbruch könnte also nur das Ziel der Abschaffung der Demokratie haben.
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PlumBum

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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #93 am: 30 September 2010, 17:23:55 »

Worauf ich hinaus will... brauchen wir langsam mal wieder eine richtige Revolution? So mit Bürgerkrieg und sowas?

Nein. Die Situation ist nicht mal annähernd mit der Situation zu Zeiten von Marx und Engels vergleichbar. Die beiden gingen damals auch von einigen Annahmen aus, die heute nicht mehr haltbar sind. Und selbst damals war die kommunistische Revolution eine äußerst schlechte Idee. Das kommunistische Paradies mit all seinen Vorzügen kann man noch in Nordkorea und Kuba bewundern. Alle anderen Völker haben dieses Projekt bereits aus guten Gründen aufgegeben.
Bei uns hat jeder die Möglichkeit eine Partei zu gründen und damit bestimmte Interessen demokratisch durchzusetzen, wenn es denn die Mehrheit will. Jeder darf eine Demo organisieren. Gerwerkschaften können Löhne mit den Arbeitgebern aushandeln. Das Streikrecht ist garantiert. Ein gewalttätiger Umbruch könnte also nur das Ziel der Abschaffung der Demokratie haben.
Ehm nein! Also NEIN! Oder anders gesagt: nein.

Ich habe nicht davon gesprochen, das wir hier den Kommunismus einführen sollten. Von Gewalttätigem Umbruch ist auch nicht die Rede. Es geht auch nicht um das was in Nordkorea oder Kuba los ist. Was anderswo als Kommunismus praktiziert wurde oder ähnliches. Das ganze basiert sogar noch viel mehr auf einer zeitgenössischen Betrachtung Englands (also das hier: http://www.argument.de/wissenschaft/manifest.html). Ich habe nur die in dem Manifest beschriebene Situation ein wenig mit der momentanen Gesellschaftlichen Situation verglichen. Klar es ist noch ein wenig anders... aber wie viel und wie lange noch. Es gibt da ja alle möglichen verschiedenen Vorhersagemodelle. Je nachdem welcher gefälschten Statistik man am liebsten glauben möchte. Vielleicht sind wir gar nicht so weit davon entfernt. Die zwei Klassen Gesellschaft ist ja nicht nur hier ein großes Thema.

Klar geh ich wählen. Aber trotzdem fühle ich mich immer seltener von den Politikern wirklich vertreten.
Die Politik ist in der Hand verschiedener großer Wirtschaftslobbys. Der Sozialstaat bröckelt.

Und wenn ich hier gerade auch in diesem Thread so die eine oder andere Ausführung lese, sehe ich da eben schon deutliche Parallelen. Die Hartz IV Empfänger als neue, unterste Klasse unserer Gesellschaft. Auch wenn es noch lange nicht zum großen Umbruch reicht, ist es noch lange kein Grund die Situation immer weiter systematisch zu verschlechtern.
« Letzte Änderung: 30 September 2010, 17:27:24 von PlumBum »
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Spambot

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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #94 am: 30 September 2010, 21:18:52 »

Der Sozialstaat wird tatsächlich irgendwann mal bröckeln. Auch wenn es für Betroffene anders erscheinen mag, leistet sich Deutschland einen im internationalen Vergleich relativ großzügigen Sozialstaat. Wenn sich die demographische Bevölkerungsentwicklung weiter wie bisher fortsetzt, wird die Finanzierung immer schwieriger. Die abnehmende Anzahl erwerbstätiger Menschen bei gleichzeitig (im Schnitt) mindestens konstanter Anzahl der Empfänger von Transferleistungen bleibt nur finanzierbar, wenn man die Ausgaben pro Empfänger kürzt. Da direkte Kürzungen sehr unbeliebt sind, wird halt indirekt gekürzt (z.B. kein Inflationsaugleich, höhere Mehrwertsteuer, Praxisgebühr).
Nun könnte man natürlich sagen, dass der Staat das Geld aus Steuereinnahmen nur anders verteilen müsste, damit man die Höhe der Transferleistungen zumindest konstant halten kann oder sie vielleicht sogar erhöht. Nur wo soll man das Geld einsparen? Der Haushalt für Sozialausgaben ist bereits der größte Posten im Haushaltsgesetz.
Angenommen, eine Regierung hat die Möglichkeit die Höhe von Transferleistungen deutlich zu erhöhen (z.B. durch höhere Steuereinnahmen oder Umschichtungen im Haushalt). Sie wird dies sehr wahrscheinlich trotzdem nicht tun, da sich ab einer bestimmten Grenze die Erwerbstätigkeit in zahlreichen Branchen mit sehr niedrigen Einkommen für das Individuum nicht mehr lohnen würde. Also würde die Erhöhung gleichzeitig auch die Anzahl der Leistungsempfänger erhöhen, was den Staat erneut vor ein unlösbares Finanzierungsproblem stellt. Nun gut, dann könnte man ja über Mindestlöhne das Lohnniveau dieser Beschäftigten soweit steigern, dass es sich doch wieder lohnt arbeiten zu gehen. Das wäre dann eine win-win Situation. Und da sind wir dann doch wieder bei der Systemfrage angekommen, denn ausreichend hohe Mindestlöhne sind in einer Marktwirtschaft äußerst problematisch.
In der Marktwirtschaft muß alles einen Gegenwert haben, den jemand bereit ist zu zahlen. Dies gilt auch für Arbeit. Zur Realisierung von Mindestlöhnen gibt es 2 Möglichkeiten: 1. Der Staat gleicht zwischen dem marktwirtschaftlich realistischen Einkommen und dem Mindestlohn aus (wie die derzeitigen Aufstocker) 2. Der Staat zwingt Arbeitgeber (alle oder nur gewisse Branchen) per Gesetz ein bestimmtes Lohnniveau (welches eventuell mit den Gerwerkschaften ausgehandelt wurde) zu bezahlen und setzt dieses dann auch durch. Variante 1 führt wieder zu einem drastischen Finanzierungsproblem durch mehr zusätzliche Leistungsempfänger und einer Verstärkung bürokratischer Strukturen. Schon jetzt zahlt der Staat jährlich 9,2 Mrd Euro für die Verwaltungsgebühren (SGB II). Variante 2 ist nicht weniger problematisch, da nicht nur die Tarifautonomie untergraben wird, sondern auch Waren und Dienstleistungen künstlich verteuert werden. Selbst ein hoher Mindestlohn wie in Frankreich, wo ca. 1000 Euro netto (ca. 8,50 Euro pro Stunde brutto) gesetzlich vorgeschrieben ist, erzeugt nur eine geringe Differenz zur Höhe von Transferleistungen, wenn man diese merklich erhöhen würde. Schon jetzt kann die Summe der Transferleistungen (ohne Krankenversicherung) in Hamburg leicht 800 Euro übersteigen (Regelsatz + Kaltmiete + Warmwasser + GEZ etc.). Hinzu kommt die Gefahr, dass ein hoher Mindestlohn Arbeitsplätze vernichtet und damit wieder die Zahl der Empfänger von Transferleistungen erhöht.
Einen einfachen und sicheren Weg zur Erhöhung von Transfereistungen gibt es daher nicht. Ich persönlich glaube auch nicht, dass die Oppositionsparteien weniger schlecht in Regierungsverantwortung arbeiten würden. Aus der Opposition heraus ist es immer leicht unrealistische Forderungen zu stellen.

Die Höhe von Leistungen für Empfänger von Sozialgeld (also Personen, die gar nicht erwerbsfähig sind) ist von diesen oben genannten Überlegungen natürlich ausgenommen, da kein Anreiz zur Aufnahme einer Beschäftigung aufrecht erhalten werden muß. Die Festlegung dieser Sätze ist tatsächlich relativ willkürlich und richtet sich vermutlich hauptsächlich nach Kassenlage. Da diese Sätze auf Dauer bezahlt werden, sollten sie in meinen Augen etwas höher sein als ALG-II Leistungen für erwerbsfähige Personen, die prinzipiell als temporäre Lösung gedacht sind. Der zynische Hinweis, man hätte ja eine Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen können, nützt diesen Menschen im Nachhinein auch nichts.
 
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Kallisti

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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #95 am: 12 Oktober 2010, 23:56:25 »

@Spambot


... das ist alles zutreffend.  :)    :-\

Und ist das

Zitat
Der Sozialstaat wird tatsächlich irgendwann mal bröckeln.

nicht bereits der Fall/im Verlauf?! Was schon lange abzusehen war. Oder nicht?

Habe nun nur dein (letztes) posting gelesen, deshalb die Frage (weiß nicht, ob es in diesem thread schon darum ging): Wäre dem nicht abzuhelfen mit einem "bedingungslosen" Grundeinkommen? Vor allem auch diesbezüglich

Zitat
Schon jetzt zahlt der Staat jährlich 9,2 Mrd Euro für die Verwaltungsgebühren (SGB II)
(Spambot)

eine nicht unerhebliche Einsparung? (Btw. woher hast du diese Zahl? Rein aus Neugier. ;) )

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messie

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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #96 am: 13 Oktober 2010, 00:04:18 »

Zitat
Btw. woher hast du diese Zahl?

Öhm, die Zahl war ein Link. Mussu nur draufklicken.  8)

Für ein bedingungsloses Grundeinkommen bin ich btw. nicht, wohl aber für Mindestlöhne. "Arbeit muss sich lohnen" (O-Ton Westerwelle) kommt nicht so gut, wenn der 40-Stunden-Arbeiter 50 Cent im Monat mehr verdient als der 0-Stunden-Arbeiter ... und nein, das funktioniert nicht über das Absenken der ALGII-Sätze, sondern doch eher durch Anhebung der Mindestlöhne und damit der Ausrottung von Ausbeutungslöhnen, aus verschiedenen Gründen. Die Erhöhung der Summe die verkonsumiert wird und der damit einhergehenden Ankurbelung der Wirtschaft ist nur einer davon.
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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #97 am: 13 Oktober 2010, 00:17:44 »

Zitat
Dann noch mal weiter aufgedröselt:

22,78€ für Verkehr ... dafür gibt's im Monat nicht mal ne CC-Karte für 1 (!) Zone im Abo (günstigster Tarif). Für Großstädte, insbesondere Hamburg, München oder Frankfurt, ist da der Bedarf definitiv zu niedrig. 40,40€ (CC-Karte im Abo für den Großbereich) wären da realistischer.

Bildung, 1,39€ -  Lächelnd - also 1x/Jahr ein Fachbuch kaufen? Zwinkernd

Energie- und Wohnungsinstandshaltung ist mit 30,74 recht knapp bemessen: Damit muss schließlich die Stromrechnung bezahlt werden, da bleibt i.d.R. für den Rest nix mehr. Geht mal eine Glühbirne kaputt, wird eine neue Energiesparlampe das Budget bereits übersteigen.

Gesundheitspflege: 15,55 Euro. Hmm, ok, das könnte hinkommen. Auch wenn richtig gut riechen so natürlich nicht klappt, aber übertreiben wir's mal nicht. Zwinkernd

Freizeit, Unterhaltung, Kultur: 39,96 Euro. Durchaus realistisch, von einer "sozialen Vereinsamung" kann hier nun nicht geredet werden ... logischerweise auf niedrigem Niveau (Theater etc. sind tabu), aber wer ein hohes einfordert ist da nicht Realist.

Bekleidung und Schuhe: 30,40 Euro - im Second-Hand-Bereich klappt's. Würde man die Sachen neu brauchen, nicht. Bei Kindern allerdings klappt's definitiv nicht, die wachsen bekanntlich in nullkommanix aus ihren Klamotten 'raus. Erwachsene müssen ihre Sachen halt abtragen oder eben schon Getragenes an haben.

Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen: 7,16 Euro - also 1x/Monat inne Kneipe, 2-3 Getränke (2 Cola, 1 Wasser) trinken, das war's. Da dürfte man wohl vom "Freizeit"-Pool 'was rüberschieben müssen ...

Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände: 27,41 Euro - Spannender Posten! Wie oft gehen solche Geräte kaputt? Ich vermute, dass da einiges abgewohnt werden muss, damit dieser Betrag dauerhaft ausreicht. Aber gut, dafür müssen die Leute auch nicht arbeiten, um es sich dann später leisten zu können.

Andere Waren und Dienstleistungen: 26,50 Euro - damit sind vermutlich der Friseur und jene Rücklagen gemeint die man bilden soll, wenn mal was Größeres kaputtgeht. Darüber lässt sich jetzt nun trefflich streiten: 1 PC kostet 300 Euro (niedrig gerechnet), eine Waschmaschine nicht viel weniger. Also soll das Geld gespart werden, um Geräte wuppen zu können, wenn sie kaputt gehen ...? Ich sage es mal so: Gewagte These, dass man damit hinkommt.

Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke: 128,46 Euro - dazu sagte ich weiter oben schon etwas: Es ist gar nicht mal unrealistisch gerechnet, das.  Wirklich gesund kochen lässt sich damit nun nicht über den ganzen Monat (dazu ist Obst+Gemüse einfach verdammt teuer), aber wenn man an Organisationen wie die Hamburger Tafel denkt, könnte das selbst dann hinkommen.
Nur: Ist es wirklich Sinn der Sache, einen Warenkorb auszurechnen, der Leute entweder nicht besonders gesund leben lässt oder auf Almosen angewiesen sein lässt ...? Auch das ist eine offene Frage.

-------------

Nachdem ich mir das jetzt mal genauer angesehen habe, muss ich sagen:
Die Empörung (auch meine eigene) bezüglich Internet lässt sich nicht halten. Mit Telefon zusammengezogen reicht das Geld dafür aus.
Lebensmittel betreffend ist es nicht üppig, aber machbar. Kein Warenkorb, der zum Hungern einlädt.
Viele Posten sind perspektivabhängig, da kann man drüber streiten, muss man aber nicht.

Wo es m.E. definitiv hakt, sind die Posten "Verkehr" und "Bildung". Ersteres betreffend sind Städter eindeutig benachteiligt, Letzteres betreffend hat jemand, der sich weiterbilden möchte oder muss, keine Chance. Nicht alles lässt sich im Internet machen. Selbst, wer nur einen Bibliotheksausweis beantragt um sich Fachbücher ausleihen zu können, zahlt bei der geringen Summe monatlich bereits drauf.
Ebenso halte ich die Wohnungs/Energiekosten sowie vor allem für Hamburg die Verkehrskosten zu niedrig. Mobilität ist wichtig, man denke nur an Vorstellungsgespräche und Bewerbungen, die besser persönlich abgegeben werden wollen, und wenn "Gaststättendienstleistungen" drin sind, muss man zur Gaststätte ja auch erstmal hinkommen ...

Selbst wenn ich kleinkariert rechne, komme ich auf einen Mehrbedarf für Hamburg von mindestens:

17,22€ Verkehr
3,61€ für Bildung (1 Fachbuch a´15 Euro alle 3 Monate)
4,76€ Energie (konservativ geschätzt angesichts dessen, dass jene die viel zuhause sind, auch mehr Strom im Monat verbrauchen)
0,69€ Praxisgebühr,

also 26,28€, abgerundet 26€, bzw. 31€ im Vergleich zu jetzt.

Es versteht sich aber von selbst, dass eine derartige Erhöhung nur in Kombination mit Mindestlöhnen machbar ist. Es sind derzeit viel zu viele Jobs viel zu dicht am ALGII-Niveau dran, als dass sich eine so starke Erhöhung rechtfertigen ließe, da dann tatsächlich so einige Menschen auf einmal Aufstocker wären, weil sie weniger verdienen.


Das ist ja mal eine akribische Aufstellung! ;)


Was ist aber bei den "Wohnungsinstandhaltungskosten" mit all den Dingen, die kaputt gehen (können)? Eben Elektro-Klein- und -großgeräte (Waschmaschine, Herd, Kühlschrank, Staubsauger, Radio/CD-Player, TV, PC ...)? Wieviel soll denn da (wovon) monatlich (?) gespart werden? Und was, wenn gleich mehrere (zwei ist realistisch) Großgeräte defekt sind?

Und was ist mit Porto-Kosten (für privaten oder behördlichen Briefwechsel oder den mit Dienstleistern etc.)? Und wie verhält es sich mit Putz-/Waschmittel? Und was ist mit gelegentlichen Geschenken für Freunde oder Freunde der Kinder (z.B. zu Geburtstagen)? Und wieviel soll für Kindergeburtstag und Weihnachten monatlich angespart bzw. wieviel darf dafür ausgegeben werden?

Und wie ist das mit Hobbies/Freizeitaktivitäten der Kinder (z.B. Sportverein) - worunter ist das subsumiert?

Ach so und: die vorgesehene, kalkulierte Kohle für Nahrungsmittel ist (für meine Verhältnisse) absolut unrealistisch - bei mir geht mtl. das meiste Geld für feste laufende Kosten (Miete, Strom, Telefon) und Ernährung drauf. Allerdings kaufe ich aus gesundheitlichen Gründen auch so gut wie nie bei Discountern und auch nur selten in Supermärkten ein (wobei Letztere schon ziemlich teuer sind).

Ebenso verhält es sich mit dem Geld für Bildung - ein "Gehirn und Geist" oder "Spektrum der Wissenschaft" kostet zwischen €7,- und €12,-. Von Zeitungsabonnement fang ich gar nicht erst an. Und Bücher kosten auch Secondhand noch meistens mehr als €5,- (je nach Buch und Aktualität zwei- bis sechmal so viel). - Oder läuft das unter "Kultur" (bzw. "Freizeit")?

Ja und der Posten Verkehr is auch völlig an der Realität vorbei.

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Kallisti

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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #98 am: 13 Oktober 2010, 00:19:03 »

Zitat
Öhm, die Zahl war ein Link. Mussu nur draufklicken.  Cool

messie - ja, sorry - ich hab geschlafen. ;)
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messie

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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #99 am: 13 Oktober 2010, 00:42:33 »

Zitat
Was ist aber bei den "Wohnungsinstandhaltungskosten" mit all den Dingen, die kaputt gehen (können)?

Ich zitiere mich da mal selbst:

Zitat
Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände: 27,41 Euro - Spannender Posten! Wie oft gehen solche Geräte kaputt? Ich vermute, dass da einiges abgewohnt werden muss, damit dieser Betrag dauerhaft ausreicht. Aber gut, dafür müssen die Leute auch nicht arbeiten, um es sich dann später leisten zu können.

;)
Oder geht bei dir jeden Monat etwas für knapp 30 Euro kaputt ...?  8)

Zitat
Und was ist mit Porto-Kosten (für privaten oder behördlichen Briefwechsel oder den mit Dienstleistern etc.)?

Wieso Porto? Du kriegst Fahrtkosten finanziert und hast Zeit ohne Ende, also kannst du da auch rumfahren, um die Briefe persönlich einzuwerfen.  8)
Teure private Briefe in Zeiten des Internets? - Ich bitte dich.  :D

Zitat
Und wie verhält es sich mit Putz-/Waschmittel?

Ist bei der Hygiene mit drin. Genauso wie Toilettenpapier und Zahnpasta, versteht sich.  8)

Zitat
Und was ist mit gelegentlichen Geschenken (...)

Der Staat soll Geschenke mit Steuermitteln finanzieren? Das ist nicht dein Ernst!
(Jep, ich glaube in der Tat, dass Deartiges gewollt nicht finanziert wird im ALGII-Satz.)

Zitat
Und wieviel soll für Kindergeburtstag und Weihnachten monatlich angespart bzw. wieviel darf dafür ausgegeben werden?
Siehe eben.

Zitat
Und wie ist das mit Hobbies/Freizeitaktivitäten der Kinder (z.B. Sportverein) - worunter ist das subsumiert?

Unter den künftigen Gutscheinen für sie.

Zitat
Allerdings kaufe ich aus gesundheitlichen Gründen auch so gut wie nie bei Discountern (...)

Das ist dann aber dein Problem. Wenn du zu teuer einkaufst obwohl dasselbe für billiger geht, dann musst du halt woanders sparen. Du kannst nicht erwarten, dass der Staat dir irgendwelche Gourmetsachen finanziert, nur weil es dir mal eben so gefällt. Nee, die Aldi-Bohnen und -kartoffeln müssen halt reichen. Schließlich verdienst du sie dir ja auch nicht, sondern lässt dir es vom Staat schenken. Geschenkter Gaul und so ...

Zitat
ein "Gehirn und Geist" oder "Spektrum der Wissenschaft" kostet zwischen €7,- und €12,-

Ja, kannst du dir doch leisten. Alle 3 Monate. Den Rest kriegst du mit dem Internet doch schon hin. ;)

---

Ich rechnete das mit Absicht "staatsfreundlich" da oben, weil es klar macht dass selbst dann wenn alle Annahmen der Regierung zuträfen, der Satz dennoch zu klein ist, selbst dann wenn sich der ALGII-Empfänger (in deren Augen) absolut vorbildlich verhalten würde. Sprich: Selbst, wenn du die günstigstmöglichen Möglichkeiten voll ausschöpfen würdest, kämst du trotzdem nicht hin. Das war der Sinn der Übung.  ;)
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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #100 am: 13 Oktober 2010, 10:07:00 »

Zitat
Ich rechnete das mit Absicht "staatsfreundlich" da oben, weil es klar macht dass selbst dann wenn alle Annahmen der Regierung zuträfen, der Satz dennoch zu klein ist, selbst dann wenn sich der ALGII-Empfänger (in deren Augen) absolut vorbildlich verhalten würde. Sprich: Selbst, wenn du die günstigstmöglichen Möglichkeiten voll ausschöpfen würdest, kämst du trotzdem nicht hin. Das war der Sinn der Übung.  Zwinkernd
   
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... is schon klar - ich wollt ja nur nochmal (mit) verdeutlichen, dass das ne blöde Rechnung (des Staates) ist.

Aber hier muss ich auch noch widersprechen:

Zitat
Das ist dann aber dein Problem. Wenn du zu teuer einkaufst obwohl dasselbe für billiger geht, dann musst du halt woanders sparen. Du kannst nicht erwarten, dass der Staat dir irgendwelche Gourmetsachen finanziert, nur weil es dir mal eben so gefällt. Nee, die Aldi-Bohnen und -kartoffeln müssen halt reichen.

Nich "Gourmetsachen", sondern: gesunde Nahrungsmittel! Was es im Discounter zu kaufen gibt, ist zu 95% ungesunder, künstlicher, überflüssiger, krankmachender Industrie-/Chemie-Fraß - das kann man nicht mal als "Food-Design" bezeichnen, sondern als Müllcontainerfutter.

Und im Supermarkt sind es auch noch ca. 80% (Müll, der als "Lebensmittel" verkauft wird - also auf Nahrungsmittel bezogen).

Mit Gourmetkost hat das nicht so viel zu tun (dass ich da nicht/selten einkaufe). ;)
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Kaffeebohne

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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #101 am: 13 Oktober 2010, 11:06:56 »

Zitat
Das ist dann aber dein Problem. Wenn du zu teuer einkaufst obwohl dasselbe für billiger geht, dann musst du halt woanders sparen. Du kannst nicht erwarten, dass der Staat dir irgendwelche Gourmetsachen finanziert, nur weil es dir mal eben so gefällt. Nee, die Aldi-Bohnen und -kartoffeln müssen halt reichen.

Nich "Gourmetsachen", sondern: gesunde Nahrungsmittel! Was es im Discounter zu kaufen gibt, ist zu 95% ungesunder, künstlicher, überflüssiger, krankmachender Industrie-/Chemie-Fraß - das kann man nicht mal als "Food-Design" bezeichnen, sondern als Müllcontainerfutter.

Und im Supermarkt sind es auch noch ca. 80% (Müll, der als "Lebensmittel" verkauft wird - also auf Nahrungsmittel bezogen).

Mit Gourmetkost hat das nicht so viel zu tun (dass ich da nicht/selten einkaufe). ;)
Aber auch im Supermarkt gibt es frisches Gemüse, Nudeln, Obst... Auch mit wenig Geld kann man sich gut ernähren und ist nicht gezwungen, Fertiggerichte zu kaufen.
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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #102 am: 13 Oktober 2010, 13:14:09 »

Naja, ist ja die Frage, was Kallisti für "Müll" hält ... ;)

In dem Warenkorb jedenfalls sind durchaus Obst und Gemüse mit berücksichtigt wie auch Anderes wie z.B. Vollkornbrot etc.. Sicher lässt sich damit jetzt nicht jeden Tag superdupertollgesundundausgewogen kochen, aber dass sich ein ALGII-Empfänger qua Warenkorb ungesund ernähren muss, halte ich auch für ein Gerücht.

Es ist auch nicht alles schlecht, nur weil es vom Discounter kommt: Geschälte Tomaten aus der Dose werden sogar von Spitzenkochs empfohlen, weil sie mehr Nährstoffe als die meisten günstigen frischen haben, und Aldi & Co. sind bei Warentests bei diversen Lebensmitteln aus der Dose auch öfters mal Testsieger.
"Praktisch alles Müll bei Discountern" zu sagen, halte ich für ... gewagt. ;)
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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #103 am: 13 Oktober 2010, 13:38:52 »

Was ist jetzt bei den Biokartoffeln, der Paprika oder der Hühnerbrust von Aldi schlechter als der vom Bauernmarkt?
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Re: ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
« Antwort #104 am: 13 Oktober 2010, 14:37:08 »

Was ist jetzt bei den Biokartoffeln, der Paprika oder der Hühnerbrust von Aldi schlechter als der vom Bauernmarkt?

Pack einfach mal ein kilo "normales" Hackfleisch in eine Bratpfanne und schau Dir die menge an Flüssigkeit an die austritt, wiederhole das ganze mit Biohackfleisch und vergleiche.

Das Giftstoffe die übers Düngen, spritzen usw. beim gewöhnlichen Anbau von Obst/Gemüse in die Lebensmittel gelangen bei Bioprodukten nicht enthalten sind ist ne andere Sache... (wobei nicht alles was man beim Bauern kauft wirklich Bio sein muss)
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