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ALG II: Menschenwürde und Gerechtigkeit
Strigoi_69:
--- Zitat von: CubistVowel am 04 August 2010, 06:51:28 ---
--- Zitat von: Strigoi_69 am 03 August 2010, 19:28:36 ---Wenn ich schon im Videotext lese: "Mit diesen Tricks 50% mehr Arbeitslosen/ Wohngeld!" Das Ausbeuten/ Austricken des Staates- Oh, das sind ja wir alle- ist noch immer schick.
--- Ende Zitat ---
Da bist du aber reingefallen: diese Tricks dienen mit 5,99-Euro-pro-Minute-Faxabrufen etc. nur dem Abzocken der Arbeitslosen selbst... ;)
--- Ende Zitat ---
DAS weiß ich ;) Mir ging es darum, dass es überhaupt angeboten wird. Die Nachfrage scheint ja vorhanden zu sein ;). Mir geht es um die Mentalität der Leute, irgendwo noch was rauszuschlagen. Dabei vergessen sie, dass wir ALLE der Staat sind.
Strigoi_69:
Shit, mein vorheriges ausführliches Posting ist weg. :o Ist das ärgerlich... dann nur ganz kurz: Ich habe als ich gestern mich geäußert habe nur das erste Posting gelesen- hab nen ganzes Weilchen gebraucht und daher erst hinterher die weiteren Kommentare gelesen.
CubistVowel:
--- Zitat von: Philomel am 03 August 2010, 18:51:26 ---Alle Leute, die sich über die "spätrömische Dekadenz" der Hartz IV-Empfänger aufregen, dürfen gern mal ein-zwei Monate mit diesen angeblich so hohen Sätzen leben. Darüber sollten sie mal eine Doku drehen.
--- Ende Zitat ---
Das Problem: ein paar Monate kann man durchaus einigermaßen mit dem Geld auskommen. Eine solche Doku wäre gar nicht hilfreich, weil normalerweise erst nach 1 oder 2 Jahren die ersten wirklichen Probleme auftauchen.
Ich muss jetzt seit einigen Jahren krankheitsbedingt vom Sozialgeld-/Hartz-4-Satz leben. (Ich bekomme eine Voll-Erwerbsminderungsrente, die mit Sozialgeld aufgestockt wird.) Ich kann also aus eigener Erfahrung sprechen.
Ca. ein Jahr lang geht alles ganz ok, man kauft hauptsächlich Lebensmittel und andere Dinge des "täglichen Bedarfs." Man geht eben zum Discounter, zum Sozialkaufhaus, in die Möbelscheunen, auf die Flohmärkte, und auch da kauft man nur das Allernötigste. Auto, Tageszeitung und Mobiltelefon habe ich nicht mehr bzw. nie besessen. Ich rauche auch nicht und trinke so gut wie nie Alkohol. Meine Haare lasse ich seit Jahren einfach wachsen, das spart den Frisör. Ich lebe in einem runtergekommenen Loch, das niemand einem "normalen" Bürger zumuten würde.
Probleme gab es aber schon: Ich vertrage z. B. nur bestimmte, leider teure Körperpflegeprodukte und muss regelmäßig mehrere, ziemlich teure (für meine Verhältnisse) Medikamente selbst kaufen.
Wie gesagt, das funktioniert ein paar Monate oder wenige Jahre. Aber so nach und nach geht es ans Eingemachte: mein PC macht gerade schlapp, der Fernseher ist kaputt, meine alte Stereoanlage schon lange. Das Rad mus repariert werden, die Katzen brauchen eine Impfung und demnächst wohl eine Zahnsteinbehandlung. Eine neue Brille ist längst fällig, das gebraucht gekaufte Sofa von der Möbelscheune ist eklig und stinkt doch zu sehr nach Kellermuff, um es zu behalten, und der Staubsauger, den ich auch gebraucht gekauft habe, schwächelt ebenfalls.
Normalerweise würde ich einiges davon sofort erledigen, auf das andere eben sparen. Ich kann aber nicht sparen. Ich habe es versucht mit dem, was mir am meisten am Herzen lag, und zwar mit den abzusehenden Tierarztkosten. Aber sogar diesen Spartopf musste ich leider wieder auflösen. Und inzwischen muss ich mir auch langsam Gedanken über eine "neue" Waschmaschine machen...
Im Kino, Theater oder Restaurant war ich seit Jahren nicht. Das ist an sich kein Problem, es geht ohne. Das Schlimme ist aber: alle meine Freunde gehen, und zwar ohne mich. Durch Krankheit und Armut verliert man soziale Kontakte. Es nervt nicht nur mich, wenn alles umsonst sein muss, was man machen kann, und auf Dauer wollen wohlhabendere Leute mehr machen als immer nur Spazierengehen etc. Ich würde auch gern mal ein paar von den SHH-Wurstnasen persönlich kennen lernen - aber eine Fahrkarte und irgendein Verzehr kostet einfach zu viel.
Ich bin also seit Jahren nicht mehr ausgegangen. Bis vor einem Jahr war ich noch regelmäßig mit einer Freundin shoppen, aber jetzt nicht mehr. Shoppen ohne zu kaufen: kein Problem! Aber sie will natürlich zwischendurch ins Restaurant oder Café. Zuerst bin ich noch mitgegegangen und habe nichts bestellt, was aber auf Dauer alle Beteiligten nervt. Ich bin dann auch aufs Klo gegangen, um mein mitgebrachtes Mineralwasser zu trinken und ggf. am Waschbecken wieder aufzufüllen. Allein das zu schreiben ist mir schon ziemlich peinlich...und peinlich ist es auch, wenn man immer nur eingeladen wird und sich nie revanchieren kann.
Es geht mir nicht besonders um materielle Dinge, ich war nie reich, im Gegenteil, ich bin es gewohnt von sehr wenig Geld zu leben. Aber wie gesagt, das Schlimmste ist, dass man soziale Kontakte verliert und - gerade hier auf dem Land - so gut wie nichts mehr unternehmen kann. Fast alles kostet. Und es ist auch sehr zermürbend, weil man sich ständig Sorgen um (das nicht vorhandene) Geld macht. Das nimmt auf Dauer viel zu viel Platz im Leben ein. Ich werde auch sehr schwer damit fertig, dass rings um mich alles nach und nach kaputt geht, und ich davon kaum etwas ersetzen kann. Es ist ein bisschen so, als ob sich das eigene Leben auflöst...
Ich bin jetzt 41 und finanziell ganz unten angekommen. Ich kann also in etwa abschätzen, wie Langzeitarbeitslose leben müssen. Und im Gegensatz zu mir leben die auch noch unter einem fürchterlichen Druck durch die Ämter. Wenn ich also täglich von neuem Druck, neuen geplanten Kürzungen, neuen Maßnahmen lese, die diesem "nutzlosen unverschämten Schmarotzerpack" angedacht sind oder schon Wirklichkeit sind, werde ich einfach nur wütend und traurig. Nicht umsonst und zum Glück haben viele Gerichte, auch das Bundesverfassungsgericht, bereits mehrere dieser menschenverachtenden Gesetze aufgehoben, als letztes (glaube ich) die übermäßigen Repressionen bei jungen Menschen unter 25. Ich hoffe, dass dieses unsägliche Gesetzespaket bald in der Versenkung verschwindet oder erheblich nachgebessert wird.
Strigoi_69:
Oh man, dann verstehe ich dein Posting sehr gut. Mir geht es um die wirklichen Schmarotzer und das durch diese der Rest leiden muss. Ich weiß, wie man vom "Amt für Arbeit" getriezt wird und man nur ein Bittsteller ist. Ich hatte mehr Stress damals als jetzt und selbst 3 Jahre nach Jobantritt nervten sie noch! Meine Mama ist auch krank und muss realitätsferne Schulungen mitmachen. Körperlich arbeiten kann sie nicht mehr und mit 54 im Büro? Bei den heutigen Anforderungen- abgesehen vom Alter- hat sie keine Chance.
Es gibt aber eben auch junge, gesunde Leute. Warum setzt man diese nicht für die Säuberung unserer Stadt ein, im Tierheim, der Tafel und in anderen sozialen Einrichtungen? Ist doch zumutbar und sie tun etwas fürs Geld. Es bekommen ja auch Leute Geld, die niemals welches eingezahlt haben- dies können sich nur sehr wenige Länder "leisten".
Auch ich muss sparen, für größere Anschaffungen, Tierarzt (habe eine alte Katze und da sind baldige Kosten auch abzusehen, dies ist mir auch am wichtigsten und es tut mir leid, dass du dafür nichts zurücklegen kannst!)etc.
Kenne es auch, soziale Kontakte zeitweise einschränken zu müssen- einladen lasse ich mich nur sehr, sehr ungern. Zum Glück sind diese Zeiten aber erstmal vorbei...
Finde das Arbeitslosengeld auch viel zu niedrig angesetzt- aber man darf nicht vergessen, dass es nicht selbstverständlich ist. Irgendwann ist auch dafür nix mehr da, da ja unser Land überaltert und die Arbeitskraft abnimmt, wir uns noch mehr verschulden... Bin kein Wirtschaftsexperte- aber die Zukunft macht mir Angst.
Ich hoffe für dich, dass sich deine Situation bald bessert. Vor ein paar Jahren ging es mir auch sehr schlecht, kann es sehr gut nachvollziehen. Hoffentlich bin ich dir nicht zu nahe getreten :-[
Meine Meinung: Es ist nicht im Interesse der Regierung, seine Bürger zu schützen und für ihr Wohlergehen zu sorgen- sondern sie zu lenken, ruhigzustellen und abzukassieren. Die Regierung dient nur ihren eigenen Interessen und der Wirtschaft- aber dies ist ja nicht neu. Wenn man eine Änderung möchte, muss man kämpfen. Aber dafür muss man sich einig sein, stattdessen werden die verschiedenen Schichten/ Nationalitäten gegeneinander aufgehetzt. Fernsehen, Sport ist doch nur Ablenkung- wie damals die Gladiatorenkämpfe ;) Ja, ich weiß, sehr einfach und platt ausgedrückt- habs aber nicht so mit Politik und denke daher eher einfach gestrickt *schäm*. Könnte noch viel mehr schreiben- aber ich möchte nicht für "Volksverhetzung" belangt werden.
Wirklich, alles Gute für dich! Mir ist ein bisschen übel, nicht nur, weil ich heute tatsächlich krank zu Haus bin...
l3xi:
--- Zitat von: Philomel am 03 August 2010, 18:51:26 ---Warum sich die Regierung weiterhin gegen gesetzlich festgelegte Mindestlöhne sträubt, ist mir ein Rätsel.
--- Ende Zitat ---
Weil es nicht in die in die aktuell vorherschende Ideologie hier in Deutschland passt. Da zählt nur "nur niedrige Löhne sind gute Löhne" und "50% Beteiligung an der sozialen Absicherung des abhängig Beschäftigten ist eh Teufelszeug"
--- Zitat von: Strigoi_69 am 03 August 2010, 19:28:36 ---Wenn ich schon im Videotext lese: "Mit diesen Tricks 50% mehr Arbeitslosen/ Wohngeld!" Das Ausbeuten/ Austricken des Staates- Oh, das sind ja wir alle- ist noch immer schick. Und ja, es gibt auch sehr viele Schwarzarbeiter- diese verdienen insgesamt besser als so manche Vollzeitkraft.
--- Ende Zitat ---
Ist da jetzt der Schwarzarbeiter schuld daran, dass da Vollzeitkräfte extrem schlecht bezahlt werden? Mal überlegt, dass an H4 irgendwas falsch sein könnte, wenn Klagewelle um Klagewelle durchrollt und in den meisten Fällen die klagenden H4-Bezieher Recht bekommen und die Regierung da durch einen steinigeren Weg hin zur Klage gegenhält?
Aber wenn ich sowas schon lese:
--- Zitat von: Strigoi_69 am 03 August 2010, 19:28:36 ---Ich bin nicht für die Abschaffung des Sozialstaates, aber für gemeinnützige Arbeit der Leute, die fit und gesund sind. Schließlich leben sie vom Geld der Allgemeinheit, da erwarte ich eine Gegenleistung. Ich finde die strengeren Regeln gut- man bedenke, in anderen Ländern bekommt man NIX.
--- Ende Zitat ---
Von der Leyen führt die Bürgerarbeit ein und alle jubeln. Das ist noch mehr Sklavenarbeit als es 1€-Jobs und Zeitarbeit ohnehin schon sind.
Edit: passt nicht ganz. Links entfernt. Sry
--- Zitat von: Strigoi_69 am 03 August 2010, 19:28:36 --- Wenn unser Schuldenberg noch weiter wächst- und das tut er-
--- Ende Zitat ---
...sollten wir mal aufhören, ständig irgendwelche Steuern abzuschaffen oder zu senken anstatt immer folgendes zu denken ...
--- Zitat von: Strigoi_69 am 03 August 2010, 19:28:36 --- können wir uns soviel soziales Gutmenschentum sowieso nicht mehr leisten.
--- Ende Zitat ---
und entsprechend im Sozialen Bereich zu kürzen. Mal überlegt, wieso Bismarck damals den ganzen Kram eingeführt hat?
--- Zitat von: Philomel am 03 August 2010, 18:51:26 ---Ich finde ja immer noch, dass Politiker erstmal ihre Diäten wieder senken dürfen, und wenn sie schon dabei sind, ihre Rentenbezüge gleich mit. Damit würde auch einiges an Geld wieder in die Kassen kommen.
--- Ende Zitat ---
Der Grundgedanke hinter Diäten ist jener, dass die Abgeordneten nicht darauf angewiesen sein sollen, neben ihrer Tätigkeit noch auf anderem Weg Geld verdienen müssen. Diäten senken wäre also der falsche Weg. Wesentlich sinnvoller wäre es, Abgeordneten - vor allem in Schlüssel/Spitzenpositionen - mit einer Sperre zu versehen, dass sie 1. während ihrer Abgeordneten-Zeit nur sehr selten durch Vorträge/Aufsichtsratspositionen/etc. hinzuverdienen dürfen und 2. am Ende der Amtszeit ebenfalls mit einer gezielten Sperre versehen werden, damit sie nicht den Drehtüreffekt ausnutzen können und durch ihre geknüpften Kontakte nach ihrer kurzen/langen Amtszeit erst richtig Karriere machen. Wiele Unternehmen zählen ja geradezu auf bestehende Kontakte/Netzwerke von Politikern. Negativbeispiele gibt es in der Hinsicht massig.
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