interessiert mich die Frage, in wie fern eine "Entpolitisierung und Enthistorisierung des Phänomens Nationalsozialismus" durch die sadomasochistische Ausschlachtung dieses Themas ein für Euch tolerierbarer Weg ist.
Naziploitation-Filmgenre
Wenn manche Leute sowas -bzw. überhaupt etwas- brauchen, um was auch immer zu erreichen, bitte
Magst Du den Begriff bitte mal ein wenig erklären? Ich kann damit garnichts anfangen.
Einige Anmerkungen zum dem englischen Begriff exploitation, der wörtlich übersetzt „Ausbeutung“ bedeutet: Er umschreibt die Intention des Filmemachers, aus einem populären Thema mit reißerischem Potential ein Höchstmaß an spektakulären Effekten zu gewinnen. Als Themen bieten sich alle Sujets an, die Voraussetzungen für die explizite Darstellung von Gewalt- und Sexualakten garantieren: Prostitution, Halbwelt, Subkulturen, Gefängnisse, Gefangenenlager, Bürgerkriegssituationen, Sekten, Kannibalismus, Inquisition, Sklaverei; immer spielen von Dominanz und Unterwerfung geprägte Zwangssysteme eine Rolle. In den siebziger Jahren, die durch eine Lockerung der Zensurbestimmungen neue Voraussetzungen in der Filmwirtschaft geschaffen hatten, kam es regelmäßig zu ganzen Zyklen thematisch ähnlich gelagerter Exploitationfilme, die sich jeweils dem Erfolg eines aufwendiger produzierten Vorbildes anschlossen(...)In dieser Zeit (etwa 1968 bis 1982) spezialisierten sich nicht nur einzelne Regisseure auf die Produktion von Exploitationfilmen, sondern auch ganze Produktionsfirmen, wie z.B. in Italien Fulvia und S.E.F.I. Cinematografica, in Frankreich Eurocine und in der Schweiz Erwin C. Dietrich, der seinerseits eine Reihe von Frauenlagerfilmen produzierte und inszenierte. Die Sadiconazista-Filme, die zu achtzig Prozent in Deutschland weder im Kino noch auf Video zu sehen waren, werden in der Undergroundfilm-Presse nicht ganz ungerechtfertigt stets im Zusammenhang mit den gleichzeitig populären Frauenlager- und Frauengefängnisfilmen besprochen. Derek Flint ließ sich in seinem „SS-Sluts“-Artikel im britischen Fanzine „Redeemer“ (Vol. 1 / No. 2, S.10) allerdings zu dem Schluß hinreißen, eine gesonderte Stellung der Nazi-Exploitation aufgrund der Verwendung tabubelasteter Versatzstücke und Themen sei angesichts der formalen Gleichung unergibig und schlägt eine Einordnung dieser Werke neben den Hexenjäger- und Lagerfilmen vor.(...)Zusammenfassend läßt sich sagen, daß es sich beim exploitativen Sadiconazistafilm weder um eine politische Botschaft noch um tatsächliche Pornographie oder etwa Gewaltpornographie handelt, auch wenn einige der Beispiele wenig geschmackssicher mit dokumentarischen Quellen ‘spielen’. Diese Filme sind der Versuch, vorhergehende Filmszenarien wie Der Nachtportier auf ihre sadomasochistische Fabel zu reduzieren, um einem exzessiven patriarchalen Zerstörungs- und Todestrieb unterhaltsam zu huldigen. Historische Elemente und die tatsächliche sadomasochistische Dialektik zwischen aktivem und passivem Partner werden dabei mißbraucht und verfälscht.(...)Susan Sontag widmet sich der Untersuchung des medialen Bildes vom Nationalsozialismus und Faschismus in ihrem Aufsatz „Fascinating Fascism II“. Dort geht sie dann von einem Militaria-Bildband zum Thema „SS-Regalia“ aus, um über die erotische Ausstrahlung nationalsozialistischer Symbole und Versatzstücke (Uniformen, Waffen etc.) nachzudenken. Von einer kurzen Beschreibung kommt sie schließlich zur zentralen Frage: Was ist an den Veräußerlichungen eines bürokratisierten, hygienefanatischen, totalitären Systems erotisch?Daß militärische Uniformen bisweilen zu einem sexuellen Fetisch erhoben werden, ist bekannt und des öfteren in Fachpublikationen aus dem Bereich der sexuellen Phänomenologie knapp behandelt worden. Eine eingehende Analyse dieses Phänomens blieb bisher allerdings aus. Einen diskussionswürdigen Ansatz liefert Valerie Steele in ihrem Buch „Fetish“ (1996):„Military Uniforms are probably the most popular prototype for the fetishist uniform because they signify hierarchy (some command, others obey), as well as membership in what was traditionally an all-male group whose function involves the legitimate use of physical violence.“(...)Tatsächlich wird der Uniformträger im Unterhaltungskontext offenbar anders rezipiert als etwa im Dokumentarfilm. Der Medienwechsel vom Foto zum Spielfilm scheint diese Veränderung zu bedingen: Die filmisch projizierte Uniform wird ihrerseits zur Projektionsfläche sexueller Wünsche und Phantasien. Die sexuelle Konnotation der Uniform rührt von der offensichtlichen sexuellen Erregung her, die einige Leute mit Gewalt und dem damit einher gehenden Verhältnis von Dominanz und Unterwerfung verbinden. In diesem sexuellen Kontext wird es zumindest nachvollziehbar, warum immer wieder auf das Klischee der Uniformierung nach den Vorgaben der faschistischen Ästhetik zurückgegriffen wird, wenn es um die Dämonisierung von Charakteren geht. Susan Sontag vermutet, die SS-Uniform bietet sich vor allen anderen an, da die SS ihren Herrschaftsanspruch ins Dramatische überhöhte, indem sie sich gewissen ästhetischen Regeln unterwarf: „SS uniforms were stylish, well-cut, with a touch (but not too much) of eccentricity“.
Abschließend ein polemischer Kommentar von Michel Foucault zum Sadiconazista-Phänomen aus dem Jahr 1976: „Das ist ein gewaltiger Irrtum über die Geschichte. Der Nazismus wurde im 20. Jahrhundert nicht von den Verrückten des Eros erfunden, sondern von den Kleinbürgern, den übelsten, biedersten und ekelhaftesten, die man sich vorstellen kann. Himmler war eine Art Landwirt, der eine Krankenschwester geheiratet hatte. Man muß begreifen, dass die Konzentrationslager der gemeinsamen Phantasie einer Krankenschwester und eines Hühnerzüchters entsprossen sind. [...] Man hat dort Millionen Menschen getötet, ich sage dies also nicht, um die Vorwürfe zu entkräften, die es diesem Unternehmen zu machen gilt, sondern gerade um es von allen erotischen Werten zu entzaubern, die man ihm zuschreiben wollte.“
Ich denke es gibt Tabus, die auch Tabus bleiben sollten. Nicht nur aus Respekt vor den Toten und den Überlebenden. Ich finde es einfach scheiße, aus dem Nationalsozialismus ein Kuriositätenkabinett oder einen pornografischen Abenteuerspielplatz zu machen.
Ich denke es gibt Tabus, die auch Tabus bleiben sollten.
kannst du ein Tabu nennen, das sich über einen wirklich langen Zeitraum als solches gehalten hat?
Jedenfalls darf Prinz Harry jetzt immer noch König von England werden.