Schwarzes Hamburg
Schwarzes Hamburg => Archiv => Politik & Gesellschaft -Archiv- => Thema gestartet von: Simplicissimus1668 am 09 August 2007, 02:29:52
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Also ich hab jetzt mal den neuen Thread eroeffnet, der sich im Holocaustthread schon angebahnt hat.
Man stelle sich vor, zwei Leute gehen im Wald spazieren. Kennen sich nicht, wissen nicht, dass der andere jeweils auch spazieren geht und können sich folglich auch nicht abgesprochen haben. Zur gleichen Zeit verunglückt dort ein Waldarbeiter und liegt eingeklemmt unter einem Baumstamm, der nur mit Hilfe zweier weiterer Leute bewegt werden kann. Jeder der beiden Spaziergänger hört den verunglückten Waldarbeiter, aber keiner der beiden reagiert auf die Hilferufe woraufhin der Waldarbeiter eingeklemmt bleibt und verstirbt.
Wer trägt die Schuld?
Und um das Beispiel mal noch zu erweitern, soll auch noch gelten, dass Hilfe holen zu lange dauern wuerde. Denn dadurch koennte ja wieder ein einzelner indirekt alleine etwas machen.
Ich finde die Sache liegt da wirklich nicht so einfach. Denn nur wenn beide gleichzeitig vor Ort sind koennen sie helfen, Verpassen sie sich um ein paar Minuten, vielleicht weil einer von beiden zoegert oder einen laengeren Weg hat oder den Verunglueckten nicht gleich findet, dann verstirbt der Waldarbeiter, obwohl beide zur Rettung geeilt sind. Und wenn einer von beiden zur Hilfe gekommen waere, aber der andere nicht, dann waere der Waldarbeiter ebenfalls verstorben. Was macht es also fuer einen Unterschied, ob einer von beiden sich auf den Weg macht oder nicht auf den Weg macht. Einer alleine ist niemals ursaechlich fuer den Tod des Waldarbeiters verantwortlich, weil er auf die Entscheidung des anderen keinerlei Einfluss hat.
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(...) Was macht es also fuer einen Unterschied, ob einer von beiden sich auf den Weg macht oder nicht auf den Weg macht. Einer alleine ist niemals ursaechlich fuer den Tod des Waldarbeiters verantwortlich, weil er auf die Entscheidung des anderen keinerlei Einfluss hat.
...was für eine unzumutbare Mühe, sich dorthin auf den Weg zu machen!
Das logischste für beide ist, mit den Schultern zu zucken, "who cares" zu denken (oder etwas vergleichbares, wie etwa "es gibt doch genügend Waldarbeiter auf der Welt"), und nicht den mühseeligen, weiten Weg in Angriff zu nehmen und den Kerl da unter dem Baum einfach elendig verrecken zu lassen.
Der Gedanke daran, dass noch ein weiterer potentieller Helfer die Schreie des Waldarbeiters gehört haben könnte, ist ja auch total absurd. Natürlich denkt Jeder nur an sich selbst, und hält es für gänzlich unmöglich, dass noch ein weiterer Mensch zu Hilfe eilen könnte, mit dem die Rettung dann gemeinsam gelingen könnte.
Genug polemisiert... natürlich handelt es sich ohne jede Frage um eine *individuelle* Schuld, die jeder der Beiden für sich trägt, wenn man nicht hingeht und hilft. Das ist unterlassene Hilfeleistung. Scheissegal ob man alleine ausreichend helfen kann oder nicht! Nicht hinzugehen, vorgeblich weil man ja "eh alleine nix tun kann", und dabei nicht an die Möglichkeit zu denken dass auch Andere zu Hilfe eilen, ist derart ignorant, selbstgerecht und egoman, dass ich mich weigere diese Entscheidungsmöglichkeit irgendwie auch nur im entferntesten als legitime Handlungsoption gelten zu lassen.
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Sorry, ich sehe da keine Kollektivschuld, wenn zwei Spaziergänger unabhängig und ohne voneinander zu wissen, in einem Wald spazieren gehen. Das ist kein Kollektiv, auch bei extensivster Auslegung des Wortes nicht.
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Kollektivschuld ist sehr einfach gedacht. Denn Menschen handeln eigentlich nicht als Kollektiv, außerdem wer gehört dazu?
Ich bin von der Nationalität her Deutscher. Mit dem Mainstream, egal in welchem Land hab ich nicht viel am Hut. Mich nervt die Regierung und viele Deutsche sind peinliche Urlauber in anderen ländern. Ist das jetzt meine Kollektivschuld, wenn sich welche schlecht am Ballermann benehmen, weil ich zum Kollektiv "Deutsch" gehörte. Gehöre ich überhaput dazu? Und falls ja ist es meine Schuld, wenn ich nichts dagegen unternehme was die anderen machen?
Hm, da tun sich Fragen über Fragen bei mir auf und sie scheinen eher dahin zu tendieren, dass Kollektivschuld ein unsinniges Wort ist.
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Soll ein Gleichnis fürs Dritte Reich sein, oder was ???
Ich finde das Gefangenendilemma da passender:
Zwei werden geschnappt. Beide wissen, wenn der andere nix sagt, können sie einem nichts nachweisen und beide kommen frei.
Sagt der andere aber was und man selbst nichts, bekommt man die doppelte Strafe. Sagt man nur selbst etwas und der andere nicht, nur die halbe, sagen beide etwas, gibt's für beide die ganze Strafe.
Was wird man tun? Zusammenhalten und beide halten die Klappe? -> Das hängt davon ab, wie sehr man dem anderen (ver-)traut.
Im Bezug auf eine Menge Menschen ist es dann dasselbe: Wenn alle mitmachen weiß man, dass der Staat schlecht Repressalien gegen alle verfügen kann, man ist also -wenn alle mitmachen- relativ sicher. (Das entspräche dem Schweigen im Gefangenendilemma)
Aber weiß man es? Was, wenn man selbst aufsteht und die anderen lieber die Klappe halten? Dann hat man die doppelte Arschkarte und ggf. sein Leben verloren. Vertraut er den anderen nicht, dann wird er selbst auch still bleiben (entspräche dem Reden im Gefangenendilemma).
Eine Kollektivschuld sehe ich, wenn alle deswegen die Klappe halten, nicht. Es wäre eine, wenn alle wüssten dass die anderen alle mitziehen, man aber trotzdem die Füße stillhält. Wissen sie es aber nicht, ist es eine Kollektivfeigheit, aber keine konkrete Schuld.
Meine Meinung.
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Man stelle sich vor, zwei Leute gehen im Wald spazieren. Kennen sich nicht, wissen nicht, dass der andere jeweils auch spazieren geht und können sich folglich auch nicht abgesprochen haben. Zur gleichen Zeit verunglückt dort ein Waldarbeiter und liegt eingeklemmt unter einem Baumstamm, der nur mit Hilfe zweier weiterer Leute bewegt werden kann. Jeder der beiden Spaziergänger hört den verunglückten Waldarbeiter, aber keiner der beiden reagiert auf die Hilferufe woraufhin der Waldarbeiter eingeklemmt bleibt und verstirbt.
Wer trägt die Schuld?
beide.
was habe ich gewonnen?
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Man stelle sich vor, zwei Leute gehen im Wald spazieren. Kennen sich nicht, wissen nicht, dass der andere jeweils auch spazieren geht und können sich folglich auch nicht abgesprochen haben. Zur gleichen Zeit verunglückt dort ein Waldarbeiter und liegt eingeklemmt unter einem Baumstamm, der nur mit Hilfe zweier weiterer Leute bewegt werden kann. Jeder der beiden Spaziergänger hört den verunglückten Waldarbeiter, aber keiner der beiden reagiert auf die Hilferufe woraufhin der Waldarbeiter eingeklemmt bleibt und verstirbt.
Wer trägt die Schuld?
beide.
Seh ich auch so. Wenn ich nicht mal hingehe, stell ich auch nicht fest, daß ich alleine nichts tun kann. Jeder, der bei sowas weghört, gehört in den Bau, egal, ob er alleine etwas ausrichten hätte können.
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Gefangenen Dilemma ist auch eine passende Sache, aber das Beispiel mit dem Waldarbeiter wird eben bei der juristischen Diskussion immer wieder heran gezogen, weil es KEINE unterlassene Hilfeleistung ist (juristisch), obwohl die moralische Intuition sagt, dass es doch eine ist (konnte man ja hier sehr gut sehen.)
Keiner der beiden alleine hat durch das sehr egoistische Unterlassen den Tod des Waldarbeiters verschuldet, weil es Faktoren gibt, auf die er keinen Einfluss hatte. Auch die Tatsache, dass es nicht wissen konnte, dass der Baumstamm nur von zwei Leuten bewegt werden konnte aendert nix daran, dass einer allein nicht ursaechlich den Tod verschuldet hat und somit juristisch nicht schuld ist.
Unterm Strich ne faule Sau, die auf jeden Fall ein schlechtes Gewissen haben sollte, aber nicht juristisch zu fassen.
Ist mir auch nicht so wichtig, das genaue Beispiel. Man kann bestimmt auch noch bessere konstruieren. Ich denke aber es ist tatsaechlich nicht so eindeutig, wie es manche gerne haetten und zeigt, deshalb dass eine Schuldzurechnung an Individuen bei Kollektiven (Gruppen von Leuten, voellig unideologisch verwendet) keine einfache Sache ist.
Um das ganze mal wieder auf die von uns allen geliebte Zeit zwischen '33 und'45 zu beziehen: Es ist unglaublich einfach manche Taeter zu bestimmen. Da gibt es SS-Leute, die bei abholungen von Juden beteilligt waren und normale Buerger, die den Nachbarn verpfiffen haben, der einen Juden versteckt hat. In all diesen Faellen haben die Leute durch ihr aktives Tun Schuld auf sich geladen. Schwieriger wird es dann schon bei den Leuten, die nicht aktiv an irgendwelchen Untaten beteiligt waren. Da denke ich kann man den Hitlerwaehlern noch einen Vorwurf machen, weil er alles in "Mein Kampf" schon schoen beschrieben hatte und auch wer es nicht gelesen hat, haette es lesen koennen. Aber was ist mit den Nichtwaehlern? Trifft die eine Schuld weil sie ja irgendwas nur nicht NSDAP haetten waehlen koennen? Was ist mit denen die SPD (hiess die damals schon so?) gewaehlt haben? Haetten die nach der Machtergreifung kollektiv zu den Waffen greifen muessen?
P.S.: Hab gerade nochmal nachgelesen. Normalerweise wird das Waldarbeiterbeispiel mit Herrn Evil und Herrn Good gespielt. Herr Evil hilft grundsaetzlich nicht, waehrend Herr Good normalerweise sehr hilfsbereit ist, aber in diesem einen Fall aus irgendeinem nichtigen Grund vorbei geht. Die Frage der Schuld wird dann in Bezug auf Herrn Good gestellt, dessen Vorbeigehen nach unterlassener Hilfeleistung aussieht aber keine ist, weil egal wie er sich entschieden haette er nix haette ausrichten koennen, weil Herr Evil nicht gekommen waere.
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Für mich ist und bleibt es unterlassene Hilfeleistung, da zwar keiner der beiden etwas an dem Versterben selbst hätte ändern können (unter den Rahmenbedingungen, daß Hilfe zu spät käme), aber der Sterbende zumindest nicht alleine dhinsiechen hätte müssen. Einfach da sein kann auch eine Form von Hilfeleistung sein. Es ändern nichts am Ende, aber der Weg dorhin ändert sich gewaltig.
Wie alt ist dieses juristische Beispiel denn? Vielleicht ist es durch moderne Rechtsprechung oder Gesetzgebung schon überholt? Wäre mal interessant, zu wissen.
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Nicht zu vergessen, dass während der NS-Zeit der Informationsfluß gefiltert gewesen ist, die Leute unter Angst standen, wenn sie nicht gerade durch Propaganda verblendet wurden und jeder damals auch noch mit seinem eigenen Scheiß beschäftigt gewesen ist = nämlich überleben!
Allein der Begriff Kollektivschuld ist in meinen Augen ein Unwort!
Auch das "Mein Kampf" alles in Schrift vorwegnahm, ist keine Belastung für Wähler!
Nicht jeder konnte mal eben an das Buch ran, und viele haben es bestimmt nicht vollständig gelesen... (selbst wenn sie ein Exemplar hatten). Damals gab es kein Wiki!
zudem sollte man nicht vergessen, dass der Mr. H nicht von allen ernst genommen worden ist, bevor er an die Macht kam, wo er mächtig auf die Kacke hauen konnte.
Auch die Widersprüchlichkeit von verbreiteten Informationen, Lügen wie Fakten, sind immer irgendwie verfärbt gewesen. Es war eine politisierte, aber politisch eher schlecht als recht aufgeklärte Zeit!
Andere Frage: Warum töten wir heute keine Neo-Nazis? Das sind doch bestimmt alles die Kriegsverbrecher von Morgen!!
Wir werden ALLE daran Schuld haben, dass sie an die Macht kommen, weil wir sie vorher alle nicht getötet haben, als wir es noch konnten!!
Denn wir können uns ja nichts vortäuschen, als wüssten wir nichts über diese Drecksbanden und deren Machenschaften!
Ich hoffe an meinem letzten Absatz kann man lesen, was ich meine!
Hinterher kann man immer leicht Schuldzuweisungen machen, denn hinterher ist man schließlich klüger!
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Gefangenen Dilemma ist auch eine passende Sache, aber das Beispiel mit dem Waldarbeiter wird eben bei der juristischen Diskussion immer wieder heran gezogen, weil es KEINE unterlassene Hilfeleistung ist (juristisch), obwohl die moralische Intuition sagt, dass es doch eine ist (konnte man ja hier sehr gut sehen.)
Furchtbar. Bist Du etwa Jurist?
Rechtsprechung fällt nicht vom Himmel. Gesetze werden von Menschen gemacht. Wenn es tatsächlich so sein sollte wie Du sagst, dann ist die Rechtsprechung eben falsch. Dieses Jurazeugs ist keineswegs heilig und muss verändert werden, wenn hier eine von allen gefühlte Schieflage besteht.
Rechtsnormen sollten mit gesellschaftlichen Normen übereinstimmen. Sonst sind die Gesetze wertlos. Gesetze dienen den Menschen - und nicht umgekehrt!
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Hinterher kann man immer leicht Schuldzuweisungen machen, denn hinterher ist man schließlich klüger!
Das entspricht einem sehr klugen Satz, den ich mal gehört habe:
"Am schlausten sind immer die Leute die hinter immer schon alles vorher gewusst haben."
@colourize: Genau meine Meinung.
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Furchtbar. Bist Du etwa Jurist?
Rechtsprechung fällt nicht vom Himmel. Gesetze werden von Menschen gemacht. Wenn es tatsächlich so sein sollte wie Du sagst, dann ist die Rechtsprechung eben falsch. Dieses Jurazeugs ist keineswegs heilig und muss verändert werden, wenn hier eine von allen gefühlte Schieflage besteht.
Rechtsnormen sollten mit gesellschaftlichen Normen übereinstimmen. Sonst sind die Gesetze wertlos. Gesetze dienen den Menschen - und nicht umgekehrt!
Ne, kein Jurist. Eines meiner Fachgebiete ist politische Philosophie, die genau das versucht, was du in deinem letzten Absatz angesprochen hast.
Ich hatte leider das Beispiel erst in einer nicht ganz so guten Version gepostet, aber ich denken, wenn man sich die Variante mit Mr Evil und Mr Good anschaut, dann kann man schon sehen, warum das ganze nicht so einfach ist, wie viele das offensichtlich sehen möchten. Denn wenn Mr Evil nicht hilft, dann kann Mr Good tun was er will und es wird sich nix ändern. Wieso sollte seine Schuld am Tod des Waldarbeiters also davon abhängen, ob er diesem händchen gehalten hat, während er verstarb? (Was natürlich eine Form der Hilfeleistung darstellt, aber tot ist er jetzt trotzdem.)
Allein der Begriff Kollektivschuld ist in meinen Augen ein Unwort!
Auch das "Mein Kampf" alles in Schrift vorwegnahm, ist keine Belastung für Wähler!
Nicht jeder konnte mal eben an das Buch ran, und viele haben es bestimmt nicht vollständig gelesen... (selbst wenn sie ein Exemplar hatten). Damals gab es kein Wiki!
zudem sollte man nicht vergessen, dass der Mr. H nicht von allen ernst genommen worden ist, bevor er an die Macht kam, wo er mächtig auf die Kacke hauen konnte.
Man hat ihn nicht ernst genommen, aber in MK steht schon alles drin, was man hätte wissen müssen und das Buch war frei und leicht zugänglich. Und in diesem Fall ist man als Wähler schon in der Pflicht. Würde die CDU in ihr neues Wahlprogramm aufnehmen, dass sie im Zuge einer "zurück zu Familie"-Politik alle Schwulen und Lesben auf dem Scheiterhaufen sehen wollen, wäre in meinen Augen jeder CDU Wähler für die brennenden Scheiterhaufen mitverantwortlich. Anders sieht es aus, wenn eine Partei ihre Ziele verschleiert, aber das hat die NSDAP ja nicht.
Andere Frage: Warum töten wir heute keine Neo-Nazis? Das sind doch bestimmt alles die Kriegsverbrecher von Morgen!!
Wir werden ALLE daran Schuld haben, dass sie an die Macht kommen, weil wir sie vorher alle nicht getötet haben, als wir es noch konnten!!
Denn wir können uns ja nichts vortäuschen, als wüssten wir nichts über diese Drecksbanden und deren Machenschaften!
Ich hoffe an meinem letzten Absatz kann man lesen, was ich meine!
Da kann ich dir nur zu einem weiteren Strohmann in deiner Sammlung gratulieren, weil von töten ja nie die Rede war. Man kann auch durch andere Dinge ein System bekämpfen und in allem was hier geäußert wurde ging es ja eigentlich nur um die Schuld derjenigen, die ihn gewählt haben und nicht darum sie alle wegzupusten, damit sie ihr Kreuzchen nicht setzen können.
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Wenn einer zum Waldarbeiter rennt und feststellt, er kann alleine nicht helfen, können sie immer noch zuzweit rufen, so daß der zweite evt. es sich anders überlegt.
Wenn irgendjemand um Hilfe ruft und man das ignoriert, ist das immer eine Sauerei. Das man nicht helfen kann, kann man nur feststellen, wenn man's versucht.
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Ich hatte leider das Beispiel erst in einer nicht ganz so guten Version gepostet, aber ich denken, wenn man sich die Variante mit Mr Evil und Mr Good anschaut, dann kann man schon sehen, warum das ganze nicht so einfach ist, wie viele das offensichtlich sehen möchten. Denn wenn Mr Evil nicht hilft, dann kann Mr Good tun was er will und es wird sich nix ändern. Wieso sollte seine Schuld am Tod des Waldarbeiters also davon abhängen, ob er diesem händchen gehalten hat, während er verstarb? (Was natürlich eine Form der Hilfeleistung darstellt, aber tot ist er jetzt trotzdem.)
Der springende Punkt daran ist, das Mr.Good sich nicht mal bemüht hat, überhaupt nachzusehen was los ist.Unterlassene Hilfeleistung ist unterlassene Hilfeleistung, egal ob das Opfer sich schon kurz vor dem Exitus befand oder nicht.
Mir wäre neu, das der Tatbestand "Unterlassene Hilfeleistung" davon abhängt, ob das Opfer überhaupt hätte überleben können oder nicht.
Man hat ihn nicht ernst genommen, aber in MK steht schon alles drin, was man hätte wissen müssen und das Buch war frei und leicht zugänglich. Und in diesem Fall ist man als Wähler schon in der Pflicht.
Wie gesagt, das ist mir zu einfach.In dem anderen Thread wurden schon div. Gründe erwähnt, warum man sich, gerade damals, das nicht so genau angeguckt hat.Kollektivschuldzuschieberei mit der Begründung "Es hätten ja alle alles wissen könne, in meinem Kampf stand ja alles drin" halte ich für deutlich zu kurz gegriffen.
Im übrigen glaube ich, auch ohne "Mein Kampf" großartig gelesen zu haben, trotzdem nicht, das da irgendwo deutlich stand "Wir treiben dann alle Minderheiten zusammen und vergasen diese oder lassen sie bei harter Arbeit verrecken."
Würde die CDU in ihr neues Wahlprogramm aufnehmen, dass sie im Zuge einer "zurück zu Familie"-Politik alle Schwulen und Lesben auf dem Scheiterhaufen sehen wollen, wäre in meinen Augen jeder CDU Wähler für die brennenden Scheiterhaufen mitverantwortlich.
Hinge davon ab, wie deutlich man als Normalersterblicher (damit meine ich Leute, die nicht den ganzen Tag Zeit&Lust haben, 10.000 Seiten Wahl- und Grundsatzprogramme einer Partei, die sie evtl. wählen möchten zu studieren) davon Kenntnis erlagen kann.Steht diese Forderung groß auf jedem Plakat, gleichauf mit den anderen Hauptsächlichen Programmpunkten, weswegen man so ein Partei wählt (oder eben auch nicht) oder steht das mit den Schwulen&Lesben kleingedruckt auf Seite 237 des aktuellen Parteiprogramms, das sowieso keiner liest ?
Ich halte es sowieso für illusiorisch, von allen Wählern zu erwarten, sich mit sämtlichen Parteigrundsatzprogrammen und Details auseinanderzusetzen.Für die meisten gibt es ein paar Schlagpunkte und vertretene Ansichten zu bestimmten Themen, und danach wird entschieden, wer gewählt wird (So eine Art Wahl-o-Mat-Prinzip).
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Die rechtliche Lage ist eigentlich ziemlich eindeutig:
Hilfe für einen Schwerverletzten ist natürlich "erforderlich" (im rechtlichen Sinne). Deshalb kann sich auch keiner herausreden, dass ja noch andere da waren. Dafür ist es egal, ob er es wusste oder nicht, denn wenn er es nicht wusste, dann musste er selbst helfen und wenn er es wusste, dann muss er sich vergewissern, dass die andere Person hilft. Erst dann ist Hilfe nicht mehr "erforderlich".
Sie ist bis zu einem gewissen Maß auch jedem in der Nähe "zumutbar". Dazu gehört meist ein geringer Einsatz, wie z.B. Rufen der Rettungskräfte per Mobiltelefon und sofern das Eintreffen dieser ein wenig dauert (was normal ist), Erste-Hilfe-Maßnahmen vor Ort.
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Die rechtliche Lage ist, (wenn ich da recht informiert bin) dass niemand fuer etwas zur Verantwortung gezogen werden kann fuer das er nicht ursaechlich Verantwortlich ist. Und in diesem Fall ist es eine Schweinerei, dass Mr. Good zu faul ist nachzusehen, aber deshalb kann man ihm den Tod nicht anlasten, weil er (auch wenn er das nicht wissen konnte) eh nix dran haette aendern koennen.
Im übrigen glaube ich, auch ohne "Mein Kampf" großartig gelesen zu haben, trotzdem nicht, das da irgendwo deutlich stand "Wir treiben dann alle Minderheiten zusammen und vergasen diese oder lassen sie bei harter Arbeit verrecken."
Vielleicht hat der Adolf das weniger elegant formuliert, aber da stand tatsaechlich drin, dass so mit unangenehmen Minderheiten umgegangen wird. (Wo ist eigentlich Trakl wenn man ihn mal braeuchte? Der hat doch immer die passenden MK Zitate.)
Und vor der Machtergreifung gab es schon noch eine freie Presse und Berichterstattung. Damit will ich nicht sagen, dass jeden Waehler der NSDAP die gleiche Schuld trifft, wie die aktiven Taeter, aber wer NSDAP gewaehlt hat, den trifft auf jeden Fall eine Mitschuld die individuell davon abhaengt, in wie weit er wusste, was der Hitler ausser Autobahnen bauen sonst noch so vor hat.
Als der gute erstmal an der Macht war sah das dann anders aus. Da war das Risiko sich gegen das System zu stellen dann auch einiges hoeher.
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Die rechtliche Lage ist, (wenn ich da recht informiert bin) dass niemand fuer etwas zur Verantwortung gezogen werden kann fuer das er nicht ursaechlich Verantwortlich ist. Und in diesem Fall ist es eine Schweinerei, dass Mr. Good zu faul ist nachzusehen, aber deshalb kann man ihm den Tod nicht anlasten, weil er (auch wenn er das nicht wissen konnte) eh nix dran haette aendern koennen.
Natürlich gibt es Fälle, in denen die Hilfe von vornherein aussichtslos ist. Dann entfällt die Strafbarkeit. Allerdings sind diese Fälle extrem selten. Meistens nur, wenn der andere bereits offensichtlich tot ist, denn ansonsten ist so gut wie immer etwas möglich. In dem diskutierten Fall hätte der eine also zumindest versuchen müssen, weitere Hilfe heranzuholen, wenn er gewusst hat, dass seine Hilfe alleine nichts bewirken kann. Da er es aber offenbar nicht wusste, kann ihn das nicht entlasten, denn dann wird er so behandelt, als würde seine Hilfe alleine etwas bewirken (wobei das in der Strafrechtslehre durchaus umstritten ist).
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Weisst du das mit Sicherheit? (Bist du Jurist?) Ich frage nur, weil das Beispiel von einem Rechtsphilosophen stammt, der eben meinte, dass in genau diesem Fall die Rechtslage eben so waere, dass Mr Good nicht zur Rechenschaft gezogen werden koennte. (Zumindest nicht fuer den Tod des Waldarbeiters.)
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Damit will ich nicht sagen, dass jeden Waehler der NSDAP die gleiche Schuld trifft, wie die aktiven Taeter, aber wer NSDAP gewaehlt hat, den trifft auf jeden Fall eine Mitschuld die individuell davon abhaengt, in wie weit er wusste, was der Hitler ausser Autobahnen bauen sonst noch so vor hat.
Gut, aber diese individuelle Schuld halte ich bei der überwiegenden Mehrheit der damaligen NSDAP-Wähler für sehr gering, denn der Vorwurf "Von der Judenvernichtung hättest du wissen können, deine Schuld, wenn du MK nicht bis auf Seite 154 gelesen und verstanden hast" ist völlig unrealistisch.Insbesonder wenn man, wie schon mehrfach erwähnt, die damaligen Umstände mit berücksichtigt.
Die rechtliche Lage ist, (wenn ich da recht informiert bin) dass niemand fuer etwas zur Verantwortung gezogen werden kann fuer das er nicht ursaechlich Verantwortlich ist. Und in diesem Fall ist es eine Schweinerei, dass Mr. Good zu faul ist nachzusehen, aber deshalb kann man ihm den Tod nicht anlasten, weil er (auch wenn er das nicht wissen konnte) eh nix dran haette aendern koennen.
Natürlich gibt es Fälle, in denen die Hilfe von vornherein aussichtslos ist. Dann entfällt die Strafbarkeit. Allerdings sind diese Fälle extrem selten. Meistens nur, wenn der andere bereits offensichtlich tot ist, denn ansonsten ist so gut wie immer etwas möglich. In dem diskutierten Fall hätte der eine also zumindest versuchen müssen, weitere Hilfe heranzuholen, wenn er gewusst hat, dass seine Hilfe alleine nichts bewirken kann. Da er es aber offenbar nicht wusste, kann ihn das nicht entlasten, denn dann wird er so behandelt, als würde seine Hilfe alleine etwas bewirken (wobei das in der Strafrechtslehre durchaus umstritten ist).
Sehe ich auch so.Zumal es ja nicht darum geht, Mr.Good strafrechtlich den Tod des Opfers anzulasten, sondern "nur" die unterlassene Hilfeleistung, soweit ich weiß ist das wieder noch ein Unterschied.
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Ja, ich habe das studiert. Und derzeit angewandte Recht ist natürlich etwas anderes, als Rechtsphilosophie! Da wird natürlich auch mal mehr auf ethischer Basis hinterfragt.
Für die Unterlassene Hilfeleistung ist übrigens der Tod des anderen nicht erforderlich! Es geht nur um das unterlassene Hilfeleisten! Generell, aber hier eher nicht kämen Totschlag durch Unterlassen oder Aussetzung mit Todesfolge in Betracht, was beides hier mindestens an der fehlenden sog. "Garantenstellung" scheitern würde.
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"Garantenstellung"
????
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"Garantenstellung"
????
z.B. Mutter für ihr Kind oder ein Pfleger für eine behinderte Person. Das kann auch bei Ausflüglern der Fall sein, wenn sich z.B. eine Gruppe zum Bergsteigen aufmacht. Auch Ärzte können eine Garantenstellung haben. Das sind dann sog. "Beschützergaranten".
Besonders interessant ist die sog. "Ingerenz", d.h. eine Garantenstellung aus pflichtwidrigem Vorverhalten, z.B. bei mangelnder Sicherung einer Baugrube, eines Verkehrsunfalls, eines Gerüsts o.ä. Das ist dann ein Beispiel für einen sog. "Überwachungsgaranten".
In dem Beispielsfall handelte es sich ja gerade nicht um eine Gruppe, deshalb scheidet eine Garantenstellung und damit auch ein sog. "unechtes Unterlassungsdelikt" wie z.B. Totschlag durch Unterlassen auf jeden Fall aus. Unechte Unterlassungsdelikte sind solche, die eigentlich vom Tatbestand her als Begehungsdelikte formuliert sind, in Kombination mit § 13 StGB aber auch durch Unterlassen verwirklicht werden können.
Unterlassene Hilfeleistung ist dagegen ein sog. "echtes Unterlassungsdelikt", weil der Tatbestand an sich bereits ein Unterlassen unter Strafe stellt.
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Andere Frage: Warum töten wir heute keine Neo-Nazis? Das sind doch bestimmt alles die Kriegsverbrecher von Morgen!!
Wir werden ALLE daran Schuld haben, dass sie an die Macht kommen, weil wir sie vorher alle nicht getötet haben, als wir es noch konnten!!
Denn wir können uns ja nichts vortäuschen, als wüssten wir nichts über diese Drecksbanden und deren Machenschaften!
Ich hoffe an meinem letzten Absatz kann man lesen, was ich meine!
Da kann ich dir nur zu einem weiteren Strohmann in deiner Sammlung gratulieren, weil von töten ja nie die Rede war. Man kann auch durch andere Dinge ein System bekämpfen und in allem was hier geäußert wurde ging es ja eigentlich nur um die Schuld derjenigen, die ihn gewählt haben und nicht darum sie alle wegzupusten, damit sie ihr Kreuzchen nicht setzen können.
Das war eine von mir bewusst überspitzte Formulierung, um klar zu machen, dass das Thema Kollektivschuld schwierig ist!
Die aktuellen Neo-Nazis sind lediglich ein gutes Beispiel! Denn ich bin davon überzeugt, dass diese nicht ungefährlicher werden! Im Prinzip müssten ALLE aufstehen, die sich für die Bewahrer und Verfechter der Demokratie halten und bei den Gegendemonstrationen gegen deren Aufmärsche mitmachen! Aus Pflicht gegenüber einem demokratisch sauberen Gewissen, gegen eben diese Kollektivschuld! d.h: Die Gesamte BRD müsste aufstehen gegen die!! ALLE!!!
Aber das passiert nicht... Die Frage ist dann, sind wir dann auch Schuld an deren Verbrechen? Auch wenn wir sie nicht unterstützt haben? Sind wir Schuld an jedem verbrannten Asylheim, weil wir niemanden von denen vorher den Kopf gewaschen haben?
Bei dem Begriff der "Kollektivschuld" biegen sich bei mir die Nägel.
Denn es gibt zwei Perspektiven, die die Kollektivschuld negieren!
Die eine ist eine philosophisch gesehen eher humanistisch existenzielle, die einem nur für seine Entscheidungen haftbar macht! D.h: Er trägt nicht die Schuld an den Entscheidungen anderer und umgekehrt!
Die zweite ist eher eine... ja... keine Ahnung, welche Kategorie ich hier einführen will, aber sie hat was mit dem getragen werden von äußeren Einflüssen zu tun!
Mit Erziehung, Tradition und getroffenen Entscheidungen.
Auf dem ersten Blick eine Befürwortung für den Begriff "Kollektivschuld". Das Problem nur, eine Kollektivschuld würde bedeuten, dass man sich im kollektiv aktiv dafür entschieden hat und man auch etwas anderes hätte wählen können.
Aber die Leute wurden trotz noch so vieler Ehrlichkeit in MK, von vorn bis hinten manipuliert und waren sich trotzdem nicht immer so einig, wie wir sie heute sehen mögen!
Die Leute wussten eben nicht alles und waren je nach Zeitpunkt unterschiedlich unter Pflichten genommen, derer man sich nicht verweigern durfte!! Nicht zu vergessen die Kinder, die keine andere Welt kannten!
Egal wie man es dreht und wendet, die Gesellschaft war auch damals nicht homogen, weswegen eine Kollektivschuld schwer anzusetzen ist. Man müsste einen Zeitpunkt benennen können, in welchem ALLE geschlossen für den Kurs gewesen sind und hätten wissen müssen, was da passiert! Und den sehe ich nicht!
Außerdem ist der Begriff "Schuld" auch wieder ein Problembegriff für mich! ;) 8)
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Aber das passiert nicht... Die Frage ist dann, sind wir dann auch Schuld an deren Verbrechen? Auch wenn wir sie nicht unterstützt haben? Sind wir Schuld an jedem verbrannten Asylheim, weil wir niemanden von denen vorher den Kopf gewaschen haben?
Bei dem Begriff der "Kollektivschuld" biegen sich bei mir die Nägel.
Naja, moralisch ist der Unterschied zwischen aktivem Tun und passivem Unterlassen oft nicht so gross. Und wenn an einem flachen Teich vorbei laufe, in dem gerade ein Kind am ertrinken ist und mein einziger Grund nicht einzuschreiten und dem Kind zu helfen ist, dass ich mir meine Schuhe nicht einsauen will, dann sieht man auch wieso.
Die Sache mit groesseren Gruppen und weniger direkten Handlungen verkompliziert die Sache natuerlich. Deshalb hatte ich ja auch das andere Beispiel gepostet, wo eine Person (Mr Good) tun und lassen kann, was sie will, weil der Ausgang des Ganzen nicht alleine von seiner Handlung abhaengt.
Aber was die Kollektivschuld angeht bin deiner Meinung. So ein Gedanke ist fuer mich absurd. Verantwortung fuer etwas uebernehmen zu sollen, an dem man nix aendern kann und das man nicht aktiv unterstuetzt hat??? Das aendert aber nix daran, dass NSDAP Waehler eine Verantwortung dafuer tragen, was passiert ist, denn ihre Stimmen waren es schliesslich, die das alles ermoeglicht haben. Das ist aber jeweils eine Verantwortung fuer eine individuelle Tat.
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Die zweite ist eher eine... ja... keine Ahnung, welche Kategorie ich hier einführen will, aber sie hat was mit dem getragen werden von äußeren Einflüssen zu tun!
Mit Erziehung, Tradition und getroffenen Entscheidungen.
Auf dem ersten Blick eine Befürwortung für den Begriff "Kollektivschuld". Das Problem nur, eine Kollektivschuld würde bedeuten, dass man sich im kollektiv aktiv dafür entschieden hat und man auch etwas anderes hätte wählen können.
Aber die Leute wurden trotz noch so vieler Ehrlichkeit in MK, von vorn bis hinten manipuliert und waren sich trotzdem nicht immer so einig, wie wir sie heute sehen mögen!
Die Leute wussten eben nicht alles und waren je nach Zeitpunkt unterschiedlich unter Pflichten genommen, derer man sich nicht verweigern durfte!! Nicht zu vergessen die Kinder, die keine andere Welt kannten!
Egal wie man es dreht und wendet, die Gesellschaft war auch damals nicht homogen, weswegen eine Kollektivschuld schwer anzusetzen ist. Man müsste einen Zeitpunkt benennen können, in welchem ALLE geschlossen für den Kurs gewesen sind und hätten wissen müssen, was da passiert! Und den sehe ich nicht!
Sehe ich auch so.
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Ohne jetzt den ganzen Thread gelesen zu haben (ja, steinigt mich, ich habe Jehova gesagt!): ich habe letztens ein Seminar bei einem deutsch-türkisch-spanischen (sephardischen) Juden besucht, der im Dritten Reich seine gesamte Familie verloren hat und die letzten drei Jahre auf der Flucht war, und das Erste, was er dazu sagte, war, dass es grundsätzlich niemals eine Kollektivschuld geben kann, weil jeder Deutsche, der ihm in seiner damaligen Situation geholfen hat - und sei es nur, indem er ihm zu verstehen gab, dass er ihn nicht für einen Untermenschen hält - bei Feststellung einer Kollektivschuld als mitschuldig gelten würde. Dieses Beispiel und einige andere (Ist der Türke, der seit 30 Jahren bei Siemens arbeitet, kaum religiös ist und niemals jemandem etwas getan hat, jetzt ein "Scheiß-Türke", weil ein paar Deppen mit nuscheliger Aussprache meinem Kumpel nen neuen Scheitel gezogen haben?) führte er auf, um zu zeigen, dass Kollektivschuld im Grunde unmöglich ist, sobald sie auf eine größere Anzahl von Menschen angewandt werden soll.
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Ohne jetzt den ganzen Thread gelesen zu haben (ja, steinigt mich, ich habe Jehova gesagt!): ich habe letztens ein Seminar bei einem deutsch-türkisch-spanischen (sephardischen) Juden besucht, der im Dritten Reich seine gesamte Familie verloren hat und die letzten drei Jahre auf der Flucht war, und das Erste, was er dazu sagte, war, dass es grundsätzlich niemals eine Kollektivschuld geben kann, weil jeder Deutsche, der ihm in seiner damaligen Situation geholfen hat - und sei es nur, indem er ihm zu verstehen gab, dass er ihn nicht für einen Untermenschen hält - bei Feststellung einer Kollektivschuld als mitschuldig gelten würde. Dieses Beispiel und einige andere (Ist der Türke, der seit 30 Jahren bei Siemens arbeitet, kaum religiös ist und niemals jemandem etwas getan hat, jetzt ein "Scheiß-Türke", weil ein paar Deppen mit nuscheliger Aussprache meinem Kumpel nen neuen Scheitel gezogen haben?) führte er auf, um zu zeigen, dass Kollektivschuld im Grunde unmöglich ist, sobald sie auf eine größere Anzahl von Menschen angewandt werden soll.
wahre Worte.
Der Begriff Kollektivschuld ist eigentlich rassistisch, weil er die Schuld einer ganzer Ethnie voraussetzt
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Der Begriff Kollektivschuld ist eigentlich rassistisch, weil er die Schuld einer ganzer Ethnie voraussetzt
Nicht notwendigerweise. Wenn man sagt, dass "die Deutschen" oder "die Araber" schuld sind, dann setzt es die Schuld einer Ethnie voraus, wenn die beschuldigte Gruppe, die als Kollektiv angesehen wird sich anders bestimmen laesst, dann nicht (z.B. "die Muslime", "die Juden", "die Mantafahrer").
Ausserdem kann der Begriff Kollektivschuld unter umstaenden vielleicht doch Sinn machen, wenn er auf beschraenkte Faelle eingegrenzt wird. Man denke sich eine Gangsterbande, die gemeinsam ein Ding plant und hinterher laesst sich nicht bestimmen, wer genau was getan hat. Ein Beispiel, das mir aus einschlaegiger Literatur dazu einfaellt ist das Problem zweier Schuetzen, die gleichzeitig jemanden erschiessen. Wie soll man mit denen Verfahren? Rausfinden, welche Kugel nu eigentlich die toedliche war und den anderen Schuetzen laufen lassen, weil er den Typen ja nicht umgebracht hat. (Seine Kugel kam vielleicht 2 Sekunden zu spaet oder hat eben einen nichttoedlichen Verlauf genommen.) Die Schuld aufteilen?
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Der Begriff Kollektivschuld ist eigentlich rassistisch, weil er die Schuld einer ganzer Ethnie voraussetzt
Wieso rassistisch? Die Deutschen sind keine Rasse, ebensowenig wie die Juden oder die Araber. ;)
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Der Begriff Kollektivschuld ist eigentlich rassistisch, weil er die Schuld einer ganzer Ethnie voraussetzt
Nicht notwendigerweise. Wenn man sagt, dass "die Deutschen" oder "die Araber" schuld sind, dann setzt es die Schuld einer Ethnie voraus, wenn die beschuldigte Gruppe, die als Kollektiv angesehen wird sich anders bestimmen laesst, dann nicht (z.B. "die Muslime", "die Juden", "die Mantafahrer").
Aber moralisch macht es doch keinen Unterschied, ob die kollektiv beschuldigten sich nun durch eine Religion oder eine Rasse definieren.
Ausserdem kann der Begriff Kollektivschuld unter umstaenden vielleicht doch Sinn machen, wenn er auf beschraenkte Faelle eingegrenzt wird. Man denke sich eine Gangsterbande, die gemeinsam ein Ding plant und hinterher laesst sich nicht bestimmen, wer genau was getan hat. Ein Beispiel, das mir aus einschlaegiger Literatur dazu einfaellt ist das Problem zweier Schuetzen, die gleichzeitig jemanden erschiessen. Wie soll man mit denen Verfahren? Rausfinden, welche Kugel nu eigentlich die toedliche war und den anderen Schuetzen laufen lassen, weil er den Typen ja nicht umgebracht hat. (Seine Kugel kam vielleicht 2 Sekunden zu spaet oder hat eben einen nichttoedlichen Verlauf genommen.) Die Schuld aufteilen?
In solchen Fällen kann man die Bezeichnung Kollektivschuld möglicherweise verwenden, allerdings könnte man bei diesem Beispiel genauso gut versuchen, die Schuld aufzuteilen (.z.B. in Mord und Mordversuch, soweit das im nachhinein noch möglich ist)
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In solchen Fällen kann man die Bezeichnung Kollektivschuld möglicherweise verwenden, allerdings könnte man bei diesem Beispiel genauso gut versuchen, die Schuld aufzuteilen
Das ist mal ne klasse Idee. Man stelle sich vor: in einem hübschen ostbrandenburgischen Dorf beschließt die 2000-köpfige Dorfgemeinschaft, den einzigen örtsansässigen Ausländer im Gedenken an alte Traditionen und als Warnung für etwaige Neuzuzügler in einem gepflegten Ritual an der Hitlereiche auf dem Dorfplatz aufzuhängen. Die Dorfgemeinschaft verübt diese Tat gemeinschaftlich und nimmt die Schuld auf sich, diese wird aber durch alle geteilt. 15 Jahre Haft geteilt durch 2000 macht ca. zweieinhalb Tage Haft pro Nase. Bei guter Führung kommt man nach 36 Stunden wieder frei, die restlichen 20 Stunden werden zu Bewährung ausgesetzt. :D
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In solchen Fällen kann man die Bezeichnung Kollektivschuld möglicherweise verwenden, allerdings könnte man bei diesem Beispiel genauso gut versuchen, die Schuld aufzuteilen
Das ist mal ne klasse Idee. Man stelle sich vor: in einem hübschen ostbrandenburgischen Dorf beschließt die 2000-köpfige Dorfgemeinschaft, den einzigen örtsansässigen Ausländer im Gedenken an alte Traditionen und als Warnung für etwaige Neuzuzügler in einem gepflegten Ritual an der Hitlereiche auf dem Dorfplatz aufzuhängen. Die Dorfgemeinschaft verübt diese Tat gemeinschaftlich und nimmt die Schuld auf sich, diese wird aber durch alle geteilt. 15 Jahre Haft geteilt durch 2000 macht ca. zweieinhalb Tage Haft pro Nase. Bei guter Führung kommt man nach 36 Stunden wieder frei, die restlichen 20 Stunden werden zu Bewährung ausgesetzt. :D
Ich sehe, wir verstehen uns :D
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hmm, schoener als colourize haette ich es wohl kaum formulieren koennen ;D 20 STUNDEN KNAST FUER ALLE!!!
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Kollektivschuld.. hm.
Meines Erachtens kann dieser Begriff nur verwendet werden, wenn es eine derartige Vielzahl von Tätern gibt, dass eine Individualisierung des einzelnen Tatbeitrages nicht mehr möglich ist UND wo kein gemeinschaftlich geplantes zielgerichtetes Handeln vorliegt. Nur, dass man "dabei" war - was moralisch eben vorwerfbar ist.
Manche "Kollektivschulddelikte" sind sogar unter Strafe gestellt - z.B. "Beteiligung an einer Schlägerei" gem.§231 StGB.
Also so GANZ ist der Begriff dann doch nicht für den Popo.
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Nur, dass man "dabei" war - was moralisch eben vorwerfbar ist.
"beteiligt", nicht "dabei".
Also so GANZ ist der Begriff dann doch nicht für den Popo.
Der Begriff an sich sicherlich nicht, aber seine Verwendung in bestimmten Zusammenhängen, z.B. die gerne unterstellte Kollektivschuld der Deutschen an/in der NS-Zeit sind für den Allerwertesten.