Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner  (Gelesen 6419 mal)

Thomas

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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
« Antwort #15 am: 10 Mai 2005, 16:50:50 »

Zitat
Zugegeben, auf dem Balkan und in Afghanistan gibts weniger zu holen. Deswegen darf diesen Angriffskrieg auch die Bundeswehr mitgestalten. Bei den Kolonialfeldzügen, bei denen es wirklich was zu holen gibt, lassen sich die USA natürlich nicht die Butter vom Brot nehmen.

Mitgestalten, aber nicht führen  :wink:
Das die USA ihre Kriege nicht nur der Menschlichkeit wegen führen, ist schon klar.Ich rede jetzt aber (in Bezug auf das Tread-Thema) von den DEUTSCHEN Einsätzen, und Deutschland kann man ja nun bei aller linkspropagandistischer Gesinnung wirklich keine Gier nach irgendeiner Eroberung vorwerfen.

Das Problem ist bei einigen Leuten ja auch immer folgendes : Wird Militär eingesetzt, jammern sie.Wird Militär nicht eingesetzt, und ergeben sich daraus Dramen, jammer sie auch.

Ich persönlich habe auch nicht so das Problem damit, wenn die Amis solche Typen wie Onkel Hussein oder die Taliban aus Amt&Würden bomben und wärend dieser Aktionen auch unbeteiligte sterben (wie viele unbeteiligte sterben in solchen Diktaturen OHNE solche Aktionen ?), sie sollten es nur bitte nicht unter so scheinheiligen Vorwänden tun : Ich sehe die "Zwangsabsetzung" von Saddam quasi als angenehmes Nebenprodukt der durchsetzung der Amiinteressen im nahen Osten.

Die Friedensbewegung sollte nur nicht immer so tun, als wenn in diesen Ländern Friede, Freude, Eierkuchen herrschte bis die bösen Amis kamen und alles kaputt machten.

Zitat
Machen wir uns doch nichts vor: Überall auf der Welt gibts bewaffnete Auseinandersetzungen. Dort überall die Bundeswehr reinschicken ist wohl nicht drin. Man muss sich also aussuchen, welches fremde Land man zum Genuss der "Pax Germania" verhelfen möchte.

Jo, aber besser ein paar Leuten helfen, als aus pseudogerechtigkeit gar nichts Unternehmen.Wie lautet die Alternative ?
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Der Uhu

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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
« Antwort #16 am: 10 Mai 2005, 16:52:27 »

Zitat von: "Jinx"
Also, wenn man die üblichen Postings à la: "Die anderen waren auch böse und haben auch böse Dinge getan" beiseiteläßt, kann ich folgendes beisteuern:


Jinx, die eigentliche Frage war doch:

Zitat
Warum glauben Sie, dass es keine Vergangenheitsbewältigung in der USA oder in anderen europäischen Länder gibt? Was sind die kulturellen Unterschieden zwischen Deutschland und die USA, die erklären warum es keine Vergangenheitsbewältigung in der USA und andere Länder gibt?


Hierfuer ist es also noetig, Vergleiche zu ziehen, zwischen uns und anderen Laendern, und das geht nicht ohne vorher zu schreiben, weshalb diese Laender eine Vergengenheit haben, die es zu bewaeltigen gilt.


Ich finde den Rechtfertigungsdrang der Deutschen auch nicht peinlich. Ich finde es eher peinlich, dass zwanzigjaehrige immer noch ueberall darauf angesprochen werden oder mit Hitlergruss begruesst werden (ist mir passiert). Und dann fuehle ich wirklich eine Schuld, die mir ungerechtfertigerweise aufgebuerdet wird und dann verteidige ich mich auch. Und wenn Du es laecherlich findest, dass der Christusmord den Juden angelastet wird, dann ist es doch genauso laecherlich, wenn mir ein 32-jaehriger Ami erklaert "Wir haben euch von den Nazis befreit"

Der Vorwurf, die Deutschen wuerden die Schuld von sich schieben, indem sie immer wieder andere beschuldigen auch schlimmes getan zu haben ist meiner Ansicht nach purer Unsinn. Jedesmal, wenn man sich zu den Verbrechen anderer Nationen aeussert, was ein ganz normaler Akt in einer Diskussion ist, steht garantiert jemand auf und sagt "Du willst doch nur vom Holocaust ablenken". Ich nehme mir heraus ueber alles zu reden, was mir beliebt. Und in diesem Thread bin explicit ich nach den Amerikanern gefragt worden, also antworte ich auch darauf.
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Wolfmann

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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
« Antwort #17 am: 10 Mai 2005, 17:55:37 »

Zitat von: "Thomas"

Die Friedensbewegung sollte nur nicht immer so tun, als wenn in diesen Ländern Friede, Freude, Eierkuchen herrschte bis die bösen Amis kamen und alles kaputt machten.


Wer sagt denn, dass unsere Ansichten, unsere Art zu Leben, unser Staatssystem, unsere Einstellung zu anderen, die einzig seeligmachende Lebensweise ist?

Und Leute, die Frieden predigen und dann Krieg praktizieren sind in meinen Augen nicht sehr glaubwürdig... :-O
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atomheartmother

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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
« Antwort #18 am: 10 Mai 2005, 17:58:55 »

Danke schoen fuer Euere Hilfe.  Ich habe viel gelernt.  Ich werde spaeter weiterlesen, wenn jemand mehr schreibt.  Wenn jemand mir Fragen hat, konnten Sie freilch fragen.

Danke schoen.
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Jinx

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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
« Antwort #19 am: 10 Mai 2005, 18:03:11 »

Hallo Uhu,

ich kann in der Aufzählung der Untaten wenig Antworten zum Thema "warum bewältigen die anderen ihre Vergangenheit nicht richtig" herauslesen.

Zitat
ch finde den Rechtfertigungsdrang der Deutschen auch nicht peinlich. Ich finde es eher peinlich, dass zwanzigjaehrige immer noch ueberall darauf angesprochen werden oder mit Hitlergruss begruesst werden (ist mir passiert). Und dann fuehle ich wirklich eine Schuld, die mir ungerechtfertigerweise aufgebuerdet wird und dann verteidige ich mich auch. Und wenn Du es laecherlich findest, dass der Christusmord den Juden angelastet wird, dann ist es doch genauso laecherlich, wenn mir ein 32-jaehriger Ami erklaert "Wir haben euch von den Nazis befreit"


Ich kann nur über meine Erfahrungen sprechen, und die sehen völlig anders aus. Mich hat nie jemand mit Hitlergruß begrüßt, nicht mal in England, wo das anscheinend eine kollektive Erfahrung der deutschen Austausschüler zu sein scheint, nicht in Holland und erst recht nicht in dem Kibbuz, in dem ich mal war. Mir hat auch noch nie jemand erklärt, mich befreit zu haben (nein, ich sage im Ausland nicht, dass ich aus NOrwegen oder so wäre; ja, ich war früher jedes Jahr mehrmals im Ausland). Insofern teile ich Deine Erfahrungen nicht, sprechen kann ich aber nur über meine eigenen.




Zitat
Der Vorwurf, die Deutschen wuerden die Schuld von sich schieben, indem sie immer wieder andere beschuldigen auch schlimmes getan zu haben ist meiner Ansicht nach purer Unsinn. Jedesmal, wenn man sich zu den Verbrechen anderer Nationen aeussert, was ein ganz normaler Akt in einer Diskussion ist, steht garantiert jemand auf und sagt "Du willst doch nur vom Holocaust ablenken". Ich nehme mir heraus ueber alles zu reden, was mir beliebt. Und in diesem Thread bin explicit ich nach den Amerikanern gefragt worden, also antworte ich auch darauf.


Ich denke auch, dass jeder sich das Recht hat, zu äußern. Es kommt halt nur auf den Kontext an. Und ich bin es Leid (ganz allgemein gesprochen jetzt), wenn das Thema nunmal Drittes  Reich ist, wenn dann stereotyp kommt "aber die AMis waren auch ganz schlimm in Vietnam.". Waren sie, keine Frage. Aber meist ist das nicht das Thema gewesen.  :mrgreen:
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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
« Antwort #20 am: 10 Mai 2005, 19:48:25 »

Tut mir leid.  Als ich fragte ob Deutschen Kollektivschuld fuehlen, meinte ich wirklich zu fragen ob Deutschen Scham ueber dem Taten des Drittes Reiches fuehlen.  Ich weiss nicht, ob Euere Antworten zur Frage unterschiedlich sein werden.  Ich meinte nicht zu besagen, dass jemand hier shuldig ist.
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Thomas

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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
« Antwort #21 am: 10 Mai 2005, 19:57:43 »

Zitat
Wer sagt denn, dass unsere Ansichten, unsere Art zu Leben, unser Staatssystem, unsere Einstellung zu anderen, die einzig seeligmachende Lebensweise ist?

Kennst du eine bessere ?
Ich meine, sicherlich kann man ein Land und sein Volk auf verschiedene Arten führen, aber Folter und unterdrückung von Andersdenkenden kann ich nun mal prinzipiell nichts gutes abgewinnen.

Zitat
Und Leute, die Frieden predigen und dann Krieg praktizieren sind in meinen Augen nicht sehr glaubwürdig... :-O

Manchmal führt der Weg zu Frieden und Freiheit (auch wenn das blöde klingt) nun mal nur über Krieg.
Die Naziherrschaft in Deutschland wurde auch nicht durch Sitzblockaden und Flyerverteilung beendet.
Man könnte auch sagen : Manchmal muß man die Leute auch zu ihrem "Glück" zwingen.Kurz nach dem 2.Welkrieg war die anzahl derer, die das Naziregime für "an sich gar nicht so schlecht" hielten auch noch relativ hoch.Erst mit der Zeit wurde den Leuten klar, das die Demokratie doch irgendwie das bessere System ist.

Wenn man jetzt dagegen hält, das z.B. in Afghanistan die Leute immer schon unter einem Stammesfürsten ohne Demokratie lebten und das zu ihrer Kultur gehört, sollte man bedenken, das die auch nie etwas anderes kennengelernt haben.
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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
« Antwort #22 am: 10 Mai 2005, 21:18:59 »

@atomheartmother: Hier geht niemand davon aus, daß Du uns als "schuldig" bezeichnest, keine Angst. Diese Diskussionen hier zeigen aber sehr schön, dass auch wir 20-40jährigen noch lange nicht alles einfach begraben, was da vor 60 Jahren passiert ist, sondern sehr wohl noch oft darüber nachdenken.

Und nochmal konkret meine Ansicht zur "Scham":
Schämen kann ich mich für die Gräueltaten im 3. Reich nicht. Sie haben Menschen verübt die ich niemals kannte, und ich kann für diese Taten nichts dafür, weil ich danach geboren wurde.
Ich würde mich aber schämen, wenn ich die Geschichte, die in dem Land in dem ich lebe, nicht kennen würde oder nichts dazu zu sagen hätte. Eine Meinung sollte dazu schon jeder haben, schliesslich kann es überall, vor allem im Ausland, passieren dass ich mit dieser Geschichte meines Landes konfrontiert werde. Also setze ich mich damit auseinander und habe dann auch Antworten auf die Frage "Warum?" - auch um es notfalls "besser zu machen", falls ähnliche Tendenzen wie damals auftreten sollten, dem entgegenzutreten und dann früher dagegen mit anzugehen als es damals getan wurde.

Dasselbe -eine Meinung haben- wundert mich auch so bei den Amerikanern: Auf die Frage "Warum haben wir eigentlich den Irak angegriffen?" haben sich die Antworten "Weil sie uns angreifen könnten", "Weil sie Massenvernichtungswaffen haben" und "Weil danach dort Frieden herrscht" in Luft aufgelöst: Massenvernichtungswaffen wurden keine gefunden, also konnten sie die USA auch niemals angreifen, und der Krieg herrscht -siehe Bombenanschläge täglich- weiterhin an.
Welche Antwort geben denn die Amerikaner auf die Frage "Warum wurde gegen den Irak Krieg geführt" ? Weißt Du da etwas darüber, atomheartmother? (Ist wirklich Neugierde, keine Anschuldigung oder Ähnliches. Ich bin wirklich nur neugierig.)
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« Antwort #23 am: 10 Mai 2005, 23:53:51 »

Ich stuetze den Krieg in Irak nicht.  Ich glaube, dass die Mehrheit Amerikaner den Krieg in Irak nicht mehr stuetzen.  Warum es gibt Leute, die noch den Krieg noch stuetzen, weiss ich nict.  Die Menschen, die den Krieg noch stuetzen, wuerden Bush stuetzen trotzdem was er tun.  Wenn er morgen Syrien oder Iran oder wo immer angegriffen haette, wuerde sie ihn unterstuetzen.      

Nach 9/11 hatten jeder Amerikaner Angst.  Wegen des Angriffs realisierten Amerikaner, dass wir nicht unverletzlich sind.  Die Bush Verwaltung benutzt diese Angst.  Wenn man Angst hat, kann man ihn kontrolliert.  Jeden Tag erinnerte Bush uns, dass die Terroristen jederzeit uns wieder angriffen koennte.  Amerikaner lebten keine Tag ohne Angst.  Wenn Bush Amerikaner sagte, dass wir um unser Fenster Klebeband kleben sollen, entsprach viele Amerikaner.  

Bevor der Krieg in Irak, sagte er, dass Irak eine direkte Bedrohung war.  Er sagte dass, wenn wir Irak nicht angreifen, werden 9/11 wieder passieren.  Er hatte "ueberzeugenden Beweis", der Irak ein direkte Bedrohung war, und Amerikaner glaubte ihn, weil wir Angst hatten.  Als wir jetzt wissen, war die "ueberzeugenden Beweis" falsch.  Trotz der Luege, stuetzen viele Leute noch Bush und den Krieg.

Ich hatte nie Angst vor der Terroristen.  Ich weiss, dass sie meine Kleinstadt in Wisconsin nie angreifen werden.  Aber andere Leute, die in Kleinstaedte leben, haben noch Angst.  Warum?  Weiss ich nicht.
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Vergangenheitsbewältigung: Fragen von einer Amerikaner
« Antwort #24 am: 11 Mai 2005, 00:30:10 »

Zitat von: "Thomas"
Kurz nach dem 2.Welkrieg war die anzahl derer, die das Naziregime für "an sich gar nicht so schlecht" hielten auch noch relativ hoch.Erst mit der Zeit wurde den Leuten klar, das die Demokratie doch irgendwie das bessere System ist.

Ähem. Ohne jetzt jemanden triggern zu wollen: Hatten sie eine so grosse Wahl?
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« Antwort #25 am: 11 Mai 2005, 01:24:36 »

Danke für die Antwort, atomheartmother ...

Deine Aussage deckt sich mit dem, was hier im Fernsehen auch erzählt wird: Dass Bush die Angst der Amerikaner vor Terroranschlägen ausnutzt, die nach 9/11 eingesetzt hat.

Hier in Deutschland wundert man sich häufig, woher diese Angst kommt. Mich nicht: In den USA musste man bisher niemals Angst haben, im eigenen Land angegriffen zu werden - eben bis 9/11. Dass der Schock groß ist, kann ich verstehen. Es ist nach Pearl Harbor das erste Mal überhaupt, dass auf dem Gelände der USA überhaupt jemand mal einen Angriff ausgeübt hat -und das ist auch schon über 60 Jahre her ...

Trotzdem verstehe ich nicht wirklich -genau wie Du, atomheartmother- weswegen immer noch 50% aller Amerikaner lieber Bushs Lügen glauben (und Angst haben) als zu bemerken, dass der Irak-Krieg auf einer Lüge aufgebaut wurde...

Nun denn. Viele Deutsche arbeiten ihre Geschichte heute noch auf.
Dasselbe wünsche ich den Amerikanern, wenn Bush abgewählt ist  :wink:
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Thomas

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« Antwort #26 am: 11 Mai 2005, 09:08:15 »

Zitat
Thomas hat folgendes geschrieben:
Kurz nach dem 2.Welkrieg war die anzahl derer, die das Naziregime für "an sich gar nicht so schlecht" hielten auch noch relativ hoch.Erst mit der Zeit wurde den Leuten klar, das die Demokratie doch irgendwie das bessere System ist.

Ähem. Ohne jetzt jemanden triggern zu wollen: Hatten sie eine so grosse Wahl?

Naja, im Sowjetischen Sektor hat man sich anders entschieden.
Der Westen hatte keine Wahl, aber das war vermutlich auch ganz gut so, oder meinst du, das ein anderes politisches System für Deutschland und sein Volk besser gewesen wäre ? Ich glaube nicht.
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Rick Deckard

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« Antwort #27 am: 11 Mai 2005, 11:02:22 »

Im Grunde genommen kann man zu dem, was hier bereits geschrieben wurde, nicht mehr viel hinzufügen. Trotzdem möchte auch ich noch ein paar Worte zu der Frage um das Schamgefühl von atomheartmother schreiben.

Ich schäme mich meiner Nationalität nicht, denn diese steht für ein gänzlich anderes Land. Eines mit einer der besten und erfolgreichsten Demokratien in der Welt. Ein Land, dessen Bevölkerung Pazifismus in den Grundfesten und im Grundgesetz verankert hat. Ich schäme mich schon eher für meine Nationalität, wenn ich wieder mal was von randalierenden Fußballrowdies höre, die zufällig auch Deutsche sind, oder typisch deutsche Spießbürger im Ausland. Um die mache ich einen Bogen.

Von und in vielen Länder, und so gut wie jedem westlichen, gingen in der Vergangenheit schlimme Dinge aus, die ihre Auswirkungen auf die eigenen und / oder andere Menschen hatten. Dass in der Türkei bis 1919 Massenmorde und Zwangsumsiedelungen von Armeniern, Griechen und Assyriern verübt wurden, oder in den belgischen Kolonien im Kongo durch König Leopold II 5 - 15 Millionen Kongonesen bis 1909 ausgebeutet und massakriert wurden, oder in Kroatien bis 1943 bis zu 1 Million Menschen ermordet wurden, oder dass in der Soviet Union bis zu 20 Millionen Menschen sterben mussten, weil sie anders dachten, als vom System vorgeschrieben, das weiß, bzw. interessiert doch kaum jemand.

Deutschland war nur immer eine der Nationen, die mit großem Hurra blind in den Krieg stürzte, sich übernahm und bezwungen wurde. Und hätten die Japaner Pearl Harbor nicht angegriffen, wären die Amerikaner womöglich erst viel später, wenn nicht sogar überhaupt nicht in den zweiten Weltkrieg eingetreten. Was das für Auswirkungen auf den Kriegs- und Geschichtsverlauf in Europa und der restlichen Welt gehabt hätte, wage ich gar nicht zu visualisieren.

Fakt ist, dass jeder Mensch, vorausgesetzt er befindet sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort, in der Lage dazu ist Greueltaten zu begehen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Das hat die Geschichte schon oft gezeigt und dabei war es vollkommen egal, an welchem Breiten- und Höhengrad auf dem Globus das stattfand und zu welcher Zeit. Solange ein Volk seiner Regierung blind folgt, kann Korruption, Gier nach Macht und nach Kontrolle gedeihen und maßlos ausufern. So war es in den USA zur Zeit der Indianerkriege, in Frankreich zu Zeiten Napoleons, in Kambotscha unter Pol Pots Regime (was ein Kapitel an Grausamkeit für sich ist), in Australien, wo die Briten die Ureinwohner vertrieben, in Südafrika, wo weiße die schwarze Bevölkerung unterdrückten, usw. usf.

Ich bin nicht stolz darauf ein Deutscher zu sein, ich bin ein Deutscher und gut. Genauso gut könnte ich stolz darauf sein ein Mensch zu sein, oder Europäer oder Wal-Mart-Kunde. Letzendlich kann man nur auf seine eigenen Taten stolz sein, bzw. auf eigene Leistungen. Alles andere heißt, sich mit fremden Federn zu schmücken. Ich habe weder berühmte Gedichte und Kompostitionen geschrieben, noch bahnbrechende Erfindungen gemacht, oder sonstige Dinge, die der Menschheit zugute gekommen sind. Man kann stolz darauf sein, aus demselben Land zu stammen, wie ein berühmter Philosoph oder Wissenschaftler oder Menschenrechtler, mehr aber auch nicht. Genauso wenig kann ich mich dafür schämen aus einem Land zu stammen, in dem ein Regime aus Verbrechern mit der Unterstütung von Kriminellen, Mördern und Feiglingen gewütet hat. Wohl aber bin ich mir dieser Tatsachen bewusst, leugne sie nicht, diskutiere darüber und erkenne und sage es auch, wenn mir ähnliches präsentiert wird. Ob nun  im eigenen Land oder anderswo. Ein Volk kann nicht bis zum letzten Individuum nur schlecht und nur gut sein. Aber die Welt erinnert sich natürlich immer an die verheerendsten Auswüchse. Über die Tsunami von letztem Jahr redet man ja auch noch, das letzte Erdbeben in der Türkei dagegen ist schon wieder in Vergessenheit geraten.
Die Zahl der Opfer ist immer auch eine Marke für die Wertigkeit einer Katastrophe im kollektiven Gedächtnis der Menschen.
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