Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Abschied vom deutschen Wohlstand?  (Gelesen 5036 mal)

BaerndME

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Abschied vom deutschen Wohlstand?
« am: 13 Dezember 2022, 14:42:07 »

Diesen Film gefunden und gesehen. Worum geht es?
- Deutsche können sich teilweise nicht mehr leisten, ihre Wohnungen zu heizen
- Deutsche müssen sich teilweise auf Sonderangebote beim Nahrungsmittelerwerb beschränken
- Wachstum klappt nicht mehr wegen der Energiepreise und des Fachkräftemangels
- Infrastruktur kann nicht mehr erhalten, geschweige denn ausgebaut werden
- Inflation droht, alles zu verschlimmern
- Die Ampel ist sich uneins, was man alles tun muss, um diese Krise zu bewältigen, z.b. blockiert die FDP eine gerechtere Vermögensverteilung

Es kommt auch das durch, was ich im Corona-Thread schon erwähnt habe. Es scheint, wir hätten ein paar goldene Jahrzehnte hinter uns und müssten nun akzeptieren, dass damit Schluss ist.

Energieunabhängigkeit, schnelle Hilfen für die Bürger, Sicherung der mittelständischen Industrie,... Plötzlich hat die Regierung viel zu viel zu tun, auch Suppe der CxU auszulöffeln, in viel zu kurzer Zeit. Sonst wird der Winter 2023/2024 der Horror für uns. Und sie kommen gar nicht schnell genug hinterher und sind nicht allmächtig.
Wo führt das hin?

Ich glaube nicht, dass wir _Angst_ haben müssen, aber wir werden uns öffnen müssen für neue Herausforderungen, die jede einzelne Person zu stämmen haben wird.
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Jack_N

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Antw:Abschied vom deutschen Wohlstand?
« Antwort #1 am: 13 Dezember 2022, 15:59:27 »

Was ich nicht verstehen kann: Nach was jammern die Leute genau?
Ich hör immer wieder "früher war alles besser, früher war alles billiger".
Butter ist ja derzeit teuer geworden, Plätzchenbacken ist ja fast Luxus. Ich erinnere mich aber daran, dass in meiner Kindheit die Butter auch schon nicht wirklich günstig war.
Eier dasselbe, die sind heute gefühlt noch billiger zu haben als in den frühen 80ern.
Sprit ist inflationsbereinigt auch bereits n paarmal nahe an den Preisen gewesen, die wir derzeit haben.
Computer und Technik war noch nie so billig wie jetzt. In den 80ern hat man schnell 10.000DM für einen besser ausgestatteten Rechner zahlen müssen, und die Hälfte davon nochmal für die Software. MS Office kostete über 1000 bis über 2000DM (je nach Version) - jetzt knapp 100€ für ein sehr vollständiges Paket.

Jede Sache war irgendwann mal billig. In den 80ern haben mehr Leute Häuser gekauft/gebaut, aber nicht jeder hats gepackt. Viele Häuser in der Straße wo ich aufgewachsen bin haben kaum die Bauphase bis zur Pleite der Eigner überlebt - Kunststück bei 10% Zinsen damals.
Heutzutage sind die Häuser gefühlt teurer, haben aber nicht nur ab Werk eine viel bessere Dämmung und damit Energieeffizienz, sondern wenn man die günstigeren Zinsen mit einbezieht sind sie auch unterm Strich nicht so viel teurer geworden was die Zahlungen über die gesamte Laufzeit angeht. Regional gibts nur Hotspots, weil langsam das Bauland ausgeht, und jeder unbedingt was neues/modernes haben will statt mal Bestand zu renovieren / zu nutzen.

KFZ-Preise hatte ich vor ner Weile auch mal durchgetüdelt: Im Vergleich zum Durchschnittseinkommen ist der VW Golf noch heute als Basisversion quasi genauso teuer wie bei seiner Einführung.
Aber für dasselbe Geld bietet das heutige Auto natürlich viel, viel, viel mehr - da sind Sachen drin, von denen man damals nichtmal geträumt hat, und er ist viel geräumiger, ohne dabei mehr Sprit zu verbrauchen als die alten Vergasermotoren.

Aber: Im Vergleich zum Durchschnittseinkommen. Das Medianeinkommen ist was anderes, und da liegt der Knackpunkt - das hat sich in den letzten 30 Jahren dann doch deutlich verschoben, die Schwelle zum Mehrverdienst ist gewandert, auch durch das Wegfallen des "middle managements" in vielen Firmen. Flache Hierarchien bedeuten halt effektiv auch eine Personalkostensenkung, denn wenn es keine Zwischen-Leitungsposten mehr gibt, dann gibts auch keine Initiative Leuten in diesen Positionen mehr zu zahlen.


Jetzt sind wir allerdings wirklich an einem Punkt angekommen (der eigentlich für alle seit 10 Jahren hätte absehbar sein sollen), an dem die realen Kosten für eine große Masse ansteigen. Und da ist sich oft jeder selbst der Nächste, es wird nicht mehr auf die Zukunft geschaut, sondern es herrscht ein "ich,ich,ich"-Geschreie und Fingerzeigen.

Wir haben hier ja auch schon oft diskutiert wie die Zukunft aussehen kann, von nachhaltiger Energienutzung bis hin zu alternativen Nahrungsmitteln, deren Anbau ggf. weniger schädlich ist als die Tierzucht derzeit. Aber der typische deutsche Michel ist ja nicht bereit sich zu ändern, Bier, XXL-Schnitzel und Kartoffel werden hier ja wie Schild und Schwert vorweggetrieben um sich gegen alles Mögliche zu verteidigen (und ständig gibts nen neuen Feind-der-Woche, egal obs Corona-Maßnahmen, Klimaaktivisten, Flüchtlinge, Einwanderer, Banken, sonstwer ist - immer nen Sündenbock vorschieben auf den man alles Böse projizieren kann, um in der heilen kleinen Welt am offenen Kamin sich mit Feinstaub einzudecken und weiter fettes Essen zu verdrücken).
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schwarze Katze

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Antw:Abschied vom deutschen Wohlstand?
« Antwort #2 am: 13 Dezember 2022, 16:10:48 »

ich denke, dass es einige harte Jahre von uns liegen, aber es wird nicht so dramatisch wie die Winter 46/47
Wir werden es überleben und das ist das wichtigste.
Und nach ein Paar Jahre wird es wieder vorwärts gehen, diese verdammte Krieg wird auch nicht ewig dauern.
Wir werden schon bessere Zeiten erleben und bis dann muss man eben durchhalten.
Für die glücksverwöhnte Generation wird natürlich schwierig, aber das Leben ist eben kein Ponyhof.
Und wird immer noch besser gehen als den Menschen in Moldau.

Ich denke, das Wichtigste ist, nicht in Panik zu geraten und daran glauben, dass es irgendwann besser geht.
Und vielleicht werden wir durch diese Erfahrung auch besser, menschlicher, tiefgründiger
Vielleicht werden für uns die tolle Klamotten und die supertolle durchtrainierte Body keine so große Rolle mehr spielen.

Wenn ich so die Kriegskindergeneration von meiner Mutter sehe ,waren sie viel stabilere und bodenständigere Menschen, mit viel realistischeren und gesünderem Einstellung zum Leben. Keine ihre Schulfreundinnen hatte "geritzt" (ich musste die aufklären, was das ist und sie fragte mich dann: "Wozu machen sie das?"), keine spätere Kommilitonen von meiner Eltern (alle Baujahr 36-38, also Kriegsgeneration) wurden Rauschgiftabhängig, Magersüchtig oder Bulimisch.
Von meiner wohlstandverwöhnter Generation kann ich das nicht behaupten.
Ich bewundere die seelische Robustheit meiner Eltern und das ist in deren Fall keine Verdrängung, sondern echt


Aber vielleicht sehe ich das so, weil ich schon einmal alles verlor:
um meinen Bruder von Militär zu retten sind wir aus ehem. UdSSR ausgewandert und landeten aus einer 4,5 - Zimmer-Wohnung in moskauer Innenstadt in einen Aussiedlerheim in Hagen-Westphalen. Also bin ich mit Armut per du und solange es sich nur um Armut handelt und nicht um Elend, kann man das überleben.


Natürlich wird es für die normalen Menschen in Deutschland hart, gerade weil man Jahrzehntelang die Kinder über Maß verwöhnte, jetzt wird es für frühere Helikopter-Kinder echt brenzlich, sie sind wir kleine überzüchtete Chihuahua, die sich plötzlich auf die Straße behaupten müssen. 20 Jahre darauf vorbereitet, dass das Leben wunderschön ist und du in dem besten Welt lebst und jetzt plötzlich auf den Boden zu klatschen ist brutal.
Aber so ist die Realität, Party ist vorbei.. für die erste.
Wie gesagt, ich glaube nicht, dass es für immer ist (vorausgesetzt, es gibt kein Atomkrieg).
Und ich hoffe sehr, dass die Menschen vernünftig genug sind und keine Rechtspopulisten wählen, weil damit geht es nur am Anfang ein bißchen besser, am Ende aber um einiges beschiessener


Vielleicht wäre es sinnvoll sich daran zu erinnern, dass gerade in die schlechte Zeiten man in einer Gruppe leichter überlebt, sei es eine Großfamilie oder eine Groß-WG mit Gleichgesinnten. Erstens spart man Geld und zweitens fühlt man sich nicht so einsam, gerade wenn die andere Freizeitgestaltungsmöglichkeiten mangels Geld weg fallen.

P.S.
Was mir Sorgen macht, sind die zwei Sachen
a) Umwelt
b) Alterspyramide

Wir haben viel mehr alte Menschen als junge und leider peilen die oben immer noch nicht, dass jeder Kind, egal aus welcher Schicht ,die beste Förderung bekommen soll, damit er nicht unter seinen geistigen Potential bleibt. Hilfsarbeiter haben wir viel zu genüge (und zu Not kann man noch welche holen), Fachkräfte sind aber sehr rarer Gut. Und wir können keine Fachkräfte klonen, wir müssen schon welche ausbilden.
Sonst haben wir nach ein Paar Jahre, wenn der Spuck vorbei ist, keine Spezialisten für Aufschwung.
« Letzte Änderung: 13 Dezember 2022, 16:26:23 von schwarze Katze »
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Jack_N

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Antw:Abschied vom deutschen Wohlstand?
« Antwort #3 am: 13 Dezember 2022, 17:05:44 »

Wahre Worte. Vielleicht bin ich aber da auch einfach anders aufgewachsen, auch wenns mir selbst nie irgendwie schlecht ging, so lang das primär doch daran dass meine Eltern alles getan haben, damit eben alles für die Kinder möglichst tutti war.
Ja, in einem eigenen Haus zu wohnen war eine privilegierte Geschichte, auch damals. Was haben wir als Familie dafür an Opfern gebracht?
Keine Urlaube im Ausland, außer bei Familie wo wir kostenlos unterkommen konnten. Autos waren ewige Zeit nur die abgelegten Fahrzeuge der Verwandschaft, die dort zu alt waren oder zu klein oder beides. Später Gebrauchtwagen, und Re-Importe. Den einzigen Neuwagen, den meine Eltern je gekauft haben, fahren sie noch heute - 23 Jahre später.
In den ersten Jahren nach dem Hausbau wurde Obst und Gemüse im eigenen Garten angebaut - um Geld zu sparen. Das war ein ernsthafter Faktor. Kleidungstechnisch habe ich quasi bis zum Ende der Grundschulzeit Klamotten meiner älteren Cousins aufgetragen. Viel war geflickt, genäht, aufgearbeitet. Egal, war warm und robust - für mich als Kind nie ein Problem.
Mit Technik bin ich zwar früh in Kontakt gekommen, aber primär durch spendable Verwandschaft. Mein erster Rechner wurde tatsächlich als Bausatz von Völkner bestellt und von meinem Vater zusammengesetzt (VC20, falls einem die Kiste noch was sagt). War Resterampenkram, aber für mich unglaublich spannend.

Spielzeug bestand aus alten Sahne-CO2-kapseln, Eisstäbchen, kleinen Plastiklupen, Haarklammern und was weiss ich - alles in einem "Agentenkoffer" (ein Plastik-Sortimentskasten zum Aufklappen), und damit wurde die Umgebung unsicher gemacht. Pfeil und Bogen waren selbstgebaut. Brettspiele waren strategisch auf die Familien verteilt - bei einem wurde Risiko gespielt, beim anderen Spiel des Lebens oder Spiel des Wissens, der nächste hatte das Börsenspiel oder Shogun usw... so traf man sich überall mal, je nachdem worauf man Bock hatte.

Es gab niemanden in der Umgebung, der quasi "alles" hatte. Wenn ich so aber drüber nachdenke habe ich das Gefühl, als ob das Zustände waren, die man heute Kindern nicht mehr zumuten dürfte, ohne als "Rabeneltern" abgestempelt zu werden. Zum Glück sind wir noch nicht so weit wie in Texas, wo Eltern das Sorgerecht entzogen bekommen, wenn sie die Kinder alleine zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule schicken (Kindeswohlgefährdung!).


Was die seelische Robustheit der vorherigen Generationen aber angeht, so fürchte ich ist dort viel mehr unter den Teppich gekehrt worden und mit anderen Begriffen verklärt worden. Die Personen, die mental nicht so stabil waren, wurden in der Gesellschaft oft derart geächtet, dass sie nach außen hin sich immer weiter abgekapselt haben. Und oft waren das dann die Leute, vor denen man im Dorf gewarnt wurde, die die weiter draußen wohnen mussten und "etwas anders" waren. Teils geduldet wegen ihres handwerklichen Geschicks oder Wissen, aber halt trotzdem Außenseiter.

Wie viel ich erst nach Jahrzehnten über Familienangehörige gehört hab lässt mich da nur immer wieder den Kopf schütteln.
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Antw:Abschied vom deutschen Wohlstand?
« Antwort #4 am: 13 Dezember 2022, 17:44:15 »

@Jack_N

Weißt du, obwohl diese Zeit in Aussiedler-Heim, zu viert in einer 1,5 -Zimmer Wohnung, mit Sozialhilfe und in absoluter Unterschicht hat unsere Familie wieder eng zusammen gebracht.
Letzte Jahr in Moskau habe ich ziemlich übertrieben und alles ausprobiert, was ich in die Finger kriegen könnte. Bin dann hackedicht irgendwann nach 24 Uhr nach Hause geschlichen und in meine Zimmer verschwunden. Mein Bruder auch, er war aber junger und hatte noch nicht so viele Kontakte in gewissen Kreisen, bei mir war es aber einige Zeit brenzlich. Meine Eltern bekamen das nicht mit, doch nicht ihre brave Tochter, die Klavier spielt.

Und dann saßen wir plötzlich alle zusammen auf einem engsten Raum ohne Fluchtmöglichkeiten, spielten Abends Karten oder Gesellschaftsspiele oder quckten zusammen Fern und versuchten, Deutsch zu verstehen.
Später wurde es natürlich besser, wir zogen in eine schöne Wohnung, aber komischerweise ging dann auch der Zusammenhalt flöten, mein Bruder zog schnell aus, danach auch ich.


Ich denke, dass viele Menschen nicht verstehen, dass wir in Wirklichkeit jetzt in ganz extremen Kalten Krieg sind und jeder Tag, an denen dieser Krieg kalt bleibt, ein Glückstag ist.
Die Leute jammern, fliegen aber in Urlaub nach Antalya und gehen zu Kosmetikerin. Armut ist was anderes


Was die seelische Robustheit der vorherigen Generationen aber angeht, so fürchte ich ist dort viel mehr unter den Teppich gekehrt worden und mit anderen Begriffen verklärt worden. Die Personen, die mental nicht so stabil waren, wurden in der Gesellschaft oft derart geächtet, dass sie nach außen hin sich immer weiter abgekapselt haben. Und oft waren das dann die Leute, vor denen man im Dorf gewarnt wurde, die die weiter draußen wohnen mussten und "etwas anders" waren. Teils geduldet wegen ihres handwerklichen Geschicks oder Wissen, aber halt trotzdem Außenseiter.

Wie viel ich erst nach Jahrzehnten über Familienangehörige gehört hab lässt mich da nur immer wieder den Kopf schütteln.

Kann sein.
Aber leben wir jetzt nicht eine andere extreme?
Wenn jemand kein "Schaden" hat, gilt man fast schon wie ein "Proll" in einigen Kreisen? Irgendwelche Phobie oder sonst was muss man haben, damit man nicht als einfältige Person akzeptiert wird.  Ich merke auf jeden Fall, dass ich viele weniger mit meiner Psyche jetzt zutun habe, seitdem ich in Kampf-Modus bin. Mir tut nur die verlorene Zeit leid, die ich bei Therapeuten verbrachte anstatt in Fitness-Club oder am Strand.
Und was meine Mutter betrifft, weiß ich, dass  sie wirklich sehr stark ist. Ich habe es gesehen, als mein Vater an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankte und nach 3 Wochen starb. Ich wäre an ihrer Stelle danach echt in Ochsenzoll
« Letzte Änderung: 13 Dezember 2022, 17:54:03 von schwarze Katze »
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Antw:Abschied vom deutschen Wohlstand?
« Antwort #5 am: 13 Dezember 2022, 21:49:37 »

Wenn ich so die Kriegskindergeneration von meiner Mutter sehe ,waren sie viel stabilere und bodenständigere Menschen, mit viel realistischeren und gesünderem Einstellung zum Leben. Keine ihre Schulfreundinnen hatte "geritzt" (ich musste die aufklären, was das ist und sie fragte mich dann: "Wozu machen sie das?"), keine spätere Kommilitonen von meiner Eltern (alle Baujahr 36-38, also Kriegsgeneration) wurden Rauschgiftabhängig, Magersüchtig oder Bulimisch.
Von meiner wohlstandverwöhnter Generation kann ich das nicht behaupten.
Ich bewundere die seelische Robustheit meiner Eltern und das ist in deren Fall keine Verdrängung, sondern echt
Ja, diese "Robustheit" habe ich bei den Älteren genau so erlebt und erlebe sie noch heute. Dass die Leute heute weit davon entfernt sind scheint mir mehrere Gründe zu haben.
Wie soll Jemand, der in einer Watte-Welt aufgewachsen ist und nie mit der Rauheit des Lebens in Kontakt gekommen ist, jetzt klar kommen? Selbstwirksamkeit erfahren haben? Dann wurde viel "Gemeinschaft erleben" durch die digitale Einsamkeit "ersetzt". Das ist eine flache, akzentlose "Wirklichkeit", ebenfalls ohne echte Konfrontation. Außerdem werden uns inzwischen von den viel präsenteren Medien alle möglichen Krisen vor die Füße gerotzt, denen wir uns teils machtlos gegenüber sehen. Von der Aufbruchstimmung und dem Glauben an eine positive Zukunft aus den 90ern ist wenig übrig. Abgesehen davon dass gerade uns Deutschen die sowieso nur in Spruren verhandene Leichtigkeit, Selbstironie, Entspanntheit komplett abhanden gekommen ist. Heutzutage ist alles politisch, der Diskurs ein Minenfeld, jeder Ausrutscher kann das Karriereende bedeuten (und wird per Handy festgehalten). Alles ist Nazi *kicher*. Früher haben "wir" uns auf ehr lokale Probleme konzentriert, heute gilt man schon als moralisch fragwürdig wenn man NICHT die ganze Welt retten will.
Wir scheinen zwar viel mehr Möglichkeiten als früher zu haben, leben aber in einer Welt in der der Einzelne immer weniger in Resonanz zur Natur, Material, Garten, ungefiltertem direktem Erleben hat. In einer Welt voller Möglichkeiten in der wir uns selbst und gegenseitig einschränken, maßregeln und belehren. Spaßbefreit.
Und vor allem scheint sich eine große Orientierungslosigkeit breit zu machen und von Generation zu Generation zu verstärken. Alte Gewissheiten stehen zur Disposition. Vieles Absolte ist relativ geworden (selbst der Frau/Mann Begriff...)
So, genug gesabbelt, das hat gut getan *kicher *.
Worum ging's nochmal? Ach ja...Robustheit ;)

Spielzeug bestand aus alten Sahne-CO2-kapseln, Eisstäbchen, kleinen Plastiklupen, Haarklammern und was weiss ich - alles in einem "Agentenkoffer" (ein Plastik-Sortimentskasten zum Aufklappen), und damit wurde die Umgebung unsicher gemacht. Pfeil und Bogen waren selbstgebaut. Brettspiele waren strategisch auf die Familien verteilt - bei einem wurde Risiko gespielt, beim anderen Spiel des Lebens oder Spiel des Wissens, der nächste hatte das Börsenspiel oder Shogun usw... so traf man sich überall mal, je nachdem worauf man Bock hatte.
Das hast du schön umschrieben :) Diese wunderbare Unperfektheit der 90er...als wir selber noch kreativ waren und nicht alles von tausend Leuten die im Smartphone wohnen vorgekaut bekommen haben. War das (von heute aus betrachtet) ein schönes geborgenes lost-sein :)
Bei mir waren es dazu noch Berge von Elektroschrott den ich heimlich vom Sperrmüll in unseren Keller transportiert und dort zerlegt habe. Electric Wonderland :)

Zurück zum Ausgangsthema,
mir scheint es, als öffne sich die Schere in rasender Geschwindigkeit. Die, die bis in die 2000er Glück hatten, clever waren oder einfach nur zufällig ein kleines Häuschen (oder zwei) in der damals versifften Köllner Innenstadt gekauft haben und vermieten können, haben ausgesorgt.
Frau Meyer von der Fleischtheke hat hingegen keine Chance dass die Bank ihr 430.000€ für die 45m² Wohnung in Hamburg Mümmelmannsberg leiht. Wäre das ihre, könnte sie halbwegs entspannt irgendwann in Rente gehen ohne jeden Monat - irgendwie - 1100€ Miete + 250€ Nebenkosten auftreiben zu müssen.
Ich vermute daher, dass die breite Masse in den nächsten zwei Jahrzehnten deutlich an Wohlstand verliert und eine gewisse verbliebene mittel- und natürlich die Oberschicht halbwegs entspannt auf die nächste Stromrechnung blicken können wird. "Unten" arbeiten die vielen Verlierer der modernen Welt - Menschen die im Hier und jetzt mit drei Jobs so halbwegs ihr WG-Zimmer bezahlen können werden.
Ich hoffe dass es anders kommt...
« Letzte Änderung: 13 Dezember 2022, 22:07:07 von PlayingTheAngel »
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Antw:Abschied vom deutschen Wohlstand?
« Antwort #6 am: 13 Dezember 2022, 22:32:43 »

Ach weisst Du, ich denk ja auch oft an das "hätte ich mal"... "was wäre wenn"... "warum hab ich nicht"...

Ich hatte mal nen halben Bitcoin. Hab den damals mir in Amazon-Gutscheinen auszahlen lassen - hey, waren damals 120€ an Gutscheinen zum aktuellen Wechselkurs bei einem kleinen Shop der die Dinger ankaufte. Ja, ein paar Jahre später... aber wer wusste das zu dem Zeitpunkt?
Im Saarland hätte ich für 7500€ ein kleines Haus (total baufällig, eigentlich nur zum Umschaubsen) mit nem 400m²-Grundstück in zweiter Reihe kaufen können, nahe Saarbrücken. Will nicht wissen was die Lage heute wert wäre. Ein Studikollege hat damals ein renovierbedürftiges altes Reihenhaus für 30.000€ gekauft, inklusive Grund. Das ist jetzt, 15 Jahre später, über 200.000 wert.
An die ganzen Autos die ich mir mangels Risikobereitschaft nicht gekauft hab, und die heute als Young- oder Oldtimer ein Vielfaches wert wären will ich gar nicht erst denken. Selbst in einer billigen Halle weggestellt ohne Pflege mit Patina und gealterten Gummis hätte sich jede Investition von damals mindestens verfünft- wenn nicht verzehnfacht.
Aber weiss mans? Nein, zu dem Zeitpunkt denkt man sich nur: Hab ich das Geld nicht für - und ist mental schon weiter.

Rückblickend sag ich aber, dass alle Entscheidungen, die ich getroffen hab, mich im Endeffekt zum jetzigen Punkt im Leben geführt haben. Und ich habe weiter vor in Zukunft Entscheidungen zu treffen anstatt alles um mich herum mein Leben für mich bestimmen zu lassen.


Mit der Positivität stimm ich aber mit Dir überein. Die späten 70er/frühen 80er Jahre waren ja eigentlich nach außen hin wirklich düster. Kalter Krieg, Vietnam, Aufstand im Iran usw...
Aber was hatten wir an Spielzeug für die Kinder? He-Man, der Schrecken aller deutschen Eltern, war in der Zeichentrickserie ein positiver Held, der unter unmöglichsten Umständen immer siegte. Gut und Böse waren klar, und die Bösen waren nicht immer so richtig böse, aber böse genug damit man sie stoppen musste.
Terence Hill und Bud Spencer - klare Kante auch hier. Zack, Puff, Boing, Peng!
Ebenso andere Cartoons, oft mit Moralstory hinten dran (M.A.S.K. , Mr.T, Captain Planet).
Irgendwann fing es dann an in den Comicheften, ich mein so in den 90ern, dass die Helden langsam in Zweifel gezogen wurden. Immer mehr Geschichten schlichen sich ein, in denen die Regierung den strahlenden Helden im Weg stand (ganz stark bei den Avengers, tschuldigung, in D damals ja noch "Die Rächer", ebenso bei M.A.S.K.) und die Comic-Noir-Kultur bildete sich.
In der Musik hatten wir noch Eurodance, Happy Hardcore und die anderen Loveparade-positive-Vibe-Mischungen im Mainstream, es war bunt und laut und fröhlich. Aber all das änderte sich auch hier schleichend, Grunge stieg mit Nirvana auf, düstere Töne kamen nicht nur aus Norwegen.
In Filmen dasselbe, wo früher Actionhelden ohne Fehl und Tadel waren bekam selbst James Bond in der Position von Timothy Dalton auf einmal üble Schrammen, wurde verletzt, seine Freunde verstümmelt. Schwarzeneggers "Last Action Hero" war ein passender Abgesang auf eine Zeit der Helden, die einfach vorbei war. Wir kamen an in der Welt von Matrix, Fight Club, alle Farben in Film und Fernsehen wurden düsterer, "realistischer", selbst Star Trek wurde mit Deep Space Nine dunkler, härter. Die Mode passte sich auch an, nach und nach verschwanden alle Farben, und bis heute hat sich in Häusern Weiss als beliebteste Wandfarbe gehalten, ebenso in Küchen, neuen Wohnzimmern etc... der "clean look" kontrastiert mit der schlichten Nüchternheit bei der Kleidung, die ebenfalls eher gedeckte Töne bevorzugt. Autofarben haben sich auf silber-Grautöne eingeschossen (angeblich weil so die Formen besser zur Geltung kommen), abgesehen von einigen Kleinwagen, die noch "frech" sein dürfen.

Wir sind Stand heute sowohl was Songtexte, Filminhalte, oder unsere allgemeine Lebensumgebung angeht in einer Tristesse angekommen, die ich mir persönlich nicht erklären kann.
Wenn alles was ich mache damit etwas MIR gefällt prompt von dritten danach bewertet/abgewertet wird, wie dies den Wiederverkaufswert eines Möbelstücks/eines Autos/einer Immobilie senkt - ja verdammt nochmal wo leben wir denn dann?
Ich mach das doch für MICH, nicht für andere? Wenn ich immer nur beim Erwerb einer Sache daran denke was irgendwann mal später der maximale Profit ist den ich da wieder rausziehen kann - ja sorry, dann packt mich bitte gleich in die Kiste.

Aber das ist wohl auch ein Spiegelbild unserer Miet-/Leasinggesellschaft. Alles auf Pump, alles auf Zeit, nichts mehr für die Ewigkeit.

Durch dieses auf Pump, auf Kredit, auf knappe Kante wurde natürlich für viele ein Luxus möglich, von dem unsere Vorgenerationen nur geträumt haben. Die Besitzerin eines kleinen Supermarktes in meiner Heimatstadt hat in dem Laden von ihrer Jugend auf gearbeitet, bis zu ihrem Renteneintritt mit 70! In der gesamten Zeit ist sie einmal eine Woche lang in Urlaub gefahren - mehr war nicht drin, es gab ja immer was, worum sie sich kümmern musste (Bestellungen, Warenannahme, Regale aufstocken, Buchhaltung usw...).
Sowas wäre heute undenkbar. Was ich nicht schlimm finde, aber zeigt wie sich die Welt gewandelt hat.

Und diese gewandelte Welt, mit den gestiegenen Ansprüchen, kommt jetzt in eine Situation wo sie mal Verzicht üben muss. Wo man nicht jedes Jahr in den Urlaub fliegen kann. Wo es eventuell kein neues Leasingauto sein kann, sondern das, was man sonst als Startzahlung eingesetzt hätte, für einen Gebrauchtwagen reichen muss.

Hart trifft es diejenigen, die vorher schon knapp bei Kasse waren. Wobei die komischerweise weniger jammern - zumindest in meinem Bekanntenkreis. Hab dort eine Familie, die arg vom Schicksal gebeutelt wurde, die aber nur mit den Schultern zuckt und sagt: "ging bisher immer weiter, wird auch so weitergehen".


Kurz nur noch zu den psychischen Erkrankungen: Ich behaupte weiterhin, dass es einen Großteil auch schon früher gab (siehe das, was man früher bei Frauen als "Hysterie" bezeichnete, bzw. die Lobotomiebewegung um auffällige Menschen "gefügig" zu bekommen, die zwangsweise umerziehung von verhaltensauffälligen Menschen, die noch heute von "Hilfs"-organisationen betrieben wird mit Konfrontationstherapie, Zwangsverhalten um ihre "auffälligen" Verhaltensmuster zu brechen etc... so schafft man wirklich psychisch kaputte und innerlich tote Menschen.
Nur sind wir heute eigentlich wesentlich weiter was die Diagnose derartiger Erkrankungen angeht und wie vielfältig neurodiverse Auffälligkeiten eigentlich sind. Zudem ja auch ein Großteil der Menschen dadurch im Alltag kaum bis gar nicht eingeschränkt ist.
Psychische Erkrankung ist in einigen Fällen vielleicht auch falsch, ich würde es eher wirklich als Nervensystemerkrankungen bezeichnen, gewisse Reize werden nicht richtig übermittelt, Botenstoffe im Körper nicht in ausreichender Menge oder zur rechten Zeit produziert, woraus dann "von der Norm abweichende" Verhaltensmuster resultieren. Schlimm? Nö. Außer für Leute, die es nicht verstehen können, dass es Menschen gibt, die eben nicht so ticken - bzw. nicht so ticken KÖNNEN - wie sie selbst.
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Antw:Abschied vom deutschen Wohlstand?
« Antwort #7 am: 14 Dezember 2022, 10:20:11 »

Jack, du sagst Bescheid wenn ich deine Posts im QUote zu sehr kürze, ja? ;)

Ach weisst Du, ich denk ja auch oft an das "hätte ich mal"... "was wäre wenn"... "warum hab ich nicht"...
Ja, da hast du Recht, es bringt nichts, alten Chancen hinterher zu trauern. Außerdem gibt's auch jetzt noch Chancen die genutzt werden können.
Auch für die nicht so risikobereiten Menschen sollte der Staat allerdings Möglichkeiten zum Vermögensaufbau bieten, finde ich. Der Thread handelt von Wohlstand. Viel mehr Menschen sollten ein Eigenheim oder eine Wohnung selbst besitzen, so wie in Südeuropa. Das sichert einen bescheidenen Wohlstand im Alter und macht unabhängiger von den Verwerfungen der Dauerkrise. Beton-Resilienz!
Was spräche denn dagegen, dass der Staat jedem Bundesbürger für die erste eigene Immobilie den Zugang zu einem bezahlbaren Kredit ermöglichen würde, also gewisse Sicherheiten übernehmen würde? (ein gewisses geregeltes Einkommen vorausgesetzt) Nicht blind Milliarden auf irgendwas schmeißen, sondern gezielt den Aufbau von Wohneigentum bei Frau Becker, Käsethekenverkäuferin, fördern? Die braucht dann wenn sie 65 ist nicht 1200€ kalt aus ihrer 1400€ Rente der "Deutschen Wohnen" in den Rachen zu werfen.

Rückblickend sag ich aber, dass alle Entscheidungen, die ich getroffen hab, mich im Endeffekt zum jetzigen Punkt im Leben geführt haben. Und ich habe weiter vor in Zukunft Entscheidungen zu treffen anstatt alles um mich herum mein Leben für mich bestimmen zu lassen.
Gute Einstellung, geht mir genau so.
Und auch wenn's off-topic ist und du das bestimmt nich lesen willst, war eine meiner bewussten Entscheidungen, mich bei Corona nicht von Angst leiten zu lassen und nicht alles mitzumachen.

Wir sind Stand heute sowohl was Songtexte, Filminhalte, oder unsere allgemeine Lebensumgebung angeht in einer Tristesse angekommen, die ich mir persönlich nicht erklären kann.
Wenn alles was ich mache damit etwas MIR gefällt prompt von dritten danach bewertet/abgewertet wird, wie dies den Wiederverkaufswert eines Möbelstücks/eines Autos/einer Immobilie senkt - ja verdammt nochmal wo leben wir denn dann?
Ich mach das doch für MICH, nicht für andere? Wenn ich immer nur beim Erwerb einer Sache daran denke was irgendwann mal später der maximale Profit ist den ich da wieder rausziehen kann - ja sorry, dann packt mich bitte gleich in die Kiste.

Aber das ist wohl auch ein Spiegelbild unserer Miet-/Leasinggesellschaft. Alles auf Pump, alles auf Zeit, nichts mehr für die Ewigkeit.
Du sprichst mir sowas von aus der Seele!!!
Was ist da nur los? Unser Volk ist von irgendwas befallen was schwermütig macht, das Grau breitet sich aus! Ich war gerade in Mexiko...da ist alles unperfekt, die Straßen und Gehwege sind löchrig, viele Leute leben vom Minimum, man lebt im hier und jetzt. Aber es läuft überall Musik, die Leute leben Gemeinschaft, sind freundlich zueinander, stehen im Kontakt.
Und ja, heute wird alles moralisch und wirtschaftlich betrachtet statt einfach entspannt zu sein... hat Depeche Mode das in den 80ern schon gesehen? Everything counts in large ammounts...
Tja...und bei uns....macht sich eine große Stille und Hoffnungs- und Orientierungslosigkeit breit.

Von daher.... falls mal jemand Lust auf Technotanzen gehen hat, sagt Bescheid ;)
« Letzte Änderung: 14 Dezember 2022, 10:32:37 von PlayingTheAngel »
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Antw:Abschied vom deutschen Wohlstand?
« Antwort #8 am: 14 Dezember 2022, 11:37:20 »

Haha, nee, alles gut :D
Und was Corona angeht: Was weiss ich, wie ich ohne Jahrzehnte mit Lungenproblemen als Background und vulnerablen Personen im direkten Familienumfeld da gedacht hätte. Ich kann ja nur aus der Position sprechen was mich und meine direkten Erfahrungen angeht *schulterzuck*

Das mit den Immobilien für alle sehe ich etwas kritischer - auch hier ist halt das Problem: Alles für alle geht nicht.
Umgekehrt wird aber auch ein Schuh draus: Alles für alle will auch nicht jeder. Hab eine Tante die sehr froh ist nicht mehr in einem Eigenheim zu leben, sondern sich jetzt im Alter nur noch um eine kleine Wohnung kümmern muss, ohne Verpflichtungen die ein Garten mit sich bringt. Sie hat sich das Haus mit der Wohnung drin danach ausgesucht, dass es da einen Dienst gibt zum Schneefegen, Treppenhaus putzen usw... ^^

Es sollte Möglichkeiten aber geben für jeden, der sich das als Ziel setzt,ja. Primär sollte Wohnraum in gewissen Regionen wieder bezahlbarer werden, kann ja nicht sein dass jemand, der in Hamburg, München oder Stuttgart einem normalen Job nachgeht sich dort keine Wohnung mehr leisten kann und aus dem Umfeld ne Stunde oder mehr mit Öffis reinpendeln muss. Oder wie grad in vielen kleinen Städten/Dörfern, dass die Leute, die dort eben aufgewachsen sind und arbeiten sich vor Ort kein Haus, nichtmal ein gebrauchtes, leisten können, weil die Städter, die eben in der Großstadt nicht mehr zum Zuge kommen, dort alles aufkaufen da es für sie die einzige erschwingliche Option ist.

Auf der einen Seite hab ich schon mit der Stirn gerunzelt, als mein Patenonkel vor ein paar Jahren verstarb und das alte Haus meiner Großeltern, in dem er wohnte, mit großem Grundstück für eine Witzsumme wegging - noch fünfstellig, mit renoviertem Dach und nicht allzu alter Heizung. Ja, innen hätte man alles renovieren/Sanieren müssen, aber hey, das hätt man im Trockenen erledigen können.

Aber ich weiss dass da jetzt eine junge Familie drin wohnt, die sich sonst nie Wohnraum hätten leisten können. Das die Kinder den großen Garten lieben und dort rumtoben und spielen, und in der Sackgasse ohne Autoverkehr ganz Kind sein können. Vermutlich hoffen die grad, dass sie bald einen Schneemann bauen können ^^

Dasselbe beim Haus meiner anderen Großeltern. Nach deren Tod hatte der Nachbar, mit dem sie im Zoff lagen, schon Augen drauf geworfen. Der war so frech am Tag der Beerdigung meiner Oma nachzufragen, wann es denn zum Verkauf stünde - er musste Parkplätze für seine Praxis, die er in seinem eigenen Haus hatte, nachweisen - was auf seinem Grundstück nicht passte.
Auch das Haus ist inzwischen in der Hand einer jungen Familie, die trotz der steilen Treppen und des rustikalen Charme da was richtig schickes draus gemacht hat. Und der Nachbar ist inzwischen weg, da ihm dank seiner Art auch die Patienten ausgeblieben sind ^^

Gleichzeitig üben die Leute, die sowas machen, aber auch Verzicht. Und da ist der Knackpunkt:
Viele Menschen, mit denen ich gesprochen habe, wären nicht bereit z.B. für ein eigenes Haus auf Dinge wie Urlaubsreisen, neue teure Möbel, neue Autos usw... zu verzichten. Da muss mindestens einmal für zwei Wochen im Jahr verreist werden, besser zweimal.
Und das sind dann oft auch die Leute, die es eigentlich nicht wirklich dicke haben. Dort ist aber die Anspruchshaltung am höchsten, und das Jammern gegen ungerechte Belastung durch den Staat ebenso - gleichzeitig soll der Staat aber für alles aufkommen. Ja wie denn, wenn ihr da keine Kohle reinbuttern wollt, von was soll der das denn bezahlen wenn das alle so machen?

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Antw:Abschied vom deutschen Wohlstand?
« Antwort #9 am: 14 Dezember 2022, 11:53:33 »

Das stimmt, alles für alle geht nicht. Sozialistische Zwangsbeglückung würde schief gehen. Aber die CHANCE auf Vermögensaufbau sollte jeder haben, finde ich. Status Quo ist halt, dass Wohnraum zum internationalen Spekulationsobjekt geworden ist und Millionen Menschen jeden Monat 1000€ als Miete in den Ofen schmeißen statt ins Sparschwein zu stecken (Abzahlung Kredit für Eigenheim. Mit 70 stehen sie dann mit nichts da.
Wenn die Oma das Haus nicht mehr halten kann, könnte sie es wenigstens verkaufen und hätte ausgesorgt.

Mein Gedanke hat wahrscheinlich trotzdem einen Knackpunkt. Würden schlagartig günstige Immobilienkredit für eine breite Masse verfügbar, würden die Immobilienpreise SOFORT einen Sprung nach oben machen. Trotzdem gäbe es Möglichkeiten, die gibt es IMMER wenn man etwas wirklich will.

Auf der einen Seite hab ich schon mit der Stirn gerunzelt, als mein Patenonkel vor ein paar Jahren verstarb und das alte Haus meiner Großeltern, in dem er wohnte, mit großem Grundstück für eine Witzsumme wegging - noch fünfstellig, mit renoviertem Dach und nicht allzu alter Heizung. Ja, innen hätte man alles renovieren/Sanieren müssen, aber hey, das hätt man im Trockenen erledigen können.
Beim Immobilienverkauf von privat geht wirklich sehr viel über Sympathie und Menschlichkeit, ist mir auch schon mehrfach aufgefallen! Oft wollen die Besitzer auch nicht, dass ihr Häuschen abgerissen wir und verkaufen lieber günstiger an einen netten Heimwerker der das Haus renoviert als an die Investment-Protz GmbH die da 12 Wohneinheiten drauf schmeißt.

Gleichzeitig üben die Leute, die sowas machen, aber auch Verzicht. Und da ist der Knackpunkt:
Viele Menschen, mit denen ich gesprochen habe, wären nicht bereit z.B. für ein eigenes Haus auf Dinge wie Urlaubsreisen, neue teure Möbel, neue Autos usw... zu verzichten. Da muss mindestens einmal für zwei Wochen im Jahr verreist werden, besser zweimal.
Und das sind dann oft auch die Leute, die es eigentlich nicht wirklich dicke haben. Dort ist aber die Anspruchshaltung am höchsten, und das Jammern gegen ungerechte Belastung durch den Staat ebenso - gleichzeitig soll der Staat aber für alles aufkommen. Ja wie denn, wenn ihr da keine Kohle reinbuttern wollt, von was soll der das denn bezahlen wenn das alle so machen?
Ja, ist mir auch schon aufgefallen. Ist ne ganz andere Betrachtungsweise. Aber eigentlich ist das doch gelebter Wohlstand im Hier und Jetzt, oder nicht? Einer nimmt sich ehr zurück und spart für später, der Andere hat eben im Jetzt mehr und später eventuell etwas weniger.

Mir ist das zwar fremd, ich kann es aber nachvollziehen.
« Letzte Änderung: 14 Dezember 2022, 12:05:07 von PlayingTheAngel »
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Antw:Abschied vom deutschen Wohlstand?
« Antwort #10 am: 14 Dezember 2022, 12:21:06 »

Stimmt auch wieder. Was mich halt nur stört ist dann das Jammern nach mehr wenn man schon an der Grenze oder über seine Verhältnisse raus lebt, ohne einen Gedanken an die Zukunft. Dann aber erwarten, dass einem später alles auf einem Silbertablett serviert wird und sich nix ändert, wenn man nie aus eigenem Antrieb an Vorsorge gedacht hat.

Die günstigen Immobilienkredite für die breite Masse hatten wir übrigens - bis zum Beginn der Pandemie (und auch noch nach deren Start noch so ca. ein halbes Jahr) sanken die Immobilienzinsen kontinuierlich, und eine Vollfinanzierung wurde oft ohne tiefere Prüfung durchgewunken. Parallel sind die Preise für Bestandshäuser gestiegen. Aber eben nicht überall.
Knackpunkte sind immer: Anbindung an ÖPNV, Nähe zu Bildungseinrichtungen, Nähe zu anderen Städten oder Lage in diesen im Allgemeinen - also Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs.
Je mehr davon fußläufig oder mit Fahrrad zu erreichen ist, und je besser der ÖPNV-Ausbau, desto höher die Preise.

Aber vor 3 Jahren war es z.B. möglich ohne EK mit einer unbefristeten Anstellung einen Immobilienkredit über 300.000€ für unter 1% Zinsen auf 15 Jahre Laufzeit zu bekommen. Damit konnte man z.B. in einigen Orten an der S3 gelegen ein Neubau-Reihenhaus mit aktueller Energieeffizienz (und entsprechend niedrigen Folgekosten) erwerben.
Oder eben weiter draußen einen kompletten Hof auf 8000m² Grund mit 300m² Wohnfläche, mehreren hundert m² überdachter Nutzfläche - also ein Hobby- und Schrauberparadies. Wobei das da mit den Krediten dann schwieriger wurde, es sei denn man hat gleich einen zusätzlichen KFW für ne energetische Sanierung aufgenommen. Hat man dann noch eine Einliegerwohnung mit reingebaut, so konnte man es sogar so drehen, dass man 40-50.000€ vom Darlehen nicht zurückzahlen brauchte.

Also so oder so, es gab Möglichkeiten - aber das wäre in jedem Fall für typische Städter mit Komfortverlust verbunden gewesen was die Erreichbarkeit von Dingen zu Fuß oder mit dem ÖPNV anging. Ich habe die Diskussion oft geführt, von "da kommt einen ja keiner besuchen" (weil der typische Hamburger kein Auto besitzt), über "wie willst Du denn da ausgehen?" bis hin zu "gibts da überhaupt nen Lieferdienst für Pizza?".

Und da sind wir dann wieder bei Wohlstand, worin er sich begründet, und Erwartungshaltungen der Menschen. Ich kann eben nicht erwarten dass ich in einer Großstadt irgendwie halbwegs zentral Wohnraum mit Grundstück für denselben Preis bekomme wie 50-80km weiter draußen. Brot bestellen und Kuchen essen klappt nicht.


Was momentan aber der große Knackpunkt ist, und warum wohl so viele Leute jammern, ist die Tatsache das alles, was gerade passiert und zu Preiserhöhungen führt, komplett außerhalb der Macht der Verbraucher liegt. Außer Verzicht üben kann man da derzeit nix machen, und da gibt es je nach Person natürlich unterschiedliche Grenzen wie weit man überhaupt gehen kann.
Zudem bedeutet auf Konsum zu verzichten natürlich auch weniger Umsatz, damit weniger Gewinn bei den Händlern usw...
Den Reibach machen derzeit Firmen, die Produkte herstellen, auf die nicht verzichtet werden kann. Die Kassiererin beim Supermarkt hat sich neulich erschrocken als ich Klopapier kaufte und die Zahl auf dem Display erschien - sie dachte, sie hätte was falsches gescannt, aber nein, die Preise sind markenübergreifend total in die Höhe geschossen. Lohnt sich bald wieder direkt beim Hersteller zu bestellen.
Ich merke das derzeit bei allem - jede Kleinigkeit ist im Laufe der letzten 12-15 Monate um 20-30 cent pro Packung teurer geworden. Sachen sind derzeit "im Angebot" für Preise, die vorher der normale Listenpreis waren.
Egal ob Chips, Brot, Butter (extrem), Milch, Käse, Hygieneprodukte - quasi alles außer Technik ist im Preis unglaublich nach oben gegangen. Die Chipknappheit ist zumindest im Consumer-Segment größtenteils besiegt, im professionellen Umfeld derzeit nur noch Ausrede um Preise künstlich hochzuhalten - verfügbar ist fast alles, wenn man bei den Distributoren nachhakt.

Summa summarum fehlt aber am Ende des Monats trotzdem ne nette Summe in der Brieftasche, die man sonst für anderen Scheiss® investiert hätte.
Sogar Lego hat einfach mal bei vielen Sets die Preise um 20% erhöht, ohne dafür irgendwie mehr zu bieten. Aua.

Fazit: Ja, ein gewisser Wohlstandsverlust ist da, dieser könnte zu einer leichten Bremse des ungezügelten Konsums der letzten 30 Jahre werden. Mal gucken wie wir in 2-3 Jahren darüber denken.
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Antw:Abschied vom deutschen Wohlstand?
« Antwort #11 am: 14 Dezember 2022, 12:28:02 »

Von daher.... falls mal jemand Lust auf Technotanzen gehen hat, sagt Bescheid ;)

Wenn ich nix anderes vor habe, sage ich Bescheid.

Was ich nicht verstehen kann: Nach was jammern die Leute genau?
Ich hör immer wieder "früher war alles besser, früher war alles billiger".

@Jack, meintest du in deinem ersten Post, dass das, was ansteht, "jammern auf hohem Niveau" werden wird?

Ich weiß noch gar nicht, ob wir überhaupt werden jammern müssen, wenn alles kommt, wie es kommt.

Ich selbst bin ein totales Watte-Kind. Mama Arzt, Papa Orchestermusiker (erfolgreich), wirtschaftlich gesehen hat es mir nie an was gefehlt, mein Problem waren eher Eltern, die nie Zeit und Nerven für ihre Kinder hatten, aus Karrieregründen. Aber sonst...? Scheiß auf Bananen, die braucht man nicht, um glücklich zu sein. Trabantersatzteile waren auch kein Problem, Papa hatte Käfer (alte reparaturanfällige Dinger, er hat da vermutlich mehr drunter gelegen als unter meine Mama) und DDR-Spielzeug war teilweise gar nicht so schlecht.

Ich könnte mir gut vorstellen, dass es wieder ein bisschen in die Richtung geht. Richtung DDR. Ein paar Gedanken für mögliche Veränderungen:
- Wir können es uns nicht mehr leisten, 40-50% der Lebensmittel, die in der Kaufhalle liegen, wegzuwerfen, weil sie ablaufen, daher wird die Produktpalette ausgedünnt, es gibt mehr gefrostetes oder lange haltbares Zeug und wir kaufen den Käse, der da ist, nicht den, auf den wir gerade einen Tick mehr Bock haben, genauso wie die Wurst. Vegetarische oder vegane Ernährung wird wieder ein bisschen mehr "Oldschool".
- Wir behalten das Internet und das Mobilfunknetz, aber die technische Entwicklung geht nicht mehr so rasant weiter und wir begnügen uns eher mit älteren Geräten. Langlebige Produkte wie das Fairphone bekommen Aufwind
- Derzeit haben wir ein riesengroßes neues Kulturangebot, Menschen wie Gronkh oder Rezo verdienen ihren Lebensunterhalt mit Twitch und Youtube. Ich könnte mir vorstellen, dass diese wahnsinnige bunte Vielfalt an Content wieder zurück geht, weil nur noch die größten davon leben können. Die anderen werden vielleicht "Fachkräfte" oder als andere Arbeitskräfte freigesetzt. An Kultur wird in Krisenzeiten als erstes gespart, und es bleibt nur noch übrig, wer das größte Sendungsbewusstsein hat.
- Das Wachstum der Automobilbranche geht krachen. Statt Elektroautos fahren wir alte, restaurierte Kisten mit Verbrennermotor und sehen aber zu, dass wir unsere Mobilität auf's nötigste einschränken (Ich bin Softwareentwickler, also eine "angesagte" Berufsgruppe, aber schon jetzt werde ich mir mit meinem aktuellen Gehalt NIE einen ordentlichen Neuwagen leisten können, der meinen Anforderungen entspricht. Das wird nur noch schlimmer werden).

Also alles in allem eine ganze Menge "Luxus", den wir momentan haben aber vielleicht schon gar nicht mehr als solchen wahr nehmen, wird uns abhanden kommen.
Das meine ich mit dem "deutschen Wohlstand".

Aber ob es zwangsläufig ein schlechteres Leben wird?

Ich kann mich PTAs Erfahrung anschließen: Ich war mal auf Boavista (Kapverden) im Urlaub. Die Menschen dort sind bettelarm, aber glaubt ihr, ich hätte auch nur ein einziges trauriges Gesicht dort gesehen?
Bei uns... gibt's ja kaum was anderes als traurige Gesichter, den ganzen Tag lang...
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Antw:Abschied vom deutschen Wohlstand?
« Antwort #12 am: 14 Dezember 2022, 12:35:13 »

Wohnraum und "Sozialismus" (da kam jetzt was dazwischen):
Ich wäre dafür, dass jeder Mensch mit einer deutschen Staatsbürgerschaft ab 18 Jahren eine Wohneinheit auf deutschem Boden besitzen darf.
Alle anderen Wohneinheiten kommen in Wohnungsgenossenschaften (derzeit die vernünftigste Form von Mieter-/Vermietertum, wie ich finde).

Das würde fast alle Probleme mit einem Schlag lösen. Keine Airbnb-Wohungsleichen, keine ausländischen Investoren, die in unseren großen Städten Wohlstand "absaugen", keine Skandinavier, die in bester Lage eine Wohnung in Berlin besitzen, die sie 3 Wochen pro Jahr bewohnen, ...
Aber das wäre ja zu radikal (und zu vernünftig) für Deutschland.
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Antw:Abschied vom deutschen Wohlstand?
« Antwort #13 am: 14 Dezember 2022, 12:51:44 »

Lustig, in Neuseeland, wo eine Bekannte n paar Jahre wohne, beklagen sich alle über japanische Investoren, die alles aufkaufen. In Schweden wurde und wird über die Deutschen gemeckert, die Häuser in Küstendörfern als Ferienhäuser kaufen, dann aber nur n paar Wochen im Jahr da sind und sich sonst nicht drum kümmern, wodurch Geisterdörfer entstehen.
Bei uns sind Investmentfonds aus aller Herren Länder - das Gebäude wo unsere Firma drin ist gehört einer Firma aus Berlin, die wiederum Investoren aus dem nahen Osten hat. Eine der größten Wohnungs-Holdings in Deutschland gehört über mehrere Verflechtungen und Tochtergesellschaften einer Sammlung schottischer Familien.

Einige Dinge bleiben doch überall gleich.


Was das Glück und den Besitz angeht fällt mir immer nur "Per Anhalter durch die Galaxis" ein:
"Dieser Planet hat - oder besser gesagt, hatte - ein Problem: die meisten seiner Bewohner waren fast immer unglücklich. Zur Lösung dieses Problems wurden viele Vorschläge gemacht, aber die drehten sich meistens um das Hin und Her kleiner bedruckter Papierscheinchen, und das ist einfach drollig, weil es im großen und ganzen ja nicht die kleinen bedruckten Papierscheinchen waren, die sich unglücklich fühlten. Und so blieb das Problem bestehen. Vielen Leuten ging es schlecht, den meisten sogar miserabel, selbst denen mit Digitaluhren."

:D

Die alte Frage wäre somit ja: Kann man Glück kaufen?
Insgesamt und dauerhaft sicher ein deutliches Nein. Die Frage ist, was Glück für einen bedeutet.
Ich bin da vielleicht simpel gestrickt, denn ich hab mir gerade ein wenig "Glück" gekauft. Vor einer Weile habe ich meine alten Legosteine aus meiner Kindheit zusammengesammelt und sortiert. Und dann festgestellt, dass ich nichts "aktuelles" daraus bauen kann, denn viele Teile gibt es so gar nicht mehr, und neue sind hinzugekommen. Zudem besteht mein Lego quasi nur aus den alten Primärfarben - gelb, rot, blau, weiss, grau, schwarz. Grün gabs nur für Büsche und so. (und n paar transparente Farben, je nachdem)
Die aktuelle Farbpalette ist dagegen verrückt komplex, genau wie die Teileauswahl.

Und dann kam das Modell 10497 raus: Galaxy Explorer, eine Hommage an das Modell Nummer 497 von 1979, eine Art modernes Remake. Alte Raumfahrt-Figuren ohne besondere aufdrucke oder Gesichter, einfach das fröhliche, alte Lego-Dauergrinsen. Alle Steine im Modell sind in den alten Primärfarben gehalten, auch die unsichtbaren, die alles zusammenhalten. Zwar moderne Teile, aber alles im alten Stil.
Ich habs mir natürlich gekauft. Und beim Bau war ich für ein paar Stunden wieder ein Kind, ich freute mich über komplexe Bautechniken, über die Farben und Formen, und in meinem Kopf liefen parallel die möglichen Abenteuer der Crew wie ein Zeichentrickfilm ab.
Und jedesmal wenn ich es mir jetzt wieder anschaue sehe ich ein Stück dessen, was für mich "heile Welt" bedeutet.

Insofern: Ja, für mich ist mit dieser Sache ein Stück Glück käuflich gewesen. Vielleicht geht es anderen Menschen mit anderen Dingen ja ähnlich? Vielleicht brauchen viele von uns einfach nur etwas, was sie besonders erfreut, etwas was vielleicht auch keinen Sinn ergibt, aber einem schöne Erinnerungen bewahrt und sie wieder auffrischt?
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Antw:Abschied vom deutschen Wohlstand?
« Antwort #14 am: 15 Dezember 2022, 08:00:48 »

....Würden schlagartig günstige Immobilienkredite für eine breite Masse verfügbar, würden die Immobilienpreise SOFORT einen Sprung nach oben machen. Trotzdem gäbe es Möglichkeiten, die gibt es IMMER wenn man etwas wirklich will.

Bis Anfang des Jahres war es doch die letzten Jahre so. Demnach also nicht "würde", sondern "es war so". Im Sommer 2021 lag der Immobilienzins bei 0,9% und die Häuser landeten hier bei mir im Umfeld bei gut einer dreiviertel Million. Leider liegen die Immobilienpreise immer noch dort, der Kreditzins dürfte aktuell allerdings bei fast 5% liegen.

Wohnraum und "Sozialismus" (da kam jetzt was dazwischen):
Ich wäre dafür, dass jeder Mensch mit einer deutschen Staatsbürgerschaft ab 18 Jahren eine Wohneinheit auf deutschem Boden besitzen darf.
Alle anderen Wohneinheiten kommen in Wohnungsgenossenschaften (derzeit die vernünftigste Form von Mieter-/Vermietertum, wie ich finde).

Das würde fast alle Probleme mit einem Schlag lösen. Keine Airbnb-Wohnungsleichen, keine ausländischen Investoren, die in unseren großen Städten Wohlstand "absaugen", keine Skandinavier, die in bester Lage eine Wohnung in Berlin besitzen, die sie 3 Wochen pro Jahr bewohnen, ...
Aber das wäre ja zu radikal (und zu vernünftig) für Deutschland.

Der Gedanke klingt ja ganz nett, aber ist nicht umsetzbar, viel zu sehr einschränkend und hat da so ein paar Logikfehler.

Wenn ich eine eigene Wohneinheit besitzen darf, wo soll die sein? Sicher da, wo ich arbeite.
Was mache ich, wenn ich meine Arbeitsstelle wechsle und die Wohneinheit aufgrund der Entfernung nicht mehr bewohnen kann?
Muss ich meine bisherige Wohnung dann (erst) veräußern? Aber wer garantiert mir, dass ich am neuen Wohnort eine neue eigene Wohneinheit erhalte, weil ich doch Anspruch darauf habe?
Wenn ich sie nicht veräußere, sondern (übergangsweise) vermieten möchte, dann kann ich das nicht, weil ja nur noch Wohngenossenschaften vermieten sollen.

Wenn Jeder eine Wohneinheit besitzen darf, wohnt dann jeder Mensch nur noch alleine?
Was ist mit Pärchen, (halbe) Familien, WGs,?
Welche Wohnfläche steht dann Jedem Einzelnen zu?

Ab wann soll einem eine eigene Wohneinheit gehören dürfen?
Ein "deutscher" Student, der noch so überhaupt keine Arbeitsleistung erbracht hat (mal Nebenjobs außen vor gelassen), soll schon mit einem Eigenheim belohnt werden? Ein "Einwanderer", der die deutsche Staatsbürgerschaft erst nach X-Jahren bekommt, arbeitet fleißig, darf aber nichts besitzen?

Was genau ist an "Wohnungsgenossenschaften" denn "derzeit die vernünftigste Form von Mieter-/Vermietertum"? Mindestens 2 in diesem Thread sind auch Vermieter und ich denke, bisher haben sich deren Mieter noch nicht beklagt/beklagen können.

AirBnB ist in den meisten Fällen eine günstige Alternative, um auf Urlaubs-/Städte-/oder was auch immer Reisen (z.B. per Fahrrad, Motorrad, zu Fuß, ...) unter zukommen. Wenn da jetzt mal Hotels, Hostels, Pensionen, Ferienwohnungen, etc. ihre Preise runter schrauben würden, wäre AirBnB vllt. nicht mehr ganz so attraktiv/rentabel, ein geringeres Einkommen für Hotels, etc. allerdings wohl auch nicht.
Das AirBnB in den wenigsten Mehrfamilienhäuser gern gesehen ist, ist was anderes und in vielen Fällen sicher auch nachvollziehbar. Hat aber in den seltensten Fällen mit "Leerstand (aka ...leichen)" zu tun.
Häufig wird bei AirBnB auch nur ein Zimmer untervermietet, weil das vllt. gerade frei steht.

Was den Wohnungsmarkt angeht, gibt es sicher viele (theoretische) Ansätze, aber bisher noch keine 100%ige Lösung.
Ich z.B. würde den Großstädten ein Zuzugslimit setzen, um diese Bauwut mal ein wenig einzuschränken. Wenn Stadt voll, dann Stadt voll. Funktioniert aber leider auch nicht.


Ansonsten stimme ich im Großen und Ganzen dem Geschriebenen (nicht Detail bezogen) zu.

Das finde ich gut geschrieben  :)
Ich selbst bin ein totales Watte-Kind. Mama Arzt, Papa Orchestermusiker (erfolgreich), wirtschaftlich gesehen hat es mir nie an was gefehlt, mein Problem waren eher Eltern, die nie Zeit und Nerven für ihre Kinder hatten, aus Karrieregründen. Aber sonst...? Scheiß auf Bananen, die braucht man nicht, um glücklich zu sein. Trabantersatzteile waren auch kein Problem, Papa hatte Käfer (alte reparaturanfällige Dinger, er hat da vermutlich mehr drunter gelegen als unter meine Mama) und DDR-Spielzeug war teilweise gar nicht so schlecht.

Ich könnte mir gut vorstellen, dass es wieder ein bisschen in die Richtung geht. Richtung DDR. Ein paar Gedanken für mögliche Veränderungen:
- Wir können es uns nicht mehr leisten, 40-50% der Lebensmittel, die in der Kaufhalle liegen, wegzuwerfen, weil sie ablaufen, daher wird die Produktpalette ausgedünnt, es gibt mehr gefrostetes oder lange haltbares Zeug und wir kaufen den Käse, der da ist, nicht den, auf den wir gerade einen Tick mehr Bock haben, genauso wie die Wurst. Vegetarische oder vegane Ernährung wird wieder ein bisschen mehr "Oldschool".
- Wir behalten das Internet und das Mobilfunknetz, aber die technische Entwicklung geht nicht mehr so rasant weiter und wir begnügen uns eher mit älteren Geräten. Langlebige Produkte wie das Fairphone bekommen Aufwind
- Derzeit haben wir ein riesengroßes neues Kulturangebot, Menschen wie Gronkh oder Rezo verdienen ihren Lebensunterhalt mit Twitch und Youtube. Ich könnte mir vorstellen, dass diese wahnsinnige bunte Vielfalt an Content wieder zurück geht, weil nur noch die größten davon leben können. Die anderen werden vielleicht "Fachkräfte" oder als andere Arbeitskräfte freigesetzt. An Kultur wird in Krisenzeiten als erstes gespart, und es bleibt nur noch übrig, wer das größte Sendungsbewusstsein hat.
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