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Ist Streaming bald am Ende?

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Jack_N:
Ich glaube der Unterschied hier ist dass Rogan aktiv Menschen schadet (u.A. durch verhementes Wettern gegen Impfungen) und damit eine Linie überschreitet.
Ich kann als Talkshow-Host Menschen mit diversen Meinungen/Hintergründen/Einstellungen interviewen ohne mir deren Meinungen zu eigen zu machen. Mit kritischen Fragen in jede Richtung hinterfragen, und dem Zuschauer ein eigenes Urteil überlassen - das wäre für mich z.B. neutraler Journalismus.
Das ist hier, nach dem was ich bisher gehört hab, nicht der Fall.

Ebenso die Texte eines Songs: Innerhalb eines Liedtextes sollte für jedermann eine Fiktion erkennbar sein. Wer aus Songtexten einen expliziten Aufruf zum Handeln herauszieht, der wähnt sich vermutlich innerhalb einer Revolutionsbewegung. Was auf extreme Strömungen weltweit natürlich gerade zutrifft. Und ja, die Verdrehung von Songtexten und deren Misinterpretation war schon immer ein Problem. ("Born in the USA" ist ja auch kein America-Fuck-Yeah - Song, sondern eher das Gegenteil - aber das kapieren ja Südstaatenflaggen schwingende Moonshine-Säufer nicht, die außer dem Refrain nix vom Lied verstehen).

Zu Parler und GAB sag ich mal nix - alleine aus Datenschutzgründen gehörten die Dinger nicht nur abgeschaltet, sondern gar nicht erst angeschaltet.

Davon ab gehe ich nicht mit all Deinen Definitionen und Einstellungen konform:
Eine Gruppe, die auf eine radikale Art und Weise, unter lauter Androhung von Gewalt und sich-selbst-hineinsteigern in Gewaltphantasien gegen eine Staatsordnung vorgeht, dies mit (offensichtlichen) Lügen untermauert, der darf man m.M.n. keine Plattform bieten. Jetzt schreien wieder einige: Aber was ist denn mit den Ländern, wo ein autokratisches Regime herrscht, und die Leute sich gegen dieses zu Recht zur Wehr setzen wollen? Wenn man die Plattformen abschaltet, dann haben die Leute dort doch auch ein Problem?

Und ja, das ist in der Tat ein Problem. Wir haben hier ein Rechte- und Werteverständnis, was wir sicherlich nicht auf die ganze Welt übertragen können. Aber Dinge wie grundsätzliche Meinungsfreiheit sind schützenswert. Diese endet aber dort, wo sie eben das Leben eines Anderen bedroht, oder kann enden, wenn sie mit geltenden Gesetzen kollidiert. Bzw. muss ich dann die Konsequenzen der Ausübung meiner Meinungsfreiheit erdulden.

Beispiel: Ich kann der Meinung sein, dass der Staat, in dem ich lebe, nicht rechtmäßig wär und keine Gewalt über mich als souveräne Person hat - ich ihm also auch nichts schuldig bin (z.B. Steuern).
Konsequenterweise dürfte ich dann aber auch keine Dienste dieses Staates in Anspruch nehmen: Straßen, Fußwege, nächtliche Beleuchtung, Polizei, Feuerwehr, Wasserversorgung, Müllabfuhr, jegliche Sozialangebote... - Stichwort: Rechte und Pflichten.
Wenn ich jetzt mit der Art und Weise wie der Staat mit meinem Geld umgeht nicht einverstanden bin, dann steht es mir frei, einen Partei zu gründen, Repräsentanten aufzustellen und im normalen Gesetzgebungsprozess Änderungen herbeizuführen. Soweit ok, kann ja auch jeder tatsächlich tun.
Was nicht ok ist, ist stattdessen sich in Gewaltphantasien zu fliehen, in Chats mit anderen zu gezielten Rechtsbrüchen zu verabreden, und unbescholtene Personen, die nur die aktuell gültigen Richtlinien durchsetzen, zu bespucken, beschimpfen, oder ihnen Gewalt anzutun (i.e. im letzten Fall Tankstellenarbeiter zu erschießen, weil man keine Maske tragen will).
Nicht ok ist ebenfalls sich mit Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen oder ex-Parteien zu schmücken, oder deren rassenfeindliche Einstellungen und Handlungen abzustreiten. Das betrifft nur einen extrem schmalen Grat, und die Hürde um hier verknackt zu werden ist auch hoch, aber es gibt halt gewisse Geschehnisse in unserer Vergangenheit, wo jedweder Revisionismus einfach nur fehl am Platz ist. Und nein, da ist nix mit "ist ja bald 100 Jahre her, ist auch mal gut". Der Scheiss soll sich nicht wiederholen, und einfach nur dafür sorgen, dass nie wieder ein Österreicher hier Kanzler wird, reicht da nicht.

Gibt da ne schöne Zeile, die u.A. auch in einem klischeebehafteten Videospiel Verwendung fand: "Der Preis der Freiheit ist ewige Wachsamkeit". Wir haben hier im Land viel mehr Freiheiten als in vielen anderen Teilen der Welt. Die haben wir aber nur weil wir eben diejenigen, die diese Freiheiten einschränken wollen, um ihre eigene Grundordnung durchzusetzen, regelmässig in die Schranken weisen.

(und nein, für vorschnelle Parteiverbote bin ich auch nicht. Mich würde es z.B. viel mehr freuen wenn die Afd z.B. durch die Wähler dafür abgestraft werden würde, dass ihr Parteiprogramm nur Streichungen für sozial schwache und nur Entlastungen für mittel- bis Großverdiener vorsieht. (Parteiprogramme... sollte man mal lesen, teils echt interessant) Aber scheinbar kann die primäre Wählerschaft von denen nicht lesen, oder verstehen was sie liest. Oder es ist ihnen wegen anderer "Qualitäten" egal.)


Bei Deiner Auflistung der Bands hast Du nebenbei Umbra et Imago vergessen, wenn wir schon bei schlimmen Dingen sind ;)
Und Du begehst den Fehler von einem Extrem in ein anderes zu verfallen. "Ministerium für Wahrheit" ist natürlich Käse, wie wär es stattdessen mit überprüfbaren Informationen? Oder mal anders gesagt: Auch politische Kabarettisten wie Volker Pispers hauen gerne mit Zahlen um sich um Empörung, Entsetzen und bittere Lacher zu provozieren. Aber auch denen passieren da mal Fehler - teils steckt vielleicht auch Absicht dahinter - und einige Zahlen sind schlecht oder verfälschend gewählt.

Der Traum wäre ein Volk, welches über genügend Bildung verfügt, um das, was sie hören und sehen selbständig zu hinterfragen und zu bewerten. Das gibts aber nicht, das Volk als Masse ist leider dumm und lenkbar.

Gibt da einen schönen Vergleich zwischen Orwell und Huxley, 1984 gegen Schöne neue Welt:
Orwell warnte davor, dass wir durch das, was wir fürchten, kontrolliert werden.
Huxley warnte davor, dass wir durch das, was wir lieben, kontrolliert werden.

Überwachungsstaat, der Informationen zensiert und beschneidet vs. vollkommen freier Staat, in dem wichtige und richtige Informationen im Sumpf der Unterhaltung und unbedeutenden Zerstreuungen und dem Konsum untergehen.

Ich glaube, wir befinden uns eher in letzterem. Heisst nicht dass ich zu ersterem hinwill, eine gesunde Balance zu finden ist aber nicht einfach.

Alte Pizza:
Ich höre Platten, Cd's und Kassetten.  :)

Mir reicht das.

banquo:
Die Diskussion ist übrigens schon wieder weiter enteilt: mit India Arie ist jetzt die nächste Musikerin ist auf den Zug aufgesprungen, weil leichter kommt man im Moment ja auch nicht an Aufmerksamkeit:

https://edition.cnn.com/2022/02/01/entertainment/india-arie-joe-rogan-spotify-race-cec/index.html

(Ich warte eigentlich stündlich darauf, dass auch die Transrechtsaktivisten ihre Empörung von vorletztem Jahr noch mal hochholen, die Gelegenheit ist ja gerade günstig.) Ob Spotify sich mit dem Exklusivdeal da so einen Gefallen getan hat, das können wohl nur die Datenauswerter in Stockholm sagen. Ich vermute, es ist netto immer noch ein Plus, weil die meisten Leute, die sich da im Internet drüber aufregen, eh keine großen Profitbringer für den Anbieter sind. Am schlausten ist wahrscheinlich wirklich, es einfach auszusitzen.

Ich komm aber noch mal auf das gleiche Thema zurück wie in dem anderen thread: jedesmal, wenn man auf eine solche Art (Haltung zeigen! Alles falsche bekämpfen, überall und jederzeit!) die Normen in einem Bereich verschiebt, dann lädt man doch effektiv seine politischen Gegner dazu ein, genau die gleichen Mittel und Taktiken zu verwenden. Und dann denk ich wieder, so kurzfristig denken kann doch eigentlich keiner - aber anscheinend ja doch, das ist jetzt wohl okay. Wird ja auch nie die öffentliche Meinung in eine andere Richtung kippen, und die Hollywood Blacklist ist ja auch schon ewig her, an die muss man sich nicht mehr erinnern.

Unabhängig von Joe Rogan, und nur meine persönliche Meinung: manche Leute  glauben, sie würden schlau und pfiffig wirken, wenn sie von "so ein Pferdeentwurmungsmittel" sprechen. Aber Ivermectin ist für die Behandlung von Parasiten für Menschen zugelassen und wird in dieser Kapazität weltweit genutzt, und es  wird echt nicht lustiger, je öfter man es wiederholt.

Bezüglich des Nutzens von Ivermectin im Zusammenhang mit Covid verweise ich gern auf diesen Mammuttext von dem Slate Star Codex-Menschen aus letztem Jahr:

https://astralcodexten.substack.com/p/ivermectin-much-more-than-you-wanted

Sehr stark zusammengefasst: Ivermectin wirkt gut gegen Würmer und wenn man die hat, dann ist es gut, Ivermectin zu nehmen, weil sich das Immunsystem danach besser auf Covid konzentrieren kann. Gegen Covid selbst hat es wahrscheinlich keinen Effekt, auch wenn es immer wieder neue Studien dazu gibt:
 https://www.reuters.com/business/healthcare-pharmaceuticals/japans-kowa-says-ivermectin-effective-against-omicron-phase-iii-trial-2022-01-31/

banquo:

--- Zitat von: Jack_N am 31 Januar 2022, 11:44:00 ---Ich glaube der Unterschied hier ist dass Rogan aktiv Menschen schadet (u.A. durch verhementes Wettern gegen Impfungen) und damit eine Linie überschreitet.
Ich kann als Talkshow-Host Menschen mit diversen Meinungen/Hintergründen/Einstellungen interviewen ohne mir deren Meinungen zu eigen zu machen. Mit kritischen Fragen in jede Richtung hinterfragen, und dem Zuschauer ein eigenes Urteil überlassen - das wäre für mich z.B. neutraler Journalismus.
Das ist hier, nach dem was ich bisher gehört hab, nicht der Fall.


--- Ende Zitat ---

Mal ganz dumm gefragt, und aus ehrlicher Neugier: wie viele Folgen seiner Sendung hast du selbst angehört? Bzw: aus welcher Quelle hast du dich über seine Sendung informieren lassen? Andere Leute kommen da nämlich zu ganz anderen Einschätzungen: https://www.newstatesman.com/culture/2022/02/joe-rogan-spotify-controversy-isnt-about-truth-its-about-control

Jack_N:
Ich hab in ein paar Teile mal reingehört, aber ich komm mit ihm als Person nicht klar. Das mag meine Einschätzung der Sache zusätzlich trüben - ich sähe für mich persönlich keinen Verlust darin, wenn er nicht mehr online wäre.
Und ja, ich weiss dass Ivermectin (dessen Einnahme ihm nachgesagt wird) auch für Menschen verschrieben wird (eben zur Entwurmung - dafür wurde es ja auch gemacht).
Und dass er auch pro-Vax-Gäste online hatte. Die ihn übrigens auch live korrigierten, z.B. als er behauptete dass Myocarditis genauso häufig oder häufiger durch eine Impfung auftreten würde als durch die Infektion mit Covid. Der schnelle Fact-Check ergab, dass die Chance bei Covid etwa 8x höher liegt - seine Reaktion war dann "this is not what I read before, what are we reading here, where are we getting this from".
Das Problem ist glaub ich weniger der Inhalt, sondern wie dieser präsentiert wird. Er könnte hingehen und sagen: Es steht die und die Behauptung im Raum, die einen sagen so, die anderen so, lasst uns mal Quellen vergleichen. Stattdessen haut er erstmal ein Statement raus, welches kontrovers oder schlichtweg falsch ist. Wird danach zwar korrigiert, aber wenn man dann in entsprechenden Kreisen ein "Best of Rogan about Covid" zusammenschneidet, dann hat man eine Reihe an "Facts", die dieser bekannte Talkhost ja raushaut.

Und ich glaube da liegt das Problem gerade.

Dass sich die Medien mit der Berichterstattung über ihn wiederum ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckern - keine Frage, CNN ist genauso scheisse bisweilen, und die NYT hat genau wie andere Medien da auch tief ins Klo gegriffen (siehe die Posse um Naomi Wu, die ja mit der halben Welt ein Sozialexperiment betreibt: Kann eine Frau sich optisch aufreizend präsentieren und dennoch wegen ihrer technischen Begabung wertgeschätzt werden? Spoiler: Im Westen nicht.).

Was aus dem von Dir verlinkten Artikel hingegen stimmt ist, dass wesentlich größerer Kack sich noch auf Spotify befindet. Das betrifft andere Inhalte genauso wie Musik, bei so manchem Text der im letzten Jahr da aus den Lautsprechern schallte dachte ich nur: Oha, da sind aber schon Songs wegen geringerem früher einkassiert worden.
In allen Fällen waren das dann aber Bands oder Leute, von denen man nix gehört hat (und teilweise danach auch nie wieder), sprich: Ohne Reichweite, nur für eingeweihte Kreise oder per Zufallsalgorithmus in irgendeiner Playlist. Haben damit aber schonmal mehr Reichweite als sie es früher im Radio je gehabt hätten (erinnert sich noch jemand an die Radiosender der 90er? Wo tagein-tagaus gefühlt dieselbe Charts-Playlist runtergedudelt wurde? In den 2010ern wars dann in den Onlinevarianten diverser Radiosender hier der Fall, wir haben auf der Arbeit immer Webradio nebenbei laufen gehabt und konnten nach drei Tagen die Reihenfolge der Songs für diesen Monat mit absoluter Genauigkeit aufsagen).


Wie steht es eigentlich um andere Streamingdienste? Tidal, Deezer, Amazon Music, was gibts sonst eigentlich noch?

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