Schwarzes Hamburg > Musik und Bands
Ist Streaming bald am Ende?
Jack_N:
Interessante Wendung hier übrigens im Bereich Youtube:
In den USA gibts ja diese "Fair Use"-policy, nach der z.B. eine Wiederverwendung von Inhalten (Musik, Videos) erlaubt ist, wenn man diese verfremdet.
Ein Kanal eines berühmten Youtubers, der Anime-Serien diskutiert und inhaltlich auseinandernimmt, wurde von Toei animation (Dragonball Z usw...) mit Copyrightklagen überschwemmt. Sie haben erst versucht direkt über Youtube seinen Kanal löschen zu lassen, als Youtube da nicht mitspielen wollte über 150 Videos von ihm manuell geflaggt, und schließlich eine Liste von 86 Videos vorgelegt die sie beanstanden und die sie nicht demonetarisiert, sondern komplett gelöscht wissen wollten, mit der Aufforderung, dass auch alle anderen von ihm gelöscht werden sollten.
Nach der Fair-Use-Clause waren die aber alle in Ordnung.
Youtube will in solchen Fällen jetzt Regionalblockings anwenden, wie sie es zunächst ja in D auch mit Musikvideos gemacht haben. Damit wären die Videos nur noch in den Ländern zu sehen, wo man gesetzlich die Nutzung nicht beanstanden kann. Ansonsten müssen die Rechteinhaber in diesen Ländern gegen die dort vorherrschende Gesetzgebung klagen.
Die Idee dahinter finde ich ansich nicht schlecht. Das sollte dann aber auch weltweit so angewandt werden, das überall die jeweils gültigen Länderstandards eingehalten werden. Und nicht die amerikanischen Sichtweisen überall aufgepfropft werden.
RaoulDuke:
--- Zitat von: nightnurse am 27 Januar 2022, 11:58:17 ---Bisschen clickbaity dramatischer Threadtitel? ^^
--- Ende Zitat ---
Jetzt fühle ich mich aber ein kleines bisschen durchschaut. ;)
Der allgemeine Stil der Medien färbt halt ab auf mich, aber ich habe wenigstens vermieden, ins Feld zu führen, DaSs WiR AlLe StErBen WeRdeN!!!!1!!EINS, AHHH! 8)
--- Zitat von: Jack_N am 27 Januar 2022, 15:45:22 ---Edit: Grad Zahlen gelesen. Neil Young kommt bei Spotify auf ca. 6,5mio Aufrufe pro Monat. Rogan auf über 200 Millionen...
--- Ende Zitat ---
Ja, Joe Rogan kommt bei seinen Sendung auf etwa 20 mal so viele Zugriffe wie im Internet veröffentlichte Beiträge von CNN, berichtete Callum von den Lotus Eaters. Spotify hat sich größte Mühe gegeben, ihn an Bord zu holen, und von dem, was ich bisher vernehmen durfte, hat er zwar manchmal ziemlich skurrile Chaoten in seiner Show, aber aus allen Richungen, und diskutiert sachlich mit ihnen. Die paar Schnipsel, die ich hören konnte, fand ich sogar ziemlich interessant. Besagter Podcaster von Lotus Eaters verglich daraufhin die Aktion von Neil Young mit einem Bankräuber, der in eine Filiale läuft, sich selbst eine Waffe an den Kopf hält und ruft "Geld her oder ich schieße!" ... und dann tut keiner was. Also: BÄM, Neil Young ist weg und Joe Rogan noch da.
Auch wenn ich es wegen Neil Youngs Musik schade finde: Das war auch eine echt dumme Aktion.
--- Zitat von: Jack_N am 27 Januar 2022, 15:45:22 ---Wo ich Dir, Raoul, aber widersprechen muss ist die Vielfalt. Spotify ist mir gerade in den letzten Jahren primär dadurch aufgefallen, dass "unangenehm-politische" Musik auf der Plattform sich breitgemacht hat. Von eindeutig-zweideutigem Deutschrock, über auf einmal auftauchende russische Songs zweifelhafter Qualität wird einem immer mehr solches Zeug in die "Neu" und "Mix der Woche"-Playlists gespült, vor allem da man es beim reinen Nebenbeihören auch manchmal schlichtweg nicht mitbekommt (könnte auch Eisbrecher sein oder so).
--- Ende Zitat ---
Das finde ich echt interessant. Das Problem habe ich überhaupt nicht, aber vermutlich, weil ich jede Band, die ich höre, direkt auswähle oder sie zumindest aus dem Radio-Stream eines mir bekannten Künstlers kommt. Dass da irgendwas auftaucht, was mich inhaltlich aufregt, ist echt selten. Aber ich höre auch so ziemlich nichts, was stilistisch unangenehm Politisches aufwirbelt, und die alten Punks, die dürfen das irgendwie bei mir, das ist ja irgendwie Folklore, und schon so lange her.
--- Zitat von: BaerndME am 27 Januar 2022, 14:06:07 ---Man könnte aber eine Lektion lernen: Ob die Öffnung eines MUSIK-Streamingdienstes für (politische) Podcasts eine gute Idee ist. Oder ob man bei Musik bleiben sollte.
Man kann auf Spotify ohne Probleme Burzum hören, bei der Suche nach Störkraft oder Landser sieht es schon schlechter aus. Hier hat man ja offenbar schon Regularien, die sicher auch nicht jedem passen, die aber noch keinen Massenboykott der Plattform ausgelöst haben.
--- Ende Zitat ---
Ich glaube, ich habe in meinem Leben noch keinen Song von Störkraft oder Landser gehört, geschweige denn gesucht. Aber es ist eben die Frage, wo man die Grenze zieht - und ich selbst hätte sie gerne weit. Burzum ist ein gutes Beispiel, eigentlich ein perfektes, weil ich Abscheu über die Taten von Varg Vikernes empfinden kann und die Musik cool finden. Ich hatte Sorge, dass die Grenze nun in Bewegung gerät, tut sie aber wohl nicht.
Politische Podcasts sind aber echt eine Frage. Ich bin ja generell dafür, dass alle mit allen diskutieren, aber die Zeiten sind nicht mehr so. Vielleicht sollte es einen Streming-Dienst für Musik geben, und dann so Services wie Podcasts nach politischen Lagern unterteilt. Das ist ja bei Social Media ja schon Usus, bei der Presse sowieso, bei den großen Konzernen (vgl. Gilette und Wilkinson), bei Banken (hier kann spannende Dinge über die Bank of America googlen) und fast allem anderem. Musik ist noch ein Medium für alle, und ich hoffe, das bleibt noch ein Weilchen so.
Eisbär:
--- Zitat von: RaoulDuke am 27 Januar 2022, 11:40:49 ---Die Plattform wird sich (mit etwas Pech) entscheiden müssen, ob sie Vielfalt oder Haltung vertreten möchte.
--- Ende Zitat ---
Du verwendest den Begriff "Vielfalt" in dem Zusammenhang falsch oder zumindest fragwürdig.
Wenn man Deiner Definition der Darstellung von Vielfalt in den Medien folgen würde, hätten wir ein noch schlimmeres false balancing in selbigen als wir es eh schon haben.
Ich verstehe auch nicht, wieso eine Musikplattform jemanden verbreiten lässt, dass man Corona mit Pferdeentwurmungsmedikamenten behandeln kann.
Jack_N:
--- Zitat von: Eisbär am 30 Januar 2022, 11:03:05 ---
--- Zitat von: RaoulDuke am 27 Januar 2022, 11:40:49 ---Die Plattform wird sich (mit etwas Pech) entscheiden müssen, ob sie Vielfalt oder Haltung vertreten möchte.
--- Ende Zitat ---
Du verwendest den Begriff "Vielfalt" in dem Zusammenhang falsch oder zumindest fragwürdig.
Wenn man Deiner Definition der Darstellung von Vielfalt in den Medien folgen würde, hätten wir ein noch schlimmeres false balancing in selbigen als wir es eh schon haben.
Ich verstehe auch nicht, wieso eine Musikplattform jemanden verbreiten lässt, dass man Corona mit Pferdeentwurmungsmedikamenten behandeln kann.
--- Ende Zitat ---
Ganz einfach: Weil es Geld bringt.
Wie schon geschrieben, 200 Millionen Aufrufe, und an jedem verdient Spotify. Wenn er dort jederzeit und ohne Probleme gehört werden kann, dann rennen als die "Meinungsfreheitskämpfer" zu Spotify, weil ja dort noch echte Meinungsfreiheit herrscht (sprich: Die Leute, die absolut nachprüfbare und gefährliche Lügen verbreiten, dies ungestraft tun dürfen im Dienste des Kapitalismus). Da Spotify ansich schon jetzt mit abnehmenden Abozahlen zu kämpfen hatte (der Wert brach grad ca. 9% ein, das hatte mit dem Typen aber nix zu tun, sondern mit allgemeiner Abwanderung) ist scheinbar einigen Leuten alles Recht, was Abonnenten bindet.
RaoulDuke:
--- Zitat von: Jack_N am 30 Januar 2022, 17:51:53 ---[...] ist scheinbar einigen Leuten alles Recht, was Abonnenten bindet.
--- Ende Zitat ---
Und das ist gut so.
Die Alternative würde ja darin bestehen, dass ein "Ministerium für Wahrheit" oder eine andere Stelle alle Informationen und Musik vorselektiert und es Spotify dann gestattet, diese zu veröffentlichen, wenn die Prüfung erfolgreich war. Das kann nicht richtig sein - es ist schon gut, dass die Leute selbst entscheiden können, was sie hören, und von wem. Das abzulehnen würde ja die implizite Annahme treffen, dass die Hörer nicht selbstverantwortlich handeln können und gelenkt werden müssen... Und will das jemand? Denn:
Dann wäre nämlich Schluss mit Burzum (Satanismus!), mit Gangster-Rap (Sexismus! Gewaltismus!), mit Slime (Extremismus!), mit Goethes Erben (schlimmer Einfluss auf die Jugend! ... oder, äh, Fans), mit Joe Rogan (Rechts!), mit Das Ich (Umstritten!), mit Combichrist (Sexismus!), eigentlich mit Neofolk generell (Rechts!), mit Punk (Extrem! Schlechter Einfluss!), mit politischen Kommentaren jeder Art (Wozu? Es gibt doch das Ministerium für Wahrheit!) .... setzen sie diese Liste nach Belieben fort.
Entweder Menschen sind selbstverantwortlich, dann dürfen sie frei wählen was sie tun oder hören, oder sie können nicht selbstverantwortlich handeln, dann dürfen sie eben nicht frei wählen und müssen gesteuert werden. Aber wäre es dann nicht besser für sie, sie zu ihrem eigenen Glück zu versklaven? Dann würden sie auch endlich damit aufhören, zu viel Alkohol zu trinken, zu rauchen, nachts so lange aufzubleiben, zu viel zu Reisen und das auch noch mt Flugzeugen, sowas klimaschödliches wie Autos oder Häuser zu kaufen oder gar frei ihre unverantwortliche Meinung zu äußern, und und und...
OK, "I am getting carried away", zugegeben, aber das ist genau die Bruchlinie. Das Wesen des Culture War besteht ja in der Frage der Annahme verantwortliche Menschen > freie Märkte machen das schon ("der Markt regelt" ;) ), unverantwortliche Menschen > sie müssen gezwungen und gelenkt werden, zu ihrem eigenen Glück von höheren Stellen wie der Politik, und dann ist alles gut. Bis irgendwer, irgendwann dann die Frage stellt "Sind Politiker denn keine Menschen?"
.... um den bisherigen Stand der Debatte einmal zusammenzufassen. Die muss hier nicht geführt werden, aber Spotify ist das neueste Opfer der Kollision dieser Denkweisen, und ich glaube, trotz des in meinem vorangegangenen Post geäußerten vorsichtigen Optimismus wird es hier (wie auch überall sonst) keinen Kompromiss geben können, sondern eine Spaltung. Immerhin haben sich ja nun Meghan und Harry aus dem britischen Königshaus eingeschaltet, dann landet das in der Klatschpresse, jeder berichtet darüber, die Debatte brandet auf, und wie bisher jedes mal wird vermutlich die politische Korrektheit gewinnen, dann kommt es durch Konfliktparteien oder Solidaritätsbekundungen zum Riss. Youtube demonetarisiert ja auch klar anhand politischer Linien, und so wird es auch hier sein.
Also hat man zukünftig vermutlich zwei oder megr Plattformen. Hoffentlich bekommt die zweite Plattform das dann besser hin als die Facebook-Alternativen Parler (haben sich von Amazon AWS abschalten lassen und durch konzertierten Aktivismus der Gegenseite ihre Reputation unheilbar schädigen lassen) oder GAB (haben technische Probleme und lassen zu viel schlechten / abschreckenden Content zu, so dass sich hier auch kein Gleichgewicht einstellen mag)... Ich bin gespannt.
Schade eigentlich. Warum vertragen sich die Menschen nicht einfach. Aber es war schon immer so: In Glaubensfragen* schlagen sich die Leute seit bevor Geschichte aufgeschrieben wurde die Köpfe ein, warum sollten sie jetzt damit aufhören? Und unser Culture War geht ja noch, gegen den 30jährigen Krieg, oder die spanischen Eroberer von Südamerika, oder oder oder.... Die Hüter der ewigen und einzigen Wahrheit waren schon immer aktiv im Kampf gegen die Anderen, die einfach die Unwahrheit sagten, schlimme oder falsche Sachen dachten oder anderweitig auf den rechten Weg gewiesen werden mussten.
* Glaubensfragen: Ja, es geht hier nicht um einen Gott, oder welcher der richtige wäre. Dennoch steht eine fundamentale Grundannahme des Seins in Rede - unterschiedliche Ansichten darüber, was der Mensch für ein Wesen ist und was seine Rolle auf der Welt ist. Und das hat fundamentale Auswirkungen auf jeden Lebensbereich, auf jeden Lebensentwurf und auf die Gesellschaft sowieso. Und wie die vergangenen Jahre gezeigt haben, gibt es hier nicht die Spur eines Kompromisses, und beide Seiten profitieren von einer Eskalation. Das wird also weitergehen. Wann es Spotify trifft war nur eine Frage der Zeit. Spannender ist eigentlich, was als nächstes kommt.
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