Schwarzes Hamburg > Politik und Gesellschaft

Das Desinformationszeitalter?

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BaerndME:

--- Zitat von: RaoulDuke am 21 Juni 2021, 11:48:38 ---Mein Problem ist nun: Was ist die Falschinformation? Dass das Virus aus einem Labor kommt? Dass es nicht aus einem Labor kommt?

--- Ende Zitat ---

Verschwörungstheorie (und nicht unbedingt unberechtigte Frage): "Kommt das Virus womöglich aus einem Labor?"
Falschinformation: "Das Virus kommt aus einem Labor!".

Ich sehe hier vor allem das Problem, dass aus 1 schnell 2 wird. 1 muss ausgeschlossen werden, das geht nur mit Hilfe der chinesischen Regierung / Behörden. Wenn es ausgeschlossen wurde und immer noch als Verschwörungs-dings im Raum steht, ist es keine Verschwörungstheorie mehr, sondern ein Verschwörungsmythos, und somit eine Falschinformation.

"Im Zweifel für den Angeklagten" verliert in unserer Gesellschaft für meinen Geschmack viel zu viel an Bedeutung. Das muss leider auch für so Dinge wie "Putin und der Giftanschlag auf Nawalny" gelten.

("Theorie" hier: Umgangssprachlicher Gebrauch für "These", nicht zwangsläufig wissenschaftlich)

Jack_N:
Marilyn Manson hat ja viel Mist gebaut, aber seine Ausführungen zur Kontrolle durch Angst in Bowling for Columbine stimmen irgendwie noch heute.
Nicht nur die Werbung, allgemein alle Medien bombardieren uns mit negativen Schlagzeilen aller Art, und schüren so Angst vor möglichen Konsequenzen. Weil es aber immer mal wieder Zeiten gibt, in denen nichts großartig negatives im direkten Umfeld passiert (und seien es nur wenige Tage), werden also Schlagzeilen von ganz weit weg sehr nah rangeholt, und gleich gefragt: Was hat das für Auswirkungen für uns? Für unser Leben?

Wie in der Werbung ( Kauf dies, sonst bist Du schlechter dran als Dein Nachbar, nimm das Deo sonst will Dich niemand umarmen etc...) wird einem suggeriert, dass gewisse Dinge ursächlich verantwortlich sind für eine gefühlte private Misere.
Nun sind gewisse Leute empfänglicher für solche Botschaften, und die Presse springt in die Bresche, um an ihnen zu verdienen. Frei nach dem Motto: Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten.

Und dort wo die Presse dann noch durch einen Ethikrat oder eigene Zurückhaltung ausgebremst wird, finden sich im heutigen Zeitalter genug Bauernfänger auf YT, Facebook und co, die alles noch eine Stufe weiter aufdrehen, um so von den leicht beeinflussbaren Menschen zu profitieren. Es ist schon eine Tragik, dass es ausgerechnet diejenigen, die dagegen wettern dass sie und ihre Vorfahren immer ausgenutzt wurden, auf solche Scharlatane reinfallen.

Genau hier müssten ein Mechanismus ansetzen der - wie Bærnd es so schön formuliert hat - beim Unterschied zwischen 1 und 2 ansetzt und Klarstellungen und deutliche Aussagen verlangt.
Das kann in der offiziellen Presse funktionieren, würde aber vermutlich dazu führen, dass diese von den "freidenkenden" Beeinflussern noch stärker als jetzt schon als staatlich gesteuert denunziert wird.
Wir haben uns also mit der freien Verfügbarkeit der Medien unser eigenes Grab geschaufelt, denn im Endeffekt ist es sogar leichter, Desinformationen und schlichtweg Lügen zu verbreiten, als redaktionell bearbeitete und geprüfte Beiträge.
In einer Welt, in der nur noch Schnelligkeit zählt, nimmt letzteres dementsprechend ab.

nightnurse:

--- Zitat von: BaerndME am 19 Juni 2021, 18:09:05 ---Gutes Thema.
Schwere Fragen.

--- Ende Zitat ---

Und jeder hat Antworten \o/

Meine Mutmaßung wäre, daß es hilfreich wäre, schon früh irgendwas zur Medienkompetenz in den Lehrplan einzubauen (und über dessen Inhalte habe ich seit über 30 Jahren keine Informationen). Zu meiner Zeit™ haben wir in Deutsch und Geschichte Grundlagen der Quellenevaluation gelernt. Und Formen von Fehlschlüssen und Pseudoargumenten zu erkennen.
Nicht, daß ich das noch alles wüsste, aber ich bilde mir ein, es wäre was kleben geblieben. Hilft allerdings nicht allen, ich kenn da ehemalige Mitschüler :-X ::).
Und es gab TV-Sendungen wie "Nepper, Schlepper, Bauernfänger", sehr lehrreich (und das meine ich nur halb ironisch, denn viel von dem, was da draußen so vorgeht, ist genau das).
Heutzutage müsste Mensch zusätzlich wissen, wie man eine Suchmaschine sinnvoll bedient, wie man dem Ursprung von Nachrichten und Bildern auf den Grund gehen kann, was ungefähr "Wissenschaft" eigentlich ist und wie sie geht...ich glaube nicht, daß Bildung ein Allheilmittel ist, aber ich denke, sie könnte vielen helfen, wenn man sie richtig vermittelt.

Weitergehende staatliche Medienkontrolle, als es sie schon gibt, halte ich für ne schlechte Idee.

Was übrigens auch unglaublich hilfreich sein könnte, wäre, wenn nicht alle unbedingt zu restlos jedem Thema eine dezidierte Meinung haben zu müssen glauben würden*, sowas geht heutzutage nicht mehr, weil man nicht über restlos alles ausreichend Bescheid wissen kann. Und dann müsste man damit leben können, auf Experten vertrauen zu müssen, was wiederum das Problem birgt, wie man per Daumenpeilung Experten von "Experten" unterscheidet bzw man müsste aushalten, einfach mal "ich weiss das nicht" zu sagen o.o Was auch toll wäre, wäre: Mehr Geduld und mal abwarten, was am Ende rausgefunden wird (denn am Ende finden SIE alles raus), statt unablässig wild quiekend durchs Dorf schwärmenden Ferkeln hinterherzurennen.
Pardon, ich dachte, ich schreib mal nen Wunschzettel, ist bald Weihnachten >:(




*da fehlen bestimmt noch ein paar Hilfsverben, aber ich hab keine mehr.

BaerndME:

--- Zitat von: nightnurse am 25 Juni 2021, 12:18:18 ---
--- Zitat von: BaerndME am 19 Juni 2021, 18:09:05 ---Gutes Thema.
Schwere Fragen.

--- Ende Zitat ---

Und jeder hat Antworten \o/

--- Ende Zitat ---

Bedingt.
Ich bin von meiner politischen Einstellung her ja "eher links". Merkt man, ne? Also eher links als liberal. Das bedeutet, dass ich auch denke, dass Legislative, Executive und Judikative an entscheidenden Stellen eingreifen sollten, wenn es darum geht, zutiefst menschliche, aber leider zerstörerische, weil z.b. egoistische, Verhaltensweisen und Neigungen bei Menschen einzudämmen. Das geht banal los, dass jemand in den Knast kommt, wenn er einen anderen umbringt, geht aber auch so weit, dass ich denke, dass Superreiche um so viel mehr besteuert werden sollten, dass man es auch vor dem kleinen Mann noch vertreten kann.

Und an der Stelle hier bin ich ratlos.

Dein Vorschlag: Ja gerne, besser als Jahrelang Gedichte von Goethe zu analysieren, aber ich frage mich, wie groß der Tropfen oder Schluck auf den heißen Stein wirklich wäre.
Analogie: Ich habe  in 7 Jahren Gymnasium 4 gefühlt komplette Schuljahre im Geschichtsunterricht erzählt bekommen, wie schlimm das 3. Reich und der Holocaust waren. Und schau dir an, wie viele Nazis da draußen rumlaufen...
Schulunterricht ist ganz sicher nicht die Lösung.
Und ich? Ich hab echt keine. :(

Jack_N:
Das Problem ist, dass Unterricht eben nicht gleich Unterricht ist.
Du hast das so erzählt bekommen, auch bei mir wurde das relativ gebetsmühlenartig wiederholt.
Dann gabs an der Schule aber eine Religionslehrerin in der Orientierungsstufe, die ihre kompletten Klassen immer am 20. April zu Kaffee und Kuchen eingeladen hat um den Geburtstag "eines alten, guten Freundes" zu feiern.
Einen anderen Lehrer, dessen Geschichtsunterricht an der Grenze zur Oberstufe schonmal darin bestand, dass man sämtliche Panzertypen Deutschlands durchging, und der in der Kriegsschuldfrage für Deutschland bezüglich erstem Weltkrieg "einen eindeutigen Freispruch" und was den zweiten Weltkrieg anging "nur eine Teilschuld" sah.
Auch das genaue Gegenteil, wir hatten auch einen anderen Geschichtslehrer, der komplett umgekehrte Ansichten hatte.

Von einem neuen Schüler, der zur 10. Klasse aus Mecklenburg-Vorpommern zu uns stieß hörten wir, dass weder die DDR noch die Nazizeit Teil des Unterrichts bei ihm waren - da hörte Geschichte kurz vorm ersten Weltkrieg einfach auf.
Wohingegen wir sogar damals schon Dinge wie Kriege aufgrund von Ressourcen in Kombination mit dem Erdkundeunterricht (und den tollen Karten im Diercke-Weltatlas bezüglich Ressourcenverteilung) anschaulich behandelten. Aktuellere Konflikte eingeschlossen.

Du hast halt nicht an jeder Schule denselben Unterricht. Und es ist nie alles schwarz und weiss, selbst mit demselben Lehrplan hast Du unterschiedliche Lehrkräfte, die die Rahmenbedingungen vielleicht umsetzen (teils nicht mal das), aber dann ihr eigenes couleur reinbringen. Das kann durchaus prägen, und wenn Du dann ein und denselben Lehrkörper im z.B. einzigen Gymnasium in zig Kilometer Umkreis hast, der in der Oberstufe ein bestimmtes Fach unterrichtet, dann prägt das mehrere Generationen. Vor allem, wenn dieser auch noch vom Auftreten her eine Respektsperson ist, der man das, was sie sagt, abnimmt. Das man auch mal Aussagen von Lehrern in Zweifel ziehen sollte wird ja selten genug gelehrt an Schulen, macht ja auch nur Arbeit wenn die Schüler ständig fragen.
(einer unser Physiklehrer war da ziemlich cool, er sagte frei heraus, dass viele Dinge für die Schule extrem heruntergedummt werden, damit man es überhaupt in solchen Runden und mit unserem Mathematikverständnis beibringen könne. Für uns reiche es aber Grundlagen über gewisse Dinge zu wissen, so dass wir diese im Alltag anwenden und Situationen einschätzen können, wessen Neugier geweckt würde, der könne immernoch ein Studium beginnen und das Wissen vertiefen. Haut irgendwo ja auch hin. Oder anders ausgedrückt: "Ihr wollt die Entfernung Erde-Mond wirklich mit Ellipsen statt Kreisen berechnen? Also, stimmt zwar, aber: Seid ihr größenwahnsinnig?")

Es gibt ja auch Gedanken, wonach Hausaufgaben Mist sind. Und in vielen Fällen würde ich da zustimmen, besonders so, wie unser Mathelehrer sie gehandhabt hat zu Beginn der Oberstufe (jede Stunde die Aufgaben des letzten Males durchgearbeitet, dabei sich selbst verrechnet, schließlich immer einen 1er-Schüler nach der richtigen Lösung gefragt, und dann die nächsten Sachen aufgegeben). Aber so ab und an hat es nicht geschadet einen größeren Aufsatz zu schreiben, oder ein Referat zu halten und dafür zu recherchieren, und dann auch Fragen zu den eigenen Quellen zu beantworten.

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