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Jack_N:
Mal ein anderer Gedanke: Wenn sich jemand ein Hilfssystem wie Arbeitslosenhilfe oder Harz IV ausdenkt, dann steckt da ja auch der Gedanke dahinter, dass man Leute wieder ins Arbeitsleben zurückbringen will. Um das aber erfolgreich hinbekommen muss man schon einiges über die Person wissen, denn ansonsten können keine vernünftigen Jobangebote ausgestellt werden. Denn es kann jemand ja sehr gute Qualifikationen auf einem bestimmten Gebiet haben, wenn er aber nicht in Teams arbeiten kann oder will, dann wird es schwer, ihn in eine Firma zu vermitteln, die nur in Gruppen arbeitet.
Dann liegt ihm vielleicht ein etwas eigenbrötlerischer Job mehr, wo er weniger verdient, aber seine Ruhe und Abgeschiedenheit hat.
Das das System ansich dann im Eimer ist, das ist leider ein ganz anderes Thema, und hat (mal wieder) mit der Ineffizienz zu tun, mit der in Deutschland mit Steuergeldern umgegangen wird. Dieses "wir müssen das Budget dieses Jahr ausgeben, sonst bekommen wir nächstes weniger" und so weiter (was ja auch in Firmen verbreitet ist).
Die Gründe, warum jemand in der Obdachlosigkeit landet, sind dann wieder sehr individuell. Teils natürlich Suchtgründe, die dann einen aus dem sozialen Raster fallen lassen, ein großer Teil hat aber auch was mit Stolz und Unabhängigkeitswillen zu tun, dem Gedanken dass man nie Hilfe brauchte (und vielleicht auch vom eigenen Mindset her keine annehmen mag/kann), und dass man niemandem auf der Tasche liegen möchte.
Aber da gibts keine Formel, die auf alle passt, was wiederum auch staatliche Hilfen so schwierig macht, da diese selten flexibel sind.
Eisbär:
--- Zitat von: RaoulDuke am 17 Mai 2021, 15:31:50 ---Eine Absicherung im Falle von Arbeitslosigkeit, Privatinsolvenz oder anderen potentiellen Auslösern von Not sollte privatwirtschaftlich organisiert sein.
--- Ende Zitat ---
Wie gut eine private Sozialversicherung funktioniert, sieht man ja am amerikanischen Krankenversicherungssystem.
--- Zitat ---Gegen solche Strukturen, wie sie das Hartz IV-System schafft, sollte man sich wehren. Da könnte es doch eigentlich mal eine Allianz zwischen finsteren Kapitalisten und ununterbrochen die Internationale-singenden Superlinken geben, auch wenn der Börsengang der Sozialamts-Würstchen dann leider ausfällt.
--- Ende Zitat ---
Das System wurde von Kapitalisten entworfen (Peter Hartz) und wird von Kapitalisten bis aufs Blut verteidigt, garantiert es doch einen gigantischen Niedriglohnsektor.
BaerndME:
--- Zitat von: Eisbär am 18 Mai 2021, 21:22:55 ---
--- Zitat von: RaoulDuke am 17 Mai 2021, 15:31:50 ---Eine Absicherung im Falle von Arbeitslosigkeit, Privatinsolvenz oder anderen potentiellen Auslösern von Not sollte privatwirtschaftlich organisiert sein.
--- Ende Zitat ---
Wie gut eine private Sozialversicherung funktioniert, sieht man ja am amerikanischen Krankenversicherungssystem.
--- Ende Zitat ---
Ja, das sehe ich auch so. Lebenswichtige Dinge wie Sozialversicherung, Wasser, Strom, Gesundheitswesen, Polizei und Feuerwehr gehören nicht in private Hand.
--- Zitat von: Eisbär am 18 Mai 2021, 21:22:55 ---
--- Zitat ---Gegen solche Strukturen, wie sie das Hartz IV-System schafft, sollte man sich wehren. Da könnte es doch eigentlich mal eine Allianz zwischen finsteren Kapitalisten und ununterbrochen die Internationale-singenden Superlinken geben, auch wenn der Börsengang der Sozialamts-Würstchen dann leider ausfällt.
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Das System wurde von Kapitalisten entworfen (Peter Hartz) und wird von Kapitalisten bis aufs Blut verteidigt, garantiert es doch einen gigantischen Niedriglohnsektor.
--- Ende Zitat ---
Von Kapitalisten, die nicht weit genug denken. Real hilft dieses System niemandem.
Deswegen denke ich, dass die schöne, in Konjunktiv und "eigentlich" gewickelte, Utopie, die Raoul hier formuliert, schon klar geht.
Jack_N:
Ich bekomme dank Familie, die seit Jahrzehnten im Gesundheitssystem tätig ist, ständig live mit wie sehr dies durch die Privatisierung der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, und den damit verbundenen Gewinndruck kaputtgemacht wurde und wird.
Der Mensch zählt dort nur als Kosten- und Zeitfaktor. Ob eine Genesung durch eine andere Behandlung besser möglich wäre ist irrelevant, wenn diese Behandlung z.B. einen längeren Aufenthalt bedeuten würde.
An den im Krankenhaus liegenden Patienten wird kaum verdient, die Operationen und sonstigen Behandlungsschritte sind es, die die Kasse klingeln lassen. Wenn man Patienten schneller heim schicken kann, dann werden Betten schneller frei, ergo können sie schneller mit neuen Patienten belegt werden.
Das ist die einzige Rechnung. Es werden eher neue Leute für die Wäscherei eingestellt um die Bettwäsche schneller zu wechseln, als zusätzliche Pfleger. Dass man auf Station wenn man wegen Schmerzen oder anderen Beschwerden die Klingel drückt nachts locker mal 1 bis 1,5 Stunden warten muss bis eine Schwester bei einem ist, weil teilweise eine einzelne sich um eine Station mit einem Dutzend Zimmern kümmern muss, das ist die Norm.
Anderes Beispiel: Entbindungen. Kaiserschnitte wurden in den 80ern teilweise 14 Tage lang im Krankenhaus betreut. Heutzutage gehen die Mütter teils 2 Tage nach einem Kaiserschnitt mit dem Kind nach Hause. Wo man sie früher hat ruhen lassen werden sie heute teils am selben Tag an dem die OP war mobilisiert und mit Hilfe auf die Toilette geschickt, und sollen das dann anderthalb Tage später alleine daheim schaffen. Womöglich noch ohne Partner, der ihnen mit dem Neugeborenen helfen könnte, weil der arbeiten muss.
Angeblich wird der Heilungsfortschritt verbessert durch die frühe Mobilisierung. Im Endeffekt wird der Körper durch Schmerz und Bewegung in das Gefühl versetzt, dass es nicht sicher ist sich auszuruhen, und mobilisiert Kräfte, damit die Heilung beschleunigt wird - auf Kosten der langfristigen Ausdauer und Gesundheit. Aber das Bett ist wieder frei, yay.
Im ersten Covid-Lockdown wurden Operationen abgesagt, gleichzeitig das Personal aber in Kurzarbeit geschickt. War natürlich Wasser auf die Mühlen all derer die sagten: Wir haben ja gar keine Intensivbettenknappheit. Aber was war der wahre Grund?
Für leere Betten wurde eine Prämie gezahlt, damals noch unabhängig davon, ob Personal bereitstand um diese Betten zu bedienen. Also haben die Krankenhausbetreiber das Kurzarbeitsgeld vom Staat für die Mitarbeiter eingeholt, gleichzeitig aber die Bettenprämie, da beides zusammen mehr Geld einbrachte als die Operationen.
Natürlich ist das auch durch die Zahlungen der Krankenkassen bedingt. Ein befreundeter Radiologe, der mit seinem Geschäftspartner ein MRT in die eigene Praxis stellte, konnte diese nur gewinnbringend betreiben, weil sie an ein Krankenhaus angeschlossen war. Er sagte schon vor 20 Jahren wörtlich: "Wenn ich jedem Kassenpatienten, der für ein MRT vorbeikommt, 50DM in die Hand drücke und ihn wieder wegschicke, dann hab ich Gewinn gemacht."
Betrieb des Gerätes, Wartung, dafür notwendiges Personal etc... haben damals so hohe Kosten verursacht. Die sind mit modernen Apparaten niedriger, aber die Anschaffung ist immernoch ein Millioneninvest, der wieder reingeholt werden will.
Und dieses "wieder reinholen" ist meiner Meinung nach das Problem. Gerade Dinge wie Sozial- und Gesundheitssystem dürfen NIEMALS vollständig privatisiert werden. Denn ansonsten haben wir noch schlimmere Zustände als in den USA.
Die Resultate sind den Privatfirmen egal, sie wollen nur die Abläufe soweit optimieren, dass sie dem Buchstaben der Anforderungen genügen und Gewinn machen.
Es wäre also in einer privat geführten Arbeitslosenverwaltung egal ob die Leute Arbeit bekämen. Ich würde sogar prognostizieren, dass es dort gewollt sein würde, dass sie langfristig KEINE Anstellung bekämen, damit sie so lang wie möglich in Programmen gehalten werden, für die ja der Staat zahlt!
Siehe privat geführte Gefängnisse in den USA. Wenn Häftlinge dafür Geld zahlen müssen (und zwar sehr viel) dass sie Bücher lesen dürfen, dann läuft was falsch. Rehabilitation? Fehlanzeige, man will seine künftigen Kunden ja nicht verlieren.
RaoulDuke:
--- Zitat von: Eisbär am 18 Mai 2021, 21:22:55 ---
--- Zitat von: RaoulDuke am 17 Mai 2021, 15:31:50 ---Eine Absicherung im Falle von Arbeitslosigkeit, Privatinsolvenz oder anderen potentiellen Auslösern von Not sollte privatwirtschaftlich organisiert sein.
--- Ende Zitat ---
Wie gut eine private Sozialversicherung funktioniert, sieht man ja am amerikanischen Krankenversicherungssystem.
--- Ende Zitat ---
Ja, das funktioniert nicht gut. Wie gut dagegen die staatliche Organisation funktioniert, sieht man hingegen am katastrophalen deutschen Rentensystem, der unkontrolliert ausaufernden Staatsverschuldung und nicht zuletzt dem Impfdesaster.
--- Zitat von: Eisbär am 18 Mai 2021, 21:22:55 ---
--- Zitat ---Gegen solche Strukturen, wie sie das Hartz IV-System schafft, sollte man sich wehren. Da könnte es doch eigentlich mal eine Allianz zwischen finsteren Kapitalisten und ununterbrochen die Internationale-singenden Superlinken geben, auch wenn der Börsengang der Sozialamts-Würstchen dann leider ausfällt.
--- Ende Zitat ---
Das System wurde von Kapitalisten entworfen (Peter Hartz) und wird von Kapitalisten bis aufs Blut verteidigt, garantiert es doch einen gigantischen Niedriglohnsektor.
--- Ende Zitat ---
Es ist immer so eine Krux mit Begrifflichkeiten und der Frage, wen und was sie meinen.
Leute wie Herr Hartz, dem wir die diese unseligen Reformen verdanken, haben mit ihrem Handeln aus meiner Sicht mit freier Marktwirtschaft wenig zu tun. Wenn das so wäre, würde alles in Vertragsbeziehungen zwischen gleichberechtigten Personen (natürliche oder juristische) organisiert, ohne Zwang. Das war hier aber meines Erachtens gar nicht das Ziel: Es ging vielmehr um etwas, was ich "Staatskapitalismus" nennen würde. Hier haben der Staat und mächtige Interessenvertreter so etwas wie ein Kartell gebildet, zum Nachteil derjenigen, die nicht im Kartell sind. Große Arbeitgeber haben natürlich ein Interesse, Druck ausüben zu lassen auf die Gegenseite bei der Verhandlung über einen wesentlichen Kostenfaktor, die Lohnkosten. Mit Freiwilligkeit oder Gerechtigkeit hat das alles gar nichts zu tun und das war nach meiner Hypothese auch nie der Plan.
Ich würde ja beispielsweise niemals einen Vertrag mit einer Versicherung abschließen, die mich so behandeln darf wie der Staat Hartz IV-Bezieher. Das würde ich nur tun, wenn mich eine übermächtige Institution dazu zwingt, beispielsweise durch die Möglichkeit zur Entziehung meiner Lebensgrundlagen. Der Staat darf ja, und das darf man aus meiner Sicht niemals vergessen, wenn man Dinge in die Hände eines angeblich "liebevollen" Vaters Staat legen will, viel mehr als wir. Er darf Eigentum wegnehmen, er darf einseitig mit uns Verträge schließen, ohne dass wir einwilligen müssen, er darf uns einsperren und letztlich, wenn wir nicht den Gesetzen gehorchen, auf uns schießen und uns töten. Zugegeben, eine extreme und (zu) vereinfachte Darstellungweise, aber der Merksatz gilt: Wenn wir uns verhalten würden wie der Staat, würden wir verhaftet werden. Wer will denn mit so einer Institution zu tun haben, wenn er nicht unbedingt muss?
Das ist auch nicht der Kapitalismus, den ich meine. Ich bin eher in Richtung (wenn auch nicht zu absolut 100%) in Richtung Anarcho-Kapitalismus unterwegs. Ich mag keine Institutionen, die zwingen, die unterdrücken und Gewalt ausüben dürfen. Für mich ist der Staat in der Idealvorstellung so etwas wie der Hausmeister: Aufgaben, die zusammen besser gehen als alleine, oder fachlicher gesprochen die Bereitstellung öffentlicher Güter wie Strassenbeleuchtung, die kann man über darüber "poolen", sonst bleibt nicht viel. Über Polizei und Militär kann man noch diskutieren (pure Anarcho-Kapitalisten lehnen selbst das ab, finde ich aber unpraktikabel). Ein eheamliger Großkonzern-Manager, der für die Regierung Gesetze verfasst, die dann anschließend aufs Rücksichtsloseste den Schwächsten aufgezwungen werden, hat in meiner Welt aber keinen Platz (nein, das ist nicht ad hominem - seine Handlungsweise und Rolle meine ich).
Mit der Frage, welche Rolle man dem Staat zubilligt, ist es allerdings sowas wie eine Glaubensfrage, mit deren Diskussion ich an anderer Stelle so haarsträubend schlechte Erfahrungen gesammelt habe, dass ich das nur irgendwann mal beim Kaltgetränk weiterdebattieren würde.
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