Schwarzes Hamburg > Politik und Gesellschaft
Spenden / Geld geben / Helfen
BaerndME:
Kam in einem anderen Fred auf, im Zuge von Raouls Gedanken zu Obdachlosen.
Jeder hat da so seine Einstellungen, was er wann wo gibt, wie viel und so weiter. Gut ist auch, dass jeder andere Prioritäten setzt, so dass am Ende alle irgendwie was bekommen.
Mich interessiert das mal, wie das hier bei euch so ist. Gebt ihr was auf der Straße? Spendet ihr regelmäßig? Für wen? Tiere, Kinder, Kranke, Obdachlose, Afrikaner?
Ich gebe auf der Straße nie was, weil man nicht weiß, wer das da eigentlich bekommt, ob Bedürftiger oder "Großverdiener". Ich kann auch mit den Situationen der Menschen nicht umgehen und will das auch nicht.
Geld bekommt von mir Viva con Agua, weil ich denke, dass Trinkwasser für die Kinder in Afrika erstmal ein so radikales Grundbedürfnis ist, dass da die Baustelle ist, die priorisiert behandelt werden sollte.
So, nu ihr.
Gerne mit Diskussion.
käx:
Schön mal wieder abseitig von C. ein Thema zu besprechen :)
Ich spende/ helfe/ gebe (Geld) sehr häufig; mache das aber auch vom individuellen Gefühl
der Situation abhängig.
Eben habe ich z.B. einem im Stadteil bekannten hilfsbedürftigem Menschen einen Kaffee vom
Bäcker mitgebracht. Vor einiger Zeit wurde ein Spendenaufruf gemacht, mit dem ihm durch die
Nachbarschaft ein Wohnwagen gekauft wurde, damit er einen festen, verlässlichen Schlafplatz hat, auch daran habe ich mich mit 50 € beteiligt.
Grundsätzlich gebe ich jedem etwas, unabhängig davon, ob es wie eine konstruierte Geschichte aussieht ("brauche noch genau 2,60€ damit ich mir eine Rückfahrkarte nach XYZ kaufen kann")
ob sich die Leute davon etwas zu essen für sich oder ihre Tiere kaufen oder die Kohle für Drogen oder sonstwas ausgeben spielt für mich keine Rolle, ich denke
es fällt jedem grundsätzlich schwer andere Leute nach Geld zu fragen, da kann ich ihnen die Moral sparen und wenn durch meine Hilfe ihr Leben nur für einen Moment besser ist, dann ist ja auch schon mal gut.
Neulich traf ich bei einem abendlichen Spaziergang einen Afrikaner, der mir in gebrochenem Englisch eine Geschichte erzählte, in deren Folge ich ihm 20 € gab, hab die Geschichte nicht so richtig verstanden, aber er sah echt abgefucked und verzweifelt aus.
Im letzten Jahr als wir mit Geschäftskollegen eine Soliaktion gestartet hatten, für Künstler
die in Not geraten sind (wegen der C-Maßnahmen), habe ich Schallplatten für die Losaktion gespendet und selbst Lose gekauft. Abgesehen davon habe ich private Zeit investiert um andere Leute zu animieren mitzumachen (im Ergebnis konnten wir 8 Menschen je 500 € spenden)
Ich könnte jetzt weitere unzählige Beispiele nennen, aber es gibt auch Dinge die ich nicht unterstütze, und das sind Spendenaktionen (teure Fernsehclips zu Weihnachten mit traurigen afrikanischen Kindern) , Spenden
an große Organisationen, auch wenn ich deren gutgemeinte Ziele z.Tl. unterstützendswert finde.
Ich finde aber die Hilfe vor Ort wichtiger, als Geld zu spenden, welches dann zu mehr als die Hälfte
in Verwaltung versickert, Drücker davon bezahlt werden, oder das Geld bei zwielichtigen Warlords endet. Und die Kirche, die bekommt auch keinen Cent von mir.
Überhaupt: Leute ("Drücker") die mich mit irgendwelchen Suggestivfragen vollquatschen ("Sie sind doch sicher auch gegen Gewalt gegen Kinder") ignoriere ich komplett.
Im letzten Jahr habe ich meinen Corona(weihnachts)bonus von 1000 € in kompletter Höhe gespendet.
Das hatte allerdings auch damit zu tun, dass ich kein Geld annehmen wollte, das mich "ruhig stellen" soll. (verdammt! jetzt bin ich doch wieder bei C. ;D )
Das habe ich dann zu je 50 und 100€ Chargen auch mal tatsächlich an Institutionen gespendet, deren Arbeit ich in dieser Zeit (für mich, meine Priorität) für sehr wichtig erachte.
Klagepaten, Ärzte für Aufklärung, Anwälte für Aufklärung, Eltern für Aufklärung und diverse Alternative Medienformate, die Werbeunabhängig arbeiten und auf Spenden angewiesen sind.
Helfen durch was auch immer, es muss ja nicht immer Geld sein - ein Obdachloser z.B. freut sich auch über ein viertelstündiges Gespräch - finde ich sehr wichtig.
Geben ist seliger denn Nehmen. Ist sogar wissenschaftlich belegt :P
BaerndME:
Das mit dem Wohnwagen klingt cool. Ich hab nur die Befürchtung, dass es da in Deutschland drölftausend Gründe gibt, warum man rechtlich gesehen nicht einfach im Wohnwagen leben darf...?
Hat das denn funktioniert?
käx:
--- Zitat von: BaerndME am 17 Mai 2021, 09:48:25 ---Das mit dem Wohnwagen klingt cool. Ich hab nur die Befürchtung, dass es da in Deutschland drölftausend Gründe gibt, warum man rechtlich gesehen nicht einfach im Wohnwagen leben darf...?
Hat das denn funktioniert?
--- Ende Zitat ---
Ja, das hatten die zum Glück vorher geklärt. Der Wagen steht jetzt irgendwie so auf halböffentlichem/halb privaten Grund. Ist behördlich wohl gedulded, wie das langfristig
aussieht weiß ich nicht, zumal der "Betroffene" nicht sehr ordentlich ist und um den Wagen
herum alles zumüllt. Aber auch dort helfen Leute ihm und entsorgen mit ihm gemeinsam regelmäßig
den ganzen Messieplunder.
RaoulDuke:
--- Zitat von: käx am 17 Mai 2021, 09:27:03 ---Ich spende/ helfe/ gebe (Geld) sehr häufig; mache das aber auch vom individuellen Gefühl
der Situation abhängig.
--- Ende Zitat ---
Das Thema bewegt mich sporadisch auch immer wieder.
Ich finde Deine Einstellung toll käx (die mit den Spenden jetzt ;) ), aber ich konnte mich selbst bisher nicht zu einer klaren Linie durchringen.
Ich bin ja prinzipiell libertär bis ins Mark, also der Auffassung, dass jeder seines Glückes Schmied ist. Dazu gehört auch, dass ich Lebensentwürfe respektiere, die extrem weit weg von meinem eigenen sind, und niemandem meine Auffassung aufzwingen möchte - und bekanntermaßen auch keine Auffassung anderer Leute aufgezwungen bekommen möchte. Das Schicksal ist aber gelegentlich nun einmal sehr launisch und bringt Leute in dumme Lagen, indem sie einfach maximales Pech haben oder durch die Umstände zu schlechten Entscheidungen gebracht wurden. Das ist daher ein Abwägen: Benötigt jemand Hilfe - will er sie überhaupt?
Auf der Strasse Geld geben ist eigentlich nichts, was ich tun würde - schon aus Sicherheitserwägungen. Warum? Als ich etwa 15 war, war ich mit einem Freund in der Innenstadt unterwegs und wir wurden von einer Gruppe Strassenpunks nach Geld gefragt. Mein Freund, wie ich aus einem Umfeld, wo so eine Lebensweise völlig fremd und unverständlich erschien, fragte in seiner jugendlichen Naivität "Wofür braucht Ihr das denn?" Falsche Frage. Die Punks hielten ihn fest, nahmen ihm sein Portemonnaie ab, langten ihm ein paar und einer drückte anschließend seine Zigarette an seinem Augenlid aus. Ich war zu schwach, zu jung und zu unerfahren um irgendetwas anderes zu tun, als panisch zu gucken. Das war am hellichten Tag in einer Fußgängerzone - niemand griff ein, niemand blieb stehen. Alle gingen weiter, als sei es das Normalste der Welt, was da passiert. Danach galt für mich etwa 20 Jahre lang: Niemand bekommt auch nur einen Cent von mir. Mit aggressiven und zugedröhnten Leute verfahre ich noch heute so.
Das ist aber nicht die ganze Geschichte: Ich war eine ganze Weile sehr viel auf Reisen. Um die Städte kennenzulernen, in denen ich war, und auch weil ich es mir zur Gewohnheit gemacht hatte, ging ich öfter Abends einfach dort, wo ich war, spazieren. Natürlich nicht in Kleidung, die zu solchen Erlebnissen wie oben einlud - mit Cargohose und Kaputzenpullover kann man in eigentlich allen Gegenden im Geschehen erstaunlich gut untertauchen. Wenn man so Nachts durch Frankfurt geht, oder durch Berlin, dann bekommt man da teilweise eine ganz eigene Welt zu sehen, in der eine erstaunliche Anzahl von Personen einfach auf der Strasse lebt. Eine Frau schob ihren gesamten Besitz in einem Einkaufswagen herum, der vollbeladen war. Sie sah gar nicht so heruntergekommen aus. Ein junger Mann schlief mit einem Outdoor-Schlafsack vor dem Eingang einer Einkaufspassage. Unter einer vielbefahrenen Strasse einer europäischen Großstadt reihten sich die Zelte aneinander. Auf einem Platz, der Anlaß zu meinem Ausgangsposting gab, saßen Männer und Frauen mittleren Alters zusammen, tranken Bier, erzählten sich Dinge und lachten. Die wohnten dort, im Lärm und Dreck, mit ihren Sachen hinter sich. Das war wirklich traurig anzusehen - Leute wie wir eigentlich, nur vom Schicksal gebissen worden. Das widersprach so heftig meiner eigenen Lebenswelt, dass mir die Diskrepanz zu hoch war. Andererseits: Es gibt in Deutschland eine sehr große Zahl von Hilfsangeboten, man kann Wohnungen und Essen vom Staat bekommen, ein Heer von Sozialarbeitern ist aktiv. War das nicht also freiwillig?
Ich habe irgendwann angefangen, "Sachspenden" zu geben. Als ein Obdachloser bei unfassbarer Kälte und scharfem Wind auf einer Brücke in der Nähe des Hamburger Bahnhofs Dammtor saß und ich noch über eine halbe Stunde bis zu meinem Termin ganz in der Nähe totzuschlagen hatte, ging ich zu McDonalds und kaufte ihm einen Kaffee. Wenn ich mir Frühstücksbrötchen gekauft habe, kaufte ich einfach mehr als ich brauchte und stellte im Vorbeigehen die Tüte jemandem hin. Das ist ungefährlich, fühlte sich aber teils schäbig und herablassend an. Eigentlich wollte ich auslösen, dass die jeweilige Person aufsteht und selbst wieder ihrer Wege geht und nicht dort sitzen bleibt, aber das ging eben nicht. Ich habe manchmal auch das Gefühl, dass die hohe Dichte an Personen, die zum Beispiel in der Mönckebergstrasse sehr hilfsbedürftig aussehen, irgendwie professionell organisiert ist. Warum sonst sitzen manchmal die halbe Strasse entlang in ziemlich gleichen Abständen Personen mit Instrumenten auf der Strasse und musizieren, obwohl offensichtlich keiner sein Instrument wirklich spielen kann?
An Organisationen mag ich nicht spenden, zu sehr ist mir der Skandal in Erinnerung, in der der Geschäftsführer eines Obdachlosen-Hilfevereins mit den Spendengeldern einen schicken Maserati kaufte.
Tja. Helfen. Mir wäre wichtig, den Menschen zu zeigen, dass sie auch gleichwertige Menschen sind und nicht schlechter als andere. Anderseits: Müssten sie dafür nicht nur wollen? Und ist müssen wollen nicht auch müssen?
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