Schwarzes Hamburg > Kunst und Kultur
Erdichtetes
Alceste Molière:
Hast Du Eins, welches Dir besonders gefällt?
NACH DER LESE
Komm in den totgesagten park und schau:
Der schimmer ferner lächelnder gestade
Der reinen wolken unverhofftes blau
Erhellt die weiher und die bunten pfade
Dort nimm das tiefe gelb das weiche grau
Von birken und von buchs der wind ist lau
Die späten rosen welkten noch nicht ganz
Erlese küsse sie und flicht den kranz
Vergiss auch diese letzen astern nicht
Den purpur um die ranken wilder reben
Und auch was übrig blieb von grünem leben
Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.
Ihr rufe junger jahre die befahlen
Nach IHR zu suchen unter diesen zweigen
Ich muss vor euch die stirn verneinend neigen
Denn meine liebe schläft im land der strahlen
(George, Stefan: Das Jahr der Seele. Berlin, 1897)
Alceste Molière:
--- Zitat von: Multivac am 13 Oktober 2013, 00:46:52 ---Das mag ich am liebsten. :)
Hab mal mit 18 einen ganzen gedichtband von ihm abgeschrieben, handschriftlich, vom buch eines freundes :o
--- Ende Zitat ---
:D Die Nadel im Heuhaufen...
Oje, ja damals war's nix mit husch-husch copy & paste.
"Wer je die Flamme umschritt" ist auch klasse! Gefällt mir. :)
RaoulDuke:
Ich ließ meinen Engel lange nicht los,
und er verarmte mir in den Armen
und wurde klein, und ich wurde groß:
und auf einmal war ich das Erbarmen,
und er eine zitternde Bitte bloß.
Da hab ich ihm seine Himmel gegeben, -
und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;
er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,
und wir haben langsam einander erkannt...
---
Hat auch mein Engel keine Pflicht mehr,
seit ihn mein strenger Tag vertrieb,
oft senkt er sehnend sein Gesicht her
und hat die Himmel nicht mehr lieb.
Er möchte wieder aus armen Tagen
über Wälder rauschendem Ragen
meine blassen Gebete tragen
in die Heimat der Cherubim.
Dorthin trug er mein frühes Weinen
und Bedanken, und meine kleinen
Leiden wuchsen dorten zu Hainen,
welche flüstern über ihm...
---
Seine Hände blieben wie blinde
Vögel, die, um Sonne betrogen,
wenn die andern über die Wogen
zu den währenden Lenzen zogen,
in der leeren, entlaubten Linde
wehren müssen dem Winterwinde.
Auf seinen Wangen war die Scham
der Bräute, die über der Seele Schrecken
dunkle Purpurdecken
breiten dem Bräutigam.
Und in den Augen lag
Glanz von dem ersten Tag, -
aber weit über allem war
ragend das tragende Flügelpaar...
Rainer Maria Rilke (1909) - aus den "Engelliedern"
Jack_N:
Multi - ein himmlischer Spion? ;)
Und ja, das Gedicht ist schön :)
RaoulDuke:
Ich habe zwei Lieder ausgelassen, die eigentlich mittenrein gehörten... Da das tatsächlich jemandem gefällt gibt es in Kürze das Update auf "vollständig"...
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