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Machen wir uns nicht mitschuldig,wenn ...
Kenaz:
--- Zitat von: colourize am 08 August 2012, 17:49:39 ---[...]Dein Bedauern um das verlorengegangene Gottkaisertum kann ich so ad hoc überhaupt nicht nachvollziehen. Eine kurze Ausführung, was an einem solchen System erstrebenswert ist, wäre fein.
--- Ende Zitat ---
- Nun, das wundert mich kein bisschen, colourize, dass Du das ad hoc nicht nachvollziehen kannst. ;) "Was an einem solchen System erstrebenswert ist", kann ich Dir im übrigen wohl kaum plausibel machen, da ich es vor einem weltanschaulichen Horizont intuitiv sympathisch (nicht mehr, nicht weniger!) finde, den Du wohl schwerlich teilen wirst (was ich übrigens nicht wertend verstanden wissen will!). Ich versuch' aber trotzdem, mal ein wenig zu skizzieren, was ich meine:
Ich persönlich mag einfach die Vorstellung einer hierarchisch geordneten Herrschaftsstruktur, die ihre Legitimation "von oben" - also einer transzendenten Instanz - herleitet und eben nicht "von unten" - vom Volk bzw. dessen jeweils mehrheitsfähigen Befindlichkeiten. Diese Sympathie setzt freilich zwingend voraus, dass der Glauben an bzw. das Vertrauen auf diese legitimierende Instanz intakt und vital ist, womit es in unseren Breitengraden spätestens seit der "Aufklärung" zunehmend düsterer - und mittlerweile kohlrabenscharz - aussieht. Deshalb messe ich dieser meiner Sympathie auch keinerlei "gesellschaftliche Relevanz" bei, sondern betrachte sie als das, was sie faktisch ist: eine persönliche Vorliebe. Insofern werde ich mich auch hüten, zu behaupten, ein solches System sei generell "erstrebenswert". :)
Im übrigen bitte ich den Begriff des "Gottkaisertums" in diesem Fall nicht allzu (str)eng zu interpretieren. Um das, was ich meine, anhand eines einigermaßen unkontroversen Beispiels zu illustrieren: Stell Dir einen Crossover aus dem Staatskonzept Platons und dem Herrschaftssystem in Tibet vor der Annexion durch die Chinesen vor - irgendwie so was ähnliches schwebt mir vor.
Da allerdings, mit Nietzsche gesprochen, Gott mittlerweile mausetot ist, gibt es keinen Weg zurück: Wir stehen da, wo wir stehen, und können das Rad nicht zurückdrehen. Die Strukturen, die Gegenstand meiner persönlichen kleinen Utopie sind, sind - so sie denn überhaupt jemals in der angenommenen Idealform existierten, was ich durchaus bezweifele - nicht ohne Grund untergegangen und haben den Weg für die politischen Rahmenbedingungen freigemacht, mit denen wir uns heute konfrontiert sehen. Und vor deren Hintergrund sehe ich tatsächlich kein anderes System, für das ich mich ernsthaft stark machen könnte, ohne in pragmatische und - insbesondere - ethische (Selbst-)Widersrüche zu geraten, als eben: die Demokratie. Auch wenn ich vollkommen überzeugt bin, dass sie uns mittelfristig um die Ohren fliegen wird. Doch über kurz oder lang gilt das wahrscheinlich für jedes System, schließlich ist auch "Roma aeterna" irgendwann untergegangen. In der Welt der Erscheinungen gibt es nun mal weder Perfektion noch ewige Dauer. :)
--- Zitat von: colourize am 08 August 2012, 17:49:39 ---Sehr schöne Beispiele dafür, dass selbst bei demokratischen Wahlen oftmals die Falschen Herrscher werden. Bei traditionalen bzw. charismatischen Herrschaftsstrukturen, bei denen ja zudem *Personen* und nicht *Gesetzen* Folge zu leisten ist, bezweifele ich dass es großartig anders wäre. Zumindest erschließt sich mir das nicht ohne weiteres.
--- Ende Zitat ---
- Kann ich ebenfalls sehr gut verstehen und wenn ich die uns umgebende "Realität" als Maßstab nehme, teile ich Deine Zweifel vollumfänglich. Meine kleine Utopie setzt jedoch, wie oben bereis erläutert, funktionierende Grundlagen voraus - da sind per definitionem immer "die richtigen" an der Macht, schließlich sind sie der legitimierenden Instanz treu & demütig ergeben; und die, die hat nun mal immer recht, das liegt in ihrer Natur. ;D
NoName:
--- Zitat von: nightnurse am 08 August 2012, 12:46:42 ---Und da beisst sich dann die Katze in den Schwanz, nech.
Denn wie soll sich was ändern, wenn man keine anderen Leute wählt? ...
--- Ende Zitat ---
DAS ist ja das Problem, es GIBT keine anderen ! Namen, Gesichter und Parteien wechseln, aber der Typ Mensch, der uns angeboten wird ist vom Charakter / der moralischen Beschaffenheit her immer der gleiche.
--- Zitat ---Wenn man sich über "die Politiker als Gesamtheit" ... beschwert, aber keines der zwei Instrumente nutzt, die einem zur Verfügung stehen, sie in ihrem Treiben aufzuhalten, hat man auch nicht so recht das Recht, sich über ihre, äh, Arbeit zu beschweren, finde ich.
--- Ende Zitat ---
Auch so ein Beispiel, das zeigt, wie erfolgreich Politiker alles für ihre Zwecke instrumentalisieren:
Das Recht seine Ansichten zu äußern und damit auch sich zu beschweren, besteht unabhängig von der Wahrnehmung anderer (Wahl)rechte. Das weiß natürlich jeder. Trotzdem haben es die Politiker geschafft, im Bewußtsein der Menschen die Schleife zu setzen, dass sie quasi selbst für den kritisierten Umstand verantwortlich sind, weil sie ja nicht wählen gegangen sind - und also doch beim nächsten Mal dann wählen gehen müssen, wenn sich was ändern soll.
Tatsächlich unterdrücken sie einen demokratischen Grundprozeß, die Diskussion, der sich der Politker aber nicht stellen möchte. Stattdessen wird das Aufbegehren in die wirkungslose, aber für den Politiker nützliche Handlung der Stimmabgabe kanalisiert = breite Legitimation.
--- Zitat ---Es reicht nicht aus, das Kind nicht in den Brunnen geschubst zu haben, wenn man danebensteht und zusieht.
--- Ende Zitat ---
Da hat Kallisti ja schon ihre eigenen Erfahrungen geschildert, wie quasi aussichtslos es ist, "das Kind" retten zu wollen - es sind einfach zuviel andere da, die schubsen...
Eisbär:
Hunderttausend Menschen sagen "Einer alleine kann ja doch nichts machen".
NoName:
--- Zitat von: Kenaz am 08 August 2012, 16:17:03 ---
--- Zitat von: NoName am 08 August 2012, 12:37:31 ---Ich sehe Politiker als Gesamtheit als moralisch verkommene Menschen an, weil sie die Probleme und die Politik primär instrumentalisieren, um für sich selbst oder ihre Partei Vorteile zu ziehen. ...
--- Ende Zitat ---
- ...das, was Du hier kritisierst, wird schon bei Platon und in der Bibel kritisiert - und ... in moralischer Hinsicht haben wir uns in den letzten paar 1000 Jahren aber nur unwesentlich über das Bewusstsein des Neandertalers erhoben.
Das grundlegende Problem ist kein politisches, sondern ein zutiefst menschliches: Der Mensch ist nun mal ein essenziell rücksichtsloser, selbstsüchtiger & zutiefst garstiger Tropf. ...
--- Ende Zitat ---
Ich sehe die eigentliche Ursache auch dort. Und wenn man noch die Attribute dumm (womit nicht mangelnde Intelligenz gemeint ist !), oberflächlich und bequem hinzufügt, haben wir eine treffende Beschreibnung typischer Regierender - und Regierter (im demokratischen Teil der Welt Stimmvieh genannt).
--- Zitat ---... dass der ganze sozialistische Firlefanz nicht funktioniert, wurde uns in der Vergangenheit eindrucksvoll bewiesen ..., Diktaturen hatten wir auch schon, hat aber auch alles nicht geklappt.
--- Ende Zitat ---
Genaugenommen nicht. Der Grund, wieso beide Formen nicht funktioniert haben, ist wohl eher der, dass - wie üblich - "Neandertaler" die Räder gedreht haben.
NoName:
--- Zitat von: nightnurse am 08 August 2012, 16:52:46 --- ... Gibt es da eigentlich eine Untergrenze, ab der Wahlen ungültig werden? ...
--- Ende Zitat ---
Das würde mich auch interessieren, aber nicht so sehr, dass ich da große Nachforschungen anstellen würde. Wenn es so eine Untergrenze gibt, glaube ich aber nicht, dass sie je erreicht wird, weil es immer genug "Wahlvieh" gibt, welches sich neu "motivieren" läßt, bzw., falls es doch mal eng wird, wird eben doch das Wahlrecht mit 16 durchgebracht. Dazu gibt es ja einen separaten Thread.
--- Zitat ---... mit Der Partei/ NPD/ den Bibeltreuen Christen/ whatever, die aufgund der geringen Beteiligung auf einmal 15% der abgegebenen Stimmen erhalten haben), ...
--- Ende Zitat ---
Ich hab mich schon gefragt, wann dieses Argument kommt:
Es ist nur eine der Schleifen, die den Deutschen seit Jahrzehnten ins Hirn gesetzt wird. Dabei wird immer so getan, als gäbe es eine gleichbleibend hohe Zahl an rechten Stammwählern, die immer ihre Stimme abgeben bzw. zusätzliche Protestwähler, die den rechten Anteil nach oben pushen - das stell ich aber mal stark in Frage. Ich glaube, dass sich die rechte Wählerschaft anteilig aus genauso vielen treuen, frustrierten und wankelmütigen Personen zusammensetzt wie jede andere.
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