Stimmen insgesamt: 6
Erstmal Dank an colourize für die umfassende und wohlformulierte Darstellung all dessen, was mir Bauchschmerzen bereitet
(Kenaz, Du klingst grad etwas nach "Staship Troopers", also, dem Buch. Hat das irgendwer hier mal gelesen? Der gute Herr Heinlein koppelt da das Wahlrecht an den Willen zur Verteidigung der Demokratie mit Waffen und wirft auch sonst allerhand problematische Vorschläge in den Raum.)
Naja, "Mindestbildung" und "bis 3 zählen" reicht meiner Meinugn nach bei weitem nicht aus um vernünftig wählen zu können. Ich hatte bei der Überlegung gleich noch einiges mehr im Hinterkopf.
Allerdings: Wenn man via Prüfung genau die Personen herausdestiliert hat, die neutral denken, persönliche Interessen zurückstellen, wählen was deutshclandweit das Beste ist, egal ob sie pers. evtl dadurch irgendwie zu "leiden" hätten, dann hätten wir im Grunde auch gleich die idealen Politiker, was die Wahl wieder überflüssig machen würde.
Das Wahlrecht nur an Menschen zu vergeben, die eine wie auch immer geartete "Prüfung" bestanden haben, würde bedeuten den demokratischen Grundgedanken aufzugeben. Dieser besagt nämlich nicht, dass die Teilnahme an einer Wahl an Voraussetzungen gekoppelt ist, sondern vielmehr, dass alle Mitglieder eines Volkes ("Demos" heißt genau das) die Macht ausüben ("kratos" = Macht). Mal von der Frage, was denn da bitte geprüft werden sollte um die "Eignung zur Wahlteilnahme" festzustellen, mal völlig abgesehen... - bis drei zu zählen ja vermutlich nicht.
Erstens gerät unser System derzeit dadurch in Gefahr, dass die Macht da facto nicht vom Parlament ausgeht, sondern von unserem Wirtschaftsystem, Rating Agenturen und dem Bankenwesen. Diese geben die notwendigen politischen Entscheidungen vor, die dann - als "alternativlos" dargestellt - im Parlament legitimiert werden. Eine Opposition, die eine Handlungsalternative vorschlägt, gibt es doch de facto nicht - siehe die Abstimmung zu den Krediten für spanische Banken gestern im Bundestag. Wenn es aber keine Alternativen gibt, dann sind auch Wahlen ziemlich sinnlos. Zweitens gerät das demokratische System durch die Beschleunigung sämtlicher Entscheidungen in Gefahr. Wenn andauernd heute über etwas entschieden werden muss, was gerade mal gestern passiert ist ("Keine Kredite mehr für Spanien!", "Fukushima!" etc.), dann bleibt keine Zeit zum Nachdenken mit kühlem Kopf und kluge Beratungen. Ein Panik-Parlament winkt blind Gesetze durch - welche Typen ins Parlament gewählt wurden erscheint da eher als Nebensache.Drittens führen uns die jüngeren Fälle ACTA, der Mappus-Notheis-Deal sowie die jüngste Novelle des Meldegesetzes eindrucksvoll vor Augen, dass unsere Parlamentarier sich von PR-Maschen genauso blenden lassen wie das angeblich so dumme Wahlvolk. Egal ob ACTA-Befürworter, Datenhandel-Fürsprecher oder Mappus: allesamt entpuppen sich als lobbyistengelenkte Marinetten, die genau die Sprüche aufsagen, die ihnen die PR-Berater der entsprechenden Interessensgruppen zuvor gesteckt haben. Leider scheint parlamentarische Kontrolle nicht stattzufinden - und wo sie droht (BaWü) werden von den höchsten Vertretern unserer Demokratie (MP Mappus) bewusst und in hinterhältiger Absicht Schleichwege begangen um die parlamentarische Demokratie auszuhebeln. Wer mag sich angesichts dessen noch über "Politikverdrossenheit" und wachsende Nichtwählerzahlen wundern?Ich bin mir jedenfalls ganz sicher: Diese drei Punkte sind eine viel, viel stärkere Gefahr für die Zukunft unseres politischen Systems als die Frage danach, wer wählen darf und wer nicht.
Wenn ich mir überlege, wie ich selbst mit 16 unterwegs war, dann kann ich heute nur sagen: Mich als 16jährigen würde ich heute an keine Wahlurne mehr lassen - Gott bewahre! Schlicht & ergeifend, weil ich von Hormonschüben und wirren Vorstellungen gepeitscht eben gerade nicht über die nötige Reife und Abgeklärtheit verfügte, die ich heute für eine Wahlbeteiligung als unabdingbare Voraussetzung erachten würde.
Die paar 16-jährigen, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen würden, würden außerdem kaum das Wahlergebnis großartig beeinflussen (schlichtweg weil es zu wenig von ihnen gibt...Demographie und so), allerdings könnte es bei einigen Jugendlichen das Interesse an Politik wecken. Bei mir war es damals zumindest so. Da würde in meinen Augen das Positive das möglich Negative überwiegen.
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